Dienstag
16. Oftober 1928
Unterhaltung und Wissen
Reisebriefe eines Ruffen.
( Aus dem Ruffifden übertragen von Gasha Rosenthal.)
Liebe Kisja!
Entschuldige, daß ich nur furz schreibe. Es erweist sich, daß Europa sehr viele Länder hat, daß es sehr schwierig ist, fie alle in 17 Tagen fennen zu lernen. Man ist gezwungen, sich auf das Wesentlichste zu beschränken. Heute früh faufte ich für Dich zwei Schachteln Buder und nachmittags fuhr ich die Metallindustrie ftudieren. Die Fabrik von Puzzle in Berlin befigt ein prächtiges Gittertor. Ich wurde aufgefordert, einzutreten, doch hatte ich feine Zeit. Ich hatte morgens statt zu frühstücken in der Haft zu Abend gegessen und nun muße ich mich beeilen, das Frühstück einzunehmen, che es Abend wurde, damit die festgelegte Zeiteinteilung nicht über den Haufen geworfen würde. Es galt sich auf das Problem zu beschränken, wie bei ihnen die Dynamomaschine arbeitet, mittels Dampf oder mittels Pferdekraft. Es erwies sich, daß sie mit Elektrizität arbeitet. Die deutsche Technif ist weit fortgeschritten. Um auf die Metallurgie zurüdzutommen: faufte mir ein paar gefahrlose Rasiermesser und für Dich ein Baar seidene Strümpfe mit fliederfarbenem Pfeil. Unterwegs erwarb ich eine Eintrittskarte in eine Ausstellung für graphische Kunst. Eine recht intereffante Eintrittstarte: grün mit schwarzen Rändern. Wollte hingehen, doch verzögerte mich in der Bierstube, sah zu, wie die Kellnerinnen sich Trinkgeld geben lassen. Habe nicht sowohl Bier getrunken als mich überzeugt, daß sie in Zersetzung begriffen sind. Und so gelangte ich nicht in die Ausstellung.
Ein Wort noch zur Ausstellung: In den Läden hier sind recht billige Handschuhe ausgestellt( graugestreift). Kaufte zwei Baar für Bosdyneff. Hol ihn der Teufel! Mag er sie tragen!- werd ihm ja den Reisebericht geben müssen.
Küsse Dich eilig, reise weiter.
Buffit.
P. S. Berlin hat sehr viele Häuser. Berbrachte gestern den halben Tag damit, zuzusehen, wie die Straßen besprengt werden, brauche es zum Bortrag über Städtebau. Hier wird übrigens mit rohem Waffer besprengt da habt Ihr die gerühmte europäische Hygiene.
Teurer Iwan Semjonomitsch!
In Wien gibt es nichts Interessantes. Studierte nach dem Abendessen die Landwirtschaft. Hodte hinter Diagrammen, Kartogrammen, Auszügen. Eine war durchaus nicht häßlich, doch zierte fie fich lange. Tranken auf Ihr Wohl. Am Morgen hatte Kopffhmerzen, unternahm einen Rundgang durch die Stadt: ein seltsam muffiges Leben. Immer wieder Bierstuben, Bierhallen, Restaurants. Berläßt man eins, so gerät man in ein anderes. wird nicht österreichisch gefprodjen, sondern irgendeine gebrochene Sprache. Kaufte ein Rohrstöckchen, das aus einem Bropeller gemacht ist. Werde in Anlehnung daran einen Bortrag über die Erfolge der Aeronautit schreiben müffen.
Hier
Ihr Pischatin.
B. S. In der Cile wird immer etwas verwechselt. Grit furz vor Absendung des Briefes erfuhr ich, daß es nicht Wien ist, son dern Brag. Welche Mißwirtschaft! Reinerlei Maueranschläge! Da dreht man sich zwei Tage im Kreise herum, um am dritten zu erfahren, daß es eine andere Stadt ist. Kein Zweifel, Europa geht den Berfall entgegen. Grüßen Sie Ihre Gattin.
Berter Leonid Betrowitsch!
Da ich mit Beobachten und Studien überhäuft bin, so tann ich nur ganz furz schreiben. Möchte nicht unnüg die Zeit vergeuden, die nicht mir, sondern dem arbeitenden Volte gehört. War in Neapel , beobachtete den Besuv. Er atmet. Das einzige, was unter dem faschistischen Regime atmet. Bersuchte des Befuos megen zu verhandeln. Dachte, vielleicht sollten wir ihn anfaufen und für unsere Industrie nutzbar machen. Doch er steht nicht zum Verkauf. Raufte übrigens eine Lavaart. Man behauptet hier, sie eigne sich zur Herstellung fünftlicher Zähne für die Rinder der nördlichen
Gouvernements.
Sandte M. Gorti aus Benedig ein Telegramm: Befinde mich in Italien . Treffe morgen abend ein. Erfennbar an Sommersprossen und einer Schrannme hinter dem linken Ohr.
Fahre eben in einer Drojhte( auf italienisch Gondel), um die Gerbstoffindustrie temmen zu lernen. Mit außeramilichem Gruß
Liebe Kisja!
3. Pischatin.
Bin bereits in Paris . Habe gestern fast 24 Stunden gebraucht, um den Eiffelturm von unten tennen zu lernen. Wollte gar zu gern dos technische Prinzip fennen lernen, dank dem sich die Reklame. schilder am Eiffelturm halten. Es erweist sich als sehr einfach: sie find mit Nägeln befestigt. Damit denke ich die Besichtigung der französischen Schwerindustrie zu beschließen. Für einen Vortrag wird es reichen, auch habe ich teine Zeit.
Die öffentliche Stimmung in Paris ist schwer zu definieren, mennngleich man sofort merkt, daß die Damen fleischfarbene Strümpfe tragen. Doch der mämliche Teil der Bourgeoisie huldigt dem Tennissport.
Sah heute früh Poincaré , Briand , sogar Chamberlain. Fand in einer Privatlefeftube eine alte Nummer eines Moskauer humoristischen Journals.
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War in einem Café- chantant, wollte ausruhen: dent, bitte nicht mit Frauen ich betrachte die Rothaarigen nicht einmal als Frauen und außerdem waren die beiden sehr bescheiden und erzählten mir von der schwierigen Lage der französischen Frau, wenn fie nicht aufgefordert wird, mit zu Abend zu speisen. Werde un wir sind so lässig bedingt einen fleinen Bericht darüber schreiben hinsichtlich der Frauenfrage. Irgendeinen Auflösungsprozeß bitte zeige diesen Brief niemand habe ich in Paris nicht beobachtet. Im Gegentell- die Poularden in Weißwein find äußerst schmad haft, echter Champagner ist sehr wohlfeil. In den Chantants trifft man ausschließlich gutes Publikum und alle sprechen französisch. Nur in der Ede faß irgendein Mensch und stotterte laut in russischer Sprache wohl irgendein Kommandierungsgenoffe.
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Raufte 5 Baar. Was, weiß ich selbst noch nicht, da ich die Sprache mur flecht beherrsche und sehr rasch eingepadt wird. Doch dafür ist es sehr billig..
Gehe eben die Autobranche in Frankreich studieren. Weiß bis jekt mur, daß eine Stunde Autofahrt 15 Franken teftet. Erwarb der Solidarität wegen eine Autobrille gedente sie dem Reisebericht beizufügen.
Küsse Dich insgesamt zweimal
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Indische Köpfe.
Beilage of
** des Borwärts
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Bon Indiens Landschaft, Kunst und Boltsleben gibt die Aus-| Nase mit breiten Flügeln, und die mächtige Brille wirkt auch faum stellung von Kamerastudien" im ehemaligen Kunstgewerbe als Berzierung. Und doch hätte ich sprechen mögen( nicht zur museum( Brinz- Albrecht Straße), zu der jedermann Bürgerfrau, sondern zu allen guten Europäern"): Das ist weder freien Zutritt hat, eine gute Anschauung. Schöpfer der vorzüglichen ein Neger noch ein Jahrmarttringfämpfer, wenn er auch nach beiden Kamerabilder ist der bekannte Dr. Hürlimann, der soeben von ausschauf, sondern der Swaraj Abgeordnete Rangaswenni Aiyengar, einer mehrjährigen Reise durch Indien zurückkam. Interessant war ein verdammt fluger Kerl. Auf seinen Wink steht und marschiert auch der Lichtbildervortrag, durch den er eine Erläuterung zu seiner( wenn einst der Tag tommt) das Drawidenproletariat von Madras. Ausstellung gab. Aus dem Bortrag war viel Berständnis für Seht ihr auf seinem Kopf den alten, schlechtgewickelten Turban? indische Wefensart herauszuhören. Jedenfalls hat der Redner nichts Das ist sozusagen die proletarische Klappmüze, zum Unterschied von dem plumpverlogenen Humbug über mancherlei Gebräuche, vom hohen, tunstvoll gefertigten Turban, der dem seidenen ZylinderRückständigkeit" oder sogar Unfauberfeit und Unaufrichtigkeit des hut des Mister Chamberlain und feiner Gentlemen entspricht ein indischen Boltes vernehmen lassen, den leider auch in deutschen Zeichen, daß der Mann nicht auf ,, Distinktion" hält, und die armen 3eitungen allerlei literarische Bettelmönche den hochnäfigen Hotel Teufel in den Madraffer Baumwollspinnereien sagen fich: das ist bummlern von Bombay und Kalkutta nachzuschwagen belieben. Und einer, der uns nicht verleugnet, er scheut sich doch nicht, in unserer das ist, im Hinblick auf das verleumdete und von der Welt isolierte Kleidung im pruntvollen Neu- Delhi, am Sitz der Fremdregierung Indien allein schon ein Attivum. Aber dieser Redner gab außer zu erscheinen. Und wenn sie ihn auch nicht ins Parlament gewählt dem gute, treffende Schilderungen aus der indischen Welt. haben( denn sie haben kein Wahlrecht), so stehen sie doch zu ihm in Die Kamerastudien der Ausstellung aber führen uns in feinem Kampfe gegen die Regierung. Er wird dieser Regierung wohlüberlegter Auswahl und Gruppierung schöne Bilder indischer noch manches zu sagen haben mertt euch, gute Europäer, einstTempelfunft und Plastit, daneben Boltstypen und Szenerien von weilen seinen Namen! mannigfacher Art vor Augen. Wir sehen Baudenkmäler und Kunstwerke der älteren, von den Ariern nach dem Süden verdrängten dramidischen Landesbewohner. Eine andere Nische der Ausstellung birgt Kulturdenkmäler des arischen Hinduismus: wir fehen den ,, Sadhu", den Asteten oder Bettelmönd) in seinen verschiedenen Typen. Die Ghats" der heiligen Stadt, die Treppenstufen von Benares , die von Tempeln und Wallfahrtsbauten hinab zum ewigen Ganges führen, find in guter Abbildung vorhanden. Die Abteilung Islam " zeigt die prachtvollen Grabtempel der Moslimfaiser. Und wiederum finden wir eine Sonderfollettion Buddhistische Kunst". Gleichfalls ist den Randländern des vorderindischen Kontinents: Nepal , Birma , Siam, Ceylon, jeweils eine besondere Sammlung gewidmet. Aber immitten der reichen Fülle von Runstwerten der Bergangenheit und Kulturbildern der Gegenwart ist ein Binfel, hem ich den Ramen einer Ausstellung der indischen Zukunft geben würde.
Bon allen Abteilungen der Veranstaltung am wenigsten„ intereffant", hat diese Ede mit ihren Porträts lebender, mir zumeist be
fannter Inder mich am längsten festgehalten.
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In der Mitte der Nische hängt das Bild eines am Boden fizenden Bengali- Mädchens, das auf einem mächtigen, der Form nach einer Guitarre ähnlichen Musikinstrument spielt. Reine Inschrift fagt, welches Lied ihre zarten, braunen Finger den Saitenfträngen entloden. Aber die Melancholie ihres gefenften Blides und das echt bengalische Gesicht verrät besser als jeder Zert, welcher Art die Weise ist. Es ist ein Lied, das ich mehr als einmal in Kalkutta hörte Töne, die wimmernd und füß eine verlorene, geraubte Heimat beklagen. Links daneben hängt im Rahmen, den großen, funstvoll gewundenen Turban auf dem Kopfe, ein Junge aus dem Rittergeschlecht der Radschputen. Der unjugendlich ernste Blick des feinen Kindergesichts spricht das gleiche, wie das sanfte Saitenspiel der Bengalin. Aber wie anders als die Saite drückt der Knabenblid es aus! So blidt, durch Armut und Entehrung frühreif geworden, das Söhnchen des Stabskapitans, der Knabe ljuscha, in Dostojewskis Roman der Karamasow- Sippe, der mit Steinwürfen und mit dem Biß seiner Kinderzähne den mißhandelten Bater rächt. Denft auch dieser Radschputenjunge an das Ungemach, das seine Bäter erlitten und ihm als Erbe hinterließen? Gehen wir weiter! Was ist denn das für einer, da oben, der aussieht wie ein Reger?" fragt eben eine gutgefleidete Bürgerfrau ihren Gemahl. Sie hat nicht ganz Unrecht. Der da hat Wulftlippen, eine platte
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B. G. Bitte, fauf mir zu meiner Rüdlehr ein wenig gebrandy tes Lehrbuch der Geographie. Muß mich mit den Namen einiger Städte bekannt machen, die ich besucht habe. Schreib die Namen der Städte besonders aus. Brauche sie für die Bergbauindustrie. Durchstreich die Flüsse: es erweist sich, daß Wassilij Jegoritsch, der noch zwei Tage Zeit hat, bie Shiffahrt Europas studiert.
Kissa!
Entfmmst Du Dich der Worte des Boeten: Sitt hinter bem Gitter, im Käfig gar feucht, in Freiheit gezeuget, ein junger Aar." So auch ich. Bin auf der Grenze steden geblieben. Große Schwierigkeiten wegen der technischen Apparate und des Anschaffungsmate. rials, das ich mitführe.
3wei Baar überflüssige Hosen wollte man am Zoll nicht für getragene ansehen. Kannst Du mir nicht von irgend jemand ein Beugnis verfchaffen, daß ich den seidenen Umhang zu Laboratoriums arbeiten zmeds Rationalisierung der Seidenzucht brauche?
Wenn Du Basja siehst, so füß ihn und sag ihm, daß er ein Schuft ift. Er hat gelogen, daß es möglich fei, ein ganzes Lager optischer Instrumente herüberzubringen.
Welfes Blatt.
Bon Johannes Golaf.
Dein P.
(„ Bitsh.")
Benn's zu herbsten anfängt und die Tage fühl werden, in der Nacht wohl auch einmal schon ein erfter Reif gefallen ist, nimmt jedes Laubgrün solch einen stumpfen, bläulichen Glanz an; bu fannst ihn an den am Bach hingereihten Weiden sehen und an den Baumreihen der Landstraßen und Feldwege. Es mag an der Beleuchtung liegen, die der fleiner gewordene Tageswinkel der Sonne gibt, aber auch daran daß das Baub angefangen hat, sterotisch zu werden. Hervorbrechender Sonnenglast tann diesen Schimmer zwar beleben, doch machi es selbst dann, da das Baub fich noch nicht verfärbt hat, fondern sich noch eintöniges Grün bietet, einen unangenehm- fränt lichen Einbrud.
Aber wieviel und wie Tiefes offenbart ein erst bunt gewordenes, ganz verwelties Blatt!
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Ein anderes Geficht: Mohammed Ali, der islamische Bundes genoffe des Mahatma Gandhi ( warum fehlt übrigens dieser auf der Ausstellung?) im indifchen Freiheitskampf. Einer von den vielen Millionen indischer Söhne des Büstenpropheten, deren friegerische Tapferfeit der Engländer auch heute noch mit verzweifelten Anstrengungen zu neutralisieren sucht. Seine Augen strahlen Klugheit; sein von lässig gestuztem Barthaar umrahmter Mund atmet Rittmeiſterenergien.
Aber nicht nur die Musulmanen find Leute von Tattraft und Widerstandsgeist, und nicht alle Hindu von meditativer, beschaulicher Anlage. Seht euch diesen an, den noch jungen bengalischen Profeffor Kalidas Nag. Denkt euch dieses Gesicht vielmal vertausendfacht und ihr habt die intellektuelle Jugend des roten Bengalen". Die jugendlichen Züge find weich( warum sollten sie nicht weich sein im himmlischen Bengalen? Formt nicht, nach unserer eigenen Lehre, die Landschaft den Menschen"?) Aber auch der Weichheit dieses Antliges sprüht ein Auge das Feuer der Revolution. Eine Kugel handgranate in Batte verpackt. Ja, Revolutionäre sind sie alle, die jugendlichen Bengalen, deren Blut in einer herrlichen Natur vor Lebensfreude schäumt und gleichzeitig vergiftet ist durch den Ge danken, ein unterdrücktes Volk zu sein. Der Attentäter des Zwingam Ganges fitzt und vogtes von Kalkutta wird gefangen, als er
betet.
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Jeder dieser Köpfe des modernen Indien ( deren ich noch gar viele zeichnen tönnte) ist ein Arbeiter am Tempel der indischen Butunft, und der Geift dieser Erwachten und Erwedenden wird im Bande ein Licht entzünden, das länger und heller leuchtet, als die dreihundertjährige Grabampel im Tempel des Kaisers Atbar. Und wenn die Sehnsucht dieser Köpfe erfüllt ist: wenn Bombay, Ralfutta, Madras das Ziel Mantings erreicht haben, und danach bas Bolt sich daran macht, seine eigene Heimat einzurichten, seine eigene Gemeinschaft zu ordnen, dann wird das ganze Dreied des braunen Dörferfontinents zum Altar eines erhabenen Tempels, in dem Raum ist für alle Gottheiten der Welt, und als Ampel flammt über diesem Tempel das Sonnengestirn und als Kerzen leuchten die Sterne des unbeschreiblichen indischen Nachthimmels. Du aber, Leser, der du von Architektur und Kunstgeschichte mehr verstehst als ich: genieße das Abbild des künstlerischen Schnißwertes und der Meißelarbeit an den Tempeln der Vergangenheit in dieser lehre reichen Ausstellung. Und fommst du zu den Porträts des jungen Indien , dann verweile dort einen Augenblid und denke an den Tempel der Zukunft; er wird der größte, der je einer Gottheit F. J. Furtwängler. errichtet wurde.
Es liegt wohl schon dieses und jenes Blatt, das die Hundstags. hiße nicht hat überstehen tönnen, feit langem auf den Wegen. Die ununterbrochene Sonnenglut, die eine Zeitlang herrschte, hat es völlig ausgedörrt.
Blöglich hat mein Auge, wie ich den Parkweg hinschreite, ohne daß ich besonders darauf geachtet hätte, den Eindrud von etwas sehr Feinem, sehr Bergeistigtem, eines töstlich abgetönten Farbenbeiein anders getroffen. Ich bücke mich und hebe aus dem Staube des Weges ein größeres Ahornblatt auf.
Der gänzlich ausgelaugte, morsch- vertrocknete Stiel, der aber noch eine gewisse spröde 3ähigkeit hat, ist in einem Winkel gefnidt, den ich in seinem Verhältnis zur Form des Blattes schön finden muß. Die Ränder sind sehr lädiert; das Blatt hat Riffe, Brüche, Löcher, die aber zusammen ein Muster machen, das man funstvoll nennen darf. Es nimmt sich aus wie dünne, auf ein feines Geripp gespannte, sehr mürbe, sehr, sehr alte geborstene Seide. Der Stengel verlängert sich die Blattfläche hinauf zu einer sich nach der mittleren äußersten Spize hin verjüngenden chamoisgelben Rippe; seitlich von ihr noch je zmei andere. Der größere Teil der Fläche steht in einem ganz bleichen, stumpfen, woltigen Rot, das einen Stich ins Bachs farbene hat, hier und da ein gelbes Fleckchen drin. Diese Tönung zieht sich gegen die äußeren Blattspizen hin mit einer batifähnlichen Mufterung in ein fehr blaffes, stumpfes Moosgrün hinein.
Hält man es etwas gegen das Licht: welch ein Wunder flarer Bergeistigung! Wie schön offenbart sich das Gesetz seiner Struktur, deffen, was du seinen Charakter, seine tiefere Seele nennen darfst!
Der Hamster als Hausgenoffe. Daß der Hamster zähmbar ift ,. mar schon lange befannt, aber er galt bisher als mürrischer und bösartiger Gefelle. Nunmehr berichtet Elisabeth Raundorff in der Festschrift für den Zoologen Ludwig Hed, daß sie noch fein Nagetier besessen, das ihr mehr Freude gemacht als diese kleinen drolligen Burschen. Es gehört allerdings viel Geduld dazu. einen Hamster zu zähmen, da er sich in jeden ihm vorgehaltenen Gegenstand verbeißt Sobald er aber einmal eingesehen hat, daß er es mit feinem Gegner zu tun hat, ist er leicht mit Lederbissen zu töbern. Er stopft fich alles in die Badentaschen, auch Dinge, die gar nicht eßbar find, und trägt fie in feinen Käfig. Er macht Männchen auf Befehl, und zwar lernt er das um so leichter, als er sich auch beim Fressen und
Bugen auf die Hinterpfoten stellt. Der Hamster ist geruchlos und
hält auf Sauberteit. Man tann ihm ein Bändchen um den Hals tun und ihn spazieren führen. Unter fremden Leuten erfennt er feinen Pfleger fofort unb geht zu feinem andern.
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