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Morgenausgabe usgabe

Nr. 523

A 265

45.Jahrgang

Bachentlich 85 Bt., monatlich 3,60 DR. im voraus zahlbar. Postbezug 4,32 m. einschl. Bestellgeld, Auslandsabonne ment 6,- m. pro Monat.

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Der Borwärts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Jlluftrierte Beilagen Boll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen", Frauen. Stimme". Technit"." Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Sonntag

4. November 1928

Groß Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.

Die ein paltige Ronpareillezeile 80 Pfennig. Reflame teile- Reichs mart. Kleine Anzeigen das ettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwe tettgedruckte Borte), jebes weitere Bort 12 Pfennig. Steuengesuche das erste Wort 15 Bfennig, jebes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Famillenanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden. ftraße 3, mochentägl, von 8 bis 17 Uhr,

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Der Umschwung in Rumänien .

Konzentrationsregierung unter bauernparteilicher Führung angestrebt.

Butareff, 3. November.

Die Regierung ist zurückgetreten. Es wird erklärt, daß der Regentschaftsrat eine konzentrationsregierung zu bilden beabsichtigt, doch sind die Aussichten für ihr Justandekommen jehr gering. Allen Anzeichen nach wird der Bauernführer Maniu mit der Kabinettsbildung betraut werden. In dieser Regierung würde Titulescu ein Portefeuille übernehmen. Bis zur Rüdfehr Titulescus aus London dürfte das Portefeuille des Aus­wärtigen interimistisch von Wajda- Bojvoda als Innenminiffer ver­waltet werden.

Der Regentschaftsrat hat Berhandlungen mit den Parteiführern begonnen und nachmittags Averescu und Professor Jorga empfangen. Maniu ist für morgen mittag eingeladen worden. Allgemein hat man den Eindruck, daß Maniu mit der Regierungs­bildung beauftragt wird.

Eine Erklärung Vintila Bratianus.

Bukarest , 3. November.

Die Kanzlei des Ministerpräsidenten veröffentlichte folgendes Kommuniqué: Da die Berhandlungen über die Stabilisie rung vor ihrem Abschluß stehen, meinte Ministerpräsident Vintila Bratianu , es jei notwendig, um die Durchführung somie die Fort fegung der Politit der finanziellen Feftigung zu sichern, die Bildung einer Regierung der nationalen Solidarität und Eintracht au empfehlen. Da er aber zu diesem Ergebnis nicht tommen Lonnte und dadurch in die Unmöglichkeit perfegt worden war, jeine Aufgabe mit Erfolg fortzufezen, hat Bintila Bratianu heute vor­mittag bem Regentschaftsrat den Rücktritt des Kabinetts erklärt.

Manius Minifterlifte schon vorgelegt.

3um Rücktritt des Kabinetts Bratianu erfährt IU.: Die Forde­Mingen Bratianus, ihm die Neubildung der Regierung zu über­tragen, murde nom Regentschaftsrat abgelehnt. Der Regentschafts­rat erklärte, daß er zwar nicht abgeneigt sei, Bratianus pro­grammatische Borschläge zu erwägen, aber darauf bestehen müffe, daß Fürst Stirbey oder General Presan die Regierungs­bildung übernehme, unter Umständen auch Titulescu. Die gegenwärtige Regierung solle nur noch die Auslandsanleihe unter­zeichnen und die Stabilisierungsgefeßze durchführen. Diese Er

Reichstag und Aussperrung.

Dienstag Aelteftenrat.

tlärungen des Regentschaftsrates wurden durch Indiskretionen in der Deffentlichkeit bekannt und erregten größtes Aufsehen, da sie eine Ablehnung aller wichtigen Forderungen Bra blehnung aller wichtigen Forderungen Bra­tianus gleichkommen. Daher der Rücktritt.

Maniu ließ durch einen Vertrauensmann der Regentschaft eine Ministerliste unterbreiten. Die Besetzung des Kriegs ministeriums soll der Regentschaft überlassen bleiben.

Bostschedlonto: Berlin 37 536.

Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitentasse Lindenstr. 3

Kampf um den Staat.

Der Wirtschaftsputsch zehn Jahre nach der Revolution.

ge=

Bor zehn Jahren brach das Kaisertum in Deutschland zusammen, mit ihm der Obrigkeitsstaat, in dem die Arbeiter­schaft von der staatlichen Willensbildung ausgeschlossen war. Die deutschen Arbeiter blicken zurück auf zehn Jahre Kampf um Befestigung und Ausbau der Republik , auf zehn Jahre gewerkschaftlicher Arbeit unter den veränderten Bedingungen des demokratischen Staates. Nach der unvermeidlichen Ber­wirrung der ersten nachrevolutionären Jahre, in denen eine flare Erfenntnis der Möglichkeiten sich erst durchsetzen mußte, haben sich breiteste Massen der deutschen Arbeiter in den gewerkschaftlichen Organisationen zu ruhigem, aber wuchtigem zielbewußten Gleichschritt zusammengeschlossen, zu Der Sturz der liberalen" Regierung in Rumänien schlossenem Marsch nach nächsten erreichbaren Zielen. Vor­muß nicht nur alle demokratisch, sondern alle anständig ge- marsch in der Demokratie mit der Demokratie! Die klare Er­sinnten Menschen freuen. Dieses Regime war seit Jahr- fenntnis der neuen Bedingungen des Kampfes der Arbeiter­zehnten, mochten auch die Namen seiner Träger wechseln, der schaft, die Herausarbeitung der nächsten erreichbaren Ziele, Inbegriff von Gewaltherrschaft, Rechtsbruch und Kordas zähe Festhalten am Errungenen Inbegriff von Gewaltherrschaft, Rechtsbruch und Kor­das ist die beste ruption. Amtlicher Wahlterror und Wahlschwindel standen Feier der zehnjährigen Wiederkehr des Revolutionstages. in höchster Blüte. Wer von den feierlich verkündeten Ber­Die Unternehmer feiern den zehnten Jahrestag der faffungsrechten im oppofitionellen Sinn Gebrauch machte, war deutschen Revolution mit einer Rebellion gegen den Staat feiner Freiheit feinen Tag mehr sicher, der Presse war längst und das Recht, das aus der Revolution hervorgegangen ist. das würgende Zenfurhalsband aufgezwungen, die berüch Die große Aussperrung im Westen ist der Versuch, die Bo­tigten Kerfer für Bolitische jederzeit überfüllt. Kriegsgerichte fitionen zu brechen, die die Arbeiterschaft in der Revolution urteilten über Meinungs- und Koalitionsdelikte. Die Min- und nach der Revolution errungen und befestigt hat, sie ist derheitspölfer wurden schamlos unterdrückt und ihre Klagen ein Ansturm auf die Autorität des Rechts des demokratischen perhöhnte noch in der Kammerfizung vom 31. Ottober der Staates und auf seinen sozialen Inhalt. Liberale" Dandea mit den Worten, in Rumänien egiftiere überhaupt fein Minderheitenpro= blem und deshalb sei auch ein Minderheitenstatut un. nötig! S

Bon einem Regime der vereinigten Bauern und Na tionalpartei wird man zunächst nach ihren Bersprechungen tionalpartei wird man zunächst nach ihren Bersprechungen ein freiheitliches und reformerisches Regieren zu ermarten haben, hoffentlich nicht nur eine Berkleinerung des un geheuren Grundbesiges der Bojaren zugunsten der Klein bauern, so brennend nötig diese auch ist.

Die Zenfur aufgehoben!

die

Bereits feit der großen Bauern- Demonstration mar Schaffung einer Konzentrationsregierung angestrebt. Als erste Wirkung der Demission Bratianus ist die Borzenjur gegen die Preise aufgehoben worden, so daß man zum erstenmal seit langer Zeit die nicht von oben geregelte Stimme der öffentlichen Meinung hören nicht von oben geregelte Stimme der öffentlichen Meinung hören wird.

fonferenz intereffierten Mächte, die der Ministerpräsident über den Inhalt seiner Unterredung mit Parker Gilbert unterrichtete. Man nimmt an, daß die zurzeit hier sehr aftiv geführten Verhandlungen bald zum Ziele führen werden.

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Warum geht es in diesem Kampfe? Ein Lohnkonflikt zmischen Unternehmerorganisation und Arbeiterorganisatio­nen ist auf Grund des geltenden Rechtes von der staatlichen Schlichtungsinstanz durch eine gültige Entscheidung beigelegt morden, durch einen Spruch, der die Unternehmer per­pflichtet, die in dieser staatlichen Entscheidung festgesetzten Löhne zu zahlen, der den Arbeitern ein einflagbares Recht auf diese Löhne gibt, fie aber gleichzeitig auch an diesen Spruch bindet. Das ist der Ausgangspunkt des Konflikts. Hier tritt der große Fortschritt der letzten zehn Jahre hervor. Bor zehn Jahren wäre ein Lohnkonflikt entschieden morden lediglich durch den sozialen Kampf. durch die Stärke der nurgewerkschaftlichen Kampfmittel Bor zehn Jahren hätten die Arbeiterorganisationen feinerlei Schutz gefunden beim Staat und seinen Organen sie hätten lediglich die bittere Erfahrung machen müssen, daß bei einem so gewal­tigen Konflikt die Staatsmacht an der Seite der organisier= ten Unternehmermacht stand. Der Machtwille der herrschen­den Klassen stand der Selbsthilfe der Arbeiterschaft gegen über, und der Staat war ein Teil dieses Machtwillens. Heute ist der Staat Garant des follettiven Arbeitsver­trages. Die großen sozialen Auseinandersetzungen werden nicht nur entschieden durch die nurgewerkschaftlichen Kampf­mittel, sondern zugleich durch die Stärke des politischen Ein­fluffes, den die Arbeiterschaft im Staate befigt. Bor zehn Jahren war der Lohn nurgewerkschaftlicher Lohn- heute ist er gewerkschaftlicher und politischer Lohn. Vor zehn ihres gewerkschaftlichen Zusammenschlusses, durch die Opfer schwerer Arbeitskämpfe ihre gerechten Forderungen durch heute schafft sie durch den Stimmzettel wirksame Macht und Recht.

Der Reichstagspräsident Genosse Paul Löbe hat den Aeltestenrat des Reichstags zu einer Sizung am Vormittag des Dienstag, 6. November, einberufen. In dieser Sigung soll darüber entschieden werden, ob der Reichstag , der be- fassungen der anderen Mächte, insbesondere Frankreich , durchaus nicht Jahren kämpfte die Arbeiterschaft lediglich durch die Macht

fanntlich am 13. November seine Arbeit wieder aufnehmen will, nicht wegen der großen Aussperrung im Westen schon zu einem früheren Zeitpunkt einberufen werden soll.

Novembertagung des Landtags.

Der Weltestenrat des Landtags ist für Montagmittag zu einer Gizung zusammenberufen worden, um vor Beginn der Vollverhandlung die Geschäftslage zu besprechen. Das Plenum wird poraussichtlich im November nur von Montag bis Donners­tag dieser Woche einen Sitzungsabschnitt abhalten, um in der Hauptfache Uranträge und Große Anfragen, soweit sie verhandlungs­reif geworden sind, zu beraten. Der Aeltestenrat wird dann über einen Vorschlag zu entscheiden haben, im Dezember vom 11. bis zum 20. noch weitere Bollsigungen abzuhalten. Der ursprüng­liche Vorschlag, schon vorher im Dezember zusammenzutreten, wird mohl mit Rücksicht auf den Reichsparteitag des Zentrums, für den die Tage vom 7. bis zum 9. Dezember in Aussicht genommen sind, fallen gelaffen werden. In den legten drei Tagen wird das Plenum, bevor es in die Weihnachtsferien eintritt, noch den Haushalt, der am 14. Dezember gemeinsam mit dem Gutachten des Staatsrats ein gehen wird, dem Hauptausschuß überweisen.

Neue Besprechungen in Paris .

Reine unüberbrückbare Ruft.

Paris ,& November. ( Eigenbericht.) Boincaré empfing am Sonnabend den Generalagenten für Reparationszahlungen Barter Gilbert und den italienischen Sachverständigen Birelli. Daran Schloffen sich Besprechungen it ben Bertretern her am Buftendetommen der Sachverständigen.

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Es fann festgestellt werden, daß zwischen der deutschen Auf­faffung zu deren Bertretung der Agent feineswegs, wie einige und den Auf Blätter behaupten, eigens nach Baris gekommen ist und den Auf­eine so tiefe Kluft besteht, wie man nach der von einem Teil der Pa­riser Bresse geführten Bolemit annehmen könnte. Was besonders die als so heftig umstritten geschilderte Frage der Unabhängig feit" der Sachverständigen tommission anbetrifft, so weiß man auch auf der deutschen Seite sehr gut, daß es, wie Briand betont hat, teine ,, unabhängigen" internationalen Sachverständigen gibt, und daß ebensowenig den Regierungen das lezte Wort vor­enthalten werden: tönnte. Andererseits verschließt man sich auch in hiesigen politischen Kreisen kaum der Einsicht, daß das Komitee, um fruchtbar arbeiten zu können, nicht aus Beamten zusammengesetzt fein fann, die mit gebundener Marschroute zusammentreten.

Aufbegehren gegen Poincaré .

Die Finanzfommission rebelliert gegen Dittatur. Paris , 3. November. ( Eigenbericht.)

Der Ministerpräsident Poincaré ist heute nacht mit der Finanz­fommission in einen schweren Konilift geraten. Die Kommission hatte Poincaré zu einem Vortrag gebeten, um mit ihm zu beraten, wie man notwendige Steuererleichterungen durchführen und durch Ersparniffe wieder einbringen könnte. Poincaré zeigte sich vor der Kommission vollkommen unzugänglich Er erklärte, von Steuer erleichterungen über das von ihm selbst vorgeschlagene Maß wolle er nichts missen. Er würde gegen jeden derartigen Antrag die Ber­trauensfrage stellen. Wenn aber das Budget bis zum 31. Dezember nicht erledigt sei oder wenn es ein Defizit aufweise, dann werde er sich unweigerlich von seinem Amte zurückziehen. Die Gr flärungen Poincarés machten auf die Kommission einen so schlechten Eindruck, daß diese thre sämtlichen Abänderungsanträge noch heute nacht an na hm. Allerdings trug fie dabei Gorge, sie soweit zu reduzieren, daß tein Defizit im Budget entsteht. Auf Antrag Aurisis murde eine Entschließung gefaßt, morin auf das energischste gegen has Berhalten Poincarés protestiert mirb.

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Die Metallindustriellen der westlichen Gruppe revoltie­ren gegen den Rechtsspruch des Staates, der den Lohn ber Metallarbeiter im Westen verbindlich festgesezt hat. Sie stehen im Kampf gegen die Arbeiterschaft und den Staat. Die Unternehmer gegen den Staat die Ar­b.eiter für den Staat: diese Kampffront ist das zweite Kennzeichen der gewaltigen Wandlung, die sich in den zehn Jahren von 1918 bis 1928 pollzogen hat. Der Schlichter als Organ des Staates ist nicht nur als ehrlicher Mittler zwischen die Kämpfenden getreten, er hat um des Gemein­wohles willen eine Entscheidung gefällt, die nach den Vor­schriften des geltenden Rechts für beide Teile rechtsverbindlich geworden ist.

Diese staatliche Entscheidung ist feine ideale Entschei dung. Nach der Ueberzeugung der Arbeiter bleibt sie hinter billigen und berechtigten Arbeiterforderungen zurück. Die Schlichtung von Arbeitskämpfen nach dem Recht des demo­fratischen Staates vollzieht sich innerhalb der fapitalistischen Wirtschaftsordnung. ihr Spruch bildet nicht gerechten Lohn, sondern möglichen Lohn. Der Spruch des Schlichters ist das Ergebnis aus einer Fülle von Erwägungen, die ein­ander durchkreuzen: Rücksicht auf das allgemeine Lohn­niveau. Rücksicht auf die Konjunktur, Rüdsicht auf die spezielle Lage der betroffenen Industrie, Rücksicht auf die pinchologischen Spannungen bei Unternehmern und Ar­beitern. Der Spruch des Schlichters mird niemals in idealem Sinne fozial gerecht sein. Die soziale Gerechtigkeit fann durch feine Instanz gefegt werden.

Der Schiedsspruch, der zur Rebellion der Unternehmer gegen das Recht geführt hat, hat sehr behutsam die Behaup