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Der Waldenburger Elendsstreif.

Geine wirtschaftlichen Hintergründe.

Der beginnende Herbst, wo den Menschen bei der wachsenden Teuerung die Unzulänglichkeit ihres Einkommens bewußt wird, hat in Deutschland wieder große wirtschaftliche Rämpfe ausgelöft. An der Wassertante stehen 50 000 23 erftarbeiter im Streit, lints­rheinisch sind 45 000 Tegtilarbeiter ausgesperrt. In Rhein­ land und Westfalen rüstet die Schwerindustrie zur Abwehr be rechtigter Forderungen der Metallarbeiter. Am härtesten überrascht aber die Deffentlichkeit die Meldung, daß in dem nieder­schlesischen Elendsgebiet von Waldenburg Neurobe, das in 50 Jahren dieselbe traurige Berühmtheit haben wird, wie heute das Geschick der Weber im Eulengebirge, die Bergarbeiter am 2. Oftober zur Berbesserung ihrer Lebensbedingungen in den Wirt­schaftstampf getreten sind und streifen.

A

Unwürdige Zumutungen der Unternehmer.

Die Deffentlichkeit hat wenig beachtet, daß die Waldenburger Bergarbeiter schon einmal friedlich verhandelt haben, um ihre Elendslage zu verbessern. Am 13. September sind die ersten Berhandlungen zwischen den Bergherren und Arbeiterverbänden erfolglos abgebrochen worden, nachdem die Bergarbeiter einen 15prozentigen Zuschlag auf ihre Tariflöhne, einen billigen Ausgleich vorhandener Ungerechtigkeiten, und die Erhöhung des Zimmerhauerschichtlohnes um 10 Proz. gefordert hatten. Die Berhandlungen scheiterten, weil die Bergherren einen Vorschlag machten, der unlauter war und aus volkswirtschaftlichen Gründen von den Bergarbeitern nicht angenommen werden konnte. Die Bergherren verlangten, daß die Vertreter der Arbeiter­schaft sich bei den Arbeiter. und Verbrauchervertretern im Reichs. fohlenrat und im Reichstohlenverband dafür start machen sollten, daß die Kohlenpreise für nieberschlesische Rohle um 1 m. je Tonne erhöht werden. Wenn das er­reicht wäre, sollten die Arbeiter aus dem Mehrerlös 60 Proz. zur Erhöhung der Löhne erhalten, 40 Broz. des Mehrerlöses wollten die Bergherren einstecken. Dieser Vorschlag, der durchaus unlauter war, mußte abgelehnt werden. So fam es zum Streit.

Gerechte Forderungen.

Die Forderungen der niederschlesischen Bergarbeiter sind be­rechtigt. Unter der Bürgerblodregierung fand man im vorigen Jahr faum den Mut, eine Erhöhung der Schichtlöhne für Niederschlesien um menige Prozent für verbindlich zu erklären. Nach den amtlichen Ziffern erhalten die Bergarbeiter Niederschlefiens im Durchschnitt der Gesamtbelegschaft, wenn man den Leistungs­lohn, nicht die Tariflöhne der Lohnordnung berücksichtigt, für ihre

schwere Arbeit noch nicht 6 M. pro Schicht. Dabei ist der Soziallohn schon eingerechnet. Bo Proletariermaffen zusammen­wohnen, wie in Niederschlesien , ist das Leben weitaus teurer als anderwärts. Jebe Teuerung wirkt sich dort viel verheerender aus. Auf der anderen Seite sind die Leistungen der schlecht bezahlten niederschlesischen Bergarbeiter auch noch im legten Jahre be= deutend gestiegen. Für die schlechten Bergbauverhältnisse in Niederschlesien bedeutet es viel, daß sich im Monatsdurchschnitt die Leiffung pro Kopf und Schicht der Belegschaft im Jahre 1928 auf. 839 Kilo gegen 784 Kilo im Jahre 1927 erhöht hat. Dabei ist die Belegschaftsziffer von Jawar bis August 1928 nicht unbedeutend zurüdgegangen; sie ist von 26 800 auf 25 500 Bergarbeiter gesunken. Bei geringerer Belegschaftszahl ist die Leistung der Arbeiter also um faft 7 Proz. gestiegen. Den erhöhten inneren Rentabilitäts­möglichkeiten der niederschlesischen Bergwerke ist die entsprechende Erhöhung der Löhne nicht gefolgt.

Das Elend.

Für das Elend, das im Waldenburg - Neuroder Gebiet herrscht, nur folgende amtliche Zahlen über die Wohnungs verhältnisse: Das Landratsamt Waldenburg hat für das Jahr 1927 festgestellt, daß in Waldenburg fast 33 Proz der Be= völferung in einem Wohnraum leben müssen, 38 Proz nur ein Zimmer und eine Küche haben, und 20 Proz. in der glüd­lichen" Lage sind, 2 Zimmer und eine Küche zu befizen; nur etwa 9. Proz. find beffer untergebracht. Die Lage in den Berg ar beiterdörfern ist noch viel trauriger. In den Berg­baugemeinden Differsbach, Nieberhermsbach, Neuhain, Gottesberg und Weißstein leben von 100 Familien 34 bis 40 in einem Wohn­raum. In der Gemeinde Oberwaldenburg find es 42 Familien, in der Gemeinde Fellhammer 50 Familien, und in den Gemeinden Konradsthal, Oberhermsdorf und Neuläffig leben gar von 100 Fa­milien 58 in einem einzigen Wohnraum. Diese Wohnungsverhält niffe beweisen mehr als alle Lohnstatistiken, wie dicht besiedelte Pro­

letariergebiete mit der unvermeidlichen Teuerung automatisch auch das Elend erzeugen.

Die Zechenherren haben nichts unternommen. Die Bergherren haben demgegenüber fast nichts getan, um von sich aus die wirtschaftlichen Verhältnisse zu bessern. Erst, als die Aussicht bestand, daß Staat und Reich bereit fein werden, zur Konzentration und Rationalisierung der niederschlesischen Bergwerksverhältnisse Kredite zu gewähren, bzw. Staatsgarantien zu übernehmen, erst als diese Staats­hilfe loďte, bereitete man die Bildung der Niederschlesischen Bergbauattiengesellschaft vor, die als Einheitsbetrieb die Förderkosten senten und die Ronkurrenzfähigkeit der nieder schlesischen Kohle verbessern soll. Aber obwohl die Staatsgarantie für einen Kredit von 11 Millionen zugesagt ist, ist bis heute die Niederschlesische Bergbau- A.- G. nicht aktionsfähig geworden. Die Rotswerte und chemische Fabriten A.-G., die Rütgerswerte 2.-G. und die Gewerkschaft Vereinigte Glückhilf- Friedenshoffnung haben fich mohl vorläufig zusammengeschlossen, aber die fideitom missarisch gebundenen Bechen der gräflich Bles. fchen Berwaltung stehen noch immer außerhalb, meil der schlesischen Großgrundbefizerfamilie Bleß der Preis für ihre hoch verschuldeten Bechen zu niedrig erscheint. Diese Familie Pleß be. nußt das Elend im Waldenburger Gebiet, um Privatvorteile aus der Notwendigkeit des Zusammenschlusses zu ziehen, wobei sie vor allem ausnüßt, daß die Zechen von Pleß die Kohlenreviere der anderen Gesellschaft durchschneiden und eine rationelle Wirt schaft ohne die Bleßschen Zechen nicht möglich ist.

Die Waldenburger Bergarbeiter fönnen unmöglich auf die Linderung ihres Elends warten, bis die Familie Pleß den Preis bekommt, den sie verlangt. Sie dürfen nicht verantwort lich gemacht werden, mit ihrem Leben und mit ihrem Lebensglüd für das Kapitalrifito, das die bergbaumirtschaftlich ungünstigen wiederfchleischen Bechen tragen müssen, und das die Bergherren

in Niederschlesien nicht tragen wollen. Dem Rampf der nieder­schlesischen Bergarbeiter muß die Sympathie und Hilfe der ganzen deutschen Deffentlichteit gehören; auch dem Staat darf teine Wahl gelassen werden, wo er zu stehen hat. Nach dem der Staat seine Kredithilfe zugesagt hat, muß er den Kampf der Bergarbeiter begrüßen und durch weitgehende Erfüllung der Berg­

arbeiterforderungen die immer wieder hinausgehobene Rational fierung des niederschlesischen Bergbaus erzwingen.

Befferer Kohlenabsatz.

Die Ablaßlage auf dem niederschlesischen Kohlenmarkt hat sich feit Mitte September etwas gebessert. Durch die bevorstehende Tariferhöhung der Reichsbahn riefen Handel und Industrie etwas stärker ab. Außerdem stieg der Versand, weil in der letzten Dekade die Oberschiffahrt wieder in Gang gekommen ist. Dementsprechend gingen die Haldenbestände in Kohle etwas zurück. Die Kofsvorräte haben sich verringert. Die Ausfuhr nach der Tschechoslowakei hat zuge nommen.

Deutschland braucht keine Getreideeinfuhr.

Das behauptet Herr Schiele immer noch.

Die Behauptung von der lieberflüssigkeit der Getreideeinfuhr in Deutschland ist, wie die Dinge nun einmal liegen, unhaltbar. Die deutsche Landwirtschaft war, selbst in den Jahren vor dem Kriege,

Deutschlands Einfuhr landw.Erzeugnisse

4739.0

3620

1926 u. 1927

In Millionen Mark

800.

502

Z

1926 1927

9100.1

6981.

2969.0

2405

515.6

388.

65.0.75.

EdAcker Erz. d. Tiere a tier.Erz.landw. Nahrungs- Ins

Gart..Wiesenh. Forstw. Erzeugn. Nebengew. Genußm. gesamt

16

niemals auch annähernd in der Lage, die deutsche Bevölkerung ge nügend zu versorgen. Die agrarische Gesamt einfuhr hat in der nügend zu versorgen. Die agrarische Gesamteinfuhr hat in der Nachkriegszeit besonders start zugenommen. Im Jahre 1926 machte fie fast 7 Milliarden und 1927- über 9 Milliarden Mart aus. Mehr und Wiesenbaues. Besondere. Bedeutung hat hierbei die Einfuhr als die Hälfte davon entfällt auf die Erzeugnisse des Ader, Garten­

Deutschlands Einu.Ausfuhr von Brotgetreide 1926 1927

Einfuhr Ausfuhr

Dabei verdienen die deutschen Agrarier ziemlich viel. Hat doch der Wert der deutschen Ernte 1926 über 3,7 Milliarden und 1927 über 4,6 Milliarden Mart betragen, was bei den Ueberpreisen für deutsche landwirtschaftliche Erzeugnisse den deutschen Agrariern ziemlich große Gewinne abwerfen mußte.

Deutschlands Brotgetreide- Bilanz

101.6

11.2

4.6

1926 1927

Ausfuhrüberschuß

Einfuhrüberschuß

149.69

147.8 156.7 159

Z

196.s

156.0 160.182.5

208.9

176.7

227.5

250.

In 232.

1913:-1425.1278.9

287.6

1926:-1850.6 330.9

347.

1927:-3194.2,

331.

379.2

397.

1000 Tonnen

395.

JFMAMJJASONDJFMAMJJASOND

1..9 2 6

1 9 2 7

Wenn die deutschen Agrarier dennoch immer tlagen und immer wieder auf die Not der deutschen Landwirtschaft hinweisen, dann

liegt ein großer Teil der Schuld bei den Großagrariern selbst. Ihre ständigen maßlosen Forderungen, die zumeist mit der Wirklichkeit

Der Wert

der deutschen Ernte 1926 1927 In Millionen Mark

27.

Z

Deutschlands Einfuhr von Butter, Eiern a.Käse

365.

1913.1926-1927

329. In Millionen Mark

275.1913

234 1926

Z

400-1 349 In 1000 Tonnen

00.s

379.

1710

1460

1926 1997 371%

4614.

1371

240.9

282.

Coac

1157

188

1927

186.

168.2

1926 1927

103.10 82.

114.9 86

161.

Gesamt

Einfuhr 2417 3400.1 Ausfuhr: 567.2 205.9

876 691

113.5

657

104

66.

4.

30

20.1 32.

409

19.3

8.8 1.6

3.0.0.2

JFMAMJ JASONDJFMAMJJASOND 9 Q 6

2 7

Don Brotgetreide, die schon im letzten Borkriegsjahre girta Mil­lionen Tonnen ausmachte und im Jahre 1927 3,2 Millionen Tonnen erreichte. Die deutsche Landwirtschaft ist eben nicht in der Lage, die deutsche Bevölkerung mit Brotgetreide ausreichend zu versorgen, jo daß man auf Brotgetreidezuschuß aus dem Auslande angewiesen ist.

Frachtsenfung für Ruhr.

Dant an Gilverberg.

Obwohl eine generelle Tariferhöhung der Reichsbahn statt findet, wurden für Ruhrkohle zum 1. Oktober in den bestrittenen

( Was ge=

Gebieten die Frachten bedeutend gefentt. schieht für Niederschlesien ?) Der allgemeine Küstenausnahmetarif wird nicht nur nicht erhöht; es wird außerdem die vorge­schriebene Mindestmenge zur Ausnüßung dieses Tarifs von 455 000 um 100 000 auf 355 000 Tonnen monatlich gesentt. Die Ruhr hofft, daß die Mindeſtmengenvorschrift überhaupt bald fallen ge­laffen wird. Für Buntertohle find nach fast allen Hafen plägen fogar fast 25 Prozent Frachtermäßigung ge­plägen sogar fast 25 Prozent Frachtermäßigung ge­währt worden unter gleichzeitigem Berzicht auf irgendeine Min­währt worden unter gleichzeitigem Verzicht auf irgendeine Min­deftmengenvorschrift.

Die Wettbewerbslage der Ruhrkohle wird dadurch sehr ver­bessert, den englischen Frachtsubventionen, die eben. falls zum 1. Oftober in Kraft treten, wird entgegengewirkt. Dr. Sil. falls zum 1. Oktober in Kraft treten, wird entgegengewirkt. Dr. Sil verberg, der im Reichsbahngericht auch für Tariferhöhung wirtte, verberg, der im Reichsbahngericht auch für Tariferhöhung wirkte, war als Weihnachtsmann bei der Reichsbahn für die Ruhr­gechen sehr fegensreich.

Die Arbeiterschaft muß diese besonderen Bergünsti­gungen wohl beachten für den Fall, daß die Montantonzerne unter Hinweis auf die Tariferhöhung der Reichsbahn berechtigte Arbeiter­forderungen befämpfen wollen.

Handelskammern über Konjunktur.

Obwohl sich ernstere Krisenerscheinungen im September nicht feststellen laffen, soll nach den Berichten der preußischen Industrie­und Handelskammern ein deutlicher Rüdgang der Kon junttur im September festzustellen sein. Allerdings fehlt noch die Auswirkung der guten Ernte zurzeit. Berichtet wird von einer Berschlechterung in der Großeisenindustrie. Dagegen feien die Verhältniffe im Ruhrbergbau stabil geblieben. Auch die wegen Absagmangel eingelegten Feierschichten sind von rund einer viertel Million im August auf rund 158 000 zurüdge= gangen, während sich die Haldenbestände von 2,6 auf 2,4 Mil­lionen Tonnen verringerten( Das sind gute Zeichen. D. R. ) Sehr günstig blieb im September die Bage der Kallindustrie

38.

Z

Roggen Weizen Gerste Hafer Insgesamt Butter Eier Käse Insgesamb nicht in Einflang zu bringen sind, die schlechte Drganisation beim Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse, unzureichende Maßnahmen zur höheren Produktion hochwertiger Nahrungsmittel fowie unzu längliche Lohn- und Siedlungspolitik das sind die wirklichen Ur­sachen für die bestehende Not der deutschen Landwirtschaft.

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und des Brauntohlenbergbaues. In den ostelbischen Bezirken wurden sogar Neu einstellungen vorgenommen.

Aus der Maschinenindustrie lauten die Berichte un gleich. Wie im August ist in der elettrotechnischen, chemischen und phototechnischen Industrie die Lage gut geblieben. Auch der Automobilabsag zeigt eine gewiffe Belebung.

Chemische Fabrit Johannisthal zahlungsunfähig. Die Che Gesellschaftsfapital von 600 000 mart arbeitete, hat Zahlungs mische Fabrit Johannisthal G. m. b. 5., die mit einem schwierigkeiten. Die Gesellschaft, die bei einer jährlichen Leistungs­fähigkeit von 12 000 Tonnen Supfervitriol mit zu den stärksten Produzenten dieser Art auf dem Kontinent gehörte, arbeitete haupt. fächlich in der Art, daß ihr bedeutende Metallunternehmen( Um arbeitungsverträge), wie bie Mansfeld A. G. und die Hirschy Kupfer- Gruppe Rohfupfer usw. zur Herstellung von Kupfervitriol lieferten. Berliner Banten, darunter die Handelsgesellschaft, haben über 2 Millionen Mark im Feuer. Die Schulden der zusammen­gebrochenen Gesellschaft werden auf etwa 4 Millionen geschäßt, denen nur 2 Millionen Attiva gegenüberstehen sollen. Fehler in der Leitung sagt man, sind die Ursache des Zusammenbruches.

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Neue Arbeit für die AEG. Die fortschreitende Elektrifizierung NEG.- Konzerns Aufträge für 28 neue Abraum- Kotslösch und der Kohlenzechen und Hüttenwerke hat der Bahnabteüung des Hüttenwerks Lotomotiven zugeführt. Die Londoner Untergrundbahn bestellte bei der AEG. Fahrkartendrucker G. m. b. 5. 143 Fahrtartenautomaten und 126 Drudeinrichtungen zum Einbau in schon vorhandene Automaten. Außerdem erhielt die gleichfalls zum. AEG.- Konzern gehörige Triebwagenbau 2. G. in Kiel , die schon an einem Auftrag für Triebwagenunter­geftelle für Brafilien arbeitet, einen neuen Auftrag aus Süd. amerita auf acht neue Triebwagen.

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