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Ein Rennfahrer-Roman von Andre Reuze. übersetzt von F. A.   Angermayer
Copyright byBüdiergilde' Gutenberg, Berlin  
(23. Fortsetzung.) ..Wi« immer, die Sache wird auf die lange Bant geschoben," iagte Bouarre.So warte doch, bis ich zu(fithe bin, Meiischens- linhl... Keim Weggehen nahm ich Ballu beim Arm und sagte: .>ie Sache wird geregelt, im schlimnniien Fall kriegt Pcls eine Abfindung und wird dann selber zehn." .Aetzt kriegt dieser Strolch noch'ne Prämie," sagte Chevilbgrd, der eben ins Koieehaus getreten war und die letzten Worte der llntsrhalwng gehört hatte. Spielt doch keine Rolle, wenn er nur geht," erwiderte Crousse. Na ja, meinetwegen." ..Die werden ihn schon rouswerfen," sagte Duchesne.sie siürchten sich vor einem Skandal! Die Sportberichterstatter hoben untereinander abgemacht, die Sache totzuschweigen, aber es gibt Leute, vor denen sie Angst haben. Ravenelle fürchten sie wie das Feuer. Stellt euch mal vor, wenn der das insStadion" gibt, das in ganz Europa   gelesen wird, könnt ihr euch ja die Folgen aus- malen!" Die Unterhaltung ging weiter. Zwonzigmal mußte Loboureur die ganze Geschichte innner wieder von vorn erzählen. Elievillard, der an Ieanine einen acht Seiten langen Brief ge- ichrieben hatte, in dem er ihr die ganze Etappe in allen Einzelheiten schilderte, ging fort, um einen kleinen Spaziergang zu niachen. E'n drei zehnstündiger Schlaf hatte ihn wieder einigermaßen auf die Beine gebracht, obwohl er unter den gestrigen Magen- krämpfen. die stundenlang angehalten hotten, noch etwas zu leiden hatte. Immerhin fühlte er sich jetzt wieder ziemlich wohl, obgleich ihn noch alle Glieder schmerzten. Seine Hönde, die so lange den Lenker umkrampft Hatten, waren etwas steif geworden. Er hatte Kreuzschmerzen und konnte seinen Nocken kaum bewegen, der von dem vielen Umdrehen wie ausgerenkt war. Die langen und phantastisch schnellen Talfahrten, wahrend deren sein ganzer Körper in Schweiß gebadet war. hatten seine Knie ziemlich mitgenommen. Sie schienen angeschwollen und entzündet und kamen ihm wie schlecht geölte Kugellager vor. Er hatte gestern unerträgliche Schmerzen in den Augen. Trotz der Brille waren sie schwer entzündet und brannten wie die Hölle. Heute morgen hatte ihm der Arzt einige Tropfen Kokain unter die Lider geträufelt und wenigstens diesen Schmerz behoben. Doch 'ein Magen und vor allem die Knie machten ihm noch zu schaffen... Wie viele hatten schon wegen schlechter Verdauung oder Gelenk- ichmerzen das Rennen aufgeben müssen!... Boriges Jahr hatte er wegen Sitzbeschwerden das Rennen in Briongon airfgegeben. Sollte er diesmal, wo er eben dabei war, populär und beliebt zu werden, dasselbe Schicksal erleiden?... Nach heute nacht, um zwei Uhr morgens, hieß es die dreihundertvierzig Kilometer der neuen Etappe Luchon Perpignan herunterzukurbeln, wieder Berge zu überklettern, den unheimlich steilen Puymaurens zu überwinden und mit zusammengebissenen Zähnen von neuem zu leiden. Ieanine hatte ihm nur ein kurzes Telegramm gesandt: Mein Herz begleitet Sie!"... Jetzt hotte er nur noch einen Gedanken: Aushalten! Ganz gleichgültig wie. ab durch Alkohol oderDoping" oder sogar durch Brutalität: sie mußte ihn auf seiner Ehrenrunde in Paris   be- wundern können!... Dann würde er mit ihr im Auto wegfahren, chre Händchen in seine Hände nehmen und mit ihr sprechen. Ganz nah« würde er ihr sein, sie würde ihn anlächeln und ihm ganz an- gehören... Nur ihm allein... ..Verzeihung, sind Sie nicht Herr Chevillard?" Er schreckte aus seinen Träumen auf. Vor ihm stand ein Herr mit einer Dame, die einen kleinen Jungen an der Hand führte. Kurgäste. Me Dame hatte kostbare Perlen um den Hals und noch schönere Augen. Ihr Mann trug ein Monokel. Mit vor Staunen offenem Mund stand der kleine Junge bewundernd vor Chevillard. Ja. ich bin Chevillard!" Also habe ich Sie doch wiedererkannt... Ich sagte zu meiner Frau:Sieh doch mal, dort kommt Chevillard!"... Wir sahen Sie gestern siegen und haben riesig geklatscht!... lDarf ich Ihnen die Hand drücken?... Donnerwetter, das war aber eine Leistung!" Sie sind sehr liebenswürdig.. .Legt werden Sie ja gar rot?... Ich sagt« dir doch, Liebste. sie sind alle große Kinderl Macht nichts, einen unheimlichen Tritt haben Sie, Herr Chevillard, und Lungen müssen Sie haben!" Ach, wissen Sie, daran gewöhnt man sich" Na ja, aber es muß doch schrecklich sein, über die Pyrenäen  zu radeln?" Tja, es ist wohl hart, aber auch daran gewöhnt man sich." Verstehst du." sagte jetzt der Herr zu seiner Dame,die Fahrer sind darauf trainiert!... Sie müssen dementsprechend leben und können sich nach jeder Etappe etwas ausruhen." Die Dame war voll Mitleid. Sie haben gestern schrecklich blaß ausgesehen, als Sie vom Rad stiegen. Ich habe förmlich mit Amen gelitten!" Ja, das kommt, weil ich gestern mal richtig hingehalten habe!... Und wenn man so voll Staub ist, sieht man auch nicht präsentabel aus!... Aber wenn man dann wieder gebadet hat und massiert worden ist. ist olles vergessen." .Letzt sind Sie doch der Erste?" Nur in dieser Etappe!... Drei Minuten hinter mir kam Argentero als Zweiter und rückt damit an die Spitze vom Gesamt- ergebnks, Vlanc-Mesiul. der seit L«s Sables das gelbe Spitzen- tritot trug, ist auf dem Aubisque zusammengebrochen." .Verstehst du, Liebling," sagte der Herr wieder zu seiner Dame, .hie Zeit der verschiedenen Etappen wird zusammengezählt und daraus das Resultat errechnet. Welche Gesamtzeit hat denn Argentero seit Pari«?" Hundertneun Stunden und dreißig Minuten. Ich komm« nach ihm, mit hundertneun Stunden und sechsunddoeißig Minuten." Es ist doch fabelhast, in Ihrem Alter schon Zweiter zu sein!... Jetzt müssen Sie aber alles daransetzen, um zu ge- Winnen!... Sie vertreten Frankreich  , mein Lieber! Ich habe mich stets für den Sport interessiert!... Ich rodle auch und ohne mich mit Ihnen vergleichen zu wollen nicht schlecht. Aber, wenn ich diese hohen Berge rausmüßte..., um s Himmels willen!... Di« erste Bergetappe hat schon das ganz« Ergebnis Mngeworfeu!,,. Wer lammt nun eigentlich nach Ihnen?"
.. Loboureur, der dreizehn Minuten hinter Argentero liegt." Aha. der alte Haudegen Labmtveur, auch Klasse!" Dann Vorbist mit siebemtndzwanzig, Crousse traf vierzig Minuten und alle anderen, wie Vlanc-Mesntl, Mirrales, Bouarre, Samba-Takore, Mijotte, und wie sie alle heißen, mit noch größerem Rückstand." Alles wundervoll« Fahrer?... Tapfere Jungen!... Wir wollen Sie nicht länger aufhalten, Chevillard!... Sie müssen sich ausruhen, um morgen frisch zu sein!... Es freut mich sehr, daß ich Ihnen gratulieren konnte!... Sag' schönAuf Wieder- sehen!" zu Herrn Chevillard, Kärtchen!... Du wirst dich einmal daran erinnern, daß du einem Straßengiganten die Hand gedrückt hast!... Ich wünsche Ihnen kein Glück, lieber Chevillard, weil ich den Sportsaberglauben kenne, aber mein Herz ist dabei!..."
Auch die >»
.Liebe" lauert den Bennkabrern auf.
Als Chevillard weiterging, fühlte er, wie ihm d!e drei Kurgäste nachschauten. Da gab er sich einen Ruck und ging besonders leicht- füßig, wie tänzelnd weiter, ganz so, als hätte er Lust auf«inen Walzer. Hundertscchzig Fahrer waren in Paris   an den Start gegangen. Jetzt lagen noch zweiundachtzig Mann im Rennen und krochen mühselig die siebente Etappe ihres Kalvarienmegs entlang. Rod an Rad hatte die tapfere zwölf Mann starke Spitzengruppe den Puymauvens überwunden, aus dessen Flanken die Ariege silbern in ein dunkles Weidental fließt. Kuhglocken klangen heiter
durch die aromatische Luft, und jung« Maultiere wälzten sich lustig im blumigen Gras. Rechts, jenseits der violetten und rososchmmiernden Schnee- gipfel, log Andorra   in feiner Einsamkeit. Da Vorbist kurz vor dem Gipfel Reifenschaden gehabt hott«, war diePost abgegangen", und die Spitzengruppe war in otem- beraubender Schnelligkeit bergab gerast. Essen   wir doch in Bourg. Madame zu Mittag." sagte Rovenell«. Es sind noch über hundert Kilometer bis Perpignan  , und wir holen das Feld leicht wieder ein." Die Kontrolle war sehr belebt. Um Mirrales zu begrüßen, hatten viele seiner spanischen Landsleut« die Grenze überschritten. An zahlreichen Autos sah man ein rotgelbes Fähnchen. Stroh- beschuhte Gebirgsbauern, die kleine Pyrenäenmützen aufhatten, bis- kutierten mit fast wütender Lebhaftig- keit über die Aussichten den elf Spitzen« reiter, die, kaum verpsLegt, wieder weitergejagt waren. Ganz vorn stun- den einige spanische Zollwächter und sahen sehr malerisch aus. Die Land- straßen waren so soimetrunken, daß der Maler in einen Keller zu treten glaubte, als er die weißgetüachte Wirtsftitbe des Gasthauses betrat, wo sie Mittag essen wollten. Erst allmählich konnte man die schweren Tische, die Bauemschränke und die roten Kreppvorhänge unter- scheiden. Es roch nach Zwiebel, frischen Tomaten und spanischem Wein. Sie waren doch dabei, Rovenelle, als Crousse gestürzt ist?" sragte einer. Es war Saoornm von derRadwelt". Er speiste in Gesellschaft der Chcfredak- teure des.Sportblatts". Am Reben- tisch erkannte Mainguy andere Bericht- erstatter und Bartholin. .Wir sind gerade nach seinem Sturz dazugekommen," sagte Ravenelle. ,�Hat er sich weh getan?" Ziemlich!" Die anderen hörten zu und machten. sich Notizen. .Crousse war durch Reifenschaden zurückgefallen, holte wieder sehr gut auf. kam auf dem Gefälle von Prot- Communal bis fast fünfhundert Meter ans Feld heran, wollte die scharf« Kurve an der Dorst»rLcke nehmen, hatte ober plötzlich Defekt an der Hinterbremse, stieß gegen die Brückenpfeiler, zerbrach fem Hinterrad und flog in hohem Bogen in den Gebirgsfluß." Die Brücke ist doch ziemlich hoch, wenn ich mich gut erinnere?" Ungefähr fünf Meter! Leider aber ist gerade unter dieser Brücke dos Wasser nur siebzig Zentimeter tief und der Flußboden ganz mit scharfen Steinen bedeckt. Hätte ihm nicht sein gefüllter Brotsock als Sturzkappe gedient, dann hätte er sich wohl zu Tode gestürzt." Hat er sich nichts gebrochen?"(Fortsetzung folgt.)
�4-S DER TAG BRINGT.
Eine Schule für Heiratsrekruten. . In Bern   erregte die Eingabe eines Züricher   Bürgers an das Bundesparlament lebhafte Heiterkeit, der alsBeitrag zur Re- generation des Schweizer Volkes" die Einführung der weiblichen Rekrutenschule auf gesetzlicher obligatorischer Basis verlangt, damit die Frauen wieder ins richtige Gleise kommen". Allen Schweizer- mädchen ohne Unterschied des Standes und der Konfession im Alter von 20 bis 22 Iahren soll die Rekrutenschule offenstehen und ihnen aus Ktsten des Staates Nahrung, Kleider und Wohnung geboten werden. Nurkerngesunde, marschfähige. arbeitswillige, mit guten Charaktereigenschasten ausgerüstete Töchter" sollen ausgebildet werden. Zur Beschaffung der Mittel soll die Eidgenossenschast eine nationale Erziehungsanleihe im Betrage von 50 Millionen auf­nehmen, die durch die Junggesellensteuer und eine weibliche Ersatz- pslichtsteuer zurückzuzahlen wäre. Die Dienstpflicht soll ein Jahr dauern: sechs Monate Dienstbotenschule, sechs Monate Eheoorbe- reilungs- und Erziehungsschuie. Das vielseitig angelegte Lehr- Programm sieht solgende Hauptfächer vor: Anstandslehre, sämtliche Hausarbeiten, Kochen, Eheaufklärung. vernünftige Behandlung des Ehemannes, Krankenpflege, sorgfältig« Pflege der fünf Sinne, Be- kämpsung des sogenannten sechsten Sinnes, der den Frauen eigen (Eigensinn, Richtparieren, das letzte Wort haben wollen, Zanksucht, Launen und Allüren). Um das Heiraten zu erleichtern, soll der Staat, wenn nötig, einen Beitrag.zur Aussteuer leisten. Ein staat- lichcr Kinderaussteuerfonds fall jedem Reugeborenen 500 Franken reservieren, die dem beronwachsenden Jüngling oder Mädchen im Alter von 26 Iahren mit allen Zinsen als Aussteuergabe auszuzahlen wären. Schließlich fordert der Antrag eine Äinderprämiierung, die alljährliche obligatorische ärztliche Untersuchung aller erwachsenen Schweizer und Schweizerinnen und ein« Rekruienschule von vier Monaten für olle männlichen Militärdienstuntauglichen, dasie später doch em Kommando im Ehestand übernehmen wollen". Fischer in Hot. In einer eigentümlichen Lage sind die Fischer in dem kleinen französischen   Küstendorf La Turballe   bei Saint-Nazaire  . Ihre wesentlichen Einnahmen beziehen sie aus dem Verkauf des Fangs an Konservenfabriken. Diese können aber erheblich mehr oerar- beiten, als die Fischer von La Turballe   zu liefern imstande sind und zahlen daher gute Preise. Das hotte zur Folge, daß viele Fischer chre Frauen nicht mehr zum Mitverdienen in die Kon- seroenfahriken schicken brauchten. Und das hat nun kürzlich wiederum dazu geführt» daß die Fabriken trotz der großen Kapazität ihrer
Einrichtungen wegen des Mangels an Arbeitskräften den Fischern ihre Ware nicht abnehmen konnten und den Einkauf«instellten. Das Dilemma, das die Fischer zur unfreiwilligen Arbeitseinstellung zwang, dauerte aber nur vierundzwanzig Stunden; dann konnten sie ihre Tätigkeit wieäeransnehmen und die Fabrikanten gaben ihnen die Versicherung, daß sie auch in Zukunft nur bei ihnen kaufen und erst dann aitderswo ihren Bedarf decken würden, wenn der Fang der Fischer von Turballe   erschöpft sei. Auf welchc Preis« beide Parteien sich geeinigt haben, erfährt man leider nicht; aber da die Fabrikanten ihren Einkauf sogar erweitern wollen, muh man annehmen, daß es ihnen jetzt an weiblichen Arbeitskräften nicht mehr fehlt. Humor im Gericht. In A r r a s spielte sich kürzlich solgende Szene vor dem Tribunal ab. In einem Sittlichkeitsprozeß forderte der Vorsitzende dieanständigen Frauen" auf, sich aus dem Zuhörerraum zu ent- fernen, da Sachen zur Verhandlung kämen, die nicht für das Ohr anständiger Frauen bestimmt seien. Alles blieb sitzen. Woraus der Lorsitzende zum Gerichtsdiener:Jetzt, nachdem die anständigen Frauen sich zurückgezogen haben, werfen Sie die anderen heraus." Nützliche Würmer. Einem südafrikomschen Farmer in der K a r o o waren mehr als 1000 Morgen guten Ackerbodens durch ein rasch wucherndes, buschortiges Harpius-Unkraut unbrauchbar gemocht worden. Alle Bemühungen, diese Pflanze auszurotten, scheiterten und dos von Unkraut befallene Land mußte daher als verloren gelten. Um so erstaunter war der Farmer, als er kürzlich bei einer Besichtigung des seit Monaten nicht besuchten verseuchten Landes fand, daß sämtliches Unkraut abgestorben oder dem Vertrocknen nahe war. Er untersuchte verschiedene Unkrautstauden und entdeckte in der Wurzel einen bis zu drei Zentimeter langen weißen Wurm. Dieser Unkrautvernichter erwies sich als äußerst empfindlich gegen sremden Eingrifs und nur leicht gedrückte oder unvorsichtig berührte Cxem- plare gingen sofort ein. In einigen selteneren Fällen konnte der Farmer auch die Endform des Wurmes, einen ebenfalls äußerst druckempfindlichen schwarzgrauen Käfer finden. Das früher un- brauchbare Land ist vom Farmer zum großen Teil wieder unter den Flug genommen worden, j Eine Anzahl Morgen Hot der Be- sitzer gewissermaßen zu Zuchtzwecken nicht wieder bebaut, weil in der ganzen Äaroo starke Nachfrage nach dem nützlichen Wurm herrscht, den alle durch das Unkraut geschädtgteu Farmer auf ihr verseuchtes Land zu übertragen»»i-st-jsyz.