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Beilage

Donnerstag, 4 Oktober 1928.

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Fischfang unter Island  .

Alle Nationen sind hier versammelt.

Rittags 1 Uhr, mit dem Einfeßen der Ebbe, verfaffen wir d. h. der kleine Fischdampfer Halle  " der Deutschen Dampf fiffereigesellschaft Nordsee" mit dreizehn Mann Besagung und mir als Passagier den kleinen Hafen Nordenham   an der Unter, wefer. Ich mache es mir auf dem Schiff bequem, sehe mich im neuen Lebensraum für drei Wochen um. Auf dem Fischerdampfer tommen erst einmal die Nuhräume und dann die für die Mann schaft. Unter dem Borderdeck sind die Fisch, Eis- und Kohlenräume,

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Der Helzbeutel über Deck.

Bann tommt die schwere Maschine, was übrig bleibt, find am Bug Dann kommt die schwere Maschine, was übrig bleibt, find am Bug und am Hec zwei dreieckige Logies für die Mannschaft. Enge Schlaftojen, ein Tisch, feste Bänke, das ist die Einrichtung; lebig­lich der Kapitän und der erste Maschinist haben fleine Rämmerchen

für sich.

Am dritten Tag wird bei Nacht Aberdeen angelaufen. Am anderen Morgen sieht man, daß die Stadt im nassen Dunst liegt, grau, trübe. Aberdeen   ist, zumindest im Hafenviertel, eine einzige, übelduftende Fischhalle. Hunderte von englischen Fischdampfern liegen hier, Duzende von Exporthallen, von Fischindustrieanlagen,

Heber allem schwebt stidiger Fischgeruch.

Roja Lichter spielen auf dem glatten, weißen Firn. Die drei Gipfelschroffen, die wie fleine schlanke Dreiece dunkel über der blendenden Weiße schweben, find rötlich angehaucht. Ein seiden­blauer Himmel liegt wie eine Glode über dem Land und dem fpiegelglatten, jagdgrünen Meer.

Ich werde durch das Pollern der Dampfwinde aus meiner fleinen Andacht geriffen. Hier gilt teine Romantik, hier fängt man Fische, und das wilde Island   mit seinen gefährlichen Küsten nennt der Matrose oft ben Mörber feiner Jugend. Gegen breißig Dampfer liegen hier, denn in einem englischen Fischereihandbuch las ich: Ingolfshöfti ground is a good fishing ground." Bas Schadet es, daß wir dauernd das versandende Brad der Amrum  vor uns haben, die in einer dunklen Nacht auf Strand lief? Wer denkt an den furchtbaren Tod einer Befagung, die sich nach dem Branden ihres Dampfers wohl an Land rettete, aber in einer un­zugänglichen Höhle einen elenden Hungertod starb? Dreißig Dampfer aller Nationen fifchen hier, und wenn im Frühjahr der Rabeljau did und prall zum Laichen zieht, find es fünfzig bis fechzig.

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Langfam turri" der Dampfer, scheinbar giellos. Die Fischer richten sich aber nach bestimmten Landmarken, nach Strom und Wind. Und dann ist da noch die Hoheits3one: Drei Meilen unter Land darf fein Nichtisländer fischen. Tut er es und wird vom Fischereischutzdampfer der Jsländer erwischt, dann find Fang und Neze hin und 10 000 kronen Strafe sind zu zahlen. Was schiert's. Nur zu gut weiß jeder Kapitan, daß dicht unter der Rüfte herrliche Rabeljau ftehen, und so macht mancher mandh fühne Fahrt unter Land.

Bir fischten hier mehrere Tage und dampften dann einige Meilen westlich, um auf einem anderen Plaz Rotbarsch und Rotzungen zu fangen. Es gelang auch, trotz des schweren Gee­ganges, der uns einen vollen Tag zu tatenlofem Treiben zwang. Dann geht es noch einige Tage zurüd zur Sut".

Eines Morgens donnert es schon früh an meine Koje. Op­stahn, en groter Hol!" Ich komme hinauf, wahrhaftig, etwa 160 Zentner find im Nez, erste Sorte Rabeljau. Auf dreimal soll die Beute an Ded geholt werden. Das erste Drittel ist schon oben. Die Mannschaft ist aufgeregt. Die Winde fnarrt wieder. Da, ein fleiner Rud im Seil, das Verschlußtau des Beutels springt auf, der Beutel hängt noch über Bord und 60 Zentner Fisch versinken lautlos unsichtbar in die Tiefe.. Berdammi! Mit Vorsicht wird der Rest der Fische, der noch im Reg war, eingeholt. Sind auch die etwa 100 3entner noch ein guter Fang, so ist doch der verlorene Beutel nicht so schnell vergessen.

Am nächsten Tag wird das Schiff feetlar gemacht. Noch drei Tage schlechtes Wetter im Atlantit, zwei fonnige Tage in der Nord

fee, dann taucht an einem Nachmittag Helgoland   auf, es wird lebhafter um uns, wir sind ein kleiner schmieriger Gesell unter Bäderdampfern, geleckten Passagierschiffen und großen ruhigen Frachtdampfern. Wir, bie letzten Profeten des Meeres.

Dann taucht Wangeroog   auf, dahinter bald die Marschen­tüfte. Sie rückt von links und rechts ans Fahrwaffer heran, wir sind in der Weser  . Wieder liegt vor uns im sommerlichen Dunst Bremerhaven  . Bald sind wir durch die Schleuse. Beim Dunkelwerden machen wir feft.

Nach zwei Tagen, einem Arbeits- und einem Ruhetag geht es wieder in See. Ber wagt es, den Fischern das Vergnügen an

HANE

Schlachten an Deck.

Land zu mißgönnen? Herzlichen Abschied nahm ich von Menschen, deren schlichte, brüderliche Art hinter einem ost rauhen Aeußeren stedt. Ihre Händebrüde ohne viele Worte wogen mir schwerer als

manches Geschüttel, mandh große Rede.

Karl Bielig  .

Gesundheit ist nationales Gut

die riefige Auttionshalle, alle brücken sich eng um die Hafenbeden. V.internationaler Kongreß für Berufskrankheiten und Unfallheilkunde

Bir nehmen Eis und gehen wieder in See. Abermals nach drei Tagen, eines Morgens, ruht das Schiff. Eben wurde Island  , der Fischgrund bei Ingolfshöfti erreicht. Ingolfshöfti oder die Hus" ist ein Gelsenklotz, der Helgoland  täuschend ähnlich sieht. Er hängt mit dem Feftland durch einen ganz flachen Landstreifen zusammen. Das Festland selbst steigt buntel und steil aus dem Meer empor. Wo es dide graue Wolken verhängen, senten sich lichte Gletscherzungen herab, ein Zeichen, daß das Gebirge sehr hoch ist.

In vier Stunden wird der erste Fang an Borb gehivt. Im engen Ende des Netzes, dem Beutel oder Steert", find die Fische. Der erste Fang ist für diese Jahreszeit nicht schlecht. Es find gegen 40 Rentner Fische. Auf Deck find mittels dider Bohlen Fächer gestellt worden, in zwei davon wird der Beutel entleert. Da liegen mun Geelachie, oder Röhler", wie die Fischer sagen, große, etwa zehn bis zwölf Bfund schwere Fische. Sie schnellen noch um her, mancher nollführt einen wild flatschenden Tanz. Dazwischen liegen einige Rochen, seltsam flache dreiedige Tiere mit langem dünnen Schwanz und scharfzähnigem Maul auf der Unterseite. Ab und zu ist auch eine Rate", ein Kattfisch, dabei, ein grau ge­Streifter Räuber mit fagenartigem furzen Kopf und großen scharfen Rähnen im Maul, oder ein Geeteufel, ein ellig schwammiger Gefelle mit riesigem Ropf, gewaltigem Maul und ganz wenig Störper.

Nun geht das Schlachten an. Die Bewegungen der Matrofen find ruhig und fachlich. Der Schnitt bis dicht an den Kopf, der Griff mit beiden Händen nach der gelben Leber, die in Körbe tommt, die Eingeweide heraus, dann fliegt der Fisch in hohem Begen ins Spülfag. Das ist voll Waffer, das bald blutrot und fraumig ist. Der Bootsmann, der jüngste Mann an Bord, Spült hier und fortiert die Fische in Fächer. In den weißen Bauchhöhten steht nur noch eine kleine rosa Baffertache, aber oft schnellt noch einer auf zu einem schnalzenden Tobestanz. Dann poltern die Körper in den Laderaum, wo sie vom Steuerman fachgemäß ver­

padt werden.

Dieses fachgemäße aden ist eine der wichtigsten Arbeiten, on ihr hängt es ab, ob die Fische frisch in Deutschland   ankommen. Behn Tage wird hier meist gelischt, fünf Tage dauert die Heimreife, et der Fisch ist also bis zu fünfzehn Tagen alt, ehe er ausgeladen wird. Die Kontrolle in Geestemünde   ist streng und so hängt von der Lagerung oft der ganze Erfolg der Reise ab

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Der zweite Fangtag bringt mir endlich das Schauspiel, das ich erfehnte: Das gewaltige Bergmaffio. bes Draefajökull. ber höchste Gipfel Islands, von dem die Gletscher direkt ins Meer lecken, wird in voller Schönheit sichtbar. Ein gemaltiges Firnfeld erhebt sich wie ein breites Dach über den düsteren. zerriffenen Mänden. Breit und start liegt der Berg in der Morgensonne.

friegszeit.

Bon den großen aktuellen Fragen der Sozialhygiene wurde über die ungenügende Ausbildung der Aerzte auf dem Gebiet der Gewerbehygiene, der Unfall- und Berufskrankheiten und der sozialen Gesetzgebung verhandelt. Kalmus( Brag) verlangte in einer Resolution Besserung dieser Ausbildung auf den Univerfi­täten. Die gleiche Forderung haben schon die deutschen   freien Ge­wertschaften in einer Denkschrift an den Reichstag   erhoben. Raplun( Mostau) gab beachtenswerte Beispiele aus Rußland   über die Art und Weise, wie dort Arbeitshygiene und Gewerbepathologie gelehrt wird und wünschte, daß der Arzt vor allem in den Be­trieben selbst seine Studien macht.

Anfang September tagte in Budapest   der Fünfte internatio-| nach dem Krieg fünf bis sechs Jahre früher eintritt als in der Bor­nale Kongreß für Berufskrankheiten und Unfallheilkunde. Es fann vorweg genommen werden, daß auch diese internationale Versamm lung von Sozialhygienikern eine einmütige Rundgebung war für den Gedanken, daß im modernen, vor allem im industriellen Staats­welen der Arbeiter weitgehenden gesundheitlichen Suzes bedarf. Eine Fülle von Einzelvorträgen namhafter Ge­lehrter beleuchtete die außerordentlich mannigfaltigen gefundheit lichen Gefährdungen der Arbeiter in den verschiedensten Berufen. Besonders bemerkenswert war der experimentelle Nachweis von Holzmann( Karlsruhe  ), daß fünstliche Geräusche, also 3. B. Maschinenlärm, fortschreitend Schwerhörigkeit erzeugen und langfam zur Schädigung des Gehörorgans führen. Jötten ( Münster  ) hat intereffante Untersuchungen angestellt über die Birkung verfchiedener Stau barten, insbesondere des Kohlen­ftaubes, auf die Entwidlung der Lungentuberkulose beim Menschen. Gesteinsstaub erwies fich als fchädlicher als Kohlenstaub. Röhr bed( Budapest  ) berichtete über Herzertranfungen bei Industriearbeitern. Seine Beobachtungen deden sich mit unseren eigenen, infofern wir bei jungen Bergarbeitern auffallend oft Herz­erweiterung als Folge zu schwerer förperlicher Arbeit beobachten tonnten. Betten( Wiesbaden  ) sprach über den notwendigen Aus bau freiwilliger Santtätskolonnen. Diese Anregungen sollten auch für die intensive Förderung unserer Arbeiter Samariter tolonnen nugbar gemacht werden. Boehler( Wien  ) zeigte im Film ein neues Verfahren, tomplizierte Knochenbrüche, wie fie bei schweren Unfallverlegungen häufig find, rasch und ohne funktionelle Nachschäden zu heilen. Gorn( Stottbus) sprach über den Muskelrheumatismus der Bergarbeiter, der eine ausgesprochene Be rufstrantheit darstellt. Besonders micht.g waren seine Feststellungen, daß die Berufsinvalidität der rheumatischen Bergarbeiter

Der Oracfajökull( 2119 m), der höchste Berg Jslands. Zu dem Artikel: Fischfang unter Island  ".

Alle diese Erörterungen liten darunter, daß sie etwas, vom grünen Tisch aus gemacht wurden. Erst in der Debaite wurde darauf hingewiesen, daß bei der Erforschung und Bekämpfung der Berufs­und Unfallfrankheiten vor allem die Arbeitnehmerorganisationen auf das Engste heranzuziehen sind, weil man aus ihren Reihen erst richtig erfahren fann, wo die Arbeiter praktisch der Schuh drückt. Die Bersammlung versprach auch in der Resolution diesem Wunsche Aus­brud zu geben. Unsere Gewerkschaftsführer müssen aber von vorn herein der Entwicklung dieser praktischen Arbeit in der Gewerbe­hygiene und ihrer Geseggeng im Interesse unserer Arbeiterschaft größte Aufmerksamkeit widmen.

Mit der allgemein zum Ausdrud gebrachten Notwendigkeit, den gesundheitlichen Arbeiterschus in allen Ländern zu verstärten, ging die äußerst interessante Feststellung parallel, daß der Aufwand für die Bekämpfung der jetzt in Deutschland  als Berufsschädigung anerkannten gewerblichen Krankheiten ein Behntel Pfennig pro 100 m. Lohnfumime beträgt. Und da flagt die Industrie noch über zu hohe Belastung aus diesen wichtigsten Bosten für die Gesunderhaltung der Arbeiter!

Mit dem Kongreß war die Eröffnung des Landesmuseums für Arbeiterschus und Gesundheitspflege ver bunden, bei dem in vorbildlicher Zusammenstellung reiches Be lehrungsmateriel über Unfall- und Berufskrankheiten, sowie eine äußerst instruftive Abteilung über das Rurpfuscherwesen gezeigt murden. Man tönnte wünschen, daß eine ähnliche Wusstellung als Banderausstellung vom Hygienemuseum in Dresden   zufammen­gestellt und in die großen Industriezentren Deutschlands   gefchickt wird. Auch dieser Kongreß hat gezeigt, daß die Gesundheit nicht mehr allein Eigentum der Persönlichkeit, sondern nationales Gut ist und daß die Fürsorge für gesundheitlich Gefährdete und Be­dürftige nicht eine private Angelegenheit sein darf, sondern eine foziale Pflicht des modernen Staates darstellt.

Dr. med. Gorn, Kottbus  .