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Beilage

Sonnabend, 13. Oktober 1928.

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärt

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Pariser Rummelplatz

Mitten auf dem Plaz Denfert- Rochereau im Süden von Paris | eine ohrenbetäubende Musif, die das Arbeiten des elektrischen Motors steht das Denkmal der Verteidigung von Belfort , 1870/71, ein ge- übertönt. waltiger bronzener Löwe, der auf einem umfangreichen Steinsocel ruht. Biele hundert elektrische Glühbirnen, die an Schnüren zwischen Flaggenmasten hängen, und bunte Blumentransparente leuchten hier Abend für Abend auf und beleuchten grell den Löwen , der in seiner

L. Perte de 7 Bales Chaque Couleur. 99ne 1 Lot

100.

Jeder Wurf gewinnt

nicht.

Krommer

Football" ist die nächste grand attraction. In freisrunden Wägelchen, die sich auf faum sichtbaren Rädchen nach allen Seiten bewegen können, fizen die Teilnehmer, die sich tatsächlich als Fuß­bälle fühlen tönnen, denn faum haben sie in den Wägelchen Platz genommen, als schon eine Scheibe in der Mitte des Raumes zu rotieren beginnt. An dieser Scheibe find drei folcher Wägelchen mittels Ketten befestigt und beginnen alsbald ihr tolles Spiel, das durch breite Buffte aus Hartgummi am unteren Rand eines jeden " Fußballs" gemildert wird. Sie prallen mit den übrigen Fuß bällen zusammen, schleudern sie weit hinaus auf die Bahn, von wo sie durch die schiefe Ebene wieder zum Zentrum herabrollen und aufs neue zusammenstoßen.

Aber auch die übrigen Schaubuden, die nicht mit diesem kompli zierten technischen Aufwand arbeiten, erfreuen sich einer guten Be fucherzahl. Da fizen hinter einem Tisch eine Reihe grotester Gesellen. Büfte Gesichter mit den seltsamsten Rasen wenden sich alle Augenblid nach rechts und nach links. In den Händen halten sie Drahttüten, in die man Bälle wirft. Trifft man in die Tüte, so rollt der Ball weiter in einen rotierenden Behälter, wo er erst einen bestimmten Plaz erreichen muß. Sieben Bälle stehen dem Spieler zur Verfügung, die Geminne bestehen aus Geschirr und Porzellanwaren.

Außerordentlich groß ist die Zahl der Glücksräder, bei denen man mit geringem Einsatz 1 bis 4 Kilogramm Zuder ge= winnen tann. Nicht selten muß der glüidliche Gewinner ein Ein­kaufsnez zu Hilfe nehmen, um seinen Buder nach Hause zu bringen. Bor einem Raubtierzelt tanzt eine Negerin einen Bauchtanz und wickelt sich dabei eine Riefenschlange um den Leib. Vor einer

chernen Ruhe fast unheimlich von der fröhlich- bewegten Umgebung anderen Bude, in der es einen Riesenpolypen geben soll, hodt ein

absticht. Denn rings um den Blaz und den breiten Boulevard St. Jacques hinunter drängt sich Schaubude an Schaubude, Karussells und Luftschaufel, umlagert von einer fröhlichen Menge, die sich hier vom späten Nachmittag bis nach Mitternacht amüsieren will. Die Fêtes de Lion du Belfort" dauern zwei Wochen. Eine Zusammenballung von Attraktionen aller Art, die zum Teil mit einem raffinierten Mechanismus arbeiten. Da gibt es z. B. einen einen Autorennplay, auf dem ein Duzend kleiner Autos durch cleftrischen Kontaft mit mittelmäßiger Gefdwindigkeit fich fortbewegen. Leute, die noch nie ein Auto gesteuert haben, find ganz versessen darauf, ihr Fahrzeug durch die Kurven zu bringen. Natürlich gibt es alle Augenblide marterschütternde Zusammenstöße, gegen die das Auto auf allen Seiten durch eiferne Schußstangen gesichert ist. Ein Musilautomat liefert zu dem Krach die passende Begleitung Arien aus Rigoletto" und Troubadour". Daneben dreht sich ein Riefenfarussell. Prächtig geschnigte Kühe mit goldenen Hörnern und hängenden Zungen jagen in Reihen zu je vier, auf­und absteigend, vorüber. Oft sitzen drei Personen auf einer Kuh,

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Foot Ball Grand praction

Das Fußball- Spiel.

kommer

waren abgesperrt, damit die Alte endlich ungestört fressen fonnie Aber auch jetzt fam fie nicht zur Ruhe. Die Kinder langweilten sich, und statt zu schnurren, weinten sie. Fauchend ging die Löwin an der trennenden Verschalung entlang, fragte mit den Borderpfoten da fand die Löwin Hilfe und Rat: hinten am Käfig klaffte die und war sichtbar unglücklich. Die Kleinen miauten immer mehr, Trennungswand ein wenig: das Muttertier stellte sich mit dem Rüden dagegen und schob ihren Schweif hinüber zu den Jungen, die alsbald darauf losstürzten und mit der zuckenden Rute ihre vergnügten Spiele trieben.

Muntere Giraffenſpiele.

Den Winter über war die dunkelhäufige, nun mehr als pier lichten Giraffenpärchen Hans und Anneliese" abgetrennt. Als aber Meter hohe Betty vom Meruberg durch eine Bretterwand pom die ersten warmen Frühlingstage tamen, öffnete sich das Tor für plößlich die artverwandten Drei. Was geschah? die linke und die rechte Seite, und im Sonnenlicht begegneten fich

Zärtlichkeit seiner anmutigen Gespielin den Hof gemacht hatte, wurde Der Giraffenjüngling, der gestern noch mit allen Zeichen der schon in der ersten Stunde wankelmütig. Buhlerisch stand er neben und leckte und fofte mit weichen Lippen ihren Rüdenkammm. Betty, der großen Weinblattgiraffe, die über einen Meter höher ist als er die Riesin, ließ sich diese Annäherung eine Weile gefallen, ja sie ranfte ihren langen Hals tosend um den des kleinen Hans.

Geradeso waren gestern im warmen Stall Hans und Anneliese nebeneinander gelehnt, und im lleberschwang seiner Gefühle hatte der Jüngling von Zeit zu Zeit den Kopf rückwärts gebogen und so Kamerabin reichte. Jetzt aber stand sie schmählich verlassen in der lange lüstern verdreht, bis seine weiche Muffel an die Lippen der Sonne und zitterte, so daß die feine Nezzeichnung ihres Fells sich rudartig zusammenzog. Das tam natürlich von der trotz aller Sonne tühlen Atmosphäre; aber für uns Menschen lag überdies auch ein seelischer Ausdrud in jenen Bewegungen der Haut.

Hans steigerte bald die Bekundungen seiner Liebe zu Betty. Er trieb die schmere, große Giraffin vor sich her und jagte sie, bis das Tier mit seltsam wiegenden Spründen durch das Gelände floh. Man muß es dem jungen Bullen lassen, er verstand seine Manöver: immer wieder preßte er die soviel größere Beute in einen Winkel, warf den langen Hals zurück und stieß ihr seinen Kopf zärtlich in die Weich teile. Das muß bei Giraffen von besonderem Reiz feln und ein finniges Liebesiplel; jedenfalls erschauerte Betty dabei bis in die Fußgelenke. Aber dann zog sie mit schwerfälligen Sprüngen davon, wobei zur Verlegung des Gleichgewichts der lange Hals pendelnd auf und nieder schwang mie ein Boot, das auf den Wellen tanzt.

Als die wilde Jagd dicht an ihrem Wedel narüber toste, perfor die fleine Anneliese ihre Lethargie. Blößlich mutig geworden, nahm sie den Kampf der Rivalität auf und schmiß die Beine, jo gut es bei ihrer Kürze eben ging; ja sie drängte sich mitten zwischen die unbefümmert Balzenden.

Das war ein phantastisches Schaustück! Wie besessen hüpften, wiegten, flohen die drei Tiere umeinander herum, Kolosse von 4%, 3 und 24 Meter Scheitelhöhe, ballten sich zu einem Klumpen, daß man aft herzflapsend fürchtete, eines davon mit gebrochenem Bein zu Boden sinken zu sehen und zogen dann wieder in langen Fluchten

zwei auf dem Rücken und eine zwischen den Hörnern. Auch hier Reischen und häft liebevoll ein Meerschweinchen in den Armen. Für hintereinander her.

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Unter dem Löwen von Belfort.

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die Kinder find die gut ausgestatteten& a russells das große Erlebnis. Da fönnen fie in einer richtigen Lotomative fahren, aus der es heftig raudt, Windmühlen , Geuerwehrwagen, Motorräder, Autos, Flugzeuge( fast ist das Pferd verschwunden) drehen sich im Kreise und rufen immer neues Entzücken hervor...

Kurz vor Mitternacht erreicht das Fest seinen Höhepuntt. Die Straße zwischen den Schaubuden ist so gedrängt voll, dağ, es mur rudweise vormäris geht. Kleine Indochinesen in blauer Uniform schlüpfen geschicht durch die sich stauende Menge. Maroffaner im Fez, dunkelhäutige Senegalneger ragen um Kopfeslänge aus der Umgebung heraus. Es gibt auch schon einige Betrunkene. Mit heiser geschrienen Stimmen preisen die Verkäufer noch einmal ihre Herrlichkeiten an. Die Luft ist rauchig und erfüllt vom Geruch frisch gebadener Baffeln. Die Luftfchaufeln schwingen so hoch, daß fie mit den Spizen in das Zeltbach Löcher reißen. Bor den Schießbuden fnallt es faft ununterbrochen. Zwischen Irren anstalt und dem Gefängnis de la Sanité gelegen, scheint dieser Boulevard St. Jacques por Ausgeloffenheit zu zittern. Aber nur noch wenige Minuten, denn die Stunde, da die zahlreichen Blauen" vor den Schaubuden auftauchen und an den Schluß erinnern, ist gekommen. Rosch verläuft sich die Menge, denn morgen abend geht

der Rummel von neuem Los.

Tiere sehen Dich an.

Von Paul Eipper .

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In seinem in diesen Tagen erscheinenden Buch Tiere| fnurrend dazwischenfährt. Der begünstigte Freier sucht zurück, er­sehen Dich an" bringt Baul Eipper eine lange Folge don hebt sich und zeigt die Zähne. Das Fräulein in der Mitte wird Tiergeschichten, eine Reihe von Beobachtungen, wie sie nur nervös; ihre Bordertage haut mit mächtigem Hieb den bislang wenigen zu machen vergönnt ist, das unverfünftelte Bekennt Begünstigten ins fauchende Gesicht, ein-, zweimal. nis eines Menschen, dem die Tiere Kameraden geworden sind und Freunde.

Mit Erlaubnis des Verlages Dietrich Reimer u. Ernst

Bohsen, Berlin , bringen wir im folgenden eine kleine Aus wahl. Berliebte Leoparden.

Die Leoparden haben einen Baum in ihrem Käfig der sich boch oben faft horizontal gabelt. Und dort verbringen fte ihre 3eit,

er alle drei.

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Forst

Es sind junge, fehr graziöse Kozentiere, federnd in ihren Be wegungen und sehr elegant im Sprung. Der eine liegt lang aus geftredt oben in der Gabelung. Die beiden anderen hoden links und rechts an den beiden Enden der Aeste. Sie bewachen den Schlaf ihres Kameraden. Oder sind es zwei Freier, die um die Gunst einer Jungfrau werben?

Jezt versucht der eine Leopard, über die Schlafende hinwegzu­tettern. Mit äußerster Vorsicht tastet er sich auf dem dünnen Afte bor ; aber sein Gegenüber beobachtet ihn scharf. Der lang herunter hängende Schwanz zittert. Ist es Eifersucht?

Der Unternehmungsluftige geht auf seinen Platz zurüd und stellt Ueberlegungen an. Jetzt fommt ihm ein Gebante. Er be­ginnt, ganz zart den Rücken der Schlafenden zu leden, mit rauber Bunge zu bürsten, und hat auch einen schnellen Erfolg. Die Schöne erwacht, räfelt den Leib, dreht sich um. Schon reiben die beiden 76 Röpfe aneinander.

Aber sie haben ihre Rechnung ohne den Dritten gemacht, der

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Klagend schnellt dieser zur Erde und verkriecht sich im Hinter­

Hans vergaß die fühle lleberlegung. Bald fostete er die Zwergin, bald mippte seine Zärtlichkeit gegen die dunkle Große aus dem Süden Afrikas . Und die Sonne meinte es gut mit diesem Liebesspiel; unverändert floß warmer Glanz über die braun und gelb geflecten Tierleiber.

Eine Woche später war Witterungsumschlag eingetreten; im Innentäfig stellte jene Wand aus Bohlen wieder die reinliche Trennung her. Links davon ging Betty unruhig durch ihre Ein­jamfeit; rects aber bot sich der Anblick einer zärtlichen Idylle. Sm Strohbett faßen die beiden hellen Giraffen vom Rudolffee; aus ihren Körpern, die in ruhigen Atemzügen leise sich bewegten, muchsen wie Wunderblumen aus einem Wasserrosensee die langen Hölle auf, und ihre schmalen, feinen Köpfe schmiegten sich eng aneinander. Wohlbehagen leuchtete aus milden Augensternen, und wenn der Hans Lederbissen von den Lippen des Wiedergemonnenen. ein wenig Heir vom Boden griff, knabberte die Giraffin sanft den

Es schnappt das Krokodil.

Wände aus Glas umfrieden einen Riesenraum. In heißer Luft wiegen sich Bananen- und Gummibäume; eine Bambusbrüde führt über die Flußbanf, wo im Sonde Panzerechsen schlafen: der Ai­gator mit dem breiten Kopf, der Brillentaiman und das Krokodil vom Nil. Einige Kaninchen werden in die Krokodilgrube gefeßt. Keine Ahnung warnt sie vor Gefahr; das eine Tier hüpft über die Nase des Alligators und klettert dem faulen Burschen munter auf den Kopf. Das ist wohl auch für die Geduld eines Krofodils zuviel; der Schläfer erwacht, schiebt sich rückwärts ins Wasser und schwimmt davon. Solange der Rücken herausragt, bleibt das Kaninchen ruhig figen; dann verläßt es felne Insel und schwimmt ans Land. Dort aber rasselt ein mittelgroßes ägyptisches Krokodil, reißt die ge­toaltigen Kiefer auf, flappt und schnappt das Tier, porbei! Well nun Krokodile weder Zunge noch Speicheldrüse haben, müssen sie ins Wasser, um ihre Nahrung hinab zu würgen.

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Das tut auch dieses Nilkrokodil, spült mit einem Schütteln feines Kopfes das tote Karnickel und fnackt entzwei, was vor 30 Sekunden

grund. Der andere aber bleibt oben auf dem Baum; er hat gefiegt noch luftig am Leben war. In der Natur gibt es kein Mitleid.

und gewonnen.

Löwenfinder.

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Selten, daß eine Löwenmutter bei den Kleinen gelassen wird; Hündinnen sind zuverlässiger und haben wahrscheinlich auch mehr Geduld. Denn das scheint mir zweifelsfrei junge Löwen ent­wideln sich gar schnell zu Quälgeistern von ganz besonderer Stärke. In einer Wandermenagerie erlebte ich, wie zwei Löwenfinder unablässig von beiden Seiten ihre Mutter ansprangen und die fnurrende Alte immer wieder in den herabhängenden Schweif biffen. Eine Weile ließ es fich die Löipin gefallen, unter deutlichen Schmerzgrimassen. Dann stellte sie die Rute horizontal, so daß die hochspringenden Kinder das Spielzeug nicht mehr erhaschen konnten. Aber lange dauerte das nicht. Die Jungen warteten geduldig, bis die Rute müd nach unten fant und stürzten sich von neuem auf ihre Beute Da ging die Löwin zwei Schritte rückwärts, streckte den Schwanz wieder geradeaus und siehe da nun berührte die Spizze den Holzverschlag, legte sich in einer leichten Kurve aufwärts und fand so Stüße und Halt. Alles Aufwärtsspringen, die Kletterversuche an der Bohlenwand halfen den Kleinen nichts; die Trauben waren ihnen sauer geworden!

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Gerade diese Löwin aber bot wenige Tage nachher einen rührenden Beweis von Mutterliebe. Die teinen gelben Burschen

Den Schlangen zum Fraß.

Drei Pythons liegen, zu großen Tellern eingerollt, ohne Be­wegung im verglasten Käfigrund und rühren sich auch nicht, als ein Bärter die Klapptür öffnet, um ein strammes Ferkel von etwa 25 Pfund Gewicht in den Käfig zu setzen.

Jetzt wird die erste Legende zerstört: das Märchen vom Zauber. bann der Schlangen. Unser rosa Schwein springt luftig umher, be­schnuppert die Wände, scheuert seinen Rücken am Kletterbaum der Reptilien und fümmert sich so wenig um die Schlangen, wie diese das Fertelchen beachten. das Fertelchen beachten. Ja, das Tier pufft mit seiner Rüffel­schnauze an den Knäuel, so boß eine Schlange jäh den breiten Kopf hochnimmt und ein wenig zischt. Erschrocken hüpft der fleine Dice dann zwet Schritte zurück, und das Reptil zieht der Kopf wieder ein.

Bielleicht ist das Schwein zu groß? Ein fleineres wird dazu getan. Jetzt toben die beiden vierbeinigen Burschen, daß die Kiesel­steine fliegen. Sie beißen sich, schießen Kobolz und beachten gar nicht, daß die sieben Meter lange Netzschlange züngelnd vorwärts­friecht. Das Schicksal naht, denke ich schaudernd. Die Ferkel aber be schnuppern sich, und die Schlange geht wieder nach Hause. Vielleicht hat sie Appetit auf Kaninchen? Ein weißes und ein geflecktes Tier werden hereingefeßt und fühlen sich so wohl im heißen Schlangen­raum, daß sie sogleich dem Fortpflanzungsgeschäft obliegen, dicht neben den Reptilien. Es war nichts mit der Fütterung.

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