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Ein Rennfahrer-Roman von Andre Reuze. öbersetzi von P.A. Angermayer

Copyright by Büchergilde Gutanberg, Berlin

Das große Radrennen rund um Frankreich soll be­sinnen. Eine riesenhafte Menschenmenge umlagert in Paris das Lokal, in dessen Mähe sich der Start befindet. Die berühmtesten Rennfahrer Frankreichs sind versammelt: Cronsse, Tampier, Blanc-Mesntl Sie erzählen Ravenelle, dem Berichterstatter eines Sportblattes, von den An­strengungen und Leiden, die dieTour de France " mit sich bringt. (2. Fortsetzung.) Sie betraten einen schmalen Saal, mit niedriger Deck« und ein» fachen Kalkwänden. Um lange, aneinandergereihte Tische saßen etwa fünfzig vielfarbig bekleidete Rennfahrer, zusammengepfercht wie exotische Vögel in einem Käfig. Alle hatten ihre weißen, resedaroten, blauen, gelben oder grünen Mützen aufbehalten und sahen unter den schwingenden Lampen wie Toilnehmer einer italienischen Nacht aus. Ein Dutzend Zeichner war fieberhast dabei, die Berühmtesten mit einigen Strichen festzuhalten. Lächelnd und bezaubert sah Mainguy mit halbgeschlossenen Augen auf das farbenreiche Bild. Hier sind alleKanonen" beisammen!" sagte Rovenelle. Was mir im Augenblick höchst egal ist," erwidert« der Maler. Mich reizt zunächst nur Farbe und Bewegung dieses neuen Milieus." Aha!... Sie kommen also schon auf den Geschmack!.., Sie sollen aber noch mehr sehen!... Gehen wir jetzt in den Lunapark, um uns einmal die Außenseiter der Rundfahrt zu betrachten!... Das ist ein ganz anderes Bild!" Auf der Straße staut« sich die erregte und lärmende Menge. Rur mühevoll vermochte sich das Auto seinen Weg zu bahnen, trotz aller Flüche und Signale des Chauffeurs. Man nahm ihn nicht ernst und rief ihm entweder lustige oder grobe Worte zu. Am Rande des Trottoirs streckte ein hübsches Mädchen die Arme nach Ro- oenelle aus und bettelte: Nimm mich doch mit. Großer! Nimm mich mit?" Andere riefen belustigt: Gute Reise!..." Ein kleiner Bengel reckte die Nase hoch und rief schallend: Schick' mal anständ'ge Rennberichte, alter Knabe!" Vor dem Lunapark wurde das Gedränge einfach lebensgefähr. lich, und Ravenelle mußte sich�pit Moinguy den Eingang erkämpfen. Hier, in diesem riesigen Dolkspark, hatten sich nämlich die Be- wunderer derStrahengigoMen" für ein Silberftück dos Recht er- kauft, im erhabenen Augenblick der Einschreibekontroll« und der Rückennummernoerteilung, wie Sardinen zusammengepfercht, mit dabei sein zu dürfen. Hier war das Volk ganz unter sich. Obwohl ein Sänger seine Wen aus vollem Halse schmetterte, um dadurch die unruhigen Zehn. tausende im Zaum zu holten, ließ sich die Masie in ihrem onge. borenen Lachbedürfnis nicht stören. Die zahlreichen Rennfahrer, die man hier, mit dem Publikum vermischt, sehen konnte, hatten allerdings«in erheblich anderes Aussehen als ihre berühmten Kol- legen aus dem Cafe Exzelfior. Ihre schwarzweißen, weinroten, rosa- grünen oder gelbgrauen Trikots waren regenoerwaschen und sonnen. gebleicht und kamen wohl gerade aus der Wäsche. Viele dieser Rennfahrer waren ziemlich untersetzt, schon bejahrt und hatten enorme Schenkel, oder noch sehr jung, schmächtig und ein wenig ein- gefallen. Ihr« Beine glänzten vom Massageöl. Alle waren mit Ersatzreifen beladen, und die vollgestopften Trikottaschen gaben ihnen bizarre Brüste und Hüften. Einer sagte im Borbeigehen: Meine Alte hat geheult!... Da Hab' ich ihr'ne halbe Liter. pulle unter die Nase gehall'n und gesagt: Nu heul' die Pulle mal richtig voll, daß ich seh«, ob du's ehrlich meinst! Schon hat s« wieder gelacht..." 2)as sind alles sogenannteUnabhängige"," erklärte Ravenell«. �deiner von ihnen hat einen Fabrikvertrag, und jeder fährt auf eigenes Risiko. Sie werden diese armen Teufel, weitab von der Spitzengruppe der Berufsfahrer, in kleinen Haufen strampeln sehen, und man kann wohl behaupten, daß sie«ine geradezu entsetzliche Aufgabe vor sich haben!" Warum fahren sie dann die Rundfahrt mit?" Um später einmal, wenn sie sich als begabt erwiesen haben, einen anständigen Vertrag zu bekommen, oder um für ihren Fahr- radladen, den sie in irgendeinem Provinzneft besitzen, Reklame zu machen, oder auch aus purer Liebe zum Straßensport, sozusagen aus remem Idealismus!... Heute nennt man sie in etwas übertrieben schmeichelhafter WeiseStraßentouristen"!... Touristen!... Diese armen Teufel!... Früher hießen sie einfachEinzelfahrer". Isolierte, war zwar etwas trauriger, aber erheblich richtiger klang!..." Ja, ja,... der Ruhm!..." murmelt« Mainguy verträumt. Und jetzt wollen wir an den Start gehen!" sagte Rooenelle. Draußen brüllten die Zeitungshändler: Die Radwelt!... Komplett« Starterlist«!... Di« Rod- weit!..."Das Sportblatt!... Dos Sportblatt!... Extroaus- gäbe!..." .Für zwei Groschen lutschen se bis übermorgen!... Der neue amerikanische Dauerkaugummi!..." Radwelt!... Sportblatt!... Kaugummi !..." Die Luft dröhnte. II. Eben hatte es in Argenteuil , unweit Paris , drei Uhr morgens geschlagen, und hundertsechzig Rennfahrer standen, in einen einzigen Farbklumpen zusammengeballt, am Start. Wie dressierte Schlangen wanden sich rot« Ersatzreifen um ihre Schultern, und mit ihren Hüften stützten sie die schlanken Stahlrahmen, auf denen sie ganz Frankreich durchrollen sollten. Dunkle Liandschuhe verborgen die Hände. Di« Gesichter waren spöttisch oder ernst. Die lärmende Menge von Paris war fern. Nur die Fanatiker waren bis hierher geeilt, um dem grandiosen Start beizuwohnen. Mit ihnen umwimmelten zahllose Radfahrer, Motorradler und Bei- wagenfahrer die Helden der Landstraße und hatten sich oorgenom- men, das Feld wenigstens bis Sonnenaufgang zu begleiten. Im Dunkel gewahrte man die wuchtigen Wagen der offiziellen Be- gleit«. Soeben war ein dicker Mann, der eine List« in Händen hielt, dabei, mittels Lautsprechers de» letzten Appell abzuhalten.

Tampier.... Blanc-Mesnil.... Bouarre.... Demould«..., Argentero.... Gambardella..." Hier!... Hier!..." Presente!" riefen die Italiener. Die ganze Riesenmasse kam in wogende Bewegung. Die Nickelteile der Rennmaschinen blitzten. Diese Borbereitung zum Kampf ist phantastisch!" sagte Mainguy. Raoenelle freut« sich, als er das Interesie seines Freundes ge- wahrt«. Nicht wahr?... Hier stehen hundertsechzig starte und mutige Burschen, von denen höchstens vierzig wieder in Paris ankommen!

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Nur die Fanatiker waren bis hierher geeilt... Zehn oder zwöff hoben Siegeschancen, und nur ein einziger kann Triumphawr sein! Und auch er wird nicht nur durch Muskeln oder Lungen, Lenden oder Magen, sondern durch seine unbeugsame Entschlosienheit die Spitze halten und mit eisernem Willen jedes Pech überwinden. Sie finden hier alle Charaktere und Tempera- ment« auf einem dichten Haufen beisammen. Hervorragend ver- anlagt« Naturen, die sich bis zur letzten Erschöpfung verausgaben:

schwerfällige, doch geduldige und zähe Kämpfer, die mit zusammen- gebisienen Zähnen weiterrollen und auch das Ziel«reichen! Wir finden hier harmonische und kluge Menschen, ober auch Querköpfe und Schieber! Begreiflicherweis« werden die Massen durch soviel En«g!e mitgerissen und elektrisiert. Um nun diese Massenbegeiste- rung nicht erlahmen zu lassen, wird die Strecke der Rundfahrt jedes Jahr schwieriger gestaltet, und dadurch werden die Rennfahrer zu Boltshelden!" Was haben denn die Fahrer für Namen auf den Trikots?" fragte Mainguy. Tja, mein Lieber, diese für den Laien sybillenhaften Worte Expreß",Stella".Brillam".Opal".Avanti" oderRiva" sind die eigentliche Erklärung dieses langen Rennens. Wie überall, muß auch beim Rennfport die Flagge die Ware decken: und die Helden der Landstraße sind letzten Endes nichts weiter als rasende Plakat- säulen! Da aber jede Reklame, die Geld kostet, wieder Geld ein» bringen muß, lautet der Befehl:.�krepiere... aber fahre!"..." Mainguy schüttelte stumm den Kopf. Raoenelle fuhr fort: Sie haben doch sicher schon einmal im Kasino irgendeines Kurorts diekleinen Pferdchen" laufen sehen? Der Uneingeweihte kann sich nur ganz selten erklären, welcher Mechanismus dieses Pferdchenspiel eigentlich belebt. Forscht er aber nach, dann entdeckt er hin!« dem Spielleiter eine Finanzgruppe, die diese Unterhaltung organisiert, um die Spieler mit ihrem Geld anzulocken... Hier, mein Lieber, rollt dasselbe Spiel aus der Landstraße, und auch hier sind die Karten mehr oder minder gut gemischt!" Inzwischen nahm der Aufruf der Fahrer seinen Fortgang. Wer ist denn eigentlich das dunkelblau« Trikot mit weißem Stern, das scheinbar keinen Kopf hat?" fragte Mainguy. Das ist der Senegalneger Samba-Takore,.�akaodüte" oe- nannt, ein früherer Schisfskoch, und ein Fahre», der in der tollsten Hitze am besten kurbelt! Ich möchte wissen, was dem kleinen Che- oillard fehlt! Sehen Sie doch wie nervös er ist!" Chevillard lief mit seiner Rückennummer hastig die Reihen des Publikums ab. Dem fehlt gor nichts!" sagte Tampi«..Kr hat sich bloß in den Schädel gesetzt, daß ihm irgendeine hübsche Maus seine Rücken- mimmer ans Trikot nähen soll, weil er sich«inbildet, daß ihm das Glück bringt!" Ravenell- suchte mit Mainguy noch einer rleinen Dame, die Chevillards Wunsch entsprechen könnte, und entdeckten schließlich em reizendes Mädchen, das auch sofort bereit war, dem Rennfahrer seinen Wunsch zu erfüllen. Als die Rückennummer angenäht war, zog Chevillard die Mütze vom Kopf und gab der Kleinen«inen herzhasten Kuß. Die übrigen Fohrer brüllten: Mensch, paß' bloß auf, sonst stehst« wic'n Elm«..." Das ist gegen die Rennbestimmungen!" Fünfzig Ei« Strafe kosst dich das!" Doch der dicke Ausrufer umerbrach diese Unterhaltung, wich an den Bürgerfteig zurück und rief: Achtung!... Fertigmachen!" Alles schwieg. Die Fahrer setzten den rechten Fuß aufs Pedal und standen mit ber linken Fußspitze auf dem Boden. Die Autos stellten sich m die Reih«.(Fortsetzung folgt.)

WAS DER TAG BRINGT. inmmiiumnmmuiiimiNiiiuioiiiimiiranuuimnininnmnimmiimiiimnnnnnnmwinmiimEinunnnummaumiounianimnmimiiniflinmimiiiiniiiaimmiiunininimma

Kommißanekdoten von dazumal. Der kommandierende General o. Plüskow war ein Duzfreund Wilhelms und außerdem der längste Soldat in der deuffchen Armee. Bon ihm demlangen Plüskow" gibt es unzählige Anekdoten, denn er war nicht nur d« Schrecken der unteren Chargen und Gemeinen, sondern auch derSchwarze Mann" für die Stabsoffiziere. So fuhr er eines Tages einen älteren Major und Bataillonskommondeur, der aus einem Zigarrenladen kommend, noch im Begriffe war, den linken Handschuh überzustreffen, barsch an:i>err Major, Nacktkultur bitte nur in Zivil!" Dieser selbe Plüskow also traf eines Sonntag nachmittags einen Rekruten des 14. HufaremegimeMs auf der Straße. Stramm fliegt die Hand des Soldaten an die Mütze. Der Kommandierende winkt ihnleuffelig" heran.Wo willst du denn hin, mein Sohn?" Zum Tanzen. Ew. Exzellenz." Na." Plüskow greift in die Tasche,hier hast du einen Tal«. amüst«e dich gut." Der Husar dankt strahlend, zieht ein Portemonnaie heraus und läßt den Taler verschwinden. Darauf aber hat derlange Plüskow" gewartet. Er klopft ihm auf die Schulter und sagt:So, mein Junge, jetzt gelfft du geraden Wegs zu deinem Schwodronschef und meldest ihm, daß dein komman- dierender General, Exzellenz v. Plüskow, dich mit drei Togen Mittel- arreft bestrast hat, weil du dos Geld im Portemonnaie und nicht lt. Vorschrift im Brustbeutel trägst." Der Kampf mit dem Hühnerhabicht. Einen seltenen Fang machte der Landwirt Nachtway, als er sich mit Eiern auf dem Wege nach Flensburg befand. Er bemerkte, wie ein Hühnerhabicht mit einem Hahn im Kampf lag, und konnte sich, da d« Kampf sich sehr lebhast abspielte, von hinten an den Hühnerhabicht herannahen und diesen ergreifen. Trotzdem sich der Raubvogel sofort gegen seinen neuen Feind wandt« und ihm Verletzungen an den Händen und Armen bei- brachte, konnte Nachtway ihn überwinden und lebendig mit noch Flensburg nehmen, wo er ausgestopft werden soll. Das Tier hat eine Flügel weite von 1,10 Meter. So war es damals! In der Zeit der großen, französischen Revolution war in Poris folgendeBuchonzeige" als Maueranschlag zu lesen: Der Bürger Ballneau in der Straße du Coq hat ein Lexikon er- scheinen lassen, in welchem alle Ausdrücke, die feit dem Sturm der Lostille entstände» sind, und deren Gebrauch die früheren, frei»

heitsfeindllchen Bezeichnungen verdrängt hat, entHallen sind. Patriotisch« Eltern werden besonders auf dieses Buch aufmerksam gemacht, um durch häufige Anwendung desselben ihr« Kinder schon so früh als möglich an die republikanischen Laute und Benennungen zu gewöhnen. Heber den Wiegen der spartanischen Kinder hingen Schwert und Schild.". Die Stadt ohne Kino. In dem englischen Städtchen Hunstanton gab es bisher kein Lichtfpiellheater. Schon einmal hatte man an die Verwaltung eine Eingabe gerichtet, den Bau eines Lichtspieltheaters zu gestatten, doch wurde die Eingabe abschlägig beschieden. Nun ging man diplomatischer vor. Etwa Proz. der Haushaltungen und neun von den zwölf Stadtvätern unterzeichneten eine zweite Eingabe, in der man um die Erlaubnis bat, ein Lichtspieltheater errichten zu dürfen. Trotz K« Zugeständnisse, daß Sonntags keine Vorstellungen stattfinden sollten und daß man von auffälliger Beleuchtung des Kinos Abstand nehmen wolle, wurde die Eingabe erneut abschlägig beschieden. 200000 Dollar Schadenersatz für ein Kind. Im evangelischen Hospital von Detroit (Amerika ) hatte Mr. Greatorex sein neugeborenes Kind für einige Tage unterge- bracht, da die Mutter gestorben war. Es kam auch später ein Mann, dem das Kind ausgehändigt wurde, doch stellte sich heraus, daß es nicht Mr. Greatorex war. Als dieser selbst erschien, war dos Kind verschwunden. Man ermittelte den anderen Mann, der ober nur erklären konnte, er habe es einem Motorradfahrer gegeben, der nach Pennsylvania gefahren sei und den er nicht kenne. Nun ver- langt der Voter für das verloren gegangene Kind 200 000 Dollar Schadenersatz. Der Sprechfilm in der Kirche. Die Sonora Phonograph Company und der Religious Film Trust in Amerika haben angekündigt, daß sie demnächst«ine ganze Reihe sprechender Filme biblischen Inhalts herausbringen werden. Die sprechenden Filme, die später ergänzt werden sollen durch Predigtfilme, sind vor allem für einsame ländliche Gemeinden be- stimmt. Es sollen etwa 100 000 Kirchen und religiöse Gesellschaften mit diesen sprechenden Filmen versorgt werden. Der Religious Film Trust erfreut sich bei der Mehrzahl der vielen in den Ver- einigten Staaten bestehenden religiösen Gesellschaften und Sekten weitgehender Unterstützung. Die Filme sollen an den historische« Stätten, also i» Kanaan , Arabien usw. gedreht werden