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Nr. 489* 45. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Dienstag, 46. Ottober 492»

Die Aussperrungsseuche. Die Textilunternehmer gehen aufs Ganze.

Bor zwei Wochen haben die Textilunternehmer im München - Glodbacher Bezirk mehr als dreihundert Betriebe geschloffen und 45 000 Mann Belegschaft auf die Strafje gesetzt. Aber dieser von den Unternehmern provozierte Arbeitskampf bildet nur den Auftakt zu dem großen Schlage, den die gesamte deutsche Textil- industrie gegen Ihre Belegschaften, die gewerkschaftlichen Organi- sationen und das staatlich« Schlichtungswesen vorbereitet. Zunächst haben sich die r h e i n i sch- w est l i s ch« n Unternehmeroer- bände mit den München -Gladbacher Fabrikanten solidarisch erklärt und eine Sympathieaussperrung von 100 000 Arbeitern und Arbeiterinnen zum 27. Oktober festgesetzt. Dieser unerhörten Maßnahme soll aber der chauptschlag mit einer Gesamt- aussperrung aller deutschen Textilarbeiter am 3. November erst solgen, wodurch mehr als eine Million Texkilarbeiler und-arbeitcrinnen auf das Pflaster geworfen werden. Die Unter» nehmcr erklären zynisch, daß endliche einmal mit den fortgesetzten lokalen Lohnkämpfen Schluß gemacht und reiner Tisch ge- schaffen werden müßte. Auch die geringsten Lohnerhöhungen seien sür die Fabriken zurzeit u n t r a g b a r.. In diesem Sinne wird die öffentliche Meinung seit Wochen von der durch die Industrie ausgehallenen Presse bearbeitet. Tatsächlich Handelle es sich bei dem München -Gladbacher Kon- slikt gar nicht um erhöhte Lohnforderungen der Belegschaften. sondern mir um einen Ausgleich für die von den Werken vorgenommenen Akkordlohnkürzungen. Die Streichung der Atkordlohnhöchstsätze durch die Unternehmer hat» für eine» großen Teil der Belegschaften, und zwar überwiegend die quali» flziertesten Arbeiter, einen Lohnausfall bis zu 25 Proz. zur Folge. Damll nicht genug, versuchten die Unternehmer in den letzten Berhandlungen eine weitere Lohndrosselung um 12 Proz. durchzusetze« und sperrten die Belegschaften angesichts des einheitlichen Widerstandes kurzerhand aus. Die auf Grund dieser Tatsachen beabsichtigte Sympathieaussperrung von 100000 rheinisch- westfälischen TextUarbellern End« dieses Monats und mehr als einer Million Arbeller und Arbellerinnen am S. November in ganz Deutschland stellt einen der brutal st enUeberfälleder Unter- nehmer auf die organisierte Arbeiterschaft dar. mll dem sich nur das Borgehen der rhelnisch-westsölischen Schwerindustrie im Dezember vorigen Jahre» oergleichen läßt. Die Textilindustrie erklärt, daß sie nicht leben und nicht sterben könne, sie weist auf die sinkende Konjunktur und die Löhne hin, und ein großer Teil der öffentlichen Meinung übernimmt urteilslos Ihre Argumente. Wie sieht es tatsächlich in der Textilindustrie aus? Seit dem Sonuner 1026 hat diese Industrie eine Konjunktur mll chausie-Erscheimmgen im letzten Jahr durchgemacht, wie sie sobald nicht wiederzufinden sind. Verdoppelung der Produk- tion, enorme Betrlebsau»baute». Ueberswndenwirtschaft mll rücksichtsloser Antreiber ei und entsprechende Proflle gingen mll diesem Netordaufschwung chand in Hand. Einige Beispiele von Großkonzernem die sich be- hebig um andere Unternehmen vermehren ließen, genügen, um die Konjunkturgewinn der Textilindustrie zu kennzeichnen. So hat der Stöhr- Konzern in Leipzig das letzte Jahr nach Abzug aller Unkosten mit einem Rohgcwinn von 3.4 gegen 2.2 Millionen Mark abgeschlossen und nach Mprozentiger Erhöhung der Abschreibungen aus die Werksanlagen noch einen von 1.1 aus 1,8 Millionen Mark gestiegenen Reingewinn ausgewiesen. Die Dividend« wurde von 6 aus 10 Proz. herausgesetzt. Der als Scharfmacher be- kannte Norddeutsche Wollkämmerei- und Kammgarn- spinnerei-Konzern in Bremen steigerte seit 1925 seine Dividenden von 5 Proz. auf 10 Proz. und 1027 auf 12 Proz. Di« Verarbeitung von Wolle und Kommgarn stieg von 85 Millionen im Jahre 1025 auf 127,5 Millionen im letzten Jahre. Auch die in letzter Zeit ver- össentlichten Textilabschlüsse sür das GeschöstssaHr 1027/28. so der Abschluß der Gardinenfobrik Plauen und der Dresdener Gardinen- fabrik, zeigen bei erheblicher Umsotzsteigerung Dividendenerhöhungen von 8 und 10 aus 12 Proz. Wenn aber etwas die gestiegene Rentabilllät der Textilindustrie beweist, so ist es die im August veröffentlichte Bilanzstatistik deutscher Aktiengesellschaften. Bon insgesamt 429 ersaßten Gesellschaften mit einem Aktienkapital von 781 Millionen wurde ein Gesamtgewinn von mehr al» 88 Millionen Mark, also von rund 11,3 Proz., aus- gewiesen. Bon den in dieser Statistik aufgeführten Jndustrtegruppen weist im Durchschnitt die Texkilindustrle dea höchsten Reingewinn auf. Die durchschnittlich errechnete Dividende von 6,3 Proz. will nicht viel besagen, da die Textilindustrie nur etwa die Hälfte ihrer tatsächlichen Reingewinne als Dividende oerteill. während z. B. im Bergbau fast 78 Proz. des Reingewinnes an die Aktionäre fließen. Bon den In dieser Ausstellung erfaßten 420 Gesellschaften hatten nur 70 Unternehmen mit einem Verlust

abgeschlossen. Noch günstiger ist das Verhällnis bei einem Vergleich des in den Unternehmen arbeitenden Kapllals. Denn das in den Verlustunternehmungen investierte Kapital machte mll 49,5 Millionen gegenüber dem von der Statistik erfaßten Textilindustrickapitol von 781 Millionen nur 6 Proz. aus. Außerdem zeigt die Gegenüber- ftellung, daß die Verlust« sich überwiegend auf kleinere Unter- nehmen beschränken, bei denen die Verlustquellen hauptsächlich auf verspätete oder unterlassene Umstellung der Bettiebe zurückzu- führen sind. Diese Gewinne in der Textilindustrie finden auch eine leichte Erklärung, wenn man sich die Preispolitik in der Textilindustrie näher besieht, mit der sie unter dem Schutz der Zölle den Inlands- markt schwer belastete. Anstatt noch dem GrundsatzGroßer Umsatz, kleiner Nutzen* zu verfahren und die Konjunktur durch billige Preise zu stützen, suchte die Textilindustrie aus dem großen Umsah noch größeren Ruhen herauszuschlagen. So hoben die Baumwollspinnereien die sogenannte Spinnmarge* von 1026 zu 1027 von 53 Pf. auf 1,03 M. herauf- gesetzt und gegenüber 1013 sogar verdreifacht. Der Garnpreis setzt sich zusammen aus den Rohstoffkosten(Baumwolle) und dieser genannten Spinnmarge, die sämtlich« Fabrikations- und Betriebs­unkosten zuzüglich des Unternehmergewinns enthält. Die Löhn«, die 45 bis 50 Proz. der gesamten Betriebskosten ausmachen, sind feit 1013 ober höchsten« um 70 bis 75 Proz., und von 102S zu 1927 nur um 8 bis 10 Proz. gestiegen. Auch wenn man Verteuerungen an Brennstoffen, Steuern usw. noch abzieht, bleiben die Gewinn- Zuschläge der Baumwollfabritanten mit 200 Proz. gegen 1013 und 100 Proz. gegen 1026 noch unsinnig hoch. So unverdächtig« Zeugen wie die Unternehmer de» Textil- «inzelho ndels betonten auf ihrer letzten Tagung im Juki 1928, daß weitere Preiserhöhungen für Verbrauchsgüter, also in erster Linie für Textilien, nicht mehr tragbar seien. Nur ein nennenswerter Preisabbau cfcer ein« entsprechend« Erhöhung de» Elakowmens der Mäste» ohne entsprechende Preissteigerung könne eine Absatz kris« ver- hindern. Auf dieser Tagung wurde ferner festgestellt, daß die all- gemeine Preissteigerung für Textilwaren fett dem Februar d. I sich auch beim Einzelhandel auszuwirken beginne und daß gegen- über der 15prvz«ntigen Preissteigerung für Bekleidung die Kauf- kraft der breiten Massen versag«. Dies trete in dem Umsatzrückgang dos Textileinzolhandels klar in Erscheiinrng. Hier wird den TextUfabrikonten mit erfrischender Deutlichkeit gesagt, wem sie letzten Endes die Glanzkonjunktur der letzten zwei Jahre zu verdanken haben, nämlich einzig und ollein der wiederer stark- ten Kaufkraft der breiten Käuserschichten des Jnlandes. Di« Textilsabritanteu wollen, in ihrer engstirnigen Polttik befangen, nicht erkennen, daß sie sich mtt ihrer jetzigen Polttik selbst da» Wasser abgraben. Kein» Industrie ist so abhängig von einem gesunden Lohnstandarb der Srbetterschast, keine Industrie profiliert mehr von de»«höhten Reallöhnen der Massen al« die Textil- industrie. All« Erfahrungen aus der schweren Krif« von 1025 bis Mitte 1026 werden von den Textilunternehmern mit ihrer jetzigen Politik in den Wind geschlagen. Dies« Krise, die mit zu den schwersten gehörte, die die Textilindustri« je betroffen hotte, fußte in erster Linie aus dem gesunkenen Lebens st andard der arbeitenden Massen in den ersten Jahren der StaWIisierung. In diesen Jahren bot sich für Arbeiter. Angestellt« und Beamte kaum die Möglichkeit, die notwendigen Ergänzungen sür Bekleidung und Houshollstextilien vorzunehmen. Daß die Textilunternehmer die bttteren Lehren aus dieser Krise so schnell vergessen haben, liegt wohl daran, datz trotz der Betrtebseinschränkungen und der Kurz- arbett ein großer Teil der Unternehmen noch Dividenden ausschütten konnte. Dafür haben die 1.2 Millionen deutscher Textilarbeiter und-arbetterinnen in dieser Krisenperiode schwerst« Opfer bringen müssen. So waren von den im Deutschen Textilarbeiter- verband organisierten Mitgliedern im April 1926 nur 27,8 Proz. vollbeschäftigt, 20 Proz. gänzlich arbeitslos und über 52 Proz. Kurzarbeiter. Auch in ihrer Absatzpolitik wollen die Textilunternehmer ihre falsche Front nicht wechseln. Sie klagen über die Verengung der Weltabsatzgebiete, anstatt aus der Tatsache der Industrialisierung der überseeischen Gebiete und des fernen Ostens die richtigen Folgerungen zu ziehen und den Inlandsmarkt als ihre eigentliche Absatz- domäne anzusehen. Die sprunghafte Industrialisierung Japans , Indiens und Chinas zwingen die europäischen Textillndustrien, sich auf eine restlos« Ausnutzung des einheimischen Markte» umzustellen. Dies« Ausnutzung darf aber nicht eine Ausbeutung des durch Zölle abgesperrten Inlandsmarktes sein, wie sie im letzten Jahre von der deutschen Texttlindustrie be­trieben wurde. Wenn die Gewerkschaften mit allen Mitteln auf ein«

Stärkung der Reallöhn« und damit der Kaustroft der arbeitenden Massen hinzielen, so ist dies bei gesunder Preispolitik der Texttlindustrie der gegebene Weg, um die Abschwöchuug des Absatzes und eine eventuelle Krise zu verhindern. Di« durch- schnittlichen Facharbeiterlöhne in der Textilindustrie sind im übrigen trotz der Hochkonjunktur noch so zurückgeblieben von den Löhnen der Ungelernten gar nicht zu reden, daß ein Lohnabbau überhaupt nicht zur Diskussivn stehen kann, Lohn- erhöhungen dagegen durchaus notwendig sind. Während der Durchschnittslohn eines Metall- Facharbeiters 1,05 Mark be- trägt, erhält der Textilfacharb�iter nur 76,4 Pf., der Ungelernte 63,0 Pf. Die gelernte Arbeiterin erhält sogar nur 55,5 Pf. die Stunde. Die Textilindustrie gehört also zu den größten Lohndrückern in der Gesamtwirtschaft. Beharren die Industriellen auf ihrer jetzt betriebenen LohndrosselungspÄttik, so werden sie eine schwere A b s a tz k r i s e schneller haben als ihnen lieb ist. R. B.

Konsumvereine im Reich. Die Entwicklung dtSVorwärts" in Dresden . Dem Abschluß des Konsumvereins Vorwärts In Dresden entnehmen wir, daß sich der Jahresumsatz um 10 Millionen 26 Proz.) auf 47,7 Millionen Mark steigerte. Der Umsatz je Mitglied erhöhte sich damit von 628 ans 745 Mark. Die im No- vember 1926 aufgenommen« Fleischversorgung erzielte in neun Vertellungestellen einen Absatz von 2,02 Millionen Mark. In der Milchversorgung wurden 4�14 Millionen Liter gegenüber 3,15 Millionen Liter ün Lorjahr umgesetzt. Die drei Großbäckereien der Genossenschaft erzielten«inen Umsatz von 7,58 Millionen Mark. Vor allem durch die sich ständig vergrößernden Eigenbetricbe konnte der Dresdener Konsumverein stark auf den Preisstand ein- wirken. Die Konsumvereine sind wieder wie vor dem Krieg die besten Preisrcgulatoren. Der kötisumgeiwssenschaftlich« Absatz an Milch brachte z. B. den Berbrauchern allein«in« Jahresersparnis vo» 130 000 Mark. Berücksichtigt man bei dieser Rechnung die Rück- Vergütungen, so ergibt sich eine Ersparnis vo« 190000 Mark, vi« Brotpreis« lagen durchweg unter den Preisen der prioatwirschafllichen Bäckereien. Der Nutzen dieser vom Konsum- verein Vorwärts durchgeführten Lrotoerbilligung kam nicht nur den Mttgliedern der Genossenschaft, sondern allen im Ausbreitungsgebiet de» Konsumverein Vorwärts wohnenden Verbrauchern zugute. Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daß die Stadt Dresden von fast allen deutschen Großstädten den niedrigsten Brot- preis zu verzeichnen hat. Interessant sind auch in der vom Konsumverein Vorwärts vor- gelegten Bilanz die Auswirkungen der sogenannten Sozial lasten. Der Dresdener Konsumverein kann als Groß- betrieb gelten. Die Steigerung der sogenannten Soziallosten macht aber bei ihm nur, verglichen mtt dem Lorjahr und zu dem Ge- samtumsotz in Beziehung gesetzt,«inen minimalen Bruch- teil aus. Da die Auswirkungen der sogenannten Sozialbetastung auf private Betriebe kaum anders sein dürsten, ergibt sich die Halt- lostgkett der Behauptungen der Unternehmer, die Sozialfürsorge be- einträchtig« die Rentabilität! Kalimagnat Rosterg gegen Nurbach. Nadelstiche gegen einen alten Widersacher. Sett Wochen geht«in Rätsel roten darum, ob der Winter»« halltonzern, einer der größten deutschen Kalikonzerne, für da» verflossene Jahr eine Dividend« ausschüttet oder nicht. Man glaubte vor einigen Tagen zu wissen, daß der Ge- wattige von Wintershall, Generaldirektor Rosterg , der es überraschend schnell und zum Teil mit Hilfe der Inflation vom einfachen Steiger zum Beherrscher eines der einslußreichsten und größten deutschen Jndustrieunternehmungen gebracht hat, eine Ge- winnausschütlung von 5000 M. pro Kux« bewilligen würde. Die Meldungen waren voreilig. August Rosterg wird seinen Kuxen- besitzern auch diesmal keine Dividende bezahlen, obwohl er es sehr gut könnte. Der Streit um die Wintershalldioidcnde hat ober tiesere Ur- fachen. Es ist«in Kampf um die Beherrschung des Kali- syndlkats,«in Kampf um die Herrschaft in der Kaliindustrie, schließlich die Auseinandersetzung um den angestrebten K a l i t r u st. Hier stehen sich der Burbach - und der Wintershallkonzern gegenüber.

Willis

Äeleuckte Dem Heim desseri Hierzu gehört auch dlt elektrische Setachlung der Haushakträume, 04t ftefler, Soden, Wasch. ffiche. Darum sollen gerade fofdff yUume, der« Setret« mit offenem-Ocht verbot« ist, ohne elektrische Seleuchtvng sein? Rat und Auskunft in allen Seleuchtuvgsftag« erteil« kostenlos die Osram- Verkaufsstellen, da- Sieltchttätsweck und sonstige Eleftrofachgeschäste.