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Ilr. 531 45. Jahrgang
± Beilage des Vorwärts
Freitag. 9. November 192S
gebührend«, Platz errungen zu Hab«,, jubelt dem35 e f r e f t r', dem Fürsten   zu. Oer treubrüchige Kürst.
Die Erinnerung an dle lkovembertag« de» Jahre» tSlS gibt veranlassung, zurückzublicken in die Geschichte der revo- lutionäreu Bewegungen, die in der Vergangenheil Berlin   erregten und bewegten. va ist eine» der seltsamsten Ereignist« der Geschichte der Bürgerkrieg, der sich in Beriin unter wechselnden Bündnisten um die Blittedes IS. Zahrhuudert» zwischen tandesherren, Patriziern und dem damaligen untersten Stande, den Handwerkern, abrollte. Oie Schuld der Patrizier. Friadrich von Zliurnberg, der erste regierende hohettzoller in der Mark Brandenburg, der Ulö in Konstanz   van Sigis­ mund  , dem letzten deutschen König au  » dem Haus« Luxembug und t?rb«n der Mark, mit Brandenburg   belehnt worden war und sich l4Z7, des langen.Hader» müde, in die Einsamkeit der Eodolzburg zurückzog, übergab sein Land dem vierundzworyigjährigeu Sohne Friedrich, der später derEiserne  "' genannt wurde. Der selbstbewußte neu« Herr wollte dos Werk seines Baters, der, weniger freilich aus ideellen, den« au» materiellen Seweggruitde« heraus. die Raubritter befehdet hatte, dadurch fortsetzen, daß er auch die Städte unter die herrschafl seine» Hauses bracht« und ihr« Selbst' Verwaltung vernichtete. Die mächtigst« und freiest« Stadt ferne» Kurfürstentum» war Berlin  , und gegen Verlin richtete sich seine Feindschaft, wandle sich sein haß. Dem jungen Fürsten kam bei seinen Bestrebungen ein Umstand zugute, den der gerissen«, skrupel- lese Mann wohl erkannte und ohne Rücksicht betrügerisch au»-- nutzte. In Berlin   herrschte die Aristokratie der Stadt, saßen im Rate die Patrizier, die hochmütig herabblickteo aus den dritte» Stand, die Jünst« der Handwerker. Erbitterung war wach, die Anmaßung der Mächtigen trieb die unteren, politisch schlecht geschulten Schichten förmlich in die Arm« des Fürsten  , der da kam mit Versprechungen, die zu halten er sich ni�- in o l s ernsthaft vorgenommen hatte. Das volksfeindlich« Regime der Berliner   und Köllner Aristokraten führt 1442 zur Revolution des Proletariats, der Handwerker, gegen die stödtische Obrigkeit. Den Aufruhrern scheint bester Bundesgenoste der Fürst zu fein. Sie rufen Fn�innch II. zur Hilfe, die In« der Stadt werden dem anrückenden Markgrafen geöffnet, er reitet mit seiner schwer bewaffneten Mannschaft ei», er stürzt den arsttakratischen Rot, und cm neuer Rat aus den führenden Zünften wird eingesetzt. Der Handwerker, berauscht durch das Gefühl, den ihm
Friedrich II.   hat nicht einen Augenblick daran gedacht, das schändliche", seine Fürstenehre berührend« Bündnis mit der Unter- fchicht, mit der.Hefe des Volkes", ehrlich durchzuführen und «inzuhalten. Auch er hatte den echt fürstlichen Instinkt seines Nach­fahren Friodrich Wilhelm IV. vomL udergeruch der R e- volutiou". Es liegt dem Kurfürsten nur daran, die mächtigen Patrizier zu stürzen und selbst die Herrschaft über Berlin  , über Kölln und damit über alle Städte seines Landes zu gewinnen. Sehr bald oerhaodelt er heimlich mit dea gestürzten Patriziern, sehr bald ist er-» satt, mit dem von ihm«ingeietziei, Bürgermeister von Berlin  , dem gewöhnlichen Schuster August Lölcker, zusammen- zuarbeiten. Die Patrizier lassen es sich angelegen fein, um die alte Macht über das gemeine Volk wiederzuerlanaen, den, Fürsten   gegen­über Verbeugungen und immer neue Rückzüge zu machen. Schon 1443 kann der Fürst das Gesetz erlassen, dag keiner das Recht habe, ein städtisches Ami. das ihm übertrage» werde, zu verweigern. So ernennt denn Friedrich der Eiserne wortbrüchig plötzlich nicht Tischler, Schuster, Schneider und Werkzeugmacher, mit denen ziK Iarnrnen er die herrschait über Berlin   und Kölln gewonnen holte, andern Angehörige der ge stürzten Patrizier» f o m i l i« n.zu Rotsmämiern der Stadt. Das Proletariat des Mittelalters hat auf Fürstengunst getraut. Es hat fchkgesttzt, es ist vom zweiten hohenzollern betrogen worden. Beginnender Absolutismus  . Der Sieg des Fürsten   vom Jahre 1443 bedeutet den Beginn des dynastischen Absolutismu», der. Jahrhundert« später, in F r i e d- r i ch Wilhelm I. und dem sogenanntenAlten Fritz" sein« betomUeften Vertreter in der Geschichte Brandenburg-Preuhen» auf- weist. Sicher, 1443 war der Kurfürst Friedrich noch n i ch l am Ziel. Am 31- Juli wa er mit feierlichem Prunke und glänzendem<Ae-
Der gestörte Schloßbau.
folge in Berlin   eingezogen. Er wollte den Grundstein zu jenem Schlosse legen, das die Erbitterung der sürftenfeindlich«» Berliner  mit den, Namen Z w i n g k ö l l n belegte. Mit finsteren Blicken schaute die Bürgerschaft der feierlicheo Grundsteinlegung durch den Landesherrn zu. Die Aufrechten unter den Patriziern, die Einsich- tigen unter den Handwerkern sahen«in, was sie beide durch falsche» Paktieren mit dem gemeinsamen Feind, dem Fürsten   angerichtet hatten. Die llnansrichrigen unter der Stadtaristokratie freilich heuchelten nur Freundlichkeit den biederen Bürgern gegenüber, um mit ihrer hilf« letzt« Recht« vor dem Zugriff der sürstlichen Macht zu erhalten. Friedrich II.   hatte aus der Spree  Baumaterialien aller Art Heranfohren lassen und Arbeitskräfte aus den ländlichen Bezirken feines Herrschaftsbereiches herbeikomme» lassen. Man war eifrig am Bauen der Zwingburg, aber oft, wenn die Zlrbeiter morgens kamen, i'anben sie das, was am Tage mühsam vollbracht war. in der Heimlichkeit der Nacht eingerissen. Die großen Quadern, die man aus Kähne» herbeigcschasit uiüz aufgetunru hatte, waren auseinandergeworfen und zum Teil sogar in die Spree gewälzt worden, und aus dem morastigen Grunde des Flusses konnte man sie nicht wieder herausholen. Die Arbeit schritt nicht fort, jeder nur irgend denkbare Schabernack wurde dem Bau Herren gespielt, der Fürst roste vor wul. Zllle Zwangsmaßnahmen, die gewaltsam erzwungen« Ueberlossung des Rathauses auf der Langen Brück«, der Verzicht auf städtische Gerichtsbarkeit, der Schwur aus Untertänigkeit und Gehorsam schienen nicht zu Helsen  . Als der Kurfürst im Jahre 1446 in Berlin   einen Landtag abhielt, begrüßt« ihn kein freudiger Zuruf, das Volk stand abseits, hämische Blick«, unterdrückter haß omz'fingen ihn. Sieg des Kurfürsten. Friedrich II.  , der schlaue, mst allen Wassern gewaschene, nie vor Treubruch zurückschreckende Diplomat, sagte sich, daß hier mit Gewalt nichts zu machen sei. Er förderte förmlich die Störungen des Schloßbau«», er unternahm auch nicht das geringste gegen sie! Er lagt« nichts, als feinem Bruder, dem Markgrafen Johami, der'Auf­enthalt in Berlin   versagt wurde und seine Anhänger mit Schimpf au» den Gilden ausgestoßen wurden. Als aber 1147 die Stände der Mark zusainmentroten, stand der Kursürst, der 1443 s e i n W o r t gebrochen hatte, auf, um seinerseits die Deputierte» der Städte des Wortbruchs zu zeihen. Die Stände gaben dem Fürsten   Recht, er hatte e» verstanden, daß sich durch die vorgetäuschte Nachgiebig. keil de« Monarchen der Bürger in Unrecht sehen lieh. Nun holte Friedrich zum entscheidenden Schlage aus. In offenem Kriege zog ikaher Boitin, ein aus den Städten Berlin   und Kölln ver- triebencr Anhänger des Kurfürst«», aus, er schickte Ostern 1448 Rat und Bürgern den Fehdebries. Er siegle i Am 27. April 144!) wurde er zum Bürgermeister von Berlin   erwählt, zähneknirschend beugt« sich die Bürgerschaft. Das Berliner   Wavpen aber zeigte fortan«inen Bären, der in gebückter Stellung den vrandenburgifisien Adler avf dem Rücken trug,»nd an der Spitze des Eides der Rats- männer stund der Satz:Ich gelobe und schwöre. Meinem Gnädigen 4>errn getreu und gewärtig zu sein,«einen Schaden zu wenden. Seinem Frommen zu werben und in keiner Sache wider Seine Gnade und Herrschafl zu sein." «! In den revolutionären Kämpfen, die Berlin   um die Mitte des 13. Jcchrhunderts in ständiger Bewegung erhielten, hatte die junge Dynastie hohengollern gesiegt. Für fünf Jahrhunderte hatte sie ihre absolutistisch«, im«, er trotz schöner Leitsätze o o l k s f e i n h- licht Macht stabilisiert. Erst der November 1918 ließ den Bcr- liner Bären den aus ihm hockenden Adler der Tzohei�ollern herunter- werfen.,. Da« Gedenken an die Jahre um 14S0 herum zeigt gerade i» diesen Tagen, wie schlecht unsere Borsahren beraten waren, als sie sich aus F ü r st e n o e r s p r e ch u n g e n und Fürsten- g u n st verließe». H. 6.
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Soldat Surren.
iXoiuan von Georg von der Bring. lZopyrigbt 1927 by J. M. Spaeth Verlag, Berlin  . Alberina sagt:.Laß sie doch rüberjumpen" Ich versichere ihnen zum zweiten Male und so laut ich kann:Entwürfe für ein Bild in der Kantine!" Aber den Generalstabsoffizieren wird es scheinbar nicht klar, was wir machen. Sie zucken die Achseln und verschwin- den im Wald. Wenn sie nun über die Zugbrücke kommen?" be- fürchte ich. Bastion TV ist unbesteigbar. Achtung! Aus zum dritten Gang!" Der Kampf entbrennt aufs neue. Wir rollen am Boden und steminen uns dagegen, auf den Rücken geworfen zu werden. Wir machen atmend Pause, lieber uns schwebt ein Sperber, welcher wie eine Katze schreit und abstreicht. Weiter! Ich knie, und Albering drückt mich machtig nach hinten. Ich kann den Fuß nicht nachziehen, welcher schmerzt, lasse vom Widerstand ob, worauf mich mein Gegner hart auf den festgeklemmten Fuß drückt. Ich schreie und werde ge- warfen. Da liegst du." sagt Albering und steht auf. Ich bin kaputt." sage ich, bleibe liegen und unterzuche meinen Fuß. Er schmerzt erbärmlich. Ich kann wohl auf- stehen, aber hinke auf einem Bein herum. Es ist eine Sehnenzerrung auf dem Fußrücken. Albering massiert den Fuß, ober es wird nicht bester. Später hinke ich dt« weiter hinunter und krieche aufs Birkenbett. Albering ho.i einen nastsn Lappen und macht Umschläge. Am andern Morgen ist es das gleiche, und>ch»in ge- zwungen. mich krank zu melden. Steinberg, der Santtats- Unteroffizier, kommt hereingerannt wie auf eine Buhne und schreit:Was machen Sie, Sichren?" (Fr ist Schauspieler am Schillertheater und übt sich über- oll in seinem Berufe. Ringkampf machen diese Menschen? Soldaten vor dem Feind machen Ringkampf! Es geht euch zu gut. übermütiges Gelichter! Bor Kraft nicht wisset ihr euch zu raten! Der klein« Jude ist mir dankbar, ich habe chm«m« Mchnung von der Batterie gemacht. Es muß auch wohl fo
fein, und ich höre seine Ausrufe gern an, weil es eine Uebung für ihn ist. trinke da ein Glas Bier vom bayerischen. Geht da ein Mann her. sagt:Sichren ist hin. er� fleht Ihre Hilfe!' Ich eile, zu kommen! Was finde ich, ihr Elenden? Zeige den Fuß. Eine Zerrung der Sehne, hm. Verstaucht und was nun?" Sein schwarzer Blick rollt vorwurfsvoll über mein Gesicht. Ich kann vor Schmerz nicht auftreten," sage ich leise. Bor   Schmerz nicht auftreten, gewiß, so seid ihr. Buden! Fort ins Revier" Er rennt in die Tür mit großen Schritten und schreit ins Freie:Bulei und Rulei hierher! Die Bahre gebracht! Eilt euch, ihr Trägen!" Alsbald treten Bulei und Rulei mit der Bahne auf, und ich laste mich nieder. Es ist spaßig: man schnallt mich fest und trägt mich fort. Ueber die Hochfläche geht es wie nichts. Dann aber erfolgt der Abstieg ins Dorf Eh<ir«M. Bulei und Rulei rauchen Zigaretten und gleiten aus. Sie lasten die Bahre los. und ich überschlage mich mit ihr. Mein Gesicht liegt in einem Schafgarbenbusch, der duftet und kitzelt. Zehn Meter flog ich hinunter, blieb aber heil. Es scheint im Augenblick sogar, daß der verstauchte Fuß bester ist. Bulei und Rulei finden mich wieder und zünden sich neue Ziga- retten an. Dann drehen sie mich auf den Rücken, packen die Bahre und liefern mich in Ch�rät ab. Bor dem Hause, in dem da» Revier ist, lehnt ein Sa- nität-sergeant im offenen Uniformrock. Er sagt faul:Hot?" Suhren, Herr Sergeant," melden Bulei und Rulet   und setzen mich nieder....... Hat?" wiederholt der Sergeant und zielt mit seinem Stiefel auf meinen verbundenen Fuß. Sehnenzerrung. Herr Sergeant." melden Bulei und Rulei und lächeln vor Freude, daß sie verstanden haben. Rein!" befiehlt der Dicke und macht«ine Kopfbewe- gung. Die Sanitäter schnallen mich ab, und ich lege mich auf eins der acht leeren Betten. Es ist nett, einmal im Re- vier zu fein, olles voll Fliegen. Kommen Sie! Kommen Sie!" beschwört mich eine Stimme. Es ist also noch jemand da. und zwar«in älterer Soldat mit einem Spitzbart, und er winkt mich an» Fenster. Ich sprüige auf mein gesundes Bei» und hink« durch die Nabe. Gerade erscheint ein Flieger in geringer Höbe üb« der Mulde,«in großer dunkler Bogel mit bunten Ringen,
von Schrapnellwolken umplatzt, die wie dicke Hagelkörner hersausen, in der Luft stehenbleiben und sich mehren und mehren. Das Pfauenauge knickt leine Flügel und sinkt rechts hinter der Craonner Straße in einen Wald. Den haben wir was?" wendet sich der Spitzbäriige an mich, und wir setzen uns auf unsere Petten  . Ich frage ihn nach seiner Krankheit. Er erzählt, daß er sich bei den französischen   Weibern   etwas geholt hat. Ich sehe auf seinen Ring. Gewiß, er ist verheiratet und hat daheim drei kleine Kinder. Sein Gesicht ist mir ekelhaft, er verzieht es in tiefe Sorgenfalten, und zwei Fliegen sitzen auf seiner Stirn. Die eine fliegt ab, schwebt auf meine jjand. Ich haue darauf, daß es weh tut. Wir schweigen. Schieße ich da neulich mir nichts, dir nichts 51 Ringe," köchelt der andere und sieht mich an. Doch die Tür geht auf, und der Sergeant tritt herein. Er bleibt stehen, die Klinke in der Hand und macht über irgend etwas große Augen. So. so. Freundcken," brummt er, nimmt ein Plakat von der Wand und wirft es auf meine Beine. Wollen Herr Sergeant belieben" flüstert der Spitz­bärtige demütig., Halts Maul!" antwortet jerh?r und geht in den Reben- räum, offenbar sein Zimmer. Das Plakat soll ich lesen, wie mir scheint, er setzt einfach voraus, daß ich lesen kann. Die Ueberschrist lautet: Per- halten im Revier. Dann kommen 14 Abschnitte, und alle sind voll Fliegendreck. Wenn die Fliegen bloß wüßten, wie sie sich im Revier zu benehmen haben. Es ist heiß, und immer neue Fliegen suchen sich einen Aufenthalt auf dem Plakat. Ich haue nach ihnen, doch der Mitkrank« rät mir, nach einem Blick auf da« Sergeantenzimmer:Mach keinen Lärm im Revier, Kamerad?" In einer halben Stunde kann man manche Fliege töten. besonders mit einem solchen Plakat. Man läßt sie sich niedersetze/, und wenn sie nichts ahnend sich die Hände rei- den, trifft sie der Schlag. Manche kommen auch davon und sind gewarnt. Doch immer neue schweben her, sie fallen von der Decke, die ganz schwarz ist, und sie feiern dort ein Liebes- fest, bei dem ein« fortwährende Schwirrmusik ertönt. Di« Tür de« Sergeanten geht auf, und ich schaue aufs Plakat. Der Sergeant schreit:Hosen runter! seine Bocken zittern wie zwei Luflkissen. Jetzt erst begreife ich ich soll mich ausziehen al» Patient. So beginne ich bamtt. worauf der Sergeant sich ingrimmig zurückzieht.(Fortsetzung folgt.).