Einzelbild herunterladen
 
  
Ttr. 557* 45. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonniag. 15. Aovember 1925
Wir Toten, mir loten sind größere Heere SN» ihr aus der Erde, als ihr aus dem Meerel Wir pflügen das Aeld mii geduldigen Taten. Ihr schwinget die Sicheln and schneidet die Saaten, Und was wir vollendet und was wir beginnen. Das füllt noch dort oben die rauschenden Bronnen. Und all unser Lieben und hassen and hadern. Dos klopft noch dort oben in sterblichen Adern, Und was wir an gültigen Sähen gefunden, Dran bleibt aller irdische Wandel gebunden, Und unsere Tön«. Gebilde. Gedichte Erkämpfen den Lorbeer im strahlenden Lichte, Wir suchen noch immer die menschlichen Ziele Drum ehret und opfert! Denn unser sind viele! A. S- M« y e r.
wachsen hunderte von Morgen, ganze Rittergüter bereiten sich aut die Ausgabe vor. der MosestSt des Todes zu dienen. Wie anders der alle städtische Friedhof, out den jetzt die vier-, sünlstöckigen Häuser bliScn. und der längst volldesetzt ist! Freilich, die großen Männer des Voltes, die Führer in dem Vesreiungskampf des Prnlc- tariats wird man auf chnen nicht suchen dürfen sie schlummern in der Erde der großen Masiensriedhöfe und monchan unter den j wegen personlicher Trauer Gekommenen wird es an dt« Plätze ziehen, wo ein Wilhelm Liebknecht  , ein Singer, ein Auer ihre Ruhestätte fanden. Aber die schönen Worte Konrad Ferdinand Meyers in seinem Spruch aus die Toten sprechen auch von denen, derenTöne, Gebilde, Gedichte" den Lorbeer erkämpfen. .Helden des Geistes. Verkündcr der Kunst auch sie gehören zu den Lieblingen des Volkes.
Millionen von Menschen pilgern heute dort hinaus, wo groß» Friedhöfe jahrein, jahraus die Toten aufnehmen. Falls die Familien nicht zu der kleinen Schar gehören, die noch über Plötze in altüber- koiumenen Erbbegradnisien verfügen, finden die Verstorbene» kein« Unterkunft mehr aus den im Stadtgebiet befindlichen Kirchhöfen. selbst in kleinen Stödten und auf Dörfern, wo von allersber um die Kirche ein graßer Begröbnisplog sich hinzog, Hot man sich gc- 'Nötigt gesehen, neu« Unterkunstsstellen für jene zu schaffen, deren irdisch« Laufbahn ihr Ende erreicht Hot.
Stätten des Friedens.
Die neue Zeit, die mit den, Siegeszuq der Technik hereinbrach. bat Jahrzehnte hindurch auch die Industrialisierung des Gräber' schmmks auf dem Gewisse«: D«r Reichtum des Verstorbenen kam .Nicht mehr, wie einst im alten Rom  , durch prunkvoll», in Fest« aus- artend« Begröbnisfeierlichkeiien zum Ausdruck, sondern in dem für dir Nachwelt sichtbaren Kunsterzeugnis, de» über dem Grabe sich tthob. Nur war es meist Fabrikware, jener übermalten Photo­graphie ähnlich, die in Offizier- und Beamtenkastnos der wilhel­minischen Epoche ungenierten Eingoß fand. Das jetzige Künstler- geichlecht Hot gegen, diesepolierten Steinungetüme" solange Sturm gelauseiu daß nunmehr von einsichtigen Fnedhofsbebörden«in leiser Zwang ausgeübt werden dari, um P r o tz e n h a s i t g k e t t fern- .öu h o l t.« n. Grobschmuck und Tlaturgestolwug sollen auseinander abgestimmt sein das alte lhohgrabmal, wie es die Dörfer auf den Gräbern aus dem 15. Iahrbuniert zeigen, und der rauhe Stein, der unsere städtischen Vorfahren zu den künstlerisch so reizvollen Epstophen verwandten, sind wieder zu Ehren gekommen. Ställen de, Friedens sollen e» sein, nicht Beslamehallen. aus denen Unser« Lieben ihre letzte Ruhe ii lüden. Waldsriedhrfe. ilrneichaine sind entstanden, die voll sind vom Zauber sanst verklärter Trauer. Die Ausmaß« dieser neuen Degröbnisplätze sind ins Unermeßlich« ge-
Wo Dichter und Schauspieler ruhen...
Umrauscht von dem geschäftigen L-eben'dcr Millionem'todt dehnen sich an der Velle-Alliance-Stroß« die Kirchhöfe der Zerusalemer-, Neuen, und Dreifalligkellsgemeinde aus. Hier findet sich das älteste Schauspielerdenkmal Berlins  , dem Andenken des berühmten Fleck gewidmet. Als Mitglied der Döbbelinschen Gesellschaft war er nach Berlin   gekommen: bald wurde er Regisseur und dann Teilhaber an der Direktion der zum Nationalchcater erhobenen Bichn«. Er
starb 1801; z» seinen Glanzrollen zählten Lear, Shylock  , Götz«. vi Aus der Inschrift des erneuerten Denkmals fei zitiert: Dem harisinnigen Aller, dem bespotteten Sonderling, dem höfischen Schmeichier-Volk hielt er treu den Spiegel vor und die Toren erröteten. Der Leidenschaften Flamme, des Hochsinns Adel, der Tugend Göttergestalt prägte er mit des Genies Schwünge staunenden Hörern ins Herz und das Lasier bebte." Erneuerung fand auch d.,s 1822 von 24 Freunden gesetzt« Denk­mal für E. l. iL hoffmonn, den genialen"Schriftsteller, der von der
Cbamissos einsames Grab.
U i
K
; !'
m
Vi!
l ! AvI I W I th i,
."Ä"t
1
Das Grab des Gespenster-Ho ff mann.
setzsgen Generation wieder hoch in Ehren geHallen wird. Der von einerGrabdenkmolfabrik" geliefert« neu« Stein trögt die all«, nun allerdings nicht mehr ganz possende Inschrift: C. T. W. Hofsmami gcb. zu Königsberg   24. Januar 177S, gest. zu Berlin   den. 22. Juni 1822, als Kainmcrgcrichtsrat, au?- gezeichnet im Amte, als Dichter, als Tonkünstler, als Maler. Ge- widmet von feinen Freunden." Eine dem Volke noch immer teure Gestalt, Adalbert von Ehamisjo ist ebenfalls hier bestattet neben ihm ruht seine kurz vor ihm verstorbene Gattin. Zwei berühmte Tote aus der Zeit der Freiheitskriege sind Aug. Wllh. Zsfloud. gest. 22. September 1814, und Friederike llnzelmauv, spätere Bcthmann. gest. 16. August 1812. die einst von de» Berlinern vergötterte Tragödin. Jsslond Hot sich als Direktor des National- theoters, später als Generaldirektor aller königlichen Schauspiele. Verdienste um das Berliner   Theaterlebsn in schwerer Zeit erworben. Die Bethmonn glänzte sowohl in tragischen Rollen, wie in der Dar- siellung koketter Weltdamen. Ihr zur Seite ruht ihr zweiter Sohn
M!
I«Jl  »
Soldat Surren. iXotnan oon©tptg Don bct Ä ring.
Copz-riglit K«27 by J. dl. Spaetb Vsrlaf, Berlin  .
Noch kurzem Ueberlegen beschließen wir. das tote Pferd hier auf seiner Straßeninsel einzugraben, fassen die Spaten und umzeichnen dicht hinter seinem Rücken eine zwei Meter lange Grube. Eine Weile arbeiten wir schweigend und kommen gut vorwärts. Danach entdeckt Hohn, daß Albering bestimmt seinen Spaten hat, und es gibt«inen Zank. Ich sehe sehr gut. daß der Griff auf deinem Spaten fest ist," sagt de- Schuster feindselig und hält in der Arbeit inne. Er schlägt mit der Hand aus den Griff seines Spatens. um zu zeigen, daß der wackelt, und da Albering schweigend weitergräbt, gerät er in Wut:Dieser ist kaputt du weißt es ganz gut. du Hund! Gib mir meinen wieder, los!" Nun richtet sich auch mein Kamerad auf. sieht Hahn scharf an und sagt:Bin ich dein Hund. Hcchn? Dein Teckel? Dein Schäferhund? Dein Bernhardiner? Dos kann nur durch Zweikampf geschlichtet werden. Fechter- stellung!"-.. Dem Hahn schwillt die Zornader. Den gegen ihn er- hobenen Spaten ober wehrt er leicht m,t semer«chusterhand ab und näselt verächtlich:Die schönen Worte der«chul- Meister, die alles wissen. In dieser stolzen Kompanie muß Man sich verschiedenes gefallen lassen, die Spaten werden geklaut Ihr alle,'hr alle!
deklamiert Albering, indem er gegen Hahn vorrückt.
Vergesset des DakerÜmds Traurige Notwehr. Verbissen im Zweikomps. Nicht schont ihr der Glieder So nötige Bereitschaft.'
Dies heitere Zitat des Mimen Steinbera bringt eine einzigartige Wirk �g hervo" Hahn wirdplötzl� blaurot m, Gesicht, er trampelt mit den Füßen, seine Schellfischaugen drücken olles und nichts aus. Dazu fallt ihm noch die Muße vom Schopf, der sich borstig hebt. Er.st e.n wirklicher Hahn gibt ocker keinen Laut von sich- Er brauchte aus niemand Rücksicht zu nehmen, aber er k a n n einfach nuht krähen. .Halt die Mütze fest, er platzt." mnrmeli wem Kamerad. Drd wir machen uns wieder an die Arbeit. Aber er platzt
nicht und kräht nicht, sondern beruhigt sich sehr rasch, als er sieht, daß wir ihn nicht weiter beachten. Daß er sich beim Graben sehr anstrengt, kann nicht behauptet werden. Es liegt am wackeligen Spaten» Nach einer Weile beugt sich der Schuster über den Kaps des Pferdes und zieht aus dem einen schwarzen Ohr einen Zettel. Da haben wir etwas gefunden, Suhren." sagt er freundlich und. gibt ihn mir. Aus dem Zettel stehen die mii Bleistift gekritzelten Worte: Dies ist der Müsch aus Nohra  »,«in getreues Pferd, grabet ihn ein. Hahn fordert den Zettel zurück, er will ihn sich ausheben. Auch er sammelt Andenken an den Krieg. Der Müsch aus Nohra  » hat freilich davon nichts, aber sein Fahrer mag beruhigt sein, das gewünschte Grab vertieft sich. Alle drei arbeiten wir emsig bls mittag, auch Hahn, trotz seines wackelnden Spatengrifts.
Schreibstube und Feldküche haben sich unfern in einem Birkenwäldchen niedergelassen: wir gehen zum Essen hin- über. Da wir wieder zur Straßeninsel zurückwaten, fällt mir ein Buch ein. dos von Franz Hofftnonn ist. Wenn ich als Zunge meine Vokabeln gelernt hatte, las Tante Marie mir aus diesem Buche vor. Auf ihrem Tisch lag eine Deck«. die aus lauter Holzstäbchen bestand und aufgerollt werden konnte. Immer sah ich beim Zuhören auf dt« abwechselnd Selb   und braun belegten Holzstäb-, und sie schienen mir einen erbstlichen Rohrwald nachzumalen. Denn immer war in diesem Buche von Rohrau   die Rede. Rohrau   war ein Dorf, wo ein Knabe aufwuchs, der gern Pferde in die Schwemm? ritt. Der Kleine hieß Joseph Haydn  . Noch lieber freilich machte er Musik; sie hatten eine Zither, und er spielte darauf, wenn die Pferde in den abendkühlen Groswiesen von Rohrau  wieherten. Wir graben und graben. Aus der Richtung des Ge- schützdonners. der von Stunde zu Stunde anschwillt, kommt auf der Schlammstraße daher ein einzelner Mann, dessen unsicherer Gang uns auffällt. Da er bei uns stehen bleibt, erkenne ich ihn als den Maurer, mit dem ich im Mai in LaOn   gewesen bin. Cr ist lustig, und in einem seiner Knopf- löcher hängt der begehrte Zettel mit dem roten Strich(»er- mundet und transportfähig). Seid ihr auch von der stolzen Vierten, Kameraden?" ruft er.Sagt mal, wann geht die nächste Bahn von hier wetz?" Wissen wir nicht," antwortet man,bist du verwundet?" »Das soll wohl sein!" lacht er.Und zwar eine, die bis nach Deutschland   reicht. Ich gehe jetzt heim."
Unsere Straßeninsel hat sich im Laufe des Tages<ri>- ! getrocknet, und so setzt sich der Maurer auf ein Weilchen bei uns nieder. Stinkt er nicht, der Gaul?" fragt er. nachdem er sich eine bequeme Lage ausgesucht hat.Von dem Gestank habe ich nämlich genug, da vorn stinkt es wie die Pest." Liegen da auch so viele Pferde?" fragt Hahn. Pferde? Nee, Pferde nicht, aber Menschen." Er holt eine kleine angebissene Steckrübe aus seinem Brotbeutel und beginnt zu knabbern. Albering, der ihn von allen Seiten betrachtet hat, sagt:Du hast wohl«inen Schuß ins Maul gekriegt sonst sehe ich kein Loch an dir." Nicht?" bläst der Maurer und spuckt einen Mund voll Zerkautes ins Pferdegrab.Dann guck dir mal meine Stiesel an." Wirklich, jeder Sticselschaft hat zwei winzige Schuß- löcher, die Kugel ist also rein-rarts-rcin-raus gegangen. Da- mit ist der Maurer Ist Kilometer gelaufen. Er memt ober: Da laufe ich noch weiter mit, wenn's nach Fjause geht." Wir sind ganz seiner Meinung und fahren eine Weil« mit der Arbeit fort. Hahn verstreut die ausgeworfene Erde in die nächsten Wasserlöcher. Albering fragt: Und wieviel Russen host du kalt gemacht, seit du von unserer Kampimi« fort bist?" Weiß nicht, habe keinen gesehen, hatte aus einmal die Geschichte da weg und ging ob. Aber sagt mal, wird nicht bald so«ine Bahn ankommen?" Da ich mich umsehe, wird im Norden über den Wälder- rücken«in weißer Qualm sichtbar, der sich verstärkt. Es ist ein Zug. Der Verwundete stellt sich vorsichtig auf die Beine und läuft in Richtung zur Station davon, die Steckrübe in der Hand. Wir machen keine Paule, würden ober gern mit- rennen, mitsprmgen, mithüpfen, mstschweben ins Loch des großen Feiertages. Trübselig und mit neidischen Gedanken an den Maurer sehen wir den Zug herankommen und halten. Es stehen Gs- schütze darauf, die mit Tuchbahnen ülterzogen sind. Wieder gibt's nahezu einen Zank, denn Hahn will schon auf diese Entfernung von mehreren hundert Metern erkenne» könne«. daß es die Oldenburger Artillerie ist. Niemand widerstreitet ihm, trotzdem es offenbarer Unsinn ist, denn die Olden- burger Artillerie ist längst vorn. Hohn kann wohl Gedanken lesen, er fragt argwöhnisch:Denkt ihr. daß die Oldenburger schon vorn sind? Das ist falsch, sie sind nicht vorn. Meinst du es. Albering?" Albering meint es, er läßt sich verleiten, zu sag«»:Ich höre es am Knall" (Forssetztm? folgt.)
!
i
:
> " 1 V
. 1.,?: t r r.'
V!
i