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Beilage reitag, 23. November 1928.

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Das Dunkel um die Brüder Heitger.

Weshalb wurden sie Verbrecher?- Ein Besuch in Alten- Essen .

Die Brüder Heitger haben der Geschichte der Kriminalistik eine e blutige Seite hinzugefügt. Dem Verdammungsurteil der einen die Heldenverehrung der anderen gegenüber beides gleich hrlich. Jene vergessen, deß ein Teil der Mitschuld an Heitgers ten auf die Mitwelt fällt; diese, daß das Seelenkonto ihrer Hel­mit sechs Menschenleben belastet ist. Wären die Brüder Heid­am Leben geblieben, so hätte man ihr Werden und Sein aus Gerichtsverhandlung fennengelernt. Das Rätsel ihrer Wand­Don ehrbaren Arbeiterjungen zu Banditen" wäre vielleicht löst worden. Sie sind tot, das Rätsel bleibt und beunruhigt. So te ich ihre Eltern auf.

Die Bohlmannstraße.

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das Hochamt ab oder ich will überhaupt nichts. So sind meine| feiner Söhne besaß er nicht. Blieb noch eine Möglichkeit: ein Blick Söhne ohne Geistlichen beerdigt worden. Das verzeiht die in die Häuslichkeit der Eltern. Von der Wohnküche gelange ich in ganze Gemeinde dem Pfarrer nicht. Als die Schwester das Schlafzimmer. Auf dem Tische neben dem Bett der leidenden im Krankenhause mir die Bescheinigung überreichte, daß Johann Frau St. stehen Heiligenbilder, ein Kruzifig und Photographien vor dem Tode gebeichtet habe, da weinte sie. Der Professor, der ihres ältesten Sohnes: ein Zeitungsausschnitt, auf dem er noch ihn operiert hatte, sagte zu mir: Ich hätte nie geglaubt, daß dieser lebend zu sehen ist; ein anderer, der seinen Kopf nach dem Tode Mensch so viele zu töten fähig gewesen wäre, für jede Handreichung zeigt ein strenges Gesicht. Ich möchte einige Briefe von den hat er sich bedankt." Der Pfarrer wollte aber nicht für Johanns Söhnen haben. Mein Wunsch regt die Mutter auf. Nein, nein, und seines Bruders Seelenheil beten. Waren sie nicht trotz alledem gute Katholiken? Daß der Pfarrer mir das antun würde, habe ich nie gedacht, als ich die Jungen aus Köln holte. Ein Teil meiner Ersparnisse ist draufgegangen. Mutter hatte gesagt: Er­

Sie waren gehorsame Jungens.

Gleich zu Beginn Alteneffens liegt die Bohlmannstraße, eine füllst du mir diesen Wunsch nicht, so verzeihe ich dir das nie!" garbeitersiedlung der Zeche Helene. Links neben einem Hügel Schlacke ragen die Schiote und die Gebäude der Zeche empor. ft am Ende der Straße das Haus Nr. 40; hier wohnen die Eltern Brüder Heitger, die Eheleute St., Der Stiefvater, ein braver rgmann, ist nicht zu Hause, die Mutter liegt frank zu Bett. Eine achbarstochter besorgt die Wirtschaft. Ob mein Besuch die Butter nicht zu fehr aufregen mürde? Doch!" Wo ich Herrn St den tönnte? Auf dem Friedhof; er bringt gerade das Grab Söhne in Ordnung." Ich begebe mich zum Friedhof. Auf der raße spielen Jungen. Ob mich nicht jemand begleiten möchte; fürchte, Heitgers Bater zu verfehlen. Die Jungen blicken neu­rig zu mir auf. Ob sie die Brüder Heitger gekannt haben," ge ich. Natürlich." " Wie waren sie denn?" Sehr gute richen."" Und haben sechs Menschenleben auf dem Gewissen!" e ich. Die Jungen schweigen. Ein etwa Achtzehnjähriger meint Das ist eben unverständlich; ich bin mit beiden stets zur che gegangen; niemand konnte ihnen etwas Schlechtes nachsagen; baren immer solide." Ich merke, die Stimmung ist für die en Brüder. All diese Jungen von 8 bis 18 Jahren bewahren en ein gutes Andenken, ein gefährliches Andenken. Der zehnjährige geleitet mich zum Friedhof. Auf dem Wege dort­unterhalten wir uns eingehend über die Brüder Heitger. Ich

Ja, für uns waren sie gute Söhne. Es ist einfach unbe­greiflich, wie das alles kommen konnte. Nie habe ich viel Geld bei ihnen gesehen. Und wenn ich sie mal um ein paar Pfennige zu cinem Glas Bier bat, so bekam ich von ihnen 30, 40 Pfennige, nicht mehr. Gingen sie mit ihren Mädeln aus beide trugen fich mit ernsten Heiratsabsichten mit ernsten Heiratsabsichten- so gaben sie nicht mehr als 1,50 oder 2 Mark aus. Sie waren gehorsame Jungens. Noch bis zuletzt behandelte sie die Mutter als wären sie ihre fleinen Buben. Etwa eine Woche vor dem Gladbecker Bostraub bekamen sie von mir noch eins tüchtig über die Ohren. Als eines Morgens feine Kohlen in der Stube waren, die Jungens aber noch schliefen, jagte ich sie aus den Betten, und im Hemd holte der eine Kohlen, während der andere den Ofen heizte. Als die Mutter nach dem Gladbecker Postraub von der Polizei vernommen wurde, sagte sie zu dem Kommissar: Wenn Sie meine Jungen erst haben, so holen Sie mich, in meiner Gegenwart werden sie die Wahrheit sagen. Wenn die Polizei in Köln mich benachrichtigt hätte, daß sich der Hans in der Billa eingeschlossen hat, ich wäre zu ihm gegangen und er wäre, ohne ein Wort zu sagen, mir und der Polizei gefolgt." ,, Glauben Sie nicht, daß es zu spät gewesen wäre, daß er sein Leben doch so teuer wie möglich verkauft hätte?". Das glaube des Kampfes mit der Polizei geschrieben hat?"

halte teine Klarheit; im Gegenteil: die Verbrechen der ich nicht. Sie haben doch die Briefe gelesen, die er noch während iden scheinen mir jegt noch unverständlicher.

Das Grab mit den drei Kreuzen.

Der Gebrüder Heitger Freund Lindemann. Der Regen hat den Vater vom Friedhof vertrieben. Das Grab Aber sagen Sie mal, es scheint doch ganz unmöglich, daß Brüder Seitger, erst vor wenigen Tagen aufgeschüttet, steht Ihre Jungen, wenn sie nur so gewesen wären, mie Sie sie schil. läufig einsam da. Andere Gräber werden sich ihm anschließen. dern, das alles getan hätten. Etwas muß doch in ihnen geſtedt anze schmücken den Grabhügel. 3mischen ihnen drei Holzkreuze, haben."" Das verstehe ich eben auch nicht. Der Lehrer hat erst

einem Unbekannten gestiftet. Trog strömenden Regens kommen mer wieder Leute, bleiben vor dem Grabe stehen, schauen es sich ge an und äußern laut ihre Ansicht. Die einen finden Borte Bedauerns für die Toten, die anderen schimpfen auf die Polizei, fönnte die etwas dafür, daß die jungen Menschen sich selbst Tod bereitet haben. Wieder andere beklagen die Eltern. Menschen, die Heitgers nicht gefannt haben..

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Der Vater und der Pfarrer.

Als ,, ich bin fein Fanatiker," sagt er, ich besuche aber

vor turzem ihre Zeugnisse durchgesehen. Ihre Führung war stets vorzüglich. Auch nach der Schulentlaffung haben sie fleißig ge arbeitet, Heinrich auf der Seche Helene, Johann als Friseur uim. Dann tam die Arbeitslosigkeit; Hans ist mit dem Lindemann auf Wanderschaft gegangen; unterwegs hat er wohl gearbeitet und sich auch als Friseur Geld verdient. Als sie dann Zigarettenreisende wurden, habe ich sie seltener gesehen." Das alles genügt mir aber nicht zum Verständnis." Bielleicht war es auch schlechte Gesell­schaft. Als mir in die Bohlmannstraße zogen, war der Weltere 16 Jahre, der Jüngere 13 Jahre alt. Sie freundeten sich mit Linde mann an. Der Junge fühlte sich zu Hause nicht wohl und so fam er immer zu uns. Mir mißfiel das. Meine Frau sagte aber: Laß

Auf dem Rückwege vom Friedhofe treffen wir den Bater. Beim laje Bier schüttet mir der Fünfzigjährige sein Herz aus. egelmäßig die Kirche" fügt er sich in das Schicksal, das ihm ihn doch, zu Hause hat er auch keine Ruhe." Eines Tages fand echieden. Eines fann er aber nicht verschmerzen, daß seine Söhne ich sie alle drei im Stall oben auf dem Balken sigen und Kriminal­Geistlichen beerdigt wurden, daß niemand für ihr Seelenheit geschichten lesen; sie hatten einen ganzen Haufen da; an Stelle eines ebetet hat. Ich bin beim Pfarrer gewesen," erzählt er, er kennt Dachziegels hatten sie Glas eingelegt, um besser sehen zu können. Jungens von flein auf, er war ihr Seelenhirt, sie sind regel- Dieser Lindemann hat es nirgends ausgehalten und überall ge=

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Das Wohnhaus der Eltern.

flaut. Ich will ja meiter nichts Schlimmes über den Lindemann sagen, mein Sohn hat ihn ja noch vor seinem Tode in Schutz ge­nommen.... Auch die Gesellschaft der Hübsches, der Verwandten meiner Frau, betam den Jungen nicht gut.

Dämonen?...

Der brave Bergmann, der sein Leben lang auf der Zeche ge­arbeitet hat, ist kein Psychologe: den Schlüssel zum Seelenleben

Das Grab der Brüder.

ich habe nichts mehr von ihnen, fie haben jie mir nadt zurüd­gegeben! Ich beruhige fie, verspreche, alles, wiederzubringen... Wie alle Mütter, so spricht auch diese von ihren Kindern gut. Bevor ich das Haus verlasse, sehe ich mich noch in der Schlafftube der Brüder um. Es ist ein gut hergerichtetes bürgerliches Zimmer mit Spiegelschrank, Waschtisch, nebeneinanderstehenden, breiten Holzbetten, Chaiselongue und Nachttisch. In einem der Schub. fächer finde ich ein fleines Notizbüchlein, in das der ältere Heitger Gedichte hineingeschrieben hat; es find Liebesverse, nicht schlecht und sehr sentimental. Aus einem anderen Schubfach hole ich Die Dämonen " von Dostojewski . Ja, Dämonen waren es, die in den Brüdern Heitger gehauft haben, ohne daß sie es wußten, ohne daß ihre Umwelt es merkte. Dämonen, die ihnen und ihrer Umgebung zum Verderb geworden....

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Der Besuch bei den Eltern der Brüder Heitger ist ergebnislos geblieben. Das Rätsel ist nicht gelöst. Man kann wohl psycho­logische Betrachtungen darüber anstellen, auf welche Weise sie sich in ihre Verbrechen verrannt haben mögen und nicht mehr zurück­I gekonnt es werden aber bloß vage Vermutungen sein. Helden find sie jedenfalls nicht gewesen; ihre Taten waren eher ein durch soziale Umstände verursachter Rückschlag ins Asoziale. Die Kulturs schicht des modernen Menschen ist leider nur allzu dünn.

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Leo Rosenthal .

Die ,, Gangster" von New York

So herrschte der Gang Little Augies in dem Stadteil zwischen dem East- Broadway und der Bowery, Eddie und Jack Dia mond hatten ihren Bezirk zwischen der 14. Straße und dem Broadway. Der Gunman" des Bezirkes schützt alle diejenigen, die an ihn zahlen, besser als es der Polizei möglich ist. In Chikago, wo die Verhältnisse noch meit schlimmer liegen, nahm eine dortige große Firma den berüchtigten Gunman Al Capone , genannt Scarface", ganz offen als Teilhaber auf, um sich nor den ewigen leberfällen zu schürzen. Und diejenigen, die nicht zahlen wollen? Dale stand mehrmals ewegen tätlicher Angriffe, Bedrohung, Raub, Meuchelmord vor den Schranken des Gerichts. Er konnte niemals überführt werden, denn es fanden sich feine Belastungszeugen. Rivalisierende Banden.

Durch die 44. Straße Brooklyns gleitet ein elegantes Auto.| ihren Tribut erheben. Jeder Gang hat seinen Bezirk. Es ist ein Sonntag, drei Uhr nachmittaga. Der Führer dieses Kraft: wagens ist ein nach der neuesten Mode gekleideter Herr in der Mitte der Dreißiger. In seinem Schlips funkelt eine Brillantnadel und hoftbare Ringe glitzern an seinen wohlgepflegten Händen. Er sieht aus wie ein erfolgreicher Kaufmann oder Sportsmann. Hinter dieses Fahrzeug fezte sich ein anderes Auto, ein von mehreren Herren besetzter Bagen, in Bewegung, der rasch mit dem vorher fahrenden Auto aufschoß. Als er dicht hinter diesem war, bliẞte es in dem zweiten Wagen auf. In rascher Reihenfolge knallen ein paar Schüsse, das Glas der Windschutzscheibe des vorderen Wagens splittert. Der Führer aber merfte es schon nicht mehr. Der lag über das Steuerrad gebeugt, vier Rugeln im Schädel. Der führer lose Wagen durchbrach eine niedrige Hecke und fuhr gegen die Stein­treppe eines Hauses. Dort blieb er stehen. Der andere Wagen aber, aus dem die Schüsse gefallen maren, vergrößerte seine Geschwindig feit und verschwand. Kein Mensch fümmerte sich um ihn oder merkte sich seine Nummer.

In dem ersten Wagen aber lag tot Franklin Yale, ein ,, Gentle man of the Gun", wie die, Amerifaner sagen. Sie werden nicht alt, die ,, Gangster". Little Augie, der im Oktober des Vorjahres am hellichten Tage in der Delanenstraße erschossen murde, zählte erst 25 Jahre, ale ist 35 geworden. Im Jahre 1912 tauchte er bis er sich zum Führer

"

Die Gelben Gorillas", wie die Polizei die Gangster nennt, schießen ihre Opfer fast ausnahmslos von hinten nieder. Eine Leiche wird gefunden. Zeugen sind nicht aufzutreiben. Der Gangster fällt immer wieder nur durch den Gangster, denn zwischen diesen Banden ist fast immer erbitterter Krieg. Die Reibungsflächen zwischen diesen Banden, unter denen heute( nach) Mitteilung des Commissioner Waren) der Charleston Gang, der Flatbush Gang, die Harlem Terrors und der Aspirin Gang die

Big zur Beichte gegangen. Ich kam zu ihm und bat, meinen hnen den Gang ins Jenseits zu erleichtern. Er sagte: Nein, in der Unterwelt New Yorts auf. Sieben Morde waren notwendig, stärksten und mächtigsten find, liegen an den Grenzen ihrer Bezirke.

Die Organisation des Verbrechens.

Hier geht es hart auf hart, denn die Banden wollen auch nicht ein Haus ihres Bezirtes und einen Cent ihres sehr großen Einkommens an andere Banden abgeben. Einbrüche fremder Banden in den eigenen Bezirk werden daher stets blutig gerächt. Der Gangster schwimmt im Geld, bis ihn die Todestuge! trifft, und das dauert bei New York immer mehr im Bachsen begriffen und bildet eines der ernstesten Probleme ber nach außen hin jo glänzenden Riesenstadt.

habe meine Borschriften, ich darf es nicht." b denn nicht," fragte ich. Der Johann hat doch vor seinem obe gebeichtet und die legte Delung empfangen. Sünden sind ihm vor Gott verziehen und er ist als Christ torben. Der Pfarrer blieb aber hart: er tönne nicht bei der Ferdigung dabei sein. Sch bat ihn, er möchte dann wenigstens in er glänzend bezahlt. Ein solcher Gang besteht aus acht bis zwanzig diesen Kämpfen gewöhnlich nicht lange. Das Gang- Unwesen ist in

Pine

Sirche für ihr Seelenheil beten. Er meinte bazu, er mürbe stille Meffe abhalten laffen. Da fagte ich, entweder hält er

Der Gangführer hält sich selbst von allen Unternehmungen fern. Er hat seine Leute, die ihm alle Arbeit abnehmen und die Beuten, die Spiethöllen, Spruschmuggler und ähnliche Unter nehmungen in ihren Schuh nehmen, aber auch von Raufleuten