Morgenausgabe
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Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Sonnabend 13. Oftober 1928
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Reichsfinanzen und Reparationen.
Eine Rede des Reichsfinanzministers Dr. Hilferding.
Auf der gestrigen Rundgebung der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels überbrachte Reichsfinanzminister Dr. Hilfer bing die Grüße und Wünsche der Reichsregierung und nahm in einer Rede zu den Problemen der Ausgleichung des Reichsetats unter dem Gesichtspunkt Stellung, wie die Entwicklung der Konjunttur und die jezt in Gang gekommene Endregelung der Reparationen auf die Reichsfinanzen und auf die Steuerbelastung der Wirtschaft sich auswirken werden.
Die Finanglage des Deutschen Reiches im neuen Etatjahr sei einmal dadurch charakterisiert, daß sich die Reparationsausgaben tim 312 Millionen erhöht und die Etateinnahmen um 165 Millionen Münzgewinn und 125 Millionen verbrauchte Ueberschüsse Derringert haben. Daraus ergebe sich für den neuen Etat ein zu deckender Ausfall von rund 600 millionen Mart, und damit begreiflicherweise eine schwere Sorge für die Beschaffung der erforderlichen Mittel. Der Weg, an Ausgaben zu sparen, Jei bei dem Nettoetat des Reiches von 6300 Millionen Mark deshalb größtenteils verbaut, weil es sich bei den meisten großen Ausgabeposten um zwangsläufige gefeßliche Ausgaben handele, deren refeßliche Boraussetzungen zu ändern außerordentlich schwierig fel. Un den Reparationslasten, den Ausgaben für Kriegsbeschädigte, bem Besoldungsetat, den Ausgaben für die Reichsschuld, den Aus
gaben für die Sozialversicherung und die Krisenfürsorge und den inneren Kriegslasten, die rund 5 Milliarden erfordern, läßt sich ent: weder überhaupt nichts oder faum etwas ändern, wenn man nicht die Wermsten der Armen leiden lassen und nicht höchst unsoziale Folgen verantworten will. Aber auch für die restliche 1 milliarde find die Schwierigkeiten zur Erzielung von Ersparnifien sehr groß, fo selbstverständlich es fei. daß mit dem größten Nachdruck auf Schiebbare Ausgaben zurückgestellt werden.
Die Hoffnung auf die Steigerung der Reichs einnahmen habe eine gemisse, aber doch von den Konjunktur berhältnissen abhängige Berechtigung. Die bisherige Entwid lung der Reichseinnahmen, habe mit 4% Milliarden und einem Ueberschuß von 100 Millionen über das Etatsoll hinaus den Erwar tungen voll entsprochen. Dabei haben allerdings die Länder und Gemeinden besser abgeschnitten als das Reich, was sich jedoch im zweiten Halbjahr zugunsten des Reiches noch ändern könne. Die hier liegende Rejerve sei aber in hohem Maße abhängig von der weiteren Entwidlung der Konjunktur.
Dr. Hilferding fagte, daß er sich hüte, den Propheten zu spielen. Eicher aber haben sich die vielfachen pessimistischen Erwar tungen vom Anfang dieses Jahres, daß es mit der Konjunktur abmärts gehe, nicht erfüllt. Die deutsche Volkswirtschaft habe gegenüber allen Depressionstendenzen eine außerordentlich starke Biderstandsfähigkeit bewiesen, und wenn es zu einem Abstieg der Konjunktur fomme, so sei voraussichtlich nur mit einem sehr allmählichen Abstieg zu rechnen, der durch örtliche Konjunkturen der Weltwirtschaft weitgehend ausgeglichen werden könne. Jmmerhin sei zu beachten, daß durch die gute diesjährige Ernte die Ein nahmen aus wichtigen 3011 positionen Derringert und so die Chancen für die Reichseinnahmen, die in der bisher nicht ungünftigen Konjunktur liegen, verffeinert werden können.
So wenig man an Steuererhöhungen vorüberfönne, jo seien alle Bemühungen darauf gerichtet, die neuen Belastungen weder start noch zahlreich zu machen. Für Einzelheiten der neuen Steuerregelung fei es jetzt allerdings noch zu früb. Die Reichsregierung fel fich der Notwendigkeit bemußt, bei der Auswahl und der Bemeffung neuer Steuerlaften auf deren Wirkung in der Gesamtwirtschaft Rüdsicht zu nehmen.
Als erstes werde den Reichstag das Steuervereinheit. lichungsgefet beschäftigen, bei dem aus der Verschiedenheit der Wirtschaftsverhältnisse in den einzelnen Bändern besondere Schwierigkeiten entspringen, die naturgemäß bei der heutigen Ber: faffungs- und Berwaltungsordnung besonders groß seien. Es sei für die Gesamtwirtschaft zweifellos ein sehr großer Vorteil, wenn durch einheitliche Beranlagungsgrundfäße Bedeutung und Wirkung der Realsteuern einmal flar ertannt werben fönnen.
Große Sorgen bereite auch der von früher übernommene außerordentliche Etat im Betrage von 661 Millionen Mart, der aus Kaffenmitteln des Reiches nur vorläufig gedeckt und bisher erst durch die Begebung von 300 Miillonen Schaßwechseln beglichen
Stelle der Gewalt getreten seien und mit der wirtschaftlichen Er holung Deutschlands auch eine Gesundung der weltwirtschaftlichen Berhältnisse in Gang gekommen sei. Das böse Wort eines turzsichtigen Engländers sei nicht wahr, daß Deutschlands Armut andere Völker bereichern fönne. Das habe sich in der Zeit des allmählichen und erfolgreichen Wiederaufbaues Deutschlands erwiesen.
Eine neue Prüfung des Dawes- Plans und seiner Lasten sei nicht nur eine deutsche, sondern auch eine weltwirtschaftliche Notwendigkeit. Trotz der befriedigenden bisherigen Wirkungen des Dawes- Plans fei die von ihm getroffene Regelung eine provisorische, weil sie aber provisorisch sei, verjage fie der Welt die zu einer gefunden Entwicklung erforderliche Sicherheit, und die fich daraus ergebende Unsicherheit hindere die Gefundung in der Weltwirtschaft.
Die Ueberprüfung des Dawes- Plans müsse mit der Schaffung endgültiger Berhältnisse, mit der Sicherheit und Berechenbarkeit der Lasten jene Grundvoraussetzung erfüllen, ohne die eine Gesundung nicht möglich sei. Jedenfalls aber sei zu hoffen und zu erwarten, daß durch die endgültige Regelung des Reparationsproblems auch für die deutsche Gesamtwirtschaft fühlbare Erleichterungen wirksam
werden.
Biel zu wenig werde heute in Deutschland noch beachtet, welche großen Fortschritte in den legten fünf Jahren erzielt worden jelen. Vor fünf Jahren sei es noch ausgeschlossen gewesen, mit Frankreich irgendwelches Gespräch auch über das wirtschaftlich für Deutschland Notwendigste führen zu können, während Deutschland heute als Gleichberechtigter mit den Nationen des Versailler Bertrages verhandele. Die von Die von dem Bankerott der deutschen Außenpolitik in Deutschland sprechen, haben pergeffen, was seit fünf Jahren in Deutschland fich geändert habe und von Deutschland erreicht worden sei. Der Stabilisierung der Währung sei der ungeheure, von der Welt bewunderte Prozeß der Rationalisierung der gesamten Wirtschaft gefolgt, und wie man den Geschehnissen feit 1923 auch gegenüberstehe, die seit damals geleistete große Arbeit berechtige auch in der Zukunft zur Zuversicht.
Unter Ausfallgarantie der Stadtgemeinde.
Unter Haftung der Gemeinde Wien sind neuerdings Rußlandgefchäfte in Höhe von 423 413 Dollar, davon 407 754 Dollar auf zweijährigen Kredit, zustandegekommen. Die Gesamtheit der bisher unter Gemeindehaftung zustande gekommenen Rußlandgeschäfte beträgt 3 726 000 Dollar oder 26,1 millionen Schilling.
Horan verrät seine Helfer.
Ein franzöfifcher Journalist und ein hoher Beamter.
Paris , 12. Oktober. ( Eigenbericht.)
Die Persönlichkeit des Korrespondenten der Hearst presse Horan wird jeßt allmählich in volles Licht gerückt. Horan ist aus dem anglo- amerikanischen Presseverband ausgeschlossen worden, nicht allein weil er seinen Kollegen den Tatbestand falsch dar stellte, sondern, weil er der französischen Polizei die Personen verraten hat, die ihm die bewußten Dokumente verschafft haben. Es handelt sich dabei in erster Linie um einen französischen Journalisten, der seine Vertrauensstellung beim Quai d' Orsay zu einer Gefälligkeit für Horan mißbraucht hat. Dieser Journalist hat seinerseits das Dokument von einem hohen Beamten bes Quai d'Orsay erhalten, dessen Namen noch geheimgehalten wird. Die von Horan felbst seinen Kollegen gegebene Ber: fion, derzufolge sein Chef Hearst ihm selbst die Bapiere verschafft haben sollte, hat sich in allen Puntten als falsch erwiesen.
Außenminister Briand wird am Dienstag den Ministerrat über die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung unterrichten. Die Regierung dürfte dann das Weitere beschließen.
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Zwischen 1922 und 1925 wurde der Große Rat" aus der faschistischen Partei gebildet. 3u manchen Zeiten konnte er fich fogar rühmen, irgendwie im Zusammenhang mit der Wählerschaft entstanden zu sein. Aber nachdem die fortdauernden Proteste des Parlaments dem Faschismus endgültig jede Möglichkeit versperrt hatten, sich mit der öffentlichen Meinung Jialiens und der zivilisierten Welt auszuföhnen, und er genötigt wurde, sein oligarchisches und terro= ristisches Wesen maßlos zu übersteigern, änderte der Große Rat, wie übrigens die ganze Parteistruktur, vollständig sein Gesicht. Innerhalb der Partei wurde jede Spur eines Repräsentativsystems unterdrückt; der Große Rat wurde schließ lich zu einem Ministerrat, der durch ein Dutzend hoher Parteifunktionäre verstärkt wurde.
Man muß aber nicht denken, daß die Anwesenheit der Minister und einiger Unterstaatssekretäre im Großen Rat für diesen jemals eine Abhängigkeit vom Parlament begründet hätte. Diese Folge hätte sich in einem Lande ergeben, wo die Minister indirekt durch das allgemeine Wahlrecht erwählt werden, aber nicht in Italien , wo die Minister lediglich Mitarbeiter des Duce find, die er nach Belieben entlassen kann. Neben den Ministern, die seit drei Jahren nicht aus dem allgemeinen Wahlrecht hervorgegangen sind, sitzen die Wortführer der großkapitalistischen Interessen im Großen Rat; Rossini, der mit der Aufrechterhaltung der sflavischen Disziplin und den offiziellen" Gewerkschaften betraut ist; andere Funktionäre derselben Art und endlich die Parteiführer, die die Wortführer der wahren aber versteckten Kräfte des Faschismus find: die lokalen Führer, die infolge ihrer mitwissenschaft an den Schandtaten des Faschismus unantastbar geworden sind, Mittelspersonen bei tompromittierenden Geheimnissen und Vertreter der Presse, die zwar gehorcht, aber doch imftande märe, zu erpressen.
Der Große Rat des Faschismus wird von nun an offiziell weiter im geheimen jene eisungen erlassen, die die Kammer und der Senat in Gefeße umwandeln und die Regierung durch Dekrete in Kraft sezen. Diese Weisungen werden weiter von dem Größenwahn des Duce, von der imperialistischen Ueberzeugung einiger politischer Stribenten nom Schlage Federzonis und Corradinis, von den Interessent des Trustkapitals, von der wertvollen und unermüdlichen Mitarbeit hoher Würdenträger des Vatikans und von der Korruption und der Spekulation diktiert werden, die die ganze Verwaltung durchsetzen.
Indem aber der Große Rat ,, gefeßlich verankert" wird, treten andere verfassungsmäßige italienische Institutionen in den Hintergrund und verlieren jegliche Bedeutung. Schon Zunächst einmal die Deputierten fammer. die letzte sogenannte Wahlreform hatte sie zu einem will fährigen Instrument der Diktatur gemacht, denn diese Reform übertrug dem Großen Rat die Aufgabe, die Kandidaten zu bezeichnen. Von nun an wird der Große Rat selbst auf gefeßlichem Wege der Kammer ihre Stellungnahme zu allen wichtigen Fragen vorschreiben. Die Aufgabe der Kammer ist die einer Schirmmand, die verdecken soll, daß Italien heute absolut beherrscht wird. Aber trotzdem wird sich niemand durch einen Schwindel täuschen lassen, dessen sich alle modernen Diktatoren gleichermaßen bedienen.
Am meisten jedoch von allen politischen Institutionen wird die Krone ihrer Bedeutung entfleidet und la cherIch gemacht. Die Mitglieder des Großen Rates, die hierzu nicht durch den Willen des Königs, sondern durch ihre Funktionen und ihre Stellung, die ihnen der Faschismus übertragen hat, berufen sind, werden fünftig durch ein Dekret des Rönigs bestätigt, was einfach bedeutet, daß der König der faschistischen Oligarchie aufs Wort folgen muß. Während bisher wenigstens nach außen hin der König das Recht hatte, seine Minister zu wählen, wird nun durch Artikel 8 der Reform festgelegt, daß der Große Rat ,, die Liste der Personen aufgestellt und auf dem laufenden hält, die er für geeignet erachtet, Regierungsämter zu übernehmen". Der König steht also gewissermaßen einem Stellenpera mittlungsbureau für Minister gegenüber, das nicht einmal mehr den Schein wahrt und dem König Ernennungen vorschreibt, die dieser nach Gutdünken vornehment
fai. Aus diefer beengten Geldiage entspringe auch für den außer. Die Fahrt des ,, Graf Zeppelin" te
ordentlichen Etat die Notwendigkeit, nach Ersparnissen zu trachten, überflüssige Ausgaben zu vermeiden und verschiebbare Ausgaben vertagen. Mehr als je müsse an dem Grundsatz der unbedingten Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zum Reichsetat festgehalten werden.
Der Drud der ungelösten Reparationsfrage babe sich seit den Berhandlungen in Genf , wo die Einfeßung eines Erpertenfomitees zur endgültigen Regelung beschloffen worden fet, wenigstens in den Hoffnungen für die Zukunft etwas verringert. Der Dames Plan habe den unschäzbaren Borteil gebracht, daß Grundlägliche Heberlegungen ber mirtschaftlichen Bernunft an die
In der Ernennung der Minister ist der König allerdings Durch das schon lange hinter Mussolini zurückgetreten. berüchtigte Defret vom Juni 1925 ernannte sich Mussolini zum Regierungschef und setzte durch, daß die Minister ihm Das Luftschiff Graf Zeppelin " hat um 22 Uhr und nicht dem König verantwortlich sind. Heute hat der örtlicher Zeit die zur Azorengruppe gehörende König den Befehlen des Großen Rates zu gehorchen, Insel San Miquel in einer Entfernung von 30 bis 35 selbst wenn es sich um die Ernennung des Ministerialpräsiden Meilen passiert. Das Wetter ist regnerisch und unten und Regierungschefs handelt, also unter der Voraus fichtig, der Sturm ist abgeflant. Das Luftschiff segung, daß Mussolini verschwindet. hatte eine Geschwindigkeit von 81 Seemeilen, es steht in dauernder Funkverbindung mit der Marconi - Station Can Miquel.
Bis jetzt hatte der König von Italien wenigstens theoretisch das Recht, falls die Neubildung der Regierung erforderlich würde, sie Personen zu übertragen, die seiner