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Morgenausgabe

Nr. 461

A 234

45.Jahrgang

Böchentlich 85 Bt., monatlich 3,60 M. tm voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne ment 6,- Dt. pro Monat.

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Der ,, Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Jlustrierte Beilagen Boit und Zeit und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen"," Frauen. ftimme". Techni!", Blick in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonnabend 29. September 1928

Groß- Berlin 10 Di Auswärts 15 Di.

Die ein paltige Nonpareillezetla 86 Bjennig. Reflame eile- Reichs mart. Kleine Anzeigen das ettge brudte Mort 25 Pfennig( zulässig ame jettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Steliengesuche das erste Wort 13 Bfennig, jedes weitere Mort 10 Biennig. Borte über 15 Buchstaben Arbeitsmartt zählen für zwei Worte. Beile 60 Pfennig. Famillenanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden . Straße 3, wochentagl, von 8 bis 17 Ulbr

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Rußland bietet Konzessionen aus! Prager Unternehmerdiktat.

Kommunalbetriebe und Eisenbahnen angeboten.

Bis 400 Prozent Dividende auf dem russischen Inlandsmarkt zu erzielen.

Mostau, 28. Geptember.( Dft- Expreß.)

Im Zusammenhang mit den neuen Richtlinien der Sowjet­regierung zur Aftivierung der ruffischen Konzessionspolitik hielt der Vorsitzende des Hauptkonzessionsausschusses Hauptkonzessionsausschusses der Sowjetunion ksandrow auf einer Versammlung von Direktoren von Sowjet­betrieben in Moskau einen Bortrag über die bisherigen Ergeb nisse der Konzeffionspragis in Rußland . Kjandrow wies darauf hin, daß das letzte Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei in seiner Resolution erflärt habe, dem Ent widlungstempo der Industrialisierung des Landes seien ohne ausländische Hilfe gewisse Grenzen gefeßt. Zur Be­schleunigung dieses Entwicklungstempos müsse die Heran ziehung ausländischer Mittel forciert werden.

Da die unmittelbare Heranziehung von Auslandskapital in Form von Anleihen bisher nicht gelungen sei und bei den üblichen Geschäften mit ausländischen Firmen nur furzfristige Kredite gewährt wurden, so fomme hierbei in erster Linie die heran­ziehung ausländischen Kapitals in Form von Konzessionen in Frage.

Rachdrücklich betonte Ksandrom den engen Zusammenhang 3mischen der Ronzessionspolitit und politischen Fafloren und mics als Beispiel darauf hin, daß nach dem Bruch mit England das Eniwidlungstempo des Konzeiflonswesens fich ver langfamt habe. Während 1925/26 482 Stonzeffionsangebote einliefen, waren es 1926/27, d. h. nach dem Bruch mit England, nur 216, im ersten Halbjahr 1927/ 28-215. Bon englischen Unter­nehmern seien 1925/26 30 Ronzeffionsangebote, 1926/27 16, im ersten Halbjahr 1927/28 nur 2 Angebote gemacht worden. Im Verhältnis zu ber Zahl der Ronzessions a ngebote sei die Zahl der abge. fchloffenen Berträge nur gering: 1925/26 wurden 38 Ston. Beffionsnerträge abgeschlossen, darunter 7 über ,, technische Hilfe. Teiftung", 1926/ 27-23( 15).

Die sogenannten Exportfonzeffionen hätten bisher nicht die geeigneten Entwicklungsformen gefunden, während die für den Inlandsmarkt arbeitenden Konzeffionsbetriebe außerordentlich rentebel

feien. Bei Konzessionen dieser Art seien

30 bis 35 Pro3. Gewinne teine Ausnahme, vielmehr seien jogar Gewinne von 150 Pro3. und fogar von 400 Proz. zu verzeichnen.

Gozialreaktion und Zeuerung.

J. H. Prag , Ende September. Sind solche Geschehnisse wie die, die letzthin in der Nachtsizung des Abgeordnetenhauses einen wilden Obstruf­tionssturm entfeffelten, in einem anderen Parlament außer eninehmen. Danach hat Ksandrow, der übrigens der Nachfolger halb des Balfans möglich? Ist es denkbar, daß anderwärts das Kommando eines Nicht parlamentariers genügt, um Irogtys auf dem letzten Bosten ist, den dieser vor seinem Aus­schluß im ruffischen Staatsdienst bekleidete, noch ausgeführt, daß eine Barlamentsmehrheit zu plöglichem Umschwenten zu ver­die Zahl der Konzessionen in den letzten zwei Jahren von 54 auf anlaffen, zum Bruch von Vereinbarungen mit 74 gestiegen, zugleich aber das gesamte darin investierte Rader Opposition, zur plöglichen Aufhebung eines Aus­pital von 140 millionen Mart auf 90 Millionen Mart geschußbeschluffes im Plenum des Hauses? funten sei.

Des meiteren erflärte Ksandrow, man dürfe angesichts der politischen Lage in diesem Jahr teine Anstrengung scheuen, um große Konzessionsverträge abzuschließen. Rußland sollte dabei die Situa­tion ausnützen die sich durch die Vertiefung der Gegensäge zwischen den kapitalistischen Staaten als Folge des englisch - französischen Flottentompromiffes und des Fehlschlagens der Genfer Berhandlun gen ergeben würde.

In der Diskussion wurde die Tätigkeit des Konzeffions ausschusses lebhaft tritisiert, wobei ein Redner bemerkte, daß nur wenige Berträge mit wirklich seriösen Auslandsfirmen abgeschlossen wurden, während es viele andere Firmen gebe, die anormale Gewinne auf einer ganz ungefunden Grundlage erzielen.

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Nach anderthalbjährigem erbittertem parlamentarischen und außerparlamentarischem Kampfe um die Novellierung der Sozialversicherung, bei dem es schließlich der Opposition gelungen war, zwar nicht alle Berschlechterungen, aber doch einige abzuwehren und sogar nicht unbedeutende Berbeffe rungen durchzusehen, tam es in der Nacht zum Sonnabend endlich zur letzten Abstimmung. Im Sozialpolitischen Aus­schuß war ein Antrag des deutschen Sozialdemokraten Taub, eine neue Versicherungsflaffe mit 26 Kronen täglichem Krankengeld( 3,25 M.) zu fchaffen, angenommen worden. Die bürgerliche Mehrheit hatte diesem Antrage zugestimmt. Da schon war die Plenardebatte im Gang- erschien ber Sefretär des Unternehmerverbandes. Dr. Hodatsch. im Barlament und erklärte den Führern der deutsch - tschechischen Bürgerfoalition, daß die Mehrbelastung durch diese neue Das ist also nach zehn Jahren das Resultat des boliche Berficherungsflaffe für die Industrie unerträglich fei- es wistischen Experimentes! Man hat den Sozialismus mit handelt sich um fünf bis acht Millionen Kronen. allerhöchstens Gewaltmitteln einführen wollen und jest reißt man fich um alfo um eine Million Mart jährlich und biele Erklärung ausländische Intereffenten für Konzessionen. Auf allen des Unternehmerfetretärs war gleichbedeutend mit einem Gebieten der Wirtschaft sollen Ronzessionen erteilt werden: Befehl. Ohne daß nochmals mit der Dunofition verbandelt nicht nur für die Ausbeutung der natürlichen Bodenschäze- worden oder die Willensänderung der Mehrheit vorher be Wälder, Naphtha, Platin auch die Kommunal tanntgegeben worden wäre. brachten bei der Abstimmung betriebe und die Staatseifenbahnen werden die Mehrheitsparteien plöglich einen Antrag auf Abschaffung fegt meistbietend verramscht. Wenn sich nur ge- der neuen Versicherungstiaffe ein. Der Antrag wurde von nügend fapitalfräftige Reflektanten melden würden, denn der Bürgermehrheit angenommen.. Rußland braucht Geld! Warum melden fie fich denn nicht? 30 bis 35 Prog. Dividende ist der Durchschnittsgewinn, wer Schneid hat, holt sogar 150 und bis 400 Broz. Zinsen heraus! Der innere Martt, das heißt der Bauer und der Prolet, ist dazu da, ausgebeutet zu werden. Er braucht Ware, er zahlt jeden Preis. Hereinspaziert, meine Herren vom ameri tanischen, englischen, französischen und deutschen Finanz- und Industriefapital! Nirgends findet ihr so glänzende Gewinn und Ausbeutungsmöglichkeiten wie auf dem Gebiete der Union der Sozialistischen" Sowjet- Republiten! Wer hat noch nicht seine fleine Ronzeffion? Mostauer Gaswerf ge­fällig? Leningrader Straßenbahnen? Georgische Eisen­bahnen? Kiewer Telephon? Goldgruben im Ural ? Teppich­mebereien in Turfestan? Bis 400 Proz., meine Herren, Berg­manns Lombardhaus ist daneben ein Kinderspiel. Nur in Sowjet- Rußland find folche Dividenden möglich! Totalaus­Derlauf wegen Kreditmangels nie wiederkehrende Ge­

So erzielte beispielsweise die schwedische Konzession SaF.( Svensta Kugellagerfabri!) bei einem Grundkapital von 2 millionen Rubel 2,4 millionen Rubel Reingewinn. Ksandrom erklärte, daß die Sowjetregierung an einer Berringerung solcher ungeheuren Gewinne intereffiert sei, werde dies aber ausschließlich durch ge. funde wirtschaftliche Maßnahmen, sowie durch eine Berlegenheit! schärfung der Konkurrenz seitens der staatlichen In­dustrie zu erreichen suchen. Nach Ranbrows Anficht hätten fich die ausländischen Konzeffionen in ihrer überwiegenden Mehrheit zweifellos bewährt. Sie hätten die staatliche Sndustrie gezwungen, fich aufzuraffen", fie verringern über­dies bedeutend die notwendigen Balutaausgaben für Importzwede und erleichtern den Rampf mit dem Warenschmuggel.

Bisher fel das Charakteristikum der ruffifchen Konzessionspolitik beren Planlojigfeit gewefen. Die Somjetregierung habe dem aus­ländischen Kapital die Führung überlassen, so daß die Ausländer felbst geeignete Rongeffionsobjefte aussuchten. In Zukunft werde das anders sein. Das ausländische Konzessions tapital werde auf solche Gebiete der Sowjetwirtschaft gelenkt werden, die der Sowjetregierung er wünscht sind. Zu diesem Zwede feien rund 100 Rongefflonsobjette in allen Zweigen. der Industrie und sogar in neuen Gebieten,

Im Eisenbahnwesen und in der Kommunalwirtschaft, Dorgesehen; auch feien Normalverträge zu Ronzeffionen aus gearbeitet worden.

Bon den neuen Richtlinien erwartet Rsandrow feine un­

Dann streiten sie noch, ob sie diese Stalinsche Zidzadpolitik Sozialismus nennen sollen oder nicht, um die fommunistische Demagogie in Westeuropa zu stärfen. Das soll das fozia liftische Baterland sein!

Hinter dieser Politik der Sprunghaftigkeit und Brinzipienlosigkeit aber steht die Tragödie des russischen Boltes. Es muß dazu schweigen und zahlen.

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Deutsche Delegation zurückgekehrt.

Rabinettfihung am Montag.

Die deutsche Völkerbundsdelegation ist gestern nachmittag aus Genf in Berlin eingetroffen. Das Reichskabinett tritt am Montag zur Ent­gegennahme eines Berichts des Staatssekretärs Schubert über die legten Genfer Verhandlungen sammen. Eine Entscheidung darüber, wann und wie die in Genf vereinbarten Erörterungen über die Rhein landräumung und die endgültige Lösung des Repa der Länderkonferenz und nach der Sigung des Aus wärtigen Ausschusses zu erwarten.

Im Lärm der Obstruktion. im Knattern der Bultbedet, im Klatschen der auf die Ministerbänke niederlaufenden Ate tenbündel, gingen alle folgenden Reden unter. Der Berichte erstatter verías, ohne daß jemand ihn bören fonnte. Die eine zelnen Baragraphen und wenn er ein Handzeichen gab, hoben sich auch die Hände der Regierungstreuen.

Es mag nebenfächlich erscheinen, daß in diefem an Stürme gewöhnten Barlament wieder einmal die Bultdeckel zerschlagen wurden. Aber dieser Sturm war mit elemen­tarer Gersalt losgebrochen, in ihm offenbarten fich die Ent rüstung und der Zorn der Arbeitervertretor aller Nationen

diese Obstruktion war das martante Zeichen der tiefen Kluft zwischen Mehrheit und Oppofition. die, wenn man von den zahlenmäßig bedeutungslosen opnofitionellen Nationa listen abfieht, die Kluft zwischen den Kloffen ift.

Eine Welle der Erregung geht durch has Broletariat. Steigende Teuerung beunruhigt die Arbeiter. Milch und Kartoffeln sind teurer geworden. und vor wenigen Wochen hat das Buderfartell plöklich den Ruderpreis um 60 Heller für das Kilogramm erhöht. Im Kleinhandel ist der Zuckerpreis bis auf 7 Kronen( 87 21.) geftienen. Die Erhöhung des englischen Solles auf Raffinadezucker droht den tichechischen Buder vom enalifchen Martt ausschließen. Das Ruderfartell. verfchanat hinter hohen Schutzzöllen. er­höhte den Preis des Inlandzuders, um billiger als bisher ins Ausland liefern zu fönnen Bas fragt es darnach, daß im Lande des Ruderüberflusses die Arbeiter den Budervers brauch einschränfen müssen und trotzdem der Arbeiterhaus­halt schmer belastet wird! Das Buckerfartell Diftierte die Breiserhöhung, obwohl ein paar Tage vorher, als die erften Gerüchte von seinen Blänen aufgetaucht maren. die Leitung der Regierungstoalition feierlich erflärt hatte, eine Erhöhung des Ruderpreises nicht zu dulden! Die Regierung, gezwungen aur Stellungnahme, sprach zuerst von der Not der Zucker­industrie und dann erst sehr verflaufullert von der Zeuerung. Sie hat bisher noch gar nichts getan, nur erflärt, daß sie die Erhöhung des Breises wenigstens teilmeile rückgängig ege fuche. die Ruckerindustrie zu entschädigen. menn ste mache. In irgendeiner Form, entweder als Konsumenten Sanierung der Zuckerindustrie tragen.

mittelbaren Ergebnisse bereits im nächsten Jahr. Zum rationsproblems eingeleitet werden sollen, ist erst nach oder als Steuerzahler, müssen die Arbeiter die Kosten der

Schluß fagte Ksandrow, daß obgleich sich die Berträge über technische Hilfeleistung" mit ausländischen Firmen, deren Gesamtzahl gegenwärtig 52 erreicht, im allgemeinen bewährt hätten, Borsicht beim Abschluß solcher Berträge am Blage sei. ( Die Verträge über technische Hilfeleistung" find Anstellungs verträge für ausländische Ingenieure und Spezialisten in Sowjet- Betrieben, haben alfo mit eigentlichen Konzeffionen wenig zu tun. Nach den Erfahrungen der im Donez - Prozeß angetlagten deutschen Ingenieure und Monteure, muß allerdings bestätigt werben, daß sich Borsicht bei Abschluß solcher Berträge empfiehlt. nämlich Borsicht auf seiten der ausländischen Bewerber! Reb. b. ,, B.")

1999

Das Londoner liberale Matt Daily News veröffentlicht am 27. September ein Telegramm feines Mostauer Beristerstatters über die Rede Rjandroms, aus dam mir weitere Einzelheiten

Die Faschisten in der Schweiz . Sozialistischer Antrag im Nationalrat abgelehnt. Bern , 28. September.

Im Rotierairat beantragte der Sozialist ra ber ber Bundesrat folle Bericht erstatten über die Treibereien der Toschisten in der Edweiz und über die Maßnahmen welche er zu ergreifen gebente, um Bergängen wie im Fall Roffie en Riege. vorzu­Ichieben". Der Antrag wurde mit 74 gegen 31 Stimmen ab gelehnt. Es bliebt femit bei der geftrigen Antwort des Bundes. rats Motta in der Angelegenheit Roffi

Der Bürgerblock. durchweg Barteien. Die für den sozialen Ausgleich und die Berföhnung der Klaffen schwärmen, fteht unter dem Diktat der Agrarier und der In­dustriellen. Ein Wink der Rapitalisten und die Bürgermehrheit muß fich zu einem Mortbruch bereit finden! Hunderttausende Arbeiter demonstrieren die Bürger­parteien machen höhnische Mige. Ein Internehmersekretär befiehlt und hot ganze Bürgerblod gehorcht.

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Aber am 28. Oftober. menn der zehniährige Bestand der Tschechoslowakischen Republif gefeiert wird, werden die nationaldemokratischen bie tlerifalen und die agrarischen Batrioten wieder die Arbeiter an ihrer Selte haben wollen, bann. wenn sie von der nationalen Revolution reden werden. bie dem ganzen tschechischen Bolt Freiheit und Glüd gebracht