Albendausgabe
Nr. 510
B 254
45.Jahrgang
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Der Borwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend, Illuftrierte Beilagen Bolt und Zeit“ und„ Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen". Frauen ftimme", Technit"," Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts
Sonnabend 106 27. Oftober 1928
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Die Stoßtrupps des Landbundes
,, Wehe euch Städtern, wenn der Bauer marschiert!"
Syrik, 27. Ottober.
Der heutigen Sigung im Kyrizer Prozeß, zu der nicht weniger als 31 3eugen erschienen waren, wohnte auch Landgerichtspräsi dent Eickhoff- Neuruppin bei. Vor Eintritt in die Verhandlung gab der Vorsitzende bekannt, daß entsprechend den Anträgen der Staatsanwaltschaft und der Berteidigung noch weitere 3eugen für Dienstag geladen werden, an welchem Tage er dann die Beweisaufnahme beendigen zu können glaubt. Rechtsanwalt Bloch beantragte ferner im Hinblick auf die Bekundung des Landjägeroberleutnants Dymte, schon 1926 habe ein Gutsbefizer Heitmann ihm von der Bildung von Stoßtrupps im Landbund er= zählt, die Ladung Heitmanns.
Dann wurde in der 3eugenvernehmung fortgefahren. Einige nichtbeteiligte Mitläufer der Landbunddemonstration, zwei Rnrizer Arbeiter, befundeten, was sie bei den Zwischenfällen am Finanzamt gesehen haben wollen. Der eine erklärte, wie es gestern schon einige Zeugen getan hatten, Major Cordes habe über die Steinwürfe gelacht, der andere will gesehen haben, wie der Angeklagte Schulze total betrunken mit erhobenem Arm auf die Schupo losgestürmt jei. Die Angabe dieses Zeugen, daß der Angeflagte Staffehl zum Beitermarsch zum Katasteramt aufgefordert und auf den Zuruf der Menge„ Da sind die Grünen auch erflärt habe: Dann stürmen wir sie," geriet etwas ins Banten, als der Borsigende ihm vorhielt, ob er genau wisse, daß es Staffehl war, der diesen Ausruf tat. Der Zeuge, meinte schließlich, er könne es nicht ganz sicher sagen. Er konnte übrigens Staffehl Die auch nicht aus der Reihe der Angeklagten wiedererkennen. Angeflagten anghoff und Schneider wurden durch die Be- j fundungen des Steuerfekretärs Miliesch belastet, der vom Finanzamt aus nach seiner Darstellung beobachtet hat, wie Langhoff und Schneider riefen:
,, Beamten raus."
Schneider habe auch versucht, mit Gewalt in das Finanzamt ein. zubringen, sei aber von einem Schupobeamten daran gehindert worden. Während der Angeklagte Schneider diese Bekundung energisch bestritt, blieb der Beamte bei seiner Aussage.
Ein Zeuge erklärte, er habe vor dem Untersuchungsrichter ausgefagt, daß er zwar gesehen habe, wie ein Schupobeamter einen Demonstranten aus der Menge zog, aber er habe nicht bestimmt behaupten tönnen, ob er derjenige Demonstrant gewesen sei, der einen Beamten niedergeschlagen habe. Troßdem habe der Untersuchungsrichter das Protokoll in diesem pofitiven Sinne abgefaßt mit dem Bemerten, es fomme nicht so genau darauf an und deshalb könne es ruhig stehen bleiben, meil nach Lage der Dinge der Täter niemand anders als der Arrestant sein könnte. Die Verteidigung ließ auf Grund dieser Angabe die Aussage dieses Zeugen protofollieren. Von dem Angeklagten Staffehl berichtete ein Hilfsarbeiter des Finanzamts, daß Staffehl mit einem Stod in der Hand auf einen Steuerbeamten so eingedrungen sei, als ob er auf ihn einIchlagen wolle.
Man habe den Beamten vor Staffehl in Sicherheit bringen müffen.
Der Angeklagte bestritt diese Darstellung, während der Zeuge dabei blieb. Ebenso bestätigte auch der Arbeiter Grieger aus Kyriz, der Jeinerzeit als Arbeitsloser aus Neugierde die Demonstration be. gleitet hatte, daß Staffehl die Aeußerung getan habe:„ Der Weg zur Scholle geht nur über unsere Leiber," und daß er auch später mit Bezug auf die Schußpolizei gerufen habe:„ Dann stürmen wir fie." Dabei blieb Grieger trotz aller Vorhalte sehr bestimmt und berneinte entschieden die Frage der Verteidigung, ob er nicht zufammen mit anderen Arbeitern vom Vorstand des Deutschen Landarbeiterverbandes zu der Kyrizer Demonstration bestellt worden sei.
Major Cordes, neben Herrn p. Jena und dem Reichstagsabgeordneten Staffehl Hauptangeklagter im Kyrizer Land. bundprozeß, ist fein unbeschriebenes Blatt". Wie uns aus Lesertreisen mitgeteilt wird, steht auch sein Name unter dem befannten Plakat, das seinerzeit an Berliner Litfaßsäulen angeklebt murde, zu Gemalttätigteiten geradezu aufheßte und mit den Worten beginnt: ehe euch Städtern, wenn der Bauer mar= schiert!" Herr Cordes vertrat also theoretisch schon damals den Standpuntt, den er nachher, bei der Syrizer Ausschreitung, ins Prattische umjeßte. Der Haß fanatischer Landbundführer gegen den Großstädter reizt ständig zu Gewaltätigkeiten in mehr oder weniger verdeckter Form und wird ja nicht nur durch diese eine ( Fortsetzung auf der 2. Seite.)
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Aus Werder kommt ein reicher Erntesegen an Obst auf den bekannten ,, Aeppelkähnen" nach Berlin . Dieser Tage sind die ersten Kähne hier eingetroffen.
Faschistenüberfall auf Postbeamte.
Vier Versammlungsteilnehmer durch Messerstiche schwer verletzt.
Um Ludwig- Kirch- Plah in Wilmersdorf tam es in der vergangenen Nacht zu einer schweren politischen Schlägerei. Vier Poftbeamte wurden von Nationalsozialisten überfallen und durch Mefferstiche so schwer verletzt, daß sie ins Krankenhaus gebracht werden mußten.
Die Abteilung I des Polizeipräsidiums war im Laufe des heutigen Vormittags bemüht, durch Vernehmung der Verletzten auf die Spur der Täter zu fommen. Drei der Haupträdelsführer fonnten bereits gestern nacht festgenommen und eingeliefert werden. Ueber den feigen Ueberfall der faschistischen Mordbanditen wird noch folgendes befannt:
Eine einfache Rechenaufgabe:
Wenn jeder Sozialdemokrat nur ein Mitglied für die Parker wirbt. ––
Wenn jeder Leser des Vorwärts nur einen neuen Abonnenten bringt – dann schaffen wir es! ist der letzte Tag dev Morgen ist der letzte sozialdemokratischen Werbewoche. Hast Du daran gedacht, das 2 doppelt so viel wie 1'ist?
Bier Postbeamte, der 26jährige Willi B. aus der Kantstraße, der 20jährige Walter Kunde aus der Pestalozzistraße, der 22jährige Richard G. aus der Württembergischen- Straße und der 22jährige Erich K. aus der Rönnestraße hatten an einer Versammlung in einem Lokal in der Pfalzburgstraße tilgenommen. Gegen Mitternacht machten sie sich gemeinsam auf dem Heimweg. Beim lleber queren des Ludwig- Kirch- Plazes tauchte plötzlich eine größere Rotte halbwüchsiger Burschen auf, die Abzeichen der NSDAP . trugen. Die Ahnungslosen waren im Augenblick umzingelt und mit Mesfern, Dolchen und Totschlägern flachen und hieben die Mordbuben auf die Wehrlofen ein. Bassanten, die Beuge des unglaublichen Rohheitsattes geworden waren, hatten die Polizei benachrichtigt. Beim Erscheinen der Beamten ergriff der größte Teil der Rowdies die Flucht. Nur drei von ihnen, die von den Augenzeugen als Rädelsführer bezeichnet wurden, fonnten verhaftet werden.
Die zum Teil schwerverletzten Postbeamten mußten in das Krankenhaus in der Pfalzburger Straße gebracht werden.
Das fünfte Opfer der Brüder Heidger.
Köln , 27. Ottober.( Eigenbericht.) Der bei der Verfolgung der Brüder Heidger schwerverletzte Gärtner Willi Peters ist heute morgen seinen Ver= wundungen erlegen. Peters ist das fünfte Todesopfer in der Sache Heidger.
Das erste Opfer war der Knappschaftstassen= bote in Byfang bei Essen, dann folgte ein Kriminalbeamter nach dem Raube in der Gladbecker Reichsbant. In Köln haben bei der Berfolgung zwei Menschen ihr Leben lassen müssen, die Polizeibeamten Vollmer und Mayboom. Rechnet man zu diesen Opfern noch die beiden Brüder Heidger, so tommt man auf sieben Lote. Der Tod der letzten fünf Menschen wäre sehr wahrscheinlich vermieden worden, wenn der erste Versuch, die Hei gers in Köln zu verhaften, geglückt wäre.