Morgenausgabe
Nr. 459
A 233
45.Jahrgang
Bidheni 31. monetid 3,00 em voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 2. einschl. Bestellgelb, Auslandsabonne ment 6,-. pro Monat
*
Der Worwarts erfcheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, bie Abenbausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Illuftrierte Beilagen Boll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen", Frauen ftimme". Technit" Blid in bie Bücherwelt" und Jugend- Borwärts
O
Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Freitag
28. September 1928.
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
Die etnipaltige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reflame eile 3- Reichs. mart Kleine Anzeigen das ettge brudte ort 25 Pfennig( zuläffig zwe rettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Bfennig. Steuengesuche das erste Wort 15 Biennig, jebes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden. ( traße 3, modhentägl, von 81%, bis 17 Uhr,
Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Donbofi 292-297 Telegramm- Abt.: Sozialdemokrat Berlin
Vorwärts- Verlag G. m. b. H.
Bankonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitentasse Lindenstr. 3
Einheitsfront aller Arbeitenden
Zum 3. AfA- Gewerkschaftstongreß.
Von S. Aufhäuser.
England entschuldigt sich.
Weil es die Räumung nicht durchgesetzt hat.
Condon, 27. September.
misses, das den anderen interessierten Mächten als Basis für die Berhandlungen im Vorbereitenden Abrüftungsansschuß zur Er wägung unterbreitet worden ist, führte Lord Cushendun aus: Die teinerlei tatsächliche Grundlagen. Es ist z. B. angedeutet worden, Bermutungen über geheime Klauseln und dergleichen haben
Die freigemertschaftlichen Angestelltenverbände, die vor zwanzig Jahren anläßlich des Kampfes um die Sozialverficherung für die Angestellten zum erstenmal zur Kartellierung ihrer Organisationen übergegangen waren, dann 1917 die Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände( AFA) errichteten und seit 1921 als festgefügte Spigenorganisation den drittenmal zu ihrem Gewerkschaftstongreß zusammen. Die neuere Entwidlung der fapitalistischen Wirtschaft, der sozial politische Kurs in Deutschland und die Strukturveränderung des deutschen Bolles geben der diesmaligen AfA- Tagung ein nicht durchgefeht habe, fel bedauerlich, aber dies bedeute teinen lichen Borgehen ist keine Rede. Es gibt feine geheimen Klauseln
AfA- Bunb bilden, treten vom 1. bis 4. Oftober zum treten. Infolge diefer Meinungsverschiedenheiten unten den Alliierten daß die britische Flotte mit der französischen Flotte gemeinsame Sache
besonderes Gepräge.
Im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war der Angestellte, vor allem der Kaufmannsgehilfe, noch ein Anhängsel der liberalen Berufe. In jener Zeit, da Besig und Bildung noch untrennbar verbunden waren, wurde die Bezahlung des Angestellten noch nicht als Lohn im Sinne des Arbeitslohnes empfunden, sondern als ein Mittel zur Errichtung der späteren bürgerlichen Selbständigkeit. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Entwicklung zum Großbetrieb die Angestelltentätigteit in wachsendem Maße zum Lebensberuf gestaltet, bis schließlich die Erkenntnis reifte, baß geistige Arbeit im fapitalistischen Wirtschaftssystem Lohnarbeit ist. Entsprechend dieser zunehmenden fozialen Erkenntnis der Angestellten und mit der fortschreitenden Zusammenballung des Kapitals verläuft bei den Angeftellten die Linie vom Individualismus zum Rollettivismus. Während zunächst der einzelne Kaufmannsgehilfe in Beziehung zum einzelnen Brinzipal stand, dann die Angeftellten organisation mit dem einzelnen Arbeitgeber verhandelt, stehen heute zur Wahrung der Angestellten- und der Arbeitgeberintereffen Organisation gegen
Organisation
In der dem 3. AF- Gewerkschaftstongreß voraufgegange nen Berichtsperiode von 1925 bis 1928 hat sich die plan mäßige Durchorganisierung der tavitalistischen Betriebe in der Warenerzeugung wie in der Warenverteilung deutlich fichtbar vollzogen. Sie war begleitet von der technischen Rationalisierung. Gegenüber den zusammengefaßten Wirtschaftsmächten, den Kartellen, Trusts und Konzernen, hat
Der diplomatische Berichterstatter des„ Daily Telegraph " schreibt, es sei fein Geheimnis, daß Großbritannien die Bedingungen des Artikels 431 des Versailler Vertrages als erfüllt betrachte. Uber von Frankreich und Belgien werde eine andere Ansicht verbleibe, fo fehr dies auch wegen des Locarno - und Kellogg - Pattes in manchen Kreifen bedauert werde, ein großer Teil des Rheinlandes besetzt. Die Tatsache, daß Großbritannien feinen Standpunkt Bertrauensbruch von seiner Seite.
Dementi der Luftentente. Ein entschiedenes Rein aus London .
Condon, 26. September.
Der amtliche englische Funkdienst berichtet: Das Foreign Office erflärt:„ Es besteht teine Abmachung oder irgendwelche Berständigang mit Frankreich über Fragen der Luftstreitträfte, die nicht veröffentlicht worden ist, und alle gegenteiligen Gerüchte find völlig unzutreffend."
Dieses kategorische Dementi ist eine Folge des Biederauflebens der bereits dementierten Gerüchte von einem geheimen englisch . franzöfifchen Luftabkommen. Schon Ende des vergangenen Monats hat Lord Cushendun , der stellvertretende Staatssekretär des Aeuße ren, fich beranlaßt gefehen, Pressemeldungen entgegenzutreten, bie auf ein geheimes englisch - franzöfifches Marineabtommen anspielten. Bur Erläuterung der Ziele des englisch - französischen Flottentompro
machen werde. Diese Unterstellungen find völlig gegenstands. 10s, und es gibt keinerlei Vereinbarungen zwischen uns und Frank reich über ein gemeinschaftliches Vorgehen. Von einem gemeinschaftund teine Abmachungen über ein Bündnis oder ein Zusammenwirken der beiden Flotten.
Ende Oktober Verhandlungsbeginn.
Paris , 27. September. ( Eigenbericht.) Der französische Botschafter in Berlin , de Margerie, der zurzeit in Paris weilt, wurde am Donnerstag vom Außenminister Briand empfangen. Wie man erfährt, hat der Botschafter dem Außenminifter einen genauen Bericht über die Situation in Berlin erstattet und ihn dabei feineswegs im unflaren über die Berstimmung der Berliner politischen Kreise angesichts des fläglichen Ergebnisses der Genfer Abrüstungsdiskussion gelassen.
Einige Blätter wollen erfahren haben, daß die Berhandlungen über die beiden von der Sechser Konferenz in Genf in Aussicht genommenen Kommissionen bereits in der nächsten Woche eingeleitet werden sollen. Das dürfte nach Informationen nicht zutreffen. Borerst find noch eine ganze Anzahl technischer Borfragen zu flären, so daß die Berhandlungen voraussichtlich ta um vor Ende Oktober in ein attives Stadium treten werden.
Verschwindende Dörfer.
auch für den Angestellten die gewertichaftliche Organisation Vernichtung bäuerlicher Existenz.- Entvölkerung des Landes durch den Großbesitz
eine erhöhte Bedeutung gewonnen. Dieselben fapitalistischen Machthaber, die noch vor wenigen Jahren das freie Spiel der Kräfte gegenüber jeder wirtschaftlichen Bildung vertreten hatten, find heute die Herolde der gebundenen Wirtschaft, aber nicht des Staatsmonopols, sondern des Privatmonopols. Die Gewerkschaften stellen sich der Kartellentwicklung nicht in den Weg, fie fordern vielmehr die Mitbestimmung der Arbeitnehmer und die Einflußnahme des Staates auf die Preisgestaltung. Die Einsichtnahme in die Monopolverwaltung bedeutet indes noch teine ökonomische Machtsteigerung der Angestellten und Arbeiter. Darum wird auch vom Af Rongreß der Ruf nach Organisierung von neuem ertönen, denn die Kartelldiktatur bedingt erst recht eine verstärkte organisatorische Kraftentfaltung der vereinigten Gewerkschaften. Der organisierte Kapitalismus tennt bei dem geistigen Arbeiter wie bei dem Handarbeiter, nur die ökonomische Funktion. Bei der Spezialisierung und Arbeitsteilung auch der qualifizierten Arbeit wird das Einzelschicksal des Angeftellten zum Massenschicksal seiner Klasse. Auch für den Angestellten hat das Wort, Jeder ist seines Glückes Schmied" an Bedeutung verloren. Ihm fann nur noch die Koalition aller Berufsgenossen, die Gewerkschaften, helfen. Der Kongreß wird feststellen können, daß die freien Gewerkschaften mit stärtster Unterstüßung durch die sozialdemokratische Reichstagsfraktion fowohl bei der Arbeitslosenversicherung, als auch im Arbeitsgerichtsgeseh die hier notwendige Aner tennung des Rollettivismus in der Sozialgeleggebung seit dem Münchener AfA- Kongreß nach harten Kämpfen durchgesetzt haben. Der Hamburger Kongreß wird die weitere Geftaltung des Kollettivgedantens im Tarifvertragsgeseh, im Schlichtungswesen, im Arbeitsvertragsgefeß und im Arbeits: schutzgesetz aufzuzeigen haben.
Im Mittelpunkt der Hamburger Berhandlungen aber dürfte die Erforschung der gewaltigen Beränderungen stehen, die sich in der Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung in den legten Jahren vollzogen haben. Die Mechanisierung der geistigen Arbeit und die Bergeistigung der Handarbeit haben zu einer großen Umschichtung der Arbeitertlaffe geführt. Ein Bergleich der Zahl der Angestellten zu der Zahl der Arbeiter zeigt ein gewaltiges Anwachsen der Angestellten berufe in Handel und Industrie. Das Gewicht der Ange ftellten innerhalb der Arbeiterklasse, damit allerdings auch ihre gewerkschaftliche Pflicht, haben sich außerordentlich ver ftärft. Andererseits muß diefe Entwicklung auch den Arbelterorganisationen Veranlaffung geben, die gewerkschaft liche Angestelltenbewegung mit aller Kraft zu fördern und zu unterstügen.
In diesem Zusammenhang gewinnt die Einheits. front, wie fie erfreulicherweise organisatorisch heute in
zahl, die durch die wirtschaftlichen Maßnahmen der Solms- Baruth schen Berwaltung in der Vorkriegszeit, während des Krieges, besonders aber auch in der Nachkriegszeit bis zum heutigen Tage trotz der jetzt noch ansehnlichen Bevölkerungszahl dem allmählichen Untergange entgegengehen. So zählte das Dorf 20renzdorf vor Jahrzehnten einmal 1400 Einwohner, jetzt be wohnen es nur 700 Menschen,
1400 Morgen Land wurden in dieser Zeit durch die Gutsherrfchaft aufgekauft und zumeist aufgeforftet".
Regierung und Parlamente versuchen seit Jahren mit allen| Mitteln die landwirtschaftliche Siedlung zu fördern, Millionen von Mart werden aufgewendet, um der Entoölkerung des Landes zu begegnen, die Rechtspresse spendet Lob den Großgrundbesitzern, die Land abstoßen( nom Staate sich allerdings recht preiswert ent schädigen laffen), die aber dadurch doch ihren guten Willen zu er fennen geben, die Zahl der selbständigen Ackernahrungen zu ver mehren. Statistisch wird bewiesen, daß Zehntausende von Hektar vom Großgrundbesig freiwillig abgetreten und verkauft werden. Nicht bekannt sind aber die ebenso erfolgreichen Bemühungen von Großgrundbefizern, ihre landwirtschaftlichen oder forstlichen Besigtümer unter gleichzeitiger Bernichtung oder Abbrängung von Klein oder Mittelbetrieben landwirt. schaftlicher oder gewerblicher Art zu arrondieren und zu vergrößern. Eine Statiftit darüber würde vielleicht ergeben, daß durch dieses moderne Bauernlegen das anderen Dris in der Siedlung Erreichte wieder illuforisch wird. Dafür heut nur ein Beispiel: Im niederschlesischen Queistale liegt die Fideifommißfleinste Landmengen und Häuslerstellen auf, macht aus den Ge herrschaft Klitschdorf Wehrau mit einer Gesamtfläche von 23 656 Heftar, zum Familienfideikommiß Baruth in der Mart gehörig. Besizer:( nach dem schlesischen Güteradreßbuch) Se. Durch taucht Friedrich Fürst zu Solms- Baruth, Rittmeister vorm. a. L. f. der Armee, auf Baruth und Klitschdorf. Generalbevollmächtigter für den in Schlesien gelegenen Befiz Generaldirektor Quaet- Faslem, Rontreadmiral a. D., in Klitschdorf. Zu der zumeist aus riesigen Forsten bestehenden Herrschaft gehören unter anderem:„ Eisenhütten und Emaillierwerk Lorenzdorf"," Sägemühle zu Lorenzdorf", Glasfabrik Andreashütte zu Behrau". Holzschleiferei zu Lipschau" usw. 3m Bereiche dieser Latifundien liegen eine Reihe von Dörfer, die früher viel größer waren an eigenem Land wie an Bevölkerungse
Mit den Menschen, die wegzogen oder auswanderten, mit dem Aderland, das aufgeforstet wurde, verschwanden auch Häuser und Wirtschaftsräume, so daß heute trotz Rückganges der Bevölkerung um 50 Proz. im Ort eine fürchterliche Wohnungsnot herrscht. Die gräfliche Verwaltung( der Fürst" ais Titel wird jest wohl zu Unrecht gebraucht) fauft bis zum heutigen Tage durch Vermittler landwirtschaftliche, gewerbliche Betriebe, ja bäuden Wertwohnungen, forstet das früher landwirt schaftlich genugte Land zu großen Teilen auf und verpachtet das Restland. Aus Besitzern von kleinen Stellen werden Werkwohnungsinhaber, aus landwirtschaftlichem Arbeitseigentum wird aufgeforfteter oder verpachteter Rustikalbesitz. Diese Herrschaft Klitschdorf kaufte noch während des Krieges in Lorenz Dorf die Brauerei mit 16 Morgen Land( noch im 19. Jahrhundert gehörten 250 Morgen dazu).
Sie erwarb durch Vermittler in den Jahren nach dem
Kriege, nach der Revolution bis zum Jahre 1928 u. a. in der Gemeinde Lorenzdorf: Das Haus des Klempnermeisters Schaffazed mit vier. Morgen, das Krebscher
das Mißtrauen der Arbeiter zu den Angestellten geradezu als Staatsnotwendigkeit propagiert wird. Für die deutsche Arbeiterklasse ist die Einheitsfront aller Arbeiten den zur großen Organisationsaufgabe geworden, die nicht durch die Saat des Mißtrauens, sondern nur durch wachsendes gegenseitiges Bertrauen der Ar beiter und Angestellten gelöst werden kann. In diesem Sinne hat vor wenigen Wochen der ADGB - Kongreß in Hamburg den AfA- Bund und den ADB. als seine Berbündeten begrüßt. Der AfA- Bund wird wiederum in Hamburg , dieses Vertrauen mit der Willenstundgebung zu meiterer inniger und entschloffener Gemeinschaftsarbeit der drei Bürde der Arbeiter, Angestellten und Beamten beant
Deutschland in den drei Spizengewerkschaften: Allgemeiner| empfinden. Der Fabrifspionageprozeß hat ergeben, daß dort Deutscher Gewertschaftsbund", Algeminer freier Angestelltenbund" und Allgemeiner Deutscher Beamtenbund" gegeben ist, höchste aktuelle Bedeutung. Jene 3% Millionen Angestellte, die es in Deutschland gibt, müssen über die AfA- Berbände und ihre Spizenorganisationen mit in die breite Front aller Arbeitnehmer eingereiht werden, um so die gesamte or ganisierte Arbeit zur unüberwindlichen Macht zu gestalten. Der erfolgreiche Aufstieg der freigewerkschaftlichen Angestelltenbewegung in Deutschland hat gezeigt, daß eine in sich felbftändige, auf dem Boden der freien Gewerkschaften stehende Angestelltenbewegung notwendig ist, um die Solibarität der Kopf- und Handarbeiter vermirtlichen zu fönnen. Die Erfahrungen in Rußland haben gezeigt, daß dort Ar beiter und Ingenieure nur höchstes Mißtrauen gegeneinander I worten.