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45.Jahrgang

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Der Borwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Boll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen, Frauen. ftimme". Technif"," Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Vorwärts"

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Freitag

16. November 1928

10 Pfennig

Die ein paltige Ronparetege 80 Biennig. Reflamezeile& Reichs mart. Kleine Anzeigen" das tetige brudte Bort 25 Pfennig( zuläffig zwei fettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengefuche das erste Wort 15 Bfennig, fedes mettere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben Arbeitsmertt sählen für zwei Borte. Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme im Hauptgeschäft Linden, ftraße 3, wochentägl Don 8%, bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Boftschedlonto: Berlin 37 536. Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

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Bernsprecher: Donhoff- 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

Reichstag vor der Entscheidung

Heute ruhigere Beurteilung der Lage.

Heute vormittag hatten die Führer der au der Regierung beteiligten Parteien, also Sozialdemokratie, Zentrum, Demokraten und Deutsche Volkspartei eine Besprechung, an der auch die Minister aus diesen Parteien teilnahmen. Beschlüsse wurden bei dieser Ge­legenheit nicht gefaßt. Die weitere Entwicklung der Dinge dürfte von dem Verlauf der heutigen Aus. sprache über die Panzerkreuzerfrage und von dem Ergebnis der Abstimmung über den sozialdemokra tischen Antrag abhängen.

Im Reichstag herrschte heute vormittag eine verhält. nismäßig ruhige Stimmung. Bei den bürgerlichen Parteien scheint man auf eine Entspannung der bolitischen Lage hinzuarbeiten und das Krisengerede zu­rückzudrängen. Die allgemeine Aufmerksamkeit galt mehr den Verhandlungen im Haushaltsausschus. über deren Verlauf wir an anderer Stelle berichten.

Viel besprochen wurde der Gegensat, der zwischen ben demokratischen Blättern und der demo. Tratischen Fraktion entstanden ist. In der Presse Ablehnung des Panzerkreuzers und Angriffe auf Groener, die Fraktion aber beschließt, dem sozialdemo Fratischen Antrag ihre Zustimmung zu versagen!

Der rauhe Ton.

Zwischen Redekampf und Abstimmung.

In den Aeußerungen der heutigen Morgenblätter fommt all­gemein die Enttäuschung über die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion in der gestrigen Reichstagsfizung zum Ausdrud. Wie batte man fich schon darauf gefreut, daß die Sozialdemokratie über der Panzertreuzerfrage auseinanderfallen würde! Und nun hat es sich gezeigt, daß die Sozialdemokratische Partei so ge­schlossen dasteht, wie nur je! In allen Parteien, ob man nun nach rechts oder nach links sieht, gärt und brodelt es, herrscht Spaltung und Berwirrung. Die Deutschnationalen mürgen noch immer an den Bissen Lambach und Hugenberg ; bei den Kommunisten hauen sich Versöhnler und Zentristen, Liquidatoren und Leninisten; und selbst im 3entrum, das doch Jahrzehnte hindurch als unerschütterlicher Turm galt, werden die Fundamente immer ernstlicher von den sozialen Gegen fazen unterwühlt. Aber die Sozialdemokratische Partei steht und wächst, sie wirkt und fämpft, Geschlossenheit und Einigkeit helfen ihr auch die schwierigsten Aufgaben zu lösen.

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Wie wenig wissen selbst gescheite Köpfe bei den bürgerlichen Barteien von dem Wesen der großen Partei der deutschen Arbeiter flaffe! Da liest man heute über die Demagogie" des sozialdemo­fratischen Redners, da tabelt man an Bels den rauhen Ton feines Vortrags, da vermißt man bei ihm die großen staatsmännischen Gedanken. Es war in der Tat eine rauhe Rede, die man gestern zu hören befam; weil es die Sprache des arbeitenden Boltes war, das von Banzerfreuzern und ähnlichen Dingen nichts missen will. Da hat in der gestrigen Morgenausgabe des Berliner Tageblatts" der Chefredakteur Theodor Wolff einen sehr schönen Artikel gegen den Reichswehrminister Groener geschrieben. Dort heißt es, daß die ruheliebende Mehrheit des Reiches die Dinge nicht so tragisch nehmen möchte", man merde den Kopf unter die Dede steden", nicht sehen wollen, daß man die Krise durch bequeme Nachgiebigteit verewigt habe. Und heute wird von Ernst Feder in dem gleichen Blatt festgestellt, daß die Rüdtrittsdrohung Groeners und die besonderen Begleit umstände, unter denen sie ausgesprochen wurden, auf die Gegner des Panzerkreuzers in den nicht sozialistischen Parteien stärter gemirtt haben als jede fachliche Agita tion! So lassen sich, nach dem Zeugnis des demokratischen Berliner Tageblatts" die nichtsozialistischen Abgeordneten durch eine leise Drohung des Herrn Groener einschüchtern, besonders menn sie auch den Schatten Hindenburgs zu sehen meinen...

Die Sozialdemokratie, um das noch einmal festzustellen, hat in der Panzerkreuzerfrage stets eine einheitliche, flare Linie verfolgt. Auch bei der heutigen Abstimmung im Reichstag wird sich zeigen, daß die gesamte Fraktion der Sozialdemokratie mit der hingebungs­nollen Teilnahme der Ueberzeugung fich für die Annahme ihres An­trages einsetzen wird. Nichts von Abfommandierungen, Stimm enthaltungen und ähnlichen Methoden, wie man sie so gerne bei den ( Fortfegung auf der 2. Seite.)

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Auf dem Wege zum Reichstag.

Wels

Severing

Hilferding

Hermann Müller

Der sozialdemokratische Redner

Reichsinnenminister Reichsfinanzminister

Reichskanzler

Vestris", ein Totenschiff?

Geeuntüchtigkeit des Schiffes durch Zeugen festgestellt.

60 Personen zur Bernehmung vorgeladen.

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Der deutsche Passagier Rüdert, der noch nicht vernommen worden ist, äußerte in einer Unterredung mit Pressevertretern, daß er bereits am Vortage der Katastrophe infolge des Ueberliegens des Schiffes dreimal die Kabine habe wechseln müssen. Obwohl 70 bis 80 Leute mit den Fluten rangen, feien die Boofe weggerudert. Rüdert ist später nach 1% stündigem Schwimmen von einem anderen Boot aufgenommen worden. An Bord der Rettungs­boote befanden sich feinerlei Lebensmittel, so daß die Insassen von Sonntag nacht bis Dienstag früh hungern mußten. Auch Rüdert bezeichnete, wie schon andere Passagiere vor ihm, die Ratastrophe als glatten Mord, da fie sich leicht hätte vermeiden lassen.

Am geftrigen erffen Lage der amtlichen Untersuchung der Kata-| Innerhalb einer Stunde ist alles in Ordnung. Bis jetzt find ftrophe des Dampfers Beftris wurden sechs Personen ver­nommen. Den Blättern zufolge haben ihre Aussagen folgende Fest. ftellungen ergeben: 1. daß sich bereits am Sonntag früh zeigte, daß der Dampfer nicht feetüchtig war; 2. daß der drahtlose Hilferuf viel zu spät erfolgte; 3. daß beim Aussehen der Boote große Berwirrung herrschte und daß die für das Aussehen gebrauchte Zeit ungeheuer lang war; 4. daß einige Boote ungenügend ausgerüstet und nicht feetüchtig waren, ferner, daß feines von ihnen imftande war, die 60 Personen aufzunehmen, für die es bestimmt war, und daß einige jogar undicht waren. Alle Zeugen erklärten übereinstimmend, daß vom Sonntag abend ab keine Disziplin mehr an Bord geherrscht habe. Während die amtliche Untersuchung im Gange ift, hat Senator Fletcher in Washington angekündigt, daß er beabsichtige, im Kongres bei dessen Zusammentritt ,, im Interesse der Sicherheit von Menschen­leben auf See" eine Untersuchung durch den kongreß zu beanfragen.

In der vom Bundesdiftriftsanwalt Tuttle eingeleiteten amtlichen Untersuchung der Bestris"-Katastrophe haben die ersten Ber­nehmungen stattgefunden. Der Passagier Fred Puppe, dessen Frau und Kind der Ratastrophe zum Opfer gefallen sind, machte Aus fagen, die die Disziplin an Bord zu beleuchten geeignet sind. Er fand, als er sich am Sonnabend an Bord begab, nur den kleinsten Teil seines Handgepäds in der Kabine vor. Den Rest entdeďte er später im Schiffsraum unter dem schweren Gepäd. Als er sich in dieser Angelegenheit mit einem Steward in Berbindung setzte und sich bei ihm über die Bedienung an Bord erfundigte, wurde ihm geant­wortet: Der eigentliche Kabinensteward tönne ihn nicht bedienen, meil er betrunten in seiner Koje liege. Als Puppe am Som­tag morgen um 6 Uhr erwachte, war die Neigung des Schiffes bereits derartig, daß es unmöglich mar, fich in der Kabine un­gehindert zu bewegen. Als er dem Steward gegenüber bemerkte, anscheinend sei etwas nicht in Ordnung, erhielt er zur Antwort: Die Labung hat sich verschoben. Die Mannschaft arbeitet jegt daran.

Die Toten der Bestris".

Bis jetzt sind drei Küstenwachschiffe und verschiedene andere Fahrzeuge mit Toten der Bestris"-Katastrophe in New Yorf ein­gelaufen. Im ganzen find bis jetzt 22 Leichen geborgen, die zwischen den Schiffstrümmern aufgefischt werden konnten. Da die Toten durch Haifische und durch das Umhertreiben zwischen den Schiffstrümmern sehr verstümmelf find, war nur bei vier Personen die Identifizierung möglich. Darunter befinden sich der japanische konsul Inouye und der Vertreter der Körting A.- G.- Hannover in Megito, Carlos Frante mit seiner Tochter Ingeborg.

Boncour tritt zurück.

Berzicht auf Frankreichs Vertretung in Genf . Paris , 16. November.

Die Agentur Havas gibt offiziell den Rüdtritt Paul Bon­cours als Vertreter Frankreichs beim Völkerbund bekannt. Bereits am vorigen Dienstag habe er in einem Brief an Briand die Gründe angegeben, aus denen er glaube, seine Mitarbeit einstellen zu müffen. Die Gründe hätten nichts zu tun mit der wegen der Mit arbeit Paul Boncours im Bölferbund innerhalb der Sozialdemokra

Marinegutachten und Marinepsychose fifchen Partei entstandenen Meinungsverschiedenheit. Um zu ver

Der Tag der Landgemeinden

Berichte 2. Seite.

meiden, daß der Rücktritt Paul Boncours im Laufe der geffriger Sammerdebatte erwähnt werde, habe er ihn bis heute nicht bekannt gegeben.