1928
Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts
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Nr. 458
B 227 45. Jahrgang.
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Palastrevolution.
In ber heutigen Ausgabe der Roten Fahne" tann man, be scheiden in einen Winkel auf der vierten Seite geklemmt und mit einer wenig auffallenden Ueberschrift versehen, das folgende lesen: Das Zentralfomitee faßte in seiner Sigung vom 26. September folgenden Beschluß:
Das Zentralfomitee mißbilligt aufs schärffte die Geheimhaltung der Hamburger Borgänge gegenüber den leitenden Inftanzen der Partei durch den Genossen Thälmann als einen die Partei schwer schädigenden politischen Fehler. Auf seinen eigenen Antrag wird diese Angelegenheit der Egefutive übermiesen, bis zu ihrer Erledigung ruhen die Funktionen des Genossen Thälmann .
Diesem Beschluß liegt folgende Tatsache zugrunde:"
Genosse Thälmann , dem persönlich kein Bormurf der Beteiligung an der Unterschlagung Wittorfs gemacht merden kann, hat mit einigen Genossen den Versuch gemacht, die ihm und den übrigen Genossen bekannt gewordenen Unterschlagungen Bittorfs den leitenden Instanzen der Partei porzuenthalten und unter Umgehung der Instanzen der Partei zu liquidieren. Da eine solche Handlung unvereinbar ist mit der Disziplin der Partei, da die Verlegung der Partei. disziplin durch einen verantwortlichen Parteifunttionär sehr schwer wiegt, tam das Zentralfomitee zu vorstehendem Entschluß.
Das Zentralfomitee tam dem Wunsche des Genossen Thälmann nach, ihm die Gelegenheit zu geben, seinen von ihm anerkannten schweren Fehler vor der Exekutive zu verantworten. Das Urteil der Erefutive wird veröffentlicht werden.
Es wird weiter mitgeteilt, daß drei Leute in Hamburg ihrer Funktionen enthoben worden seien, und daß der Beschluß des Bolbureaus, den ehemaligen Sefretär Wittorf megen Unter
Ihlagung von Barteigeldern aus der Bartei auszu
fchließen, bestätigt werde.
Warum fliegt Hindenburgs Transportarbeiter "? Thälmann also, der kommunistische Reichspräsidentenkandidat von 1925, Hindenburgs Transportarbeiter", ist nicht mehr. Ein nicht ganz alltäglicher Vorgang, daß der Vorsitzende einer Partei Knall und Fall seines Postens enthoben wird. Freilich ist er noch Borsitzender des Roten Fronttämpferbundes. Wie lange noch? Thälmann teilt das Schicksal seiner Vorgänger, von Brandler bis zu Ruth Fischer und Maslom. Sie wurden beseitigt, weil andere Kliquen sich an die Krippe Moskaus drängten. Aber ein Unterschied gegen frühere Vorgänge ähnlicher Art ist doch zu bemerken. Den bisherigen Führerputschen in der Kommunistischen Partei wurde so etwas wie eine politische Begründung gegeben. Mostau wollte nach 1923, daß ein linker Kurs gesteuert werde, also mußte Brandler fallen. Moskau wollte nach 1926, daß zur Abwechselung Kurs nach rechts genommen werde, also mußte Ruth Fischer beseitigt werden. Diesmal aber wollte Mostau Thälmann eigentlich halten, denn ein gefügigeres Werkzeug war nicht zu finden. Schon seit Monaten tobt der Kampf um die Führung der Kommunistischen Partei. In Berlin war es nicht gelungen, Thälmann zu verdrängen. Während der Tagung der Kommunistischen Internationale unternahm man in Moskau neue Vorſtöße gegen ihn, aber ein Machtwort Stalins und Bucharins sorgte dafür, daß sich die Kommunistische Partei Deutschlands weiter Thälmanns Führung erfreue, trotzdem seine Unfähigkeit offenfundig war. Was die Leute um Ewert mit politischen Mitteln nicht fertig brachten, das ist ihnen mit Hilfe des Hamburger Standals gelungen Daß Thälmann sich an den Unter. schlagungen beteiligt hat, deren die Hamburger Lokalgröße Wittorf beschluldigt wird, ist nicht anzunehmen. Aber er hat um sie früher gewußt, als seine Freunde in der Parteileitung, er hat ge fchwiegen und damit Bittorf ge de dt. Barum er geschwiegen hat, darüber könnte Bittorf die befte Auskunft geben. Und mit ihm jene Beute, die öffentlich proletarisches Wasser tranten, aber heimlich sehr bürgerliche und sehr häufige Zechgelage veranstalteten.
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Die Flucht an den Busen Stalins . Warum wohl darf Thälmann nach Mostau reifen, um fich dort vor der Erefutive zu verantworten"? Man hätte ihm Diese Flucht nach Moskau nicht gestattet, wenn man genau müßte, wie Stalin über diesen Fall denkt. Wird er seinen Schüßling Thäl mann fallen lassen? Man könnte sich in Moskau nach den Erfahrun( Fortlegung auf der 2. Seite.)
Der Hauptgang zum Parkett des Teatro de Novedades. In diesem Gange drängten sich die Massen zusammen. Das furchtbare Gedränge, das sich hier abspielte, war die Ursache der meisten Todesfälle.
Ueber 200 Tote und Schwerverlette.- 10 000 Tonnen Pulver explodiert.
Ueber die furchtbare Explosion im Fort von Melilla an| 34£ eichen wurden zunächst in die Leichenhalle geder spanisch- maroffanischen Küste werden folgende Einzelheiten gemeldet:
Die Explosion ereignete fich nach Mitternacht , als die aus den Theatern kommende Menge die Straßen füllte. Einem ftarten Feuerschein am Himmel folgte eine furchtbare Detonation, worauf ein Hagel von Trümmern, Glasscherben, umstürzenden Schornsteinen und ein Regen von Sand auf die entsetzten Menschen niederging, die in der Meinung, daß sich ein Erdbeben ereigne, nach allen Richtungen auseinanderstoben. Auf die Nachricht, daß im Fort Cabreziras eine Pulverexplosion flattgefunden habe, begaben sich die Militär- und Zivilbehörden sowie eine immer größer werdende Menschenmenge dorthin. Ihren Augen bot fich ein furchtbares Bild der Verwüstung und des Schredens. Schreie ertönten aus den eingestürzten und unter den Trümmern halbbegrabenen Baraden. Von dem Fort war nur noch ein riesiger Trichter übrig, deffen obere mit Steinblöden und Schutt bedeckten Ränder den Platz des ehemaligen Forts bezeichneten. Es herrschte völlige Dunkelheit. Bei Fadel- und Laternenbeleuchtung machte man fich an die Bergung der Berlegten und Toten. Trog der sehr schwierigen Rettungsarbeiten waren sämtliche Opfer nach einigen Stunden aus den Trümmern geborgen.
bracht und etwa 200 Berlegte in die Hofpitäler übergeführt. Die Zahl der der Katastrophe Entkommenden ist noch unbekannt, denn von Schreden ergriffen hatten diese fich Einige begannen gegen nach allen Richtungen zerstreut.
4 Uhr früh an den Ort der Katastrophe zurückzukehren, wobei fich herzzerreißende Szenen abspielten. Ganze Familien sind ums Leben gekommen, von anderen ist nur ein einziges Mitglied übrig geblieben. Nicht weit von dem Explosionstrichter wurden die Leichen einer Frau und ihrer beiden Kinder gefunden. Die ganze Stadt beteiligt sich eifrig an der Sorge für die Geretteten und der Pflege der Berletzten. Fast sämtliche Bewohner der um das Fort herum gebaufen kleinen Häuser lebten in großer Armut.
Die Ursache.
Nach amtlichen Meldungen über die Explosionstatastrophe in Melilla befinden sich unter den Berletzten auch acht Soldaten, und zwar sieben Europäer und ein Eingeborener, die jedoch verhältnis. mäßig leicht verlegt find. Die neue Ratastrophe hat in Madrid , das noch von der Trauer über den Theaterbrand erfüllt ist, einen niederschmetternden Eindrud gemacht.
Der Oberfommissar von Marokko , General San Jurjo, äußerte sich folgendermaßen über die Katastrophe: Das Unglüd ist sicherlich auf die Unvorsichtigkeit eines derjenigen zurückzuführen, die mit der Ueberwachung des Pulvers beauftragt waren oder dort irgend etwas zu tun hatten, denn alle gewöhnen sich schließlich an
Wieder ein Schüler verschwunden. Die Gefahr und lassen die notwendigen Vorsichtsmaßregeln außer
50000 Wertfarbeiter im Kampf.
Berichte 2. Seite.
acht. In dem Fort lagerten 10 000 Tonnen schwarzes Pulver, das nicht von selbst, sondern nur unter irgendeiner äußeren Einwirkung explodiert. Gerade deshalb glaube ich an eine Unvorsichtigteit. Die Explosion war so außerordentlich heftig, weil das Pulver sich in