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Nr. 296.

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Vorwärts

12. Jahrg.

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Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die Geschäftsvertheilung der Gerichte

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Donnerstag, den 19. Dezember 1895. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

müht war, die Strafgerichte in bestimmter Art zusammen-[ kann um so weniger die Annahme des Vorschlags zusehen. Deshalb ist nicht ohne Widerstand von manchen empfehlen, als der Ober- Landesgerichts- Präsident diese Kennt­Seiten in das Gerichtsverfassungs- Gesetz die Anordnung niß nicht oder nur zum theil erlangt. Dazu kommt, daß aufgenommen worden, daß die Vertheilung der Geschäfte die Motive der Regierungsvorlage die Zivilgerichtsbarkeit innerhalb eines Gerichts durch das Präsidium des Land- nicht berücksichtigen, sondern im Interesse der Strafrechts­gerichts bezw. Ober- Landesgerichts oder Reichsgerichts er- pflege die Aenderung befürworten. Daß in diesent Interesse folge und daß das Präsidium aus dem Präsidenten des gerade eine Kontrolle durch den Ober- Landesgerichts Präfi Gerichts und( beim Landgericht) der Direktoren und des denten wünschenswerth ist, bezweifeln wir. Andere Faktoren, ältesten Richters besteht. z. B. die Anwaltschaft und die Presse pflegen hier besser orientirt zu sein, wenn wir auch wissen, daß keine Aussicht vorhanden ist, diesen einen Einfluß auf die Geschäfts­vertheilung zu geben.

Großbritannien

in der Novelle zur Strafprozeß- Ordnung. Dem Reichstage ist ein neuer Gesetzentwurf betreffend Abänderung des Gerichtsverfassungs- Gesetzes und der Straf­prozeß- Ordnung zugegangen. Wie unseren Lesern erinner lich, hatte die Reichsregierung im vorigen Jahre dem Reichstage bereits einen Gesezentwurf betr. die Abänderung Wir können nun diese Vorschrift auch nicht als die dieser beiden Gesetze vorgelegt, der in der Presse und im beste Lösung der Frage bezeichnen. Namentlich bei den Reichstage eine wenig günstige Aufnahme fand. Der Entwurf kleineren Gerichten beschränkt sich das Präsidium hiernach auf blieb in der Kommissionsberathung ftecken; die Kommission hatte wenige Personen. Die Thatsache ferner, daß die Austellung der aber schon eine Anzahl erheblicher Abänderungen nicht blos des Direktoren in der Macht der Justizverwaltung liegt, sowie Entwurfs, sondern auch der Gesetze selbst in Punkten be- daß der Einfluß des Präsidenten bei den Berathungen schlossen, auf welche der Entwurf nicht eingegangen war. des Präsidii jedenfalls von crheblichen Einfluß ist und und die Vereinigten Staaten . Soweit wir übersehen können, hat der neue Entwurf endlich daß die Abstimmung mündlich vor sich geht oder in einzelnen Bestimmungen die im Vorjahre allseitig geltend wenigstens vor sich gehen kann, lassen zweifellos die Eine bedenkliche Wendung nimmt der Zwist wegen der gemachten Bedenken berücksichtigt, aber nur in einzelnen Möglichkeit zu, daß diese Geschäftsvertheilung durch Venezuela und der britischen Kolonie Guyana . Da Grenzregulirung zwischen dem südamerikanischen Staate Bestimmungen. Im ganzen bleibt auch von diesem nenen Entwurf Unabhängigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung tragen wird. England sich auf ein Schiedsgericht nicht einlassen will, gegenüber zu sagen, daß nach ihm die Einführung der Be In letzterer Beziehung weisen wir blos darauf hin, daß droht Präsident Cleveland , die Monroe- Doktrin rufung und der Entschädigung unschuldig Verurtheilter, an größeren Gerichten nur der Direktor der betreffenden Monroe- Doktrin , wollen wir zum Verständniß der nach­gegen England zur Anwendung zu bringen. Die die in der vorgeschlagenen Form durchaus nicht allen Kammer über seine Beisiger sich äußern kann, während die Monroe- Doktrin , wollen wir zum Verständniß der nach­Wünschen der öffentlichen Meinung entspricht, mit Opfern anderen Direktoren über deren Tüchtigkeit oder Untüchtig- folgenden Depesche vorausschicken, ist ausgesprochen in einer au den ohnedies schon schwachen Garantien erkauft werden feit gar kein Urtheil haben und vermuthlich der subjektiven im Jahre 1823 vom Präsidenten Monroe erlassenen Er­soll, die unsere gegenwärtige Strafprozeß- Ordnung und das Ansicht des Direktors werden anschließen müssen. flärung gegen die Einmischung europäischer Mächte in Gerichtsverfassungs- Gesetz im Interesse der Angeklagten und Der vorjährige Entwurf wollte nun selbst diese schwache amerikanische Streitigkeiten( damals vorzugsweise auf die zur Wahrung der Unabhängigkeit der Gerichte eingeführt Garantie der Unabhängigkeit der Richter beseitigen und die Heilige Allianz gemünzt) und gegen die Ausdehnung haben. Dies gilt insbesondere von der Vertheilung der Vertheilung der Geschäfte der Landes- Justizverwaltung zu- europäischer Kolonien auf dem amerikanischen Kontinent. Die letzte wichtige Attion der Vereinigten Staaten auf weifen. Die ziemlich einmüthige Verurtheilung dieses Die Frage der Vertheilung der Geschäfte an den Ge- Vorschlags hat jedoch zur Folge gehabt, daß erfreulicher- grund der Monroe- Doktrin bestand in der Hinaus­richten insbesondere innerhalb eines Gerichts ist von jeher weise der neue Entwurf hiervon absicht und die Bestimmung Lomplimentirung der Franzosen aus Merito. Aus Washington wird nun telegraphirt: Gegenstand eifrigster Diskussion gewesen. Die Wichtigkeit der Geschäftsvertheilung dem Präsidium beläßt. Dafür wird nun telegraphirt: dieses Moments springt in die Augen, wenn wir bedenken, bringt aber die neue Vorlage eine anderweite Aenderung. Botschaft über die Venezuelafrage, der die Aut­Präsident Cleveland sandte heute an den Kongreß eine daß es z. B. am Landgericht I Berlin neun Strafkammern Es soll nämlich der vom Präsidium festgestellte Geschäfts- wort Lord Salisbury's auf die Note der amerikanischen Regie­giebt und daß nicht blos die Sozialdemokratie behauptet, plan sofort dem Präsidenten des Ober- Landesgerichts vor- rung beigegeben war. Präsident Cleveland sagt in der Bot­für das Schicksal des Angeklagten sei es von großer Be- gelegt werden, der binnen zwei Wochen Einspruch einlegen schaft, Lord Salisbury erhebe dagegen Einspruch, daß die deutung, welcher Vorsitzender die Hauptverhandlung zu leiten kann. Auf diesen Einspruch hat das Präsidium des Ober- amerikanische Regierung in der vorliegenden Frage der Monroe­habe. Ideale, wie wir und manche echt demokratische Landesgerichts zu entscheiden, ob es dem Einspruch statt Doktrin eine neue und befremdende Auslegung gebe, einer Parteien sie sich vorstellen, die Wahl der Richter durch das geben will. Dottrin, welche im allgemeinen auf den Stand der Dinge, in Bolt hat auch in den 70er Jahren, als das jetzige Gerichts- Wir erblicken in diesem Vorschlage ein Projekt, das welchem wir heutigen Tages leben und im besonderen auf die verfassungs- Gesetz berathen wurde, selbstverständlich keine wir nur bekämpfen können. Bei der kleinen Anzahl von seiner Botschaft hieran geknüpften Grörterung bezeichnet unanwendbar sei. In der in Annahme gefunden. Ober- Landesgerichts- Präsidenten ist einerseits eine Auslese Präsident Cleveland die Auslegung der Monroe- Doktrin Die Anstellung der Richter erfolgt durch die Landes- bei der Besetzung dieser Stelle durch die Verwaltung durch Amerifa als stichhaltig und gesund, als wichtig für die Justizverwaltung. Daß deshalb unter Umständen die zu leicht möglich, und dann ist es sicher bedenklich, die Sicherheit der Nation, wesentlich für die Erhaltung ihrer freien politische Stellung eines Assessors darauf einwirken kann, ohnedies starfe Machtstellung dieser hohen Beamten noch Einrichtungen und dazu bestimmt, in jeder Entwickelungsstufe wann, wo und wie er angestellt wird, ist schon Jahrzehnte durch Einräumung weiterer Befugnisse zu verstärken. Wir des nationalen Lebens Anwendung zu finden. Diese Doktrin hindurch auch von anderer als sozialdemokratischer Seite sehen auch nicht ein, wieso der Präsident des Ober- Landes- tönne nicht veralten. Sodann stellt Präsident Gleveland die Be behauptet worden. Dennoch ist bei dem Erlaß der Reichs- gerichts und dessen Präsidium besser soll beurtheilen können hauptung auf, daß die Doktrin vollkommen auf den Fall au­Justizgesetze eine anderweite Einrichtung für die Anstellung als das Landgerichts- Präsidium, wer von den Mitgliedern Grenz ausdehnung von einem Gebiete Besiz wendbar sei, wo eine europäische Macht durch eine nicht zu ermöglichen gewesen. des Landgerichts für bestimmte Geschäfte sich eignet.

Geschäfte.

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zu

Dagegen ist in betracht gezogen worden, daß namentlich Die ziemlich beschränkte Kenntniß über die Leistungen ergreifen suche, das einer Republik auf

be amerikanischen Festlande gehöre. Nach Ausdrucke des Bedauerns darüber, daß England Schlichtung Der Angelegenheit durch Schiedsspruch

in Preußen in den 60er Jahren zur Zeit der Fehde der Richter, welche die Ober- Landesgerichte durch ihre dem zwischen Regierung und den Liberalen die Regierung be- Thätigkeit als Berufungsgericht in Zivilsachen erhalten, die

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Clotilde.

Nach einer Pause klopfte es abermals, diesmal hatte ( Nachdruck verboten.) er es deutlich gehört, er rief: Serein!" Hanne, das Dienstmädchen trat ein.

Roman aus der Gegenwart von H. W. M. von Walthausen. Georgine kannte den Charakter des Majors zu genan. Er war sehr empfindlich, reizbar, und die geringste Be­leidigung verletzte ihn tief. Georgine hatte in den Mienen des Majors gelesen: er war beleidigt. Seine Verwandten durfte niemand verdächtigen. Man durfte ihm nichts ab­zwingen wollen, ihm nicht das Verdienst, ein freiwilliger Wohlthäter zu sein, nehmen.

Seine gute Laune war verscherzt. Wie Georgine daran dachte, daß dies für immer möglich wäre, durchzuckte sie es

n

Hier, Herr Major, ist ein Glas warmes Wasser," sagte sie und stellte das Glas auf einen Tisch, der neben dem Toilettenspiegl stand.

Das ist schön. Ich danken Ihnen. Haben Sie einen Augenblick Zeit?" fragte der Major, erst jetzt vom Schreiben aufblickend.

Gewiß, Herr Major."

Dann warten Sie bis ich diesen Brief vollendet, Sie fönnen ihn dann mitnehmen und ihn sobald als möglich in den Briefkasten stecken."

Thun Sie es ja, wenn es Ihnen geboten wird. Mancher schon, der es versäumte zuzugreifen, hat dies später bitter bereut."

"

"

E3 kostet nur zu viel Geld."

So. Wer ist denn der Glückliche, der ein so propperes Mädchen heimführen will?"

"

Unser Hausdiener."

"

Der Friedrich?"

" Ja. Er ist jetzt als Bogenglätter, eigentlich Satiniver angestellt, und wir denken später hier den Hausmannsposten zu übernehmen."

"

Nun, da könnt Ihr ja getrost heirathen."

"

Wir sind auch schon dabei, tüchtig zu sparen." So.

-

"

Seine Güte und Freigebigkeit grenzte fast an Ver­schwendung, wenn man ihn selbst walten ließ; verlangte Sehr gern, Herr Major." Hanne suchte jede Gelegen man aber etwas von ihm, oder wollte ihm vorschreiben zu heit auf, dem Major hilfreich zu sein, denn er gab sehr Adresse an Signor Balavi" noch unterstreichend und dann Also hier ist der Brief, sagte der Major, die geben, dann wurde er aufsässig, geizig und hart. gute Trinkgelder und suchte jede Gefälligkeit reichlich aus- Adresse ablöschend. Und hier er griff in seine Raffette da Sie zugleichen. beide beim Sparen sind, nehmen Sie diese Sparbüchse, er zeigte ihr ein Perlmutterportemonnaie, und da ich zu Ihrer Hochzeit wohl nicht kommen kann, so nehmen Sie auch von mir eine Beisteuer zu Ihrem Spar­Pfennig." Er legte zwei Goldstücke in das Portemonnaie und überreichte es der sprachlos dastehenden Hanne.

"

" Ich habe nur noch das Kouvert fertigzumachen." wie ein Stich. Sie sagte sich selbst mir wird es heute" Soll ich auch das Licht anstecken zum siegeln?" fragte nicht gelingen, Geld von ihm zu erlangen, denn er weiß, Hanne sehr dienstbereit. daß ich es für meinen Mann, den er nicht leiden kann, Meinetwegen. Sie schreiben wohl auch und siegeln erbitte. Und gerade mein Mann braucht es heute so nöthig. gewiß Liebesbriefe!" bemerkte der Major, den Briefbogen Und gerade heute ist die Gelegenheit günstig. Soll diese haltend und den Brief an seine Schwester dazu legend. Quelle für immer versiegen, nun so fließe sie noch ein Ach nein." Endlich faßte sie sich und sagte voll Rührung und letztes Mal reichlich. Georginen's Auge blißte unheimlich Brennt es bei Ihnen nicht?" Freude: Herr Major, wie sind Sie gut!" Sie faßte nach auf. Ihr Entschluß schien gefaßt, doch zuvor mußte sie doch, jetzt fängt es an zu brennen, hier ist das der Haud des Majors, er reichte sie ihr frendig und Hanne stammelte: Ich danke Jhuen!" Hanne erwarten, um sie zu entfernen. Georgine ging hinaus. Warum blieb aber Hanne so lange im Zimmer des Majors? Weshalb hatte sie das Glas Wasser nicht blos abgegeben? Woher kam ihr längeres Verweilen?

Wir versehen uns zurück zu dem Momente, wo der Major sich hinfeßte, um an Palavi zu schreiben. Klopfte es nicht an seiner Thür? Nein, er hatte sich verhört.

Licht."

" Ich meine in Ihrem Herzen."

" Ach ja, also Sie wissen es auch schon?" brachte Hanne verschämt hervor.

" Ich wüßte es schon? Nein. Daß die Verliebten doch immer denken, die ganze Welt wisse um ihr Glück." Nun, daß Sie verliebt sind, sehe ich Ihnen jetzt an." " Ich soll sogar heirathen."

Eine ihrer Thränen rollte auf des Majors Hand. Freuen Sie sich und heirathen Sie. Wenn Sie ver heirathet sind, werden Sie glücklich! Doch nun besorgen Sie meinen Brief. Sagen Sie, ich lasse mich als frank ent­schuldigen."

Hanne warf ihm noch einen freudestrahlenden dankbaren Blick zu, wischte sich die Augen und ging.