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Morgenausgabe

Nr. 453

A 230

45.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Boll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wiffen"," Frauen. ftimme", Technit"," Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Dienstag

25. September 1928

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Drei Jahre Zuchthaus für Reim! Amerika   in Borderafien.

Der Staatsanwalt hatte Todesstrafe beantragt.

Nach etwa zweistündiger Beratung verkündete der Bor  -| in den Arbeitskommandos an die Hand zu geben, seien immer abge­figende im Fememordprozeß Legner folgendes Urteil: lehnt worden. Der Angeklagte Reim wird wegen Beihilfe zum Morde zu einer 3uchthausstrafe von drei Jahren sowie zu den Kosten des Verfahrens verurteilt. Von der Strafe gelten zwei Jahre 35 Tage als durch die Untersuchungshaft verbüßt.

Generalmajor Gudovius, der gleichfalls Kommandant von Küstrin   war, äußert sich in ähnlichem Sinne.

Die Urteilsbegründung führt aus, daß nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme Büsching einen überlegten morb an Legner begangen und Reim dem Büsching hierzu Beihilfe geleistet habe. Der Rechtfertigungsgrund der Verteidigung, daß Reim als Soldat auf Befehl gehandelt habe, schlage nicht durch. Denn einmal sei die Schwarze Reichswehr   feine Truppe im Rechtsfinne gewesen, sodann aber würde auch ein An­gehöriger der Reichswehr   auf Grund des Militärftrafgesetzes in solchem Falle nicht straffrei fein. Bei dem Strafmaß sei dem Angeklagten zugute gehalten worden, daß er von früher Jugend auf aus geordneten Verhältnissen gerissen sei und nur Krieg, Revolution und Aufstand erlebt habe, ferner, daß er geglaubt habe, seinem Vaterland durch seine Handlung einen Dienst zu erweisen.

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Aus der Verhandlung ist noch nachzutragen: Nach Abschluß der Bernehmung des Angeklagten werden ein Kantinenwirt und eine Reihe anderer Zeugen über die Persönlichkeit des getöteten Legner vernommen. Uebereinstimmend befunden diese Zeugen, daß es Legner mit mein und Dein nicht so genau genommen habe. Er habe sowohl in der Kantine Dieb stähle verübt und begünstigt, wie er auch Ausrüstungsstüde, Munition usw. gestohlen habe. Daß er im Solde der Entente gestanden hätte, wird von den Zeugen bezweifelt. Sie meinen, er habe für seine eigene Tasche gestohlen.

Generalmajor Fechner, der Kommandant von Rüstrin war und dem die Arbeitskommandos unterstanden, bestätigt dem Berteidiger, daß die Angehörigen der Arbeitskommandos der Meinung sein konnten, ein Berrat fönnte die Landesverteidigung aufs schlimmste gefährden und die Berhinderung eines Berrats diene dem Intereffe des Baterlandes. Seine wiederholten Gesuche an die Reichswehr  leitung, ihm Disziplinarmittel gegen etwaige Verräter

Der vom Reichswehrministerium gestellte Sachverständige Oberst v. Hammerstein erklärt, die Arbeitskommandos oder Erfassungs­fommandos hätten in jener Zeit nicht nur die Aufgabe gehabt, die im Lande verstreut herumliegenden Waffen zu sammeln, sondern auch als Kaders für die Gefahr eines von Osten drohenden Banden einfalls zur Notwehr des Vaterlandes zu dienen. Schon daraus habe sich ergeben, daß

die Organisation unbedingt geheim bleiben mußte. Es sei zuzugeben, daß die Leute eine gewisse Berechtigung hatten, fich als Soldaten zu fühlen. Rechtlich aber feien sie nicht Sol­baten gewesen und darum habe auch die Reichswehrleitung nicht die Möglichkeit gehabt, den mittleren Kommandostellen Diszi­plinarmittel gegen die Angehörigen der Arbeitskommandos an die Hand zu geben. Die Berhinderung eines Verrats sei unter diesen Umständen sehr schwierig gewesen. Das einzige Mittel sei gewesen, daß man den Befehlshabern der Arbeitskommandos immer wieder einschärfte, nur ganz zuverlässige Leute für diese Kommandos aus zuwählen.

Auch wenn man berücksichtigt, daß die Hauptschuldigen der Hauptmann Gutknecht und der Henker Büsching nicht mit auf der Anflagebant saßen, so ist Reim doch recht milde fortgekommen. Die juristische Konstruktion, daß er nicht mittäter, sondern nur Gehilfe bei der Tat gewesen fei, hat ihn, wie weiland den Rathenau  - Mörder Techow, vor der gefeßlich verwirkten Todesstrafe gerettet. Nachdem aber schwerer Belastete als Reim durch die Amnestie mit der höchftstrafe von 71 Jahren Gefängnis davongekommen find, wird man sich mit dem an sich zu geringen Strafmaß abfinden müssen. Aber eins soll man sich aus dieser Verhandlung merten: mit welch verbrecherischer Leichtfertigkeit in der Schwarzen Reichswehr Menschen als Verräter" festgestellt und umgebracht wurden. Der ganze ,, Berrat" des ermordeten Legner bestand in fleinen Diebstählen von Ausrüstungsgegen ftänden und Kantinenwaren, also Taten, wie sie beim ge­heiligten preußischen Kommis zur glorreichen Zeit Wilhelms gang und gäbemaren! Und dafür die Todesstrafe...

Faschiffendrohung in Desterreich.

Strenge Schutzbundbereitschaft.- Feststellung der Verantwortlichkeit.

Die Zentralleitung des Republikanischen Schuh­bundes hat für den 7. Oftober die strenge Bereit fchaft des Republikanischen Schußbundes für das ganze Bundesgebiet angeordnet. Für das Biertel unter dem Wienerwald werden besondere Weisungen ergehen.

Ueber die Vorgeschichte des drohenden Zusammenstoßes unter­richtet folgende Darstellung im Zentralorgan der Sozialdemokratie Deutschösterreichs, der Wiener   Arbeiterzeitung:

Die Heimwehren haben öffentlich angekündigt, daß sie ihre Truppen aus ganz Desterreich zusammenziehen werden. Sie haben, auf Mussolinis ,, Marsch nach Rom  " anspielend, öffentlich erklärt, daß fie das tun, um zu zeigen, daß sie vor ben Toren Wiens angelangt" feien. Sie haben öffentlich angekündigt daß fie, wenn das Parlament ihre Forderungen nicht erfüllt, wenn es ins besondere das dringendste Gesetz", nämlich den Abbau des Mieterschutes, nicht beschließen sollte, den gordischen Knoten mit Brachialgemalt entwirren" werden. Diese Tatsachen haben dem Heimwehraufmarsch in Wiener Neustadt   den Charakter einer faschistischen Demonstration gegen die Bet­fassung der Republit aufgeprägt.

Unsere Vertrauensmänner waren dadurch gezwungen, die Gegenfundgebung, den Arbeitertag am 7. Ottober zu beschließen. Hätten es unsere Vertrauensmänner darauf ankommen laffen, daß eine unorganisierte, ungeführte Masse gegen die Heimwehren demonstriert und wäre es dadurch am 7. Ottober zu gewaltsamen Zusammenstößen gekommen, jo hätte man uns wieder, wie nach dem 15. Juli, vorgeworfen, wir seien daran schuld, weil wir die Masse sich selbst überlassen hätten.

So ist die gefährliche Lage entstanden. Wir haben uns bemüht, die Gefahr zu beschwören. Dafür zeugt der Beschluß des Partei tages. Dafür zeugt der Schritt des Bürgermeisters von Wiener Neustadt  . Dafür zeugt endlich das Angebot, bas mir der Re gierung gemacht haben.( Wir haben darüber berichtet. Red. d. ,, B.") Damit haben wir alles getan, was wir tun fonnten. Es ist alles an dem Widerstand des Herrn Dr. Seipel und an der Schwächlichkeit

des Herrn Dr. Buresch, der es nicht wagt, als Landeshauptmann im eigenen Wirkungstreis unter eigener Verantwortung zu handeln, sondern sich selbst unter die Vormundschaft der Bundesregierung ge­stellt hat, gescheitert. Damit ist die Verantwortung für alles, was geschehen kann, festgestellt. Wie ist

die Haltung der Regierung, die Haltung Seipels

34 erflären? Seipel weiß, daß viele Elemente feiner Partei, vor allem viele radauluftige, von faschistischen Gedankengängen infizierte Elemente in den Ländern auf feiten der Heimwehren stehen. Er fürchtet, diese Elemente fönnten von der christlichsozialen Partei abfallen und sich gegen sie stellen, wenn er es wagte, dem Treiben der Hahnen­schwänzler Schranten zu setzen. Er ordnet ohne jedes Bebenten das Staatsintereffe, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu sichern, jeinem Parteiintereffe, die Faschisten nicht zum offenen Abfall von seiner Partei zu treiben, unier.

Dieses Verhalten zeigt, daß von dieser Regierung die Ver­teidigung der Republik   gegen einen bewaffneten Faschismus, der ganz offen und ungeniert in Steiermart und Tirol Scharffchieß. übungen mit Maschinengewehren veranstaltet, ganz offen und unbehelligt mit Brachialgewalt" gegen die Berfassung der Republit droht, nicht zu erwarten ist.

tod Wachsender Zusammenschluß.

Wien  , 24. September.

Anläßlich des Empfangs der Teilnehmer am Deutschen  Industrie- und Handelstag in Schönbrunn   hielt Bundes­minister Dr. Schürff eine Begrüßungsansprache, in der er u. a. jagte, daß die Berhandlungen vom Sommer, die in den bestehenden provisorischen Teilverträgen enthaltenen Vereinbarungen zusammen 3ufaffen und durch ergänzende Bestimmungen zu einem einheitlichen definitiven Bertrag auszubauen, in der allernächsten Zeit wieder aufgenommen werden sollen. Der Minister hob auch die große Wichtigkeit der Beziehungen zwischen Desterreich und Deutschland  auf dem Gebiete der Elettrizitätswirtschaft hervor, die fich erfreulicherweise immer enger gestalten.

Die Petroleum, da Petroleum  ".

Von Dr. Artasches Abeghian.

Die Vereinigten Staaten   von Amerika   pflegen die Monroe- Doktrin   zu vergessen, wenn es sich um ihre mirt­schaftlichen Interessen in anderen Erdteilen handelt. Seit einiger Zeit wenden sie ihre Aufmerksamkeit besonders dem Nahen Orient zu. Dem liegt vor allem der Drang nach neuen Delgebieten zugrunde. Ueberall dort, wo es nach Naphtha   riecht, sind auch amerikanische Unternehmer zu­gegen.

Das vor einigen Monaten getroffene Mossul.Del übereinkommen zwischen englischen, französischen und amerikanischen   Konzernen ist als ein erster Erfolg der Ameri faner in Borderasien zu bezeichnen. Bekanntlich gehörte an fänglich die Konzession des Mofjulpetroleums der sog. Turkish Petroleum Compagnie, an der Engländer und Deutsche be­teiligt waren. Nach dem Kriege fiel der deutsche Anteil den Franzosen zu. In Lausanne   1923 gelang es dem ,, Beobachter" Child, die Beteiligung Ameritas am Mosfulöl durchzusetzen. Das erwähnte englisch  - französisch- amerikanische Abkommen fetzt den Anteil der Standard Dil am Aktienkapital zur Aus­beutung der Mussul- Delfelder in Höhe von 23% Proz. fest. Die Anglo- Persian und Shell- Gesellschaften, sowie die Frans zofen erhalten je weitere 23% Broz. Der Rest von 5 Proz gehört einem der englisch  - holländischen Delkönige, dem Ar­menier Rülbentian. Die erste Erzeugung des mesopo­ tamischen   Petroleums hat stattgefunden. Demnächst erfolgt die Anlegung von Röhrenleitungen Mossul- Haifa am Mittel­ meer  . Die Amerikaner fassen also in Mossul   festen Fuß. Auch haben sie dort ihre Petroleummärtyrer" zu verzeichnen: bei den ersten Durchbohrungen von Erdölquellen haben zwei Amerikaner infolge der Delüberschwemmung ihren Tod gefunden.

Nicht fehr. weit vom Mofful- Naphthagebiet, in den Ges genden von Wan  , Bitlis   und Erzerum, liegen die Erdölfelder Türkisch- Armeniens, die noch völlig unbe rührt sind. Geologisch bilden. sie zusammen mit den Mofful- Erdölquellen eine Einheit. Was ihre Bedeutung er­höht, ist ihre verhältnismäßige Nähe um Mittelmeer   und namentlich zum Schwarzen Meer, wodurch also die zukünftige Ausfuhr erleichtert wird. 3war hatte der amerikanische   Ad­miral Chester schon vor dem Kriege Ronzessionsrechte für anatolische Bahnbauten und Ausbeutung dortiger Bodenschätze erhalten, diese wurden jedoch vor einigen Jahren türkischer­feits für nichtig erflärt. Dennoch bemüht sich, Amerika   nach wie vor um die Erhaltung der Konzeffion diefer Delfelder. Die türkische   Regierung ist ihrerseits gern dazu bereit, um eben auf diese Weise die von ihr so benötigten Anleihen reali­fieren zu fönen. Der Wunsch beider Parteien kommt aber trotz­dem nicht zur Erfüllung, weil Washington den Lausanner Vertrag nicht ratifiziert hat. Im Gegenteil, wiederholt und endgültig ist er und zwar gegen den ausgesprochenen Wunsch des Weißen Hauses  - abgelehnt worden. Die ameri­tanische und fürkische Regierung fahren nun fort, ihre wirt schaftlichen und politischen Beziehungen auf anderen Wegen zu regeln. Hierzu gehören auch die Berhandlungen über die Ausbeutung ostanatolischer Delfelder. Ferner legt Amerika  für türkische öffentliche Bauten reges Interesse an den Tag. Vor kurzem machten die Konstantinopeler Blätter die Mitteilung, wonach eine amerikanische   Gesellschaft mit An­gora eine Vereinbarung getroffen und 60 Millionen Dollars zu diesem Zwecke zur Verfügung gestellt haben soll. Hafenanlagen von Mersin   und Samsun  , sowie die Bahn­bauten Kaissari- Siwas solle die genannte Gesellschaft über­nehmen.

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Die

Aber auch im tautasischen Delgebiet mit dem Mittelpunkt Baku   dehnt das amerikanische   Kapital seinen Einfluß mehr und mehr aus. In ihrem Wettbewerb mit der englisch  - holländischen Royal- Duisch- Shell um das fautafische Delobjett hat die Standard- Dil 1927 den Sieg davongetragen. Das russische Naphthasynditat hat ihr jeine Interessenvertre tung im Nahen Orient und auf dem indischen Markt über­laffen. Nicht zulegt mit dem russisch- amerikanischen Naphtha­geschäft und dem darauf ausgebrochenen Kampf zwischen Deterding und Rodefeller stand auch der englisch­russische Abbruch im engsten Zusammenhang. Ferner ist im Kaukasus der Bau einer zweiten Baku  - Batum  - Röhren­leitung durch amerikanisches Geld in Aussicht genommen worden. Desgleichen organisieren die Amerikaner die faukasische Betroleumraffinerie in Batum  . Schließlich gehört die Konzession des kaukasischen Manganerzes in Georgien  dem Amerikaner Harriman. Der russisch  - amerikanische Handel entwickelt sich daher in den letzten Jahren lebhafter als in der Vorkriegszeit.

Das nord persische Delgebiet befindet sich in unmittelbarer Nähe Batus. Es ist demnach begreiflich, daß die Amerikaner bemüht sind, ihren Weg dorthin zu ebnen. Vor einigen Jahren hatte zwar die amerikanische   Sinclair­Gesellschaft die Konzession zur Ausbeutung nordpersischen Petroleums erhalten, in legter Minute mußte sie jedoch zurücktreten; ob infolge der Naphtha- Panamageschichte, an bie sie verwickelt war, oder aber infolge der Geldschwierig­