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Beilage

Sonnabend, 29. September 1928.

Mode und Politik.

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Die Kleidung im Wandel der Geschichte.

Unsere Kleidung ist dem Ursprung nach ebenso sehr Schmuck| mie Körperschutz. Mit reicher Gewandung, die oft umständlich an­zulegen und hinderlich zu tragen ist, haben sich herrschende Klassen stets gern vom einfachen Volk unterschieden. Doch ist die Kleidung der herrschenden Klasse immer vorbildlich gewesen für die beherrschte Klasse. Wenn diese emporstieg, befundete sie ihren Auf­stieg gern durch Annahme der Tracht der Herrschenden. Durch lächerlich strenge Verordnungen haben daher städtische oder königliche Regierungen den Unterschied der Gewandung aufrecht zu erhalten ge= sucht, wenn die erschröckliche Gefahr bestand, daß die Unterscheidung der Stände durch den wachsenden Wohl­stand der Untertanen" erschwert würde.

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Als alle Strafandrohungen auf die Dauer doch ihren 3wed ver fehlten, haben die herrschenden Klassen angestrebt, durch immer schnellere Aenderung ihrer Anzugs­weise den Abstand vom niederen Bolte innezuhalten. So ist auch die Mode, als Folge eines Klassen­tampfes von obenher, immer noch zum guten Teil ein Ausdruck des Bestrebens, Rang und Besitz zur Geltung zu bringen dadurch, daß man sich von der Masse absondert und abhebt durch das Neueste und Allerneueste, das anzuschaffen Geld und Muße erfordert.

mit dem hohen steifen Hut, den man vom puritanischen Amerita entlehnte, ergab sich so ein Kostüm, das wir aus Goethes Berther" kennen. Schon fofettierte mit dieser Mode, die ein entsprechendes weibliches Gegenstück gefunden, auch der Hof, da traten ihm darin die Vertreter des dritten Standes entgegen. Und um so fester hielt nun der bevorrechtete Adel an der höfifchen Rokokotracht fest, die Damen an der hohen Frisur und dem weiten Reifrock, die Männer

Om Vormart.

Mek

Turner- u. Burschenschafter.racht Heckerkostüm

Biedermeiermode,

Wie innerhalb einer Nation die Gewandung der herrschenden Klasse im allgemeinen vorbildlich erschien, so wurde in internationaler Beziehung die Tracht desjenigen Boltes nachgeahmt, das wirtschaftlich fortgeschritten und politisch mächtig mar. Benn aber Bölker| an 3opf und Puder, an Seidenstrümpfen und Schnallenschuhen. oder Klassen in offene Feindschaft gerieten, haben fie oft Eigentümlichkeiten ihrer Kleidung besonders betont. Als die Reformation den größeren Teil Deutschlands   in Gegensatz zum Iranischen Kaiser brachte, bevorzugten seine fatholischen Anhänger das spanische Kostüm mit der gepolsterten Buffhose, die protestan tischen Gegner zur deutschen   Tracht die lockere Pluderhose. Die deutschen   Landsknechte machten aus dieser Beinkleidung aus Ab­neigung gegen die spanischen   Kaisertruppen eine wahre ungeheuer lichkeit an ausladender Form und sinnloser Stoffverschwendung. Als die Holländer das Joch der spanischen   Fremdenherrschaft ab= schüttelten, wurde von ihnen ebenfalls nicht das ausgestopfte spanische Beinkleid angenommen, sondern geradezu als Wahrzeichen landestreuer Gesinnung die einheimische weite Schlumperhose ge= tragen.

Innerpolitischer Gegensatz wurde durch die Tracht besonders ausgeprägt in der englischen Revolution. Die adligen Parteigänger der katholischen Stuarts, die sogenannten cavaliers", schritten in reicher, bunter, spitzengeschmückter Kleidung einher, mit breiter Straußenfeder am flachen Schlapphut, die gewellten Haare lang herunterwallend, die gesondert herabhängende Liebeslocke" mit fostbarer Perle geziert. Die reformierten Puritaner, die demokratischen Gegner des absoluten Königtums, wandelten ein­her in einfarbigen, dunklen Gewändern mit würdevollem, hohem, steifem Hut und knappgeschnittenem Haar. Unter Cromwells Herr schaft wurde die Haartracht der einst verhöhnten Rundföpfe" vor­bildlich für alle Republikaner. Ihr hoher steifer Hut blieb lange noch das Kennzeichen freiheitlicher Gesinnung.

Auch in Frankreich   drückte sich der Sieg der Revolution in der Tracht aus. Die aufgeklärten Bürger, die im parlamentarisch regierten England ein Vorbild sahen, hatten von dort den be­quemeren Frack und die langen Reithofen übernommen. Zusammen

Holländer und Spanier

Erst recht fand das Bolt deshalb die Kleidung der bürgerlichen Abgeordneten nachahmenswert. Und je siegreicher es seine For derungen durchsetzte, um so stolzer kam es daher, die Frauen mit der Haube über dem natürlichen Haar im einfachen Kleiderrod, die Männer zopflos mit langen Hosen, den Pantalons. Auch das Boltsheer formte sich entsprechend um. So wurden die republita­nischen Franzosen, weil sie nicht mehr Kniehosen trugen. Sansculottes" genannt, was man in Deutschland   falsch mit Ohne hosen" übersetzte.

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FUNK RUND­

AM ABEND

Sonnabend, 29. September.

Berlin  .

16.00 Sanitätsrat Dr. Paul Frank: Medizinisch- hygienische Plauderei.

Dr. Otto Erhardt, Dresden  : Probleme der Opernregie ( II. Teil.)

Sinfonikern.

16.30 17.00 Unterhaltungsmusik, ausgeführt von Dr. Becce's Terra­19.00 Kurt Großmann: Jugend und Völkerversöhnung( II.). 19.30 Dr. med. Ernst Rothe: Vortragsreihe: Die Macht der Suggestion. V.: Steigerung der Kräfte, Psychogymnastik. 20.00 Chefredakteur Georg Lüdecke: Hindernissport im Herbst. 20.30 Sendespiel Der siebente Tag". Lustspiel in drei Akten von Rudolf Schanzer   und Ernst Welisch  . Regie Alfred Braun  .

22.30-00.30 Tanzmusik( Gerhard Hoffmann).

Königswusterhausen.

Dennoch wurden auch hier die Pantalons modern. Sogar der nachmalige Friedrich Wilhelm III. trug fie schon als Kronprinz. Durch Napoleon   ward wieder die Kniehose und der Klapphut ein­geführt, während die Damen in griechischer Nacktheit" einher­spazierten. Doch mit dem Kaiser, gegen den die Lützower in langen Beinkleidern ins Feld rückten, ward auch die Empire-, die Kaiser­mode besiegt. Die Reaktionären aller Länder richteten sich, in Mode. dingen nun nach dem gegenrevolutionären England.

Als modische Sinnbilder konservativer Untertanengesinnung wurden in der Zeit des absolutistischen Vormärz Frad und Bylinder bekämpft. Altdeutsche Röcke, polnische Schnürjacken, Baretts und Kanonenstiefel murden von Turnern und Burschenschaften ge­tragen, die oft nur recht unflar von Deutschlands   Freiheit und Ein­heit schwärmten. Die überzeugten Demokraten und Republikaner aber trugen zur Bluse den Kalabreser, den Karbonarihut

Während nach dem Sieg der Reaktion ängstliche Gemüter wieder im hohen, steifen 3ylinder einherspazierten, den man deshalb als Angströhre" verspottete, wurde der breitrandige meiche Schlapphut noch lange gern zum Zeirhen unabhängig freien Geistes getragen.

Heute sieht man taum noch solche Erinnerungen daran, daß in ber Tracht sich einst politischer Gegensatz ausdrüdte. Der Klassen. tampf befundet sich nicht mehr offen in der Mode. Die Industriali­fierung der Konfektion und das Profitintereffe ihrer Unternehmer ermöglichten es heute auch den Minderbemittelten, äußerlich " modern" zu sein, wenn auch zumeist auf Kosten der Qualität. So wird wie alle Erscheinungen des öffentlichen Lebens auch die Mode entgegen ihrer ursprünglichen Bedeutung immer demokratischer. Hanns H. Kamm.

135,, Wochen" in einem Jahr.

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Ein beliebtes Mittel, die Käufer anzuloden und den Umfag zu erhöhen, haben die amerikanischen   Geschäftsleute in der Veranstal tung von Wochen" entdeckt. Die Stadt Atlanta   im Staat Georgien   hat auf diesem Gebiet sogar einen Reford aufgestellt und in einer einzigen Woche sieben Wochen veranstaltet. Die Sache begann mit der brighten- up- week. Die Bürger der Stadt wurden aufgefordert, in dieser Woche ihre Wohnungen ausmalen zu lassen. Die Woche hörte aber am nächsten Tage schon wieder auf, denn am Dienstag begann die Hosenträgerwoche, Mittwoch die Zigarren­woche, Donnerstag die Blufenwoche, Freitag die Radfahrerwoche, Sonnabend die Eiskaftenwoche. Insgesamt wurden in Atlanta   im vergangenen Jahr 135 Wochen gezählt; eine anstrengende An­gelegenheit für Geschäftsleute und ihre Kunden. Allerdings erfährt man nicht, wie der Erfolg dieser Veranstaltungen ausgesehen hat, und ob er dem Aufwand an Reflame entsprach.

14.00 Hans- Bredow  - Schule: Kurzschrift. 15.30 Uebertragung von der Rennbahn Karlshorst  . 16.30 Märchenstunde.

17.00 Uebertragung der Teemusik aus dem Hotel Kaiserhof. 18.40 Studienrat Karl Friebel: Auf Englisch   durch Berlin  ". 19.00 Uebertragung aus der Hochschule für Musik. Bezirks konzert des Deutschen   Arbeiter- Mandolinenbundes, Bezirk Berlin  :

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1. a) Brahms: Ungarische Tänze Nr. 5 und 6; b) Ziehrer: Wiener Bürger, Walzer( Gruppe Norden, Dirigent: Alfons Müller). 2. a) Mascagni  : Intermezzo aus der Oper Ca­ valleria rusticana  "; b) Flotow  : Ouverture zu der Oper ,, Alessandro Stradella  "( Gruppe Westen, Dirigent: Alex­ander Kasyaka). 3. a) Mahnke: Mandolinata; b) Valen sin: Menuett( Kinderchor, Dir.: Willi Fahr). 20.00 Abendunterhaltung.

21.00 Konzert:

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1. a) Adr. Velerius: Niederländisches Dankgebet; b) Es schleicht um Busch und Halde; c) Wilh. Berger: Ständchen ( Berliner   Funkchor. Leitung: Friedrich Jung  ). 2. a) Fr. Chopin  : Drei Präludien, op. 28, g- moll, A- Dur, d- moll; b) Joh. Brahms: Capriccio, op. 76, h- moll; c) Joh. Brahms: Rhapsodie g- moll( Else C. Kraus  , Flügel).- 3. Joh, Brahms  : a) Dein Herzlein mild; b) All meine Herz­gedanken; c) Wo ist ein so herrlich Volk( Achtstimmiger Chor)( Berliner   Funkchor).

Anschließend: Tanzmusik, Kapelle Marek Weber  . Königswusterhausen.

16.00 Aus dem Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht. Prof. Dr. Lampe: Aus der pädagogischen Zeitschriften- 8.55, 9.00, 11.00, 14.30, 14.45, 14,55, 16.30, 17.00 Uebertragung aus

literatur.

16.30 Min.- Dir. Hasse: Die Aufgaben des Beamten im modernen Strafvollzug.

17.00 Uebertragung des Nachmittagskonzertes Hamburg  . 18.00 Ob.- Reg.- Rat Margarete Trapp: Die rechtliche Lohnsiche­rung in der Heimarbeit.

18.30 Gertrud van Eyseren, Cesar Mario Alfieri: Spanisch für Anfänger.

18.55 Dr. W. Hoffmann- Harnisch: Das deutsche Vaterlands­gefühl und sein Ausdruck in der Dichtung.

19.20 Prof. Minde- Pouet: Goethes Nachwirkung bis in die Gegenwart( V.).

Ab 20.30 Uebertragung von Berlin  .

Sonntag, 30. September.

Berlin  .

11.00 Uebertragung aus dem Großen Schauspielhaus. Jugend­weihe der Arbeiterschaft Groß- Berlins  :

1. Orgelvortrag. 2. Battanchon: Andante für drei Celli.

3. Vorspruch. 4. a) Bach- Guttmann: Volkshymne;

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b) Mozart: Bald prangt, den Morgen zu verkünden. 5. Weiherede. 6. Bach: Adagio für Cello- Solo.

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7. a) Brüder zur Sonne, russische Volksweise( Satz von Tießen); b) Wann wir schreiten( Englert- Satz von Tießen) ( Der junge Chor). 8. Rothenfelder: Beginne, Jugend! Stehel Schreite weiter!( Sprechchor). 9. Orgelvortrag. 10. Worte zum Geleit. 11. Zum Ausklang( Mit­wirkende: Der Junge Chor. Leitung: H. Tießen. An der Orgel: Martin Philipps. Cellotrio: Armin Liebermann, Fritz Hoppe, Karl Lenzewski. Weiherede: Max Westphal  . Der Sprechchör für Proletarische Feierstunden. Leitung: Albert Florath  . Einzelsprecher: Heinrich Witte  .)

Berlin  .

18.30 Prof. von Hauff: Die Schönheit des Alters.

19.00 Rolf Cunz: Der moderne Ausdruckstanz und die Musik. 20.00 Uebertragung von Stuttgart  .

Ab 22.00 Uebertragung von Berlin  .

for Puritaner und Cavalier

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