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Morgenausgabe

Rt. 483

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M901910

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Freitag 12. Oftober 1928

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Partei und Wehrmacht.

Die Wehrpolitik der österreichischen Sozialdemokratie. Von Dr. Julius Deutsch, Wien  .

Als in den Umsturztagen des Jahres 1918 die faiser- und fönigliche österreichisch- ungarische Armee zerfiel, sah sich die österreichische Sozialdemokratie mit überraschender Blößlich teit vor eine folgenschwere Entscheidung gestellt: Sollte sie, wie es nicht wenige ihrer Mitglieder forderten, auf die Auf tellung einer jeden Wehrmacht verzichten, also eine vollständige Abrüstung herbeiführen, oder sollte sie an die Stelle des alten habsburgischen Heeres eine neue Wehr­macht, eine Wehrmacht der Republit, setzen?

Für den ersten Teil der Alternative sprach die starke und durch den Krieg noch gesteigerte Friedensliebe des Prole­tariais, die nun erfüllbar zu sein schien. Für den zweiten Teil sprach die Ueberlegung, daß es faum gelingen könnte, die Aufstellung eines neuen Heeres auf die Dauer zu ver­

hindern.

Zeppelin in Fahrt.

Heftige Gegenwinde.- Letzte Standortsmeldung aus Spanien  .

Madrid  , 12 Uhr nachts.( WTB.)

Süd­

wechselt und steuert westlich in die Gegend der Garonne. Das Luftschiff Graf Zeppelin  " hat scharfen Er dürfte, wenn dieser Kurs, der eine Besserung der Wetterlage Gegenwind zu überwinden und ist bei etwa 80 Rilp. vorauslegt, weiterhin eingehalten wird, das Festland bereits füd­meter Geschwindigkeit über Valencia   in üblich von Bordeaux   verlassen. 14 Uhr 5 Minuten: Das Luftschiff Graf Zeppelin  " hat, fran spanien   gesichtet worden. zösischer Zeit, Montelimar in 300 Meter Höhe passiert. 15 Uhr 30 Minuten: Das Luftschiff Graf Zeppelin  " überflog den Ort Les Saintes Maries de la Mer   im Rhonedelta. 16 Uhr 30 Minuten: Das Luftschiff passierte Marseille   mit Kurs auf das Mittelmeer  . Allem Anschein nach will Dr. Edener, wie von Anfang an auf Grund der Wettermeldungen Straße von Gibraltar   und den Atlantischen Ozean erreichen. vermutet wurde, an der afritanischen Küste entlang die

Vorbereitungen in Amerika  .

C New York  , 11. Oftvoer. ,, Associated Pres" meldet aus Washington  : Das Kriegsamt hat den Kommandanten des 2. Armeekorps. Bezirks ermächtigt, Anordnung zu treffen, daß alle verfügbaren Flugzeuge dem Graf Zeppelin  " das Geleit geben, sobald er sich der amerikanischen   Küste nähert. Das Kriegsamt verfügt jedoch, den Flugzeugen sei größte Vorsicht anzuempfehlen, damit sie den Flug des Luftschiffes nicht behindern.

Bohl war es möglich, in den Tagen des Zusammen bruchs, als das Bürgertum, fopflos und erschreckt, feinen craften Widerstand zu leisten vermochte, der Aufstellung eines neuen Heeres zu begegnen. Aber wer die Dinge mit halb wegs flarem Blid erschaute, mußte sich sagen, daß dieser Zu­stand doch nicht lange andauern fonnte. Es hatte bisher noch feinen Staat ohne eine Wehrmacht gegeben, und es war nicht Falls der Zeppelin nachts eintreffe, seien die Flug­anzunehmen, daß just Deutschösterreich imstande sein könnte, zeuge wegen der erhöhten Gefahr nicht als Eskorte zu ver als einziger Staat Europas   ein solches Experiment wenden. Das Staatsdepartement und das Marineamt zu wagen. Dazu in einem Augenblid, der für das junge haben ausführliche Kabelberichte über den Start des Staatswesen nicht ohne schwere innere und äußere Gefahren Zeppelins in Friedrichshafen   erhalten. Der amerikanische war. Im Inneren des Landes waren die Zehntausende ab tonful in Stuttgart   teilte dem Staatsdepartement mit, gebauter Offiziere und Unteroffiziere zu fürchten, die, wenn dan ber Flug voraussichtlich 72 Stunden bean ihnen teine genügend starte Staatsmacht gegenüberstand, die junge Republit über den Haufen zu rennen vermochten. Anspruchen, werde. den Grenzen der Republit standen Nachbarn, die nicht nur Infolge anderweitiger Verpflichtungen ist es iveber Deutschösterreich übelwollten, sondern überdies fich noch unter- Staatssekretär Kellogg   noch Marinesekretär Wilbur mög­einander spinnefeind maren. Man brauchte deshalb wenig lich, der Ankunft des Zeppelins beizuwohnen, jedoch wer stens so viele Soldaten, um die Neutralität der Reden Hilfsmarinesekretär Warner und Konteradmiral publif verteidigen zu können, follte das unglückliche Moffett, der Leiter der Aeromantischen Abteilung des Land nicht auch noch zum Kriegsschauplatz der sich befriegen- Marineamts, beim Empfang des Luftschiffes in Lakehurst den Nachbarn werden. anwesend sein.

Die österreichische Sozialdemokratie verzichtete unter diesen Umständen auf die Erfüllung ihrer pazifistischen Ideale, stellte sich refolut auf den Boden der gegebenen Tatsachen und trat für die Aufstellung einer neuen Wehrmacht ein. Mehr noch: ihre Vertrauensmänner, waren es, die an die Spize des Heeres traten.

Freilich, es war flar, daß das Heer der Republik   anders ausjehen mußte als das Heer der Monarchie. Die schranken­lose Herrschaft des Offizierstorps, die in der Habsburgerarmee eine Selbstverständlichkeit war, mußte gebrochen werden. In den Umsturziagen wurde diese Notwendigkeit durch den großen Einfluß der Soldatenräte erfüllt. Die Bolks wehr", wie in dieser schweren Zeit das österreichische Heer hieß, war eine Arbeiterarmee. Das sozialistische Proletariat hatte zu den Waffen gegriffen, die Kasernen besetzt, die ersten Kompagnien aufgestellt und mit seinem Geiste erfüllt. Ihm ist es zu danken, daß trotz des großen Notstandes, der damals herrschte, die Ordnung aufrechterhalten und die republikanische Berfaffung gegen alle Anschläge ihrer Feinde durchgesetzt

werden konnte.

Als aber die Tage des Umsturzes vorüber waren und überdies die Entente im Friedensvertrag Bedingungen vor­schrieb, die mit dem bisherigen Aufbau des österreichischen Heeres nicht in Einflang gebracht werden konnten, mußte eine neue Wehrmacht aufgestellt werden. Die Sozialdemo fratie war start genug, bei dem Aufbau der neuen Wehrmacht Einrichtungen schaffen zu tönnen, die für geraume Zeit ihren demokratischen und republikanischen Charakter sicherten.

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19 Uhr 50 Minuten: Das Luftschiff ,, Graf Zeppe lin" überflog Barcelona  . Die radiotelegraphische Station Prat del Llobregat versucht, sich mit dem Luftschiff in Verbindung zu sehen und von ihm zu er fahren, welchen Kurs es einzuschlagen beabsichtigt.

Die Wetterlage über dem Ozean.

Die Wettermeldungen, die am Morgen des 11. Oktober sehr günstig lauteten, wurden später ungünstiger. Man legte Dr. Edener nahe, den Start zu verschieben. Der alte Braftifer jah davon ab. Die Verfuchsfahrten, die bis an die englische Küfte führten, müssen eine derartig überzeugte Leistungsfähigkeit des 2. 3. 127" er­geben haben, daß Edener Windstärten auf dem Dzean, die an die Geschwindigkeit des deutschen   Luftschiffes heranreichen, nicht scheut. er vor 20 Jahren, als Seppelin 4" an dem hiftorischen Birnbaum Leistungsfähigkeit der Zeppeline zu sprechen gewagt hätte, den bei Echterdingen   zerschellte, von dieser fahrplanmäßigen würde man in Deutschland   nicht für ganz voll genommen haben. Dr. Edener, der Kommandant des L. 3. 127 Graf Zeppelin  ", hat sich erst in den Morgenstunden des 11. Oktober zum Start ent­schlossen.

New York, 11. Oktober.

Nach Ansicht der New Yorker Wetterwarte jei és flug gewesen, daß der Zeppelin den füdlichen Kurs eingeschlagen habe, da füdlich des 40. Breitengrades feine Stürme vorhanden seien, wäh rend zwischen dem 40. und dem 50. Breitengrad ein Sturmzentrum festgestellt worden sei. Alle Anzeichen sprächen für ein flares Wetter und nur leichte Westwinde auf dem ganzen Wege nach den

3n Erwartung des Graf Zeppelin  ". New Yort, 11. Oktober. Die späteren Ausgaben der Morgenblätter und die Nachmittags­blätter melden in riefenhaften Ueberschriften den Ab­flug des Graf Zeppelin". Allenthalben äußert sich das gewal­tige 3nteresse, das das amerikanische   Publikum an der Ame- zoren, mit Ausnahme lokaler Regenschauer. Die Washing ritafahrt des deutschen   Luftriefen nimmt, die bereits seit mehreren ruhiges, windstilles Wetter herrsche, das für die Azoren außerordent­toner Wettermarte meldet, daß in der Umgebung Hortas Tagen das allgemeine Gespächsthema bildet. lich felten fet.mi

Nachdem der Graf Zeppelin  " nunmehr feine Reife angetreten hat, hat sich das Intereffe 3u fieberhaffer Spannung ge­steigert. Obwohl die Ankunft des Luftschiffes erft für Sonntag er­wartet wird, jo rechnet man doch damit, daß bereits Sonnabend mittag in Lakehurst, dem Landungsplah, ein gewaltiger Andrang von Menschenmaffen einsehen wird. Aus allen Windrichtungen eilen vollbefehte privatautomobile herbei. Die Automobile müffen etwa anderthalb kilometer von der Luftschiffballe in Cafe­hurst halten und die Automobilisten werden vom Parkplatz in be­fonderen Automobilomnibuffen nach dem für die Znichaner be­ftimmten Teil des Flugfeldes befördert.

Hamburg  , 11. Ottober.

Um 18.30 Uhr berichtet das Seeflugreferat der Deuts fchen Seewarte über die Wetterlage über dem Ozean wie folgt: Die Wetterlage hat sich Donnerstagvormittag nicht wesentlich verändert. Unter dem Einfluß des Tiefdrudgebiets/ über England herrscht über dem Festland und über Frankreich  ein ausgedehntes Niederschlagsgebiet mit tiefliegenden Wolken. Das hat das Luftschiff veranlaßt, seine Fahrt nach Süden abzudrehen, um in das Hochdruckgebiet zu gelangen, das sich von Spa nien aus west wärts über den Ozean erstreckt. Im Gegensatz zu den stürmischen Winden, die zwischen 45 und 30 Grad nördlicher Breite auf dem Dzean herrschen, treten in diesem Ho hdruckviertel nur verhältnismäßig schwache Winde auf bei heiterem aber leicht 12 Uhr: Das Luftschiff Graf Zeppelin  " ist vom Militärflug bewölftem Wetter. Auf dieser Südroute wird im weiteren Berlauf plas non gesichtet worden. Es fliegt in Richtung Marseille   weiter. Der Fahrt brauchbares Flugwetter angetroffen werden, da ein 13 Uhr: Nach dem Paffieren von Lyon   hat der Graf Zeppelin" weiteres Hochdruckgebiet, das jetzt auf der Ostküste des amerikanis den ursprünglich nach Süden gerichteten Kurs anscheinend geschen Kontinents liegt, rasch oftwärts weiterwandert.

Ueber Frankreich   und Spanien  .

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Die demokratische Berfaffung des österreichischen Heeres ficherte den 30 000 Soldaten, die der Friedensvertrag ge­ftattete, die vollen Staatsbürgerrechte, insbesondere das Reaktionäre vollständig stimmen würde, gäbe es schon längst| wahrt werden kann. Die Verwendung des Heeres hängt ahlrecht und die Koalitionsfreiheit, veranferte nur mehr einen Bruchteil republikanischer Soldaten. Aber selbstverständlich ganz ebenso wie die des ganzen staatlichen die Rechte der Vertrauensmänner und stellte den diese Rechnung stimmt nicht ganz, denn die demokrati- Machtapparates in legter Linie von den im Lande bestehenden ganzen militärischen Apparat unter die Kontrolle von Barichen Einrichtungen bewirten, daßtroballen politischen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen lamentstommissären. Drudes der Borgefegten sich immer wieder ab. Die demokratischen Einrichtungen geben nur die Mög junge Leute finden, die von ihrem gesez lichte it, im Heere Fuß zu fassen und es auf diese Weise ichen Recht Gebrauch machen und sich gewert und zwar auch nur bis zu einem gewissen Grade int schaftlich organisieren. So ist die Wehrmacht bis zu Klaffentampfe neutralisieren zu fönnen. einem gemiffen Grad zu einer Art Retrutenschule für die Gemertschaft und den republitanischen Gedanken geworden. Natürlich wird bei einer weiteren andauernden Herrschaft der Reaktion die Zahl der republika nischen Soldaten im österreichischen Heer finfen, aber man darf wohl, ohne Optimist zu sein, voraussagen, daß die demo­fratischen Kräfte nie ganz aus der Wehrmacht verschwinden werden, solange den Soldaten die Staatsbürgerrechte gewahrt sind.

Jahrelang haben die Reaktionäre, die schon am Ende des Jahres 1920 zur Regierung famen und seitdem ununter­bromen das Staatsruder in der Hand haben, versucht, die Wehrmacht zu einem Werkzeug der Reaktion umzugestalten. Je selbstbewußter das Bürgertum wurde, um so größer war der Druck, den man auf die Soldaten ausübte. Durch einen unerhörten Terror und eine Wiüfürherrschaft sondergleichen versuchte man die republikanischen Wehrmänner einzu­schüchtern. So lange der Ersaß der Wehrmacht durch ein Bartelübereinkommen geregelt war, gelang es den Realtio­nären nur sehr schwer, thre Absichten zu verwirklichen. Seit dem eine solche Bereinbarung nicht mehr zustande tam, wurde es für die republikanischen Kräfte im österreichischen Heere immer schwieriger, sich zu behaupten.

Die Aufnahme in das Heer erfolgt jezt ebenso wie in Deutschland   unter der Mitwirkung realtionärer und zum Teil jogar putichistischer Organisationen. Wenn die Rechnung der

Insofern haben sich also die demokratischen Einrichtungen des österreichischen Heeres bewährt. Es liegt uns aber fern, ihre Wirkungen zu überschäßen. So ist es nicht; daß eine Arbeiterpartei allein durch die Erfämpfung demokratischer Einrichtungen im Heere vor jebem Mißbrauch bes Heeres be

Berschiedentlich ist auch in der österreichischen Sozial­demokratie der Gedante erörtert worden, ob die Partei fidy nicht wieder, so wie in der Vorkriegszeit, zum Miliz­instem befennen solle. Nachdem uns aber das Söldner­system durch den Friedensvertrag vorgeschrieben ist, fommt der Erörterung dieser Frage im Augenblid Teine erhebliche praktische Bedeutung zu. lleberdies lehrten uns ja die prat­tischen Erfahrungen, die wir im letzten Jahrzehnt zu machen Gelegenheit hatten, daß es nicht so sehr auf das Heeressystem antommt, sondern auf seine innere Verfassung. Die demokratischen Einrichtungen, die in der Umsturzzeit erkämpft wurden, zu behaupten und womöglich noch weiter auszuge ftalten, bleibt nach wie vor das Ziel der Wehrpolitif ber afterreichischen Sozialdemokratie.