Dienstag S. Oktober il92S
Unterhaltung unö ÄVissen
Beilage des Vorwärts
Der Verwandte. Von Michael Sostschent». Zwei Tage hatte Timofey Wosfiljewitsch nach seinem Neffen �ergci) Wlassow gesucht. Und am dritten Tage, gerode vor seiner preise, hat er ihn gefunden. In der Elektrischen Hot er ihn ge- "offen. Timofey Wassilfewitsch stieg in die Elektrische, setzte sich, nahm faei Groschen aus der Tasche und wollte sie dem Schaffner geben, einmal sieht er— was ist denn das? Die Persönlichkeit de- *haffners kommt ihm so bekannt vor. Timofey Wassilfewitsch �Ule genauer hin— ja! Kein Zweifel— Sergey Wlassow in '°chst eigener Person als Trambohnfchaffner. ..che!" schrie Timofey Wassilfewitsch. Serjoga! Bist du es '"ktiich, Herzensfreund?" Der Schaffner wurde verlegen, zupfte ohne sichtbare Notwendig- "t seine Geldtasche zurecht und sagte: ..Gleich, Onkel... ich will nur die Fahrkarten ausgeben." „Gut! Mach nur," sagt« der Onkel vergnügt.„Ich wart« schon." Timofey Wassilfewitsch lachte und erklärte den Mitreisenden: 'bas ist nämlich mein leiblicher Neffe Sergoja Wlassow. Der Sohn eines Bruders Peter... Sieben Jahre Hab ich ihn nicht gefehn, Hundefohn." Bergnügt blickte Timofey Wassilfewitsch auf seinen Neffen und *1 ihm zu: „Zwei Tage Hab ich dich schon gesucht. Serjoga, Herzensfreund. jpo ganze Stadt Hab ich abgesucht. Und du steckst hier! Schaffner bist •. Man hat mir deine Adresse gegeben. In der Rasnotschinny- �ohe. Dort Hab ich dich nicht gefunden. Ausgezogen ist er, sagt "Jon mir. Wo ist er denn hingezogen, frag ich, bitte sagen Sie es ich bin nämlich sein leiblicher Verwandter. Wir wissen es "hi. sagen sie... Und du steckst hier, bist wohl Schaffner, wie? '�ia, Schaffner," erwiderte der Neffe leise. Die Mitreisenden betrachteten den Verwandten neugierig. Der �nkel lochte glücklich und sah liebevoll auf seinen Neffen, ober der Jksse war sichtlich verlegen, da er sich bei der Ausübung seiner "lenstpsticht befand, und muhte nicht, was er sogen sollte und wie sich dem Onkel gegenüber benehmen sollte. „So. so," sagte der Onkel wieder,„also Schaffner bist du. Bei '"r Elektrischen?" „Jawohl, Schaffner...* ...Nu sag mal, welch ein Zufall. Und ich setz mich in die Elektrische, schau hin— ja, was ist denn dos? Mir kommt die Person des Schaffners so bekannt vor. Du bist es also. Ach du Eiliger Bimbam. Was für ein Zufall. Nein, da bin ich froh..." Der Schaffner trat von einem Fuß auf den anderen und sagte plötzlich: „Onkel, Sie müssen zahlen... Eine Fahrkarte lösen... Dohren Sie weit?..." Der Onkel lachte glücklich und Nopfte auf die Tasche des Schaffners. „Ich hätte bezahlt! Bei Gott ! War ich in eine andere Nummer Wiegen, ich hätte bezahlt und damit basta. Ich hätte geblecht. Al du heiliger Bimbam!... Ja, ich fahr also bis zum Bahnhof, �kjvga, Herzensfreund."" „Zwei-Haltestellen," sagte der Schaffner und sah niedergeschlagen Seite. „Nein, wie meinst du denn das?" fragte Timofey Wassil- witsch erstaunt.„Du meinst doch nicht etwa im Ernst?" .„Sie müssen bezahlen, Onkel." sagte der Schaffner leise.„Zwei loltestellen... Es ist keinesfalls gestattet, umsonst ohne Billett � fahren." � Timofey Wassilfewitsch zog gekränkt die Lippen ein und sah den offen strafend an. „Und das vom leiblichen Onkel? Den Onkel willst du be- kouben?" Der Schafiner sah unruhig durchs Fenster. �„Du willst mich wohl ausplündern?" sagte der Onkel zornig. •"Sieben Jahre ist es her, daß ich dich Hundsfott nicht gesehen habe, 'W da kommst du und verlangst von mir Geld für die Fahrt. Vom 'Glichen Onkel! Brauchst nicht mit den Händen zu fuchteln. Wenn � auch mein leiblicher Verwandter bist, vor deinen Händen habe !"> noch lange keine Angst. Fuchtele nicht, mach keinen Wind vor 0" Passagieren." Timofey Wassilfewitsch drehte das Geldstück in der Hand herum "ä steckte es wieder in die Tasche. .„Was soll denn das heißen, Brüder?" sagte Timofey Wassil- nvitsch zum Publikum gewandt.„Bom leiblichen Onkel... Zwei Nationen, sagt er... Ah?" „Sie müssen zahlen." sagte der Nesse dem Weinen nahe. „„Aergern Sie sich doch nicht, Genosse Onkel. Darum daß diese 'ektrische nicht mir gehört. Das ist eine staatliche Elektrische. Sie Wärt dem Volk." „Dem Volk." sagte der Onkel,„das geht mich nichts an. Du übtest vor deinem leiblichen Onkel Respekt haben. Stecken Sie nur Ar schwer verdientes Geld ein, Onkel, so müßtest du zu mir sagen! Rohren Sie in Gottes Namen und lassen Sie es sich wohl bekommen. �Ovon wird deine Elektrische auch nicht auseinanderfallen. Neu- ''?> da bin ich mit der Eisenbahn gefahren. Der Schaffner, das war /W einmal ein Verwandter, der hat sogar gesogt. Timofey Wassil- �stsch, machen Sie sich doch keine Umstände. Setzen Sie sich nur. ließ mich fahren... Da» war kein Verwandter... Bloß ein �ndsmann von mir. Und du verlangst vom leiblichen Onkel?... � denke nicht daran." . Der Schaffner wischte sich mit dem Aermel den Schweiß von tr Stirn und läutete plötzlich ab. �„Steigen Sie ob, Genosse Onkel," sagte der Nesse in offiziellem <(Ut , Als Timofey Wafsiljewitsch sah, daß die Sache ernst zu werden ogonn, zog er sein Geldstück heraus, steckte e, aber sogleich �eder ein. I„Nein," sagte er.„ich kann nicht. So einem Notzbuben kann � nicht bezahlen. Lieber steig ich ans." Timofey Wassiljewitsch erhob sich feierlich und mit empörter /Nene von seinem Platz und begab sich zum Ausgang. Dann wandte sich noch einmal um. v„Den Onkel... den leiblichen Onkel hinauszusetzen," sagte f�Nofey Wassiljewitsch zornig.„Warte nur. ich werde dich Lausbub lehren... An die Wand stellen muß man dich dafür... Ich •"f'e auch meine Beziehungen." v Timofey Wassiljewitsch warf noch einen vernichtenden Blick auf W Neffen und verließ die Elektrische.
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Ein Streik, der �3?Zahre dauerte
Weitab vom Welwerkehr liegt im Inntal, kurz nachdem der Fluß die Berg« verlassen Hot. die Stadt Wasserburg . Ihre ersten Ansänge reichen wohl in die Römerzeit zurück, da dieses Gebiet der Provinz Noricum angehörte und das Inntal eine Houptader des römischen Handels nach Germanien hinein bildete. Wasserburg liegt aus einer fast als Insel zu bezeichnenden Landzunge, die von der dort sehr breiten und rasch strömenden Inn umflossen wird und daher im Mittelalter als starke Festung uneinnehmbar war. Eine feste Burg überragt trotzig die Stadt, deren alte Kirchen und flache mehrstöckige Häuser mit ihren lauschigen Arkadengängen ein Stück echten unverfälschten Mittelalters in Oberbayern darstellt. Im Mittelalter ging fast der gesamte Handel von Venedig über die Alpen durch das Inntal über Salzburg , Kufstein und Wasser- bürg nach der Donau und zu den alten Handelsstädten Süddeutsch- lands. Dazu kamen wiederholt kaiserliche Kriegsvöller auf den Zügen von und nach Italien . Damals standen Handel und Gewerbe der alten Innstadt Wasserburg in höchster Blüte. Allein 43 Weinstuben und viel« Gasthäuser sorgten im Jahre 14K4 schon für die Bewirtung der damals zahlreich durchreisenden Fremden. Sehr stark war selbst- verständlich auch das Metzger» und Bäckerhondwerk vertreten und die Meister verdienten schweres Geld. Dagegen wurden die Bäcker- gesellen schlecht entlohnt. Die Knechte der einzelnen Handwerk« und vor allem die Bäcker- und Metzgergesellen hatten sich schon früh zu Gewerkschaften, die man damals Zechen nannte, vereinigt. Zunächst dienten diese Zechen der Handwerksknecht« fast nur religiösen Dingen, aber schon bald setzten sie sich immer mehr für die sozialen und Wirtschaft- lichen Forderungen der Gesellen ein. Wiederholt führte das zu Zwistigkeiten mit den Innungen und den Rotsbehörden der ein- zelnen Städte. Den ersten regelrechten Streit der Bäcker- knechte im Mittelalter erlebte aber die aste Innstadt Wasserburg . Dort forderte die Zeche der Bäckerknecht« im Jahre 1471 angesichts der hohen Einnahmen ihrer Brotherren«ine wesentliche Erhöhung des Lohnes. Als dies« Forderung abgelehnt wurde, legten die Bäckerknecht« geschlossen die Arbeit nieder und hielten in ihrem Gewerkschaftshause, der sogenannten Bäckzeche, Proteswersamm- lungen ab. Vergeblich suchte der Rot zu schlichten. Da schließ- lich Mangel an Brot«intrat, so mußten die Stadtväter die Einstellung von Arbeitswilligen und Hilfskräften durch«inen besonderen Erlaß erlauben. Ein« Beschwerde der Bäckerknecht« beim Herzog von Bayern hals nichts. Im Gegen« teil wurden mehrer« Knecht« sogar zu Wasserburg in den Turm geworfen und schließlich wurden alle aus der Stadt gewiesen.
Zirili
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Eine Schkangengeschichte von E. Wittich. „Zirili" war nur eine harmlose Ringelnatter, die einem allen Zigeuner gehörte. Aber, ein ungewöhnlich«?, über einen Meter langes schöne« Exemplar»nd gar kluges Tier. Der Zigeuner, welcher ein großer Tierfreund war und besondere Freude an Tieren hatte zumal an den unschädlichen Ringelnattern, für deren Schonung er bei jeder Gelegenheit eintrat—, pflegte und zog sie«inst auf. Das Tier war so zahm, daß es bei schönem Wetter morgens vom. Halteplatz der Wagen aus auf Nahrungssneh« in die Felder, Gärten»nd Wiese» ausging und abends zunückkehrte. Im Wagen war oberhalb des Ofens ein kleiner Käfig mit dem Heft für die Schlange angebracht, und von da aus führt« ein dicker Baumaft zum Boden, den die Schlang« beim Weggehen und bei der Heinireise als Treppe benutzte. Frühmorgens ringelte sie sich hinab und wartete so lange, bis man sie hinaus ließ oder bis jemand zufällig die Tür öffnet«, welch günstigen Augenblick sie sofort benutzte, um hinauszuschlüpfen. „Zirili" war das Lieblingstier der ganzen Gesellschast und gab viel Stoff zur Unterhaltung. Willig folgt« sie jedem auf Wort und Pfiff, aber eine geradezu rührende Anhänglichkeit bekundete sie gegen chren Herren. Diesem war sie treu ergeben. Das treu« Tier los ihm sozusagen jeden Wunsch von den Augen ob und folgte ihm auf den leisesten Pfiff und Wink. Mit ihm wäre sie bis ans End« der Welt gegangen. Ging der Zigeuner irgend- wohin, wo er„Zirili" wie sonst nicht mitnehmen konnte» so nahmen beide erst herzlich Abschied, nicht ohne ein Küßchen von ihrer Seite. War er aber genötigt, einige Tag« abwesend zu sein, so war das sonst munter« Tier wie umgewandelt, lag traurig und trübselig in seinem H«fi und ließ sich weder hören noch sehen. Bei der Rückkehr seines geliebten Herrn ober gebärdet« es sich wie närrisch, gab seiner Freude über das Wiederschen durch allerlei tolle Bewegungen Ausdruck und richtete sich blitzschnell mit dem halben Oberkörper kerzengerade in die Höhe, wobei es freudig aufgeregt einen pfeifen- den Ton hören ließ. Der Besitzer pflegte„Zirili" zuiveilen auch gern in Wirtschaften zu zeigen. Gewöhnlich hatte er sie dann zum großen Erstaunen der Gäste durch die weiten Knopflöcher seiner Iägerjopp« gezogen, so daß das lebhaft« Köpfchen mit dem rostlos bewegten Zünglein wie «ine riesig« Krowattennadel oben am Halle herausschaute. Oder er hatte sie in einer eigens dazu auf der Innenseite der Joppe onge- brachten Tasche versteckt und setzte sich ruhig an den Gasttisch. Da kam dann auf einmal das züngelnde und zischende Köpfchen unter der Joppe hervor und die klugen Aeuglcin suchten den Weg zum— Bierglas des Herrn, denn„Zirili" hott««ine große Vorliebe für Alkohol. In zierlichen Zügen genehmigt« sie sich dann auch einen Trunk. Wie rissen die unwissenden Landleute die Augen auf ob der zahmen Schlange, die sie natürlich für giftig hielten. Aber sehr mit Unrecht, wie sie sich jetzt überzeugen konnten! Hatte„Zirili" ihren Durst gelöscht, dann ringelt« sie sich am Körper ihres Herrn empor und bedankte sich jedesmal durch«inen Süß. Zum großen Ergötzen selbst der Bauern, die ihr« Gesichter zu einem freudigen Grinsen verzogen und von nun an das Aug« Tierchen mit Interesse be- trachteten. Dar so der Pflicht der Dantbarkell genügt, so schlang sich die Natter um den Hals ihres Besitzers und legte das Köpfchen an dessen Wange, denn dos war ihre Lieblingsstellung— Und war doch nur«ine Schlange, eines der minderen Tiere, denen so viele Menschen jede» Seelenleben absprechen!
Dieser Zu st and einer Bäcker innung ohne Bäckergesellen wurde erst im Jahre 1607 beendet. Damals kam eine Anzähl von Bäckerknechten und verlangte aus Grund alter Reichsgerechtsame ihrer Zunst Wiedereinstellung in die Be- triebe. Aber nochmals kam es zu Zwistigkeiten, wobei es zum Teil offenbar recht hitzig zuging. Heißt es doch in einem Rats- Protokoll vom 10. September 1607 unter anderem: „Anheut dato seien obermalen drei Bäckerknecht vor Rat er- schienen und ein Handwerk fordern lassen und dermassen bezechter Weis(das konnten also die Bayern schon dazumal: D. Red.), so spöttisch an ein Handwerk gesetzt und mit ehrenrührigen Worten angetast, welches ihnen wohl nit allein zu verweisen, sondern an VerHaft zu nehmen würdig gewesen wäre: Dieweil man aber aus ihren Reden soviel befunden, daß ein Handwerk der Böcken mit einem ehrsamen Rat untreulich umgangen und dieses Handels recht« Ursache sei, also soll ihrer zu Austrag dieses Handels mit gebührlicher Straf nit vergessen, sondern eins zum andern, was sich zu diesem oerlosen, gemessen werden, sintemalen man Unge- horsam und Trotz und Uebermut befindet. Letztlich haben sich die Bäckenknechte selbst gutwillig anerboten, ein neues General neben den Böcken anzubringen. Dieweil sie aber solches aus ihrem Säckel nit tun können, wollen sie verwilligen, daß auf der Bäckenknecht Haus zu Beförderung aufgenommen und einziger Weif wiederum zu der Lad gelegt werde. Deswegen ihnen nochmals eine Inter- Zession an ihr« Durchlaucht den Herzog von Bayern zugesagt worden." Schließlich zogen die Bäckenknechte eine alte, kaiserliche Ur- künde zu Hilfe, die früher ihrem Führer, dem Bäckenknecht Hanns Eggolff, feierlich überreicht worden war und den Knechten besondere Rechte und Freiheiten überall im Reiche zuerkannte. Dieser Hanns Eggolff muß übrigens ein sehr streitbarer Kriegsmann ge- wefen fein. In vielen Kämpfen und vor allem in der Schlacht bei Mühldorf zeichnete er sich sich durch hervorragende Tapferkeit aus. Die alle Zunftfahna der Böcken im Museum des Rathauses zu Wasserburg zeigt heute noch das Bild des Bäckenknechte? Hanns Eggolff im Harnisch mit dem Stadtbanner. Nach Eingriff des Hrrzogs wurde schließlich am 10. Oktober 1606 der Zwist zwischen den Meistern und den Bäckerknechten durch einen Schiedsspruch des Rats der Stadt Wasserburg beigelegt. Nicht weniger als 137 Jahre hatte dieser Streik gedauert. Es war wohl der erste und längste Streik im Bäckergewerbc. Interessant ist es auch, daß von feiten dcr Ar- beitgebcr und Behörden auch damals schon durch wahllose Heran- ziehung ungelernter Arbeitswilliger als Streikbrecher eine reget- rechte technische Nochilse zum Nachteil der Arbeitnehmer einge- setzt wurde. P- ftreye.
Neues vom heiligen Mistkäfer. Der Mistkäfer ist von den Aegyptern als heiliges Tier verehrt worden, wie noch die zahlreichen Starabäen zeigen, die man in den Gräbern gefunden. Die Aegpter glaubten, der Käfer rolle seine Pille von Osten nach Westen, den Laus der Sonne nachahmend, uicki grabe sie dann ein, um seinen Schatz nach einiger Zeit wieder herauszuholen und im heiligen Nil zu versenken. Wenn auch dieser fromme Glauben der Nilbewohner seit langem aufgegeben ist, so wußte man doch kaum etwas von seinen Gewohnheit«!', bis der große französische Jnsektensorscher Fabre den überaus verwickelten Lebensbedingungen dieses Tieres nachging. Doch auch dem„Virgil der Insekten" sind noch manche Mißverständnisse vorgekommen, und erst jetzt hat Professor v. Lengerken gemeinsam mit N. Heymons das Leben dieses' Sonderlings in allen Einzelheiten klargestellt, worüber er in der Leipziger „Illustrierten Zeitung" berichtet. Bisher schrieb man dem Pillendreher ausgebildetere soziale Instinkte zu, als er tatsächlich besitzt. Man glaubte, daß ein Käser» paar sich gegenseitig darin unterstütze, die aus dem Mist geknetete Futierkugel gemeinsam wegzurollen. Eine solche gemeinsame Arbeit kommt aber nicht vor. Jedes Weibchen und jedes Männchen besitzt die Fähigleit, völlig selbständig die Futterpille zu formen, weg. zurollen und einzugraben. Wenn sich ein Genosse dem Käfer bei seiner Arbeit zugesellt, dann tut er es nicht in der Absicht, ihm zu helfen, sondern um ihm die Pille zu stehlen. Ist nun der recht- mäßige Besitzer der Kugel ein Männchen und der Räuber vom gleichen Geschlecht, so kommt es nach einer kurzen Ertennungsszene zu einem heftigen Kampf, bei dem zunächst jedes der beiden Tiere die Pille für sich in Sicherheit zu bringen sucht. Solche Szenen hat man falsch gedeutet und geglaubt, es handle sich dabei um gemein- same Arbeit eines Pärchens. Auch das Kneten der Kugel besorgt jedes Tier allein. Wird das Männchen bei seinem Backgeschäst von einem anderen Käfer gestört und erkennt es in dem Neuankömmling ein Weibchen, so duldet es dieses, ist der Störenfried aber ein Männchen, dann kommt es zu einem heftigen Ringkampf. Bleibt das Weibchen da, so geht jeder der beiden Käfer an die Arbeit, ohne sich um den anderen zu kümmern, und der kräftigere besorgt das Geschäft des Abrollens. Dies ist in der Regel das Männchen, und das Weibchen folgt dann in zwei bis drei Zentimeter Entser- nung, mit den Fühlern die Geruchsfpur witternd. Hat das Mann- chen einen geeigneten Platz zum Eingraben der Kugel gefunden. so läßt sich das Weibchen, das unterdessen die Pille erstiegen hat, mit eingraben oder folgt der Kugel in die Erde durch das Loch. das das Männchen anlegt. Den Erdgang unter der Oberfläche fertigt das Männchen ebenfalls allein. Unter der Erde fressen beide an dem Nahrungsvorrat, bis sie wieder ans Tageslicht kommen, und kümmern sich nicht umeinander. Dos Weibchen knetet unter der Erde aus besonders geeignetem Mist, am liebsten aus Schofmist, die Brutbirne und stellt diese Birne — ohne Hilfe des Männchens— senkrecht in einer unterirdischen Kammer aus, nicht wogerccht, wie man bisher glaubte. In dem spitzen Teil der Birne befindet sich«n Hohlraum, die Eikommer, an deren Decke das große Ei geklebt wird. Die ausgeschlüpfte Larve gräbt sich dann in den dickeren Teil der Birne hinein, wobei sie dauernd frißt und wächst. Je größer die Larve wird, desto um- fangreicher wird auch die Höhlung, die zugleich Wohn- und Schlaf» räum darstellt. Die ganz dünn gewordenen Wände dieses Wohn- zimmers werden dann zur Puppsnwiege, und noch im gleichen Jahre schlüpft der junge Käfer aus, der die Wand des Gefängnisses durch- bricht, um dann selbst zu fresse» und wieder eine PUte zu drehen.