Morgenausgabe usgabe
Nr. 523
A 265
45.Jahrgang
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Der„ Borwärts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Jlluftrierte Beilagen Boll und Zeit" und„ Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen", Frauen. Stimme". Technit"." Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts
Sonntag
4. November 1928
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Konzentrationsregierung unter bauernparteilicher Führung angestrebt.
Butareff, 3. November.
Die Regierung ist zurückgetreten. Es wird erklärt, daß der Regentschaftsrat eine konzentrationsregierung zu bilden beabsichtigt, doch sind die Aussichten für ihr Justandekommen jehr gering. Allen Anzeichen nach wird der Bauernführer Maniu mit der Kabinettsbildung betraut werden. In dieser Regierung würde Titulescu ein Portefeuille übernehmen. Bis zur Rüdfehr Titulescus aus London dürfte das Portefeuille des Auswärtigen interimistisch von Wajda- Bojvoda als Innenminiffer verwaltet werden.
Der Regentschaftsrat hat Berhandlungen mit den Parteiführern begonnen und nachmittags Averescu und Professor Jorga empfangen. Maniu ist für morgen mittag eingeladen worden. Allgemein hat man den Eindruck, daß Maniu mit der Regierungsbildung beauftragt wird.
Eine Erklärung Vintila Bratianus.
Die Kanzlei des Ministerpräsidenten veröffentlichte folgendes Kommuniqué: Da die Berhandlungen über die Stabilisie rung vor ihrem Abschluß stehen, meinte Ministerpräsident Vintila Bratianu , es jei notwendig, um die Durchführung somie die Fort fegung der Politit der finanziellen Feftigung zu sichern, die Bildung einer Regierung der nationalen Solidarität und Eintracht au empfehlen. Da er aber zu diesem Ergebnis nicht tommen Lonnte und dadurch in die Unmöglichkeit perfegt worden war, jeine Aufgabe mit Erfolg fortzufezen, hat Bintila Bratianu heute vormittag bem Regentschaftsrat den Rücktritt des Kabinetts erklärt.
Manius Minifterlifte schon vorgelegt.
3um Rücktritt des Kabinetts Bratianu erfährt IU.: Die FordeMingen Bratianus, ihm die Neubildung der Regierung zu übertragen, murde nom Regentschaftsrat abgelehnt. Der Regentschaftsrat erklärte, daß er zwar nicht abgeneigt sei, Bratianus programmatische Borschläge zu erwägen, aber darauf bestehen müffe, daß Fürst Stirbey oder General Presan die Regierungsbildung übernehme, unter Umständen auch Titulescu. Die gegenwärtige Regierung solle nur noch die Auslandsanleihe unterzeichnen und die Stabilisierungsgefeßze durchführen. Diese Er
Dienstag Aelteftenrat.
tlärungen des Regentschaftsrates wurden durch Indiskretionen in der Deffentlichkeit bekannt und erregten größtes Aufsehen, da sie eine Ablehnung aller wichtigen Forderungen Bra blehnung aller wichtigen Forderungen Bratianus gleichkommen. Daher der Rücktritt.
Maniu ließ durch einen Vertrauensmann der Regentschaft eine Ministerliste unterbreiten. Die Besetzung des Kriegs ministeriums soll der Regentschaft überlassen bleiben.
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Kampf um den Staat.
Der Wirtschaftsputsch zehn Jahre nach der Revolution.
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Bor zehn Jahren brach das Kaisertum in Deutschland zusammen, mit ihm der Obrigkeitsstaat, in dem die Arbeiterschaft von der staatlichen Willensbildung ausgeschlossen war. Die deutschen Arbeiter blicken zurück auf zehn Jahre Kampf um Befestigung und Ausbau der Republik , auf zehn Jahre gewerkschaftlicher Arbeit unter den veränderten Bedingungen des demokratischen Staates. Nach der unvermeidlichen Berwirrung der ersten nachrevolutionären Jahre, in denen eine flare Erfenntnis der Möglichkeiten sich erst durchsetzen mußte, haben sich breiteste Massen der deutschen Arbeiter in den gewerkschaftlichen Organisationen zu ruhigem, aber wuchtigem zielbewußten Gleichschritt zusammengeschlossen, zu Der Sturz der liberalen" Regierung in Rumänien schlossenem Marsch nach nächsten erreichbaren Zielen. Vormuß nicht nur alle demokratisch, sondern alle anständig ge- marsch in der Demokratie mit der Demokratie! Die klare Ersinnten Menschen freuen. Dieses Regime war seit Jahr- fenntnis der neuen Bedingungen des Kampfes der Arbeiterzehnten, mochten auch die Namen seiner Träger wechseln, der schaft, die Herausarbeitung der nächsten erreichbaren Ziele, Inbegriff von Gewaltherrschaft, Rechtsbruch und Kordas zähe Festhalten am Errungenen Inbegriff von Gewaltherrschaft, Rechtsbruch und Kordas ist die beste ruption. Amtlicher Wahlterror und Wahlschwindel standen Feier der zehnjährigen Wiederkehr des Revolutionstages. in höchster Blüte. Wer von den feierlich verkündeten BerDie Unternehmer feiern den zehnten Jahrestag der faffungsrechten im oppofitionellen Sinn Gebrauch machte, war deutschen Revolution mit einer Rebellion gegen den Staat feiner Freiheit feinen Tag mehr sicher, der Presse war längst und das Recht, das aus der Revolution hervorgegangen ist. das würgende Zenfurhalsband aufgezwungen, die berüch Die große Aussperrung im Westen ist der Versuch, die Botigten Kerfer für Bolitische jederzeit überfüllt. Kriegsgerichte fitionen zu brechen, die die Arbeiterschaft in der Revolution urteilten über Meinungs- und Koalitionsdelikte. Die Min- und nach der Revolution errungen und befestigt hat, sie ist derheitspölfer wurden schamlos unterdrückt und ihre Klagen ein Ansturm auf die Autorität des Rechts des demokratischen perhöhnte noch in der Kammerfizung vom 31. Ottober der Staates und auf seinen sozialen Inhalt. Liberale" Dandea mit den Worten, in Rumänien egiftiere überhaupt fein Minderheitenpro= blem und deshalb sei auch ein Minderheitenstatut un. nötig! S
Bon einem Regime der vereinigten Bauern und Na tionalpartei wird man zunächst nach ihren Bersprechungen tionalpartei wird man zunächst nach ihren Bersprechungen ein freiheitliches und reformerisches Regieren zu ermarten haben, hoffentlich nicht nur eine Berkleinerung des un geheuren Grundbesiges der Bojaren zugunsten der Klein bauern, so brennend nötig diese auch ist.
Die Zenfur aufgehoben!
die
Bereits feit der großen Bauern- Demonstration mar Schaffung einer Konzentrationsregierung angestrebt. Als erste Wirkung der Demission Bratianus ist die Borzenjur gegen die Preise aufgehoben worden, so daß man zum erstenmal seit langer Zeit die nicht von oben geregelte Stimme der öffentlichen Meinung hören nicht von oben geregelte Stimme der öffentlichen Meinung hören wird.
fonferenz intereffierten Mächte, die der Ministerpräsident über den Inhalt seiner Unterredung mit Parker Gilbert unterrichtete. Man nimmt an, daß die zurzeit hier sehr aftiv geführten Verhandlungen bald zum Ziele führen werden.
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Warum geht es in diesem Kampfe? Ein Lohnkonflikt zmischen Unternehmerorganisation und Arbeiterorganisationen ist auf Grund des geltenden Rechtes von der staatlichen Schlichtungsinstanz durch eine gültige Entscheidung beigelegt morden, durch einen Spruch, der die Unternehmer perpflichtet, die in dieser staatlichen Entscheidung festgesetzten Löhne zu zahlen, der den Arbeitern ein einflagbares Recht auf diese Löhne gibt, fie aber gleichzeitig auch an diesen Spruch bindet. Das ist der Ausgangspunkt des Konflikts. Hier tritt der große Fortschritt der letzten zehn Jahre hervor. Bor zehn Jahren wäre ein Lohnkonflikt entschieden morden lediglich durch den sozialen Kampf. durch die Stärke der nurgewerkschaftlichen Kampfmittel Bor zehn Jahren hätten die Arbeiterorganisationen feinerlei Schutz gefunden beim Staat und seinen Organen sie hätten lediglich die bittere Erfahrung machen müssen, daß bei einem so gewaltigen Konflikt die Staatsmacht an der Seite der organisier= ten Unternehmermacht stand. Der Machtwille der herrschenden Klassen stand der Selbsthilfe der Arbeiterschaft gegen über, und der Staat war ein Teil dieses Machtwillens. Heute ist der Staat Garant des follettiven Arbeitsvertrages. Die großen sozialen Auseinandersetzungen werden nicht nur entschieden durch die nurgewerkschaftlichen Kampfmittel, sondern zugleich durch die Stärke des politischen Einfluffes, den die Arbeiterschaft im Staate befigt. Bor zehn Jahren war der Lohn nurgewerkschaftlicher Lohn- heute ist er gewerkschaftlicher und politischer Lohn. Vor zehn ihres gewerkschaftlichen Zusammenschlusses, durch die Opfer schwerer Arbeitskämpfe ihre gerechten Forderungen durch heute schafft sie durch den Stimmzettel wirksame Macht und Recht.
Der Reichstagspräsident Genosse Paul Löbe hat den Aeltestenrat des Reichstags zu einer Sizung am Vormittag des Dienstag, 6. November, einberufen. In dieser Sigung soll darüber entschieden werden, ob der Reichstag , der be- fassungen der anderen Mächte, insbesondere Frankreich , durchaus nicht Jahren kämpfte die Arbeiterschaft lediglich durch die Macht
fanntlich am 13. November seine Arbeit wieder aufnehmen will, nicht wegen der großen Aussperrung im Westen schon zu einem früheren Zeitpunkt einberufen werden soll.
Novembertagung des Landtags.
Der Weltestenrat des Landtags ist für Montagmittag zu einer Gizung zusammenberufen worden, um vor Beginn der Vollverhandlung die Geschäftslage zu besprechen. Das Plenum wird poraussichtlich im November nur von Montag bis Donnerstag dieser Woche einen Sitzungsabschnitt abhalten, um in der Hauptfache Uranträge und Große Anfragen, soweit sie verhandlungsreif geworden sind, zu beraten. Der Aeltestenrat wird dann über einen Vorschlag zu entscheiden haben, im Dezember vom 11. bis zum 20. noch weitere Bollsigungen abzuhalten. Der ursprüngliche Vorschlag, schon vorher im Dezember zusammenzutreten, wird mohl mit Rücksicht auf den Reichsparteitag des Zentrums, für den die Tage vom 7. bis zum 9. Dezember in Aussicht genommen sind, fallen gelaffen werden. In den legten drei Tagen wird das Plenum, bevor es in die Weihnachtsferien eintritt, noch den Haushalt, der am 14. Dezember gemeinsam mit dem Gutachten des Staatsrats ein gehen wird, dem Hauptausschuß überweisen.
Paris ,& November. ( Eigenbericht.) Boincaré empfing am Sonnabend den Generalagenten für Reparationszahlungen Barter Gilbert und den italienischen Sachverständigen Birelli. Daran Schloffen sich Besprechungen it ben Bertretern her am Buftendetommen der Sachverständigen.
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Es fann festgestellt werden, daß zwischen der deutschen Auffaffung zu deren Bertretung der Agent feineswegs, wie einige und den Auf Blätter behaupten, eigens nach Baris gekommen ist und den Aufeine so tiefe Kluft besteht, wie man nach der von einem Teil der Pariser Bresse geführten Bolemit annehmen könnte. Was besonders die als so heftig umstritten geschilderte Frage der„ Unabhängig feit" der Sachverständigen tommission anbetrifft, so weiß man auch auf der deutschen Seite sehr gut, daß es, wie Briand betont hat, teine ,, unabhängigen" internationalen Sachverständigen gibt, und daß ebensowenig den Regierungen das lezte Wort vorenthalten werden: tönnte. Andererseits verschließt man sich auch in hiesigen politischen Kreisen kaum der Einsicht, daß das Komitee, um fruchtbar arbeiten zu können, nicht aus Beamten zusammengesetzt fein fann, die mit gebundener Marschroute zusammentreten.
Die Finanzfommission rebelliert gegen Dittatur. Paris , 3. November. ( Eigenbericht.)
Der Ministerpräsident Poincaré ist heute nacht mit der Finanzfommission in einen schweren Konilift geraten. Die Kommission hatte Poincaré zu einem Vortrag gebeten, um mit ihm zu beraten, wie man notwendige Steuererleichterungen durchführen und durch Ersparniffe wieder einbringen könnte. Poincaré zeigte sich vor der Kommission vollkommen unzugänglich Er erklärte, von Steuer erleichterungen über das von ihm selbst vorgeschlagene Maß wolle er nichts missen. Er würde gegen jeden derartigen Antrag die Bertrauensfrage stellen. Wenn aber das Budget bis zum 31. Dezember nicht erledigt sei oder wenn es ein Defizit aufweise, dann werde er sich unweigerlich von seinem Amte zurückziehen. Die Gr flärungen Poincarés machten auf die Kommission einen so schlechten Eindruck, daß diese thre sämtlichen Abänderungsanträge noch heute nacht an na hm. Allerdings trug fie dabei Gorge, sie soweit zu reduzieren, daß tein Defizit im Budget entsteht. Auf Antrag Aurisis murde eine Entschließung gefaßt, morin auf das energischste gegen has Berhalten Poincarés protestiert mirb.
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Die Metallindustriellen der westlichen Gruppe revoltieren gegen den Rechtsspruch des Staates, der den Lohn ber Metallarbeiter im Westen verbindlich festgesezt hat. Sie stehen im Kampf gegen die Arbeiterschaft und den Staat. Die Unternehmer gegen den Staat die Arb.eiter für den Staat: diese Kampffront ist das zweite Kennzeichen der gewaltigen Wandlung, die sich in den zehn Jahren von 1918 bis 1928 pollzogen hat. Der Schlichter als Organ des Staates ist nicht nur als ehrlicher Mittler zwischen die Kämpfenden getreten, er hat um des Gemeinwohles willen eine Entscheidung gefällt, die nach den Vorschriften des geltenden Rechts für beide Teile rechtsverbindlich geworden ist.
Diese staatliche Entscheidung ist feine ideale Entschei dung. Nach der Ueberzeugung der Arbeiter bleibt sie hinter billigen und berechtigten Arbeiterforderungen zurück. Die Schlichtung von Arbeitskämpfen nach dem Recht des demofratischen Staates vollzieht sich innerhalb der fapitalistischen Wirtschaftsordnung. ihr Spruch bildet nicht gerechten Lohn, sondern möglichen Lohn. Der Spruch des Schlichters ist das Ergebnis aus einer Fülle von Erwägungen, die einander durchkreuzen: Rücksicht auf das allgemeine Lohnniveau. Rücksicht auf die Konjunktur, Rüdsicht auf die spezielle Lage der betroffenen Industrie, Rücksicht auf die pinchologischen Spannungen bei Unternehmern und Arbeitern. Der Spruch des Schlichters mird niemals in idealem Sinne fozial gerecht sein. Die soziale Gerechtigkeit fann durch feine Instanz gefegt werden.
Der Schiedsspruch, der zur Rebellion der Unternehmer gegen das Recht geführt hat, hat sehr behutsam die Behaup