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Abend ausgabe

Nr. 560 B279

45. Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Dienstag

27. November 1928

10 Pfennig

Ote einfpaltige Ronpareillezette 80 Brennig. Reflamezeile 5.- Reichy mart. Kleine Anzeigen" das fetige­druckte Bort 25 Pfennig( zuläffig zwet fettgebrudte Worte), jedes meitere Bort 12 Pfennig. Stellengefuche das erfte Wort 15 Pfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben adblen für zwei Borte. Arbeitsmart Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden. Straße 3, wochentägl. von 8/2 bis 17 Uhr.

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Unfallfürsorge wird erweitert!

Wiederbeginn der Verhandlungen des Reichstags.

Der Sozialpolitische Reichstagsausschuß haf in seiner heutigen I Sihung die Abstimmungen über die Erweiterung des Per. jonentreifes in der Unfallversicherung begonnen. bei denen eine Reihe der sozialdemokratischen Berbesserungsanträge

Die falsche Prinzessin.

Annahme, gefunden hat. Die Erweiterung der Unfallversicherung Margarete von Preußen "/ ,, Geliebte des Kronprinzen"/ Gepreflte Spießbürger

erffredt fich nach den Ausschußbeschlüssen erstens auf den Betrieb der Feuerwehren und die Betriebe zur Hilfeleistung bei Unglüdsfällen. Zweitens auf ran nhäuser, Heil­und Pflegeanstalten. Entbindungsheime und sonstige Anstalten, die Perfonen zur Kur oder Pflege aufnehmen, ferner Einrichtungen und Tätigkeiten in der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege und im Gesundheitsdienst( damit werden auch die Ambulatorien fowie die Hebammen in die Bersicherung eingeschlossen). Driffens auf Laboratorien für naturwissenschaftliche, medizinische oder tech­nische Untersuchungen oder Versuche. Viertens auf den Betrieb der Schauspielunternehmungen, Schauffellungen, Darbietun­gen, Borführungen und deren Mufikaufführungen sowie auf die Lichtspiel- und Rundfunfjendebetriebe. Schließlich gelangte noch ein sozialdemokratischer Antrag auf Einbeziehung der Bag- und Schließgesellschaften zur Annahme. 3ur grundsätzlichen Gesamtreform der Unfallversicherung wurde eine Ent­schließung angenommen, wonach das Reichsarbeitsministerium dem Reichstag mit aller Beschleunigung einen Gefehentwurf vorzulegen hat, durch den die zurzeit noch nicht versicherten Betriebe und Täfig­feiten in die Unfallversicherung einbezogen werden. Die weiteren Abstimmungen sollen in der nächsten Ausschußfihung am Mittwoch

vorgenommen werden.

Der endgültige Reichswirtschaftsrat, Wiederbeginn der Verhandlungen des Reichstags.

Nach mehrtägiger Bause hat der Reichstag heute nach mittag 3 Uhr seine Beratungen wieder aufgenommen. Die Tagesordnung für die heutige Sigung enthält neun Punkte, von denen voraussichtlich aber nur der kleinere Teil erledigt werden mird. Eine lebhafte Debatte wird sich an die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Reichswirtschaftsrat fnüpfen. Es handelt sich dabei um die Ausführung des Artikels 165 der Reichsverfassung, an der schon seit Jahren die Regierung und der Vorläufige Reichswirtschaftsrat gearbeitet haben. Bedauerlich ist es, daß der Unterbau für diese Einrichtung noch nicht geschaffen wird. Nach der Berfassung sollen die Arbeiter und Ange­stellten zur Wahrnehmung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Inter­

effen gesetzliche Vertretungen in Betriebsarbeiterräten, in Bezirks.

arbeiterräten und in einem Reichsarbeiterrat erhalten. Mit den Vertretungen der Unternehmer und sonst beteiligter Boltskreise zu­sammen sollen die Bezirksarbeiterräte und der Reichsarbeiterrat zu Bezirkswirtschaftsräten und schließlich zum Reichswirtschaftsrat zu­sammentreten. Dieser Unterbau, der dem endgültigen Reichswirt­schaftsrat erst seine volle Bedeutung geben wird, ist, wie schon er wähnt, noch nicht gesetzgeberisch gestaltet worden.

Bei der jetzt im Reichstag zur Beratung stehenden Vorlage handelt es sich um ein verfassungänderndes Gesez, für das eine 3 meidrittelmehrheit des Hauses notwendig ist. Da der Gesezentwurf im allgemeinen günstig beurteilt wird, so dürfte die verfassungsmäßige Mehrheit gesichert sein. Für die fozialdemokratische Fraktion wird der Abgeordnete Tarnom sprechen, der seit Bestehen des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats deffen Mitglied ist und feit dem 20. Mai 1928 auch dem Reichstag angehört.

Ein Nachtragsetat für die Besoldungsreform.

Der Nachtragshaushalt für 1928, der in der nächsten Zeit vom Reichsrat beraten wird, sieht, wie der ,, Demokratische Zeitungsdienst" mitteilt, rund 50 Millionen Mart Mehrausgaben vor, die nötig wurden infolge der Durchführung der Beamten. besoldungsreform. Dem Mehrbedarf von 50,1 Millionen Mark stehen gegenüber Mehreinnahmen von 7,8 Millionen Mart, so daß die tatsächliche Mehrforderung demgemäß 42,3 Millionen Mart beträgt. Die Dedung des Mehrbedarfs erfolgt u. a. durch Einstellung der an die Deutsche Reichspost im Jahre 1927 zuviel ge­zahlten und von dieser im Jahre 1928 erstatteten Borschüsse auf die Reichszuschüsse und Reichsbeiträge zur Invalidenversicherung. So­dann sind zehn Millionen Marf eingesetzt durch Kürzung des Aus­gabenanjages für leberweisung aus der Kapitalverkehrssteuer. Der Nachtragsetat balanciert in Einnahme und Ausgabe mit dem Betrag pon 34 759 575 Mart,

L. R. Erfurt , 27. November.( Eigenbericht.) Vor dem Großen Schöffengericht in Erfurt begann heute morgen der Prozeß gegen Martha Barth. Man hat sie ,, den weiblichen Domela" genannt. Nicht ganz zu Unrecht. Gleich ihrem fast flaffischen Kollegen hat sie es vortrefflich verstanden, die Untertanendummheit der in monarchistischen Gefühlen Erfterbenden zu mißbrauchen. Waren es aber dort größtenteils Leute von Ruf und Namen, die auf den Ceim gingen, fo ließen sich diesmal kleinbürger födern. Damit ist aber der Unterschied im großen und ganzen erschöpft.

Die Geschichte der Hochstapeleien der Martha Barth hört sich wie ein Abenteuerroman an. Verhängnisvoll geworden ist ihr ihre adlige Abstammung. Aus einfachen Verhältnissen stammend, wurde ihr der Glanz fürstlichen Lebens zum Wunschtraum ihrer Kindheit. Die Angeklagte ist im Jahre 1886 in Berka als unehe­liche Tochter der ledigen Martha Art geboren. Ihr Bater mar der ehemalige Forstaffeffor Freiherr von und zu... feines Namens bediente sie sich auch in späteren Jahren. Ihre Mutter heiratete den Eisenbahnangestellten Barth und nun hieß auch sie so. Aber schon als Schulkind erfuhr sie von ihrer Tante ihre Abstammung. Seitdem glaubte sie etwas besonderes zu sein ihre Geschwister nannten fie

,, die verrückte Martha".

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Als Martha zehn Jahre alt war, siedelten ihre Eltern nach Erfurt

über; nach Entlassung aus der Volksschule lernte sie nähen und murde später Hausangestellte in verschiedenen herrschaftlichen und fürstlichen Häusern. Während des Krieges war sie als Kranten pflegerin tätig. Schon im Jahre 1910 mußte sie wegen Diebstahls eine Gefängnisstrafe über sich ergehen laffen; in den Jahren 1914 und 1918 folgten Strafen wegen Betruges. Im Jahre 1918 gebar Martha Barth ein Töchterlein. Der Vater des Kindes war ein Pfarrer, bei dem sie den Haushalt führte und der sich nach dem Tode der Frau mit seiner Haushälterin verlobte, Das Kind adoptierte er. Während der Jahre 1920 und 1921 hatte die An­geklagte Anstellungen in dem Schloß Schönfeld bei dem Grafen von Berg und beim Hofmarschall von Wangenheim in Sigmaringen . Anläßlich ihres Besuches bei der Mutter in Erfurt lernte sie die Hier begann ihr

! als einmal hatte sie in früheren Jahren dem Kaiserhause bei ver­schiedenen Anlässen Glückwünsche geschickt und auch huldvolle Ant­mort erhalten. Als Martha ihr von ihren fürstlichen Bekanntschaf ten erzählte, fanden sich die verwandten Seelen. Das erstemal gab sie an, nach Sigmaringen zum Fürsten Hohenzollern zu fahren, ein andermal zum Fürsten von Schwarzburg- Sondershausen und schließlich tischte sie der alten Dame und deren Schwester ein ganzes Märchen auf.

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zur

Sie sei die außereheliche Tochter der früheren Königin Sophie von Griechenland; ihr Vater sei der Prinz von Asturien ; König Georg von Griechenland habe sie anerkannt. Dann kam das Amüsanteste. Im Alter von 14 Jahren sei sie von ihrer Mutter mit dem Prinzen Boris von Bulgarien vermählt worden. Schon nach einem Jahre habe sie der frühere Kronprinz Wilhelm aus der unglücklichen Ehe entführt und ein Kaplan auf dem Settealp habe sie mit ihm getraut linken Hand wie sie sagte, und zwar mit Einverständnis der früheren Kaiserin. Kaiser Wilhelm sei aber darob so erbost ge­mesen, daß er seinen Sohn aus dem Berliner Palais nach Danzig strafversezt habe. Während des Krieges sei fie im Hoflager des Kronprinzen gewesen, man habe sie wegen angeblicher Spionage verhaftet und nach der Revolution sei sie von ihren Gütern Kadinen und Bolinom geflohen. Die beiden alten Damen glaubten der Prinzessin Margarete aufs Wort; fie ließen sich von ihr sogar zu ,, Erellenzen" von Heroldstein erheben.

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Seitdem war fein Opfer zu groß, das sie nicht der Prinzessin

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gebracht hätten. Vier Jahre lang ließ sich die Inhaberin des Puz­geschäftes von der angeblichen Prinzessin plündern, in der Hoffnung auf zukünftigen Segen. Natürlich mußte Tie größte Berschmiegen­heit geloben. Die Barth lebte bald in Neustadt, bald in der Wirt­fchaft Auerhahn" in Stüßerbach, selbstverständlich auf Kosten der Herold. Ihrem Geschäfte entnahm sie Waren nicht mer für sich, sondern auch für ihre gesamte Verwandtschaft: Für die Schwester des Prinzen Well" von Hohenzollern , für die Herzogin von Coburg - Gotha, für die Königin von Griechenland und der Helenen Sophie usw. Dann spiegelte sie wieder die Notlage des ehemaligen Kaisers vor oder des Kronprinzen; für diesen wie für seine. Brüder ließ sie Essen liefern, oder sie benötigte Geld, bald zu einem Kosten­vorschuß für die angebliche Ehefcheidung des Kronprinzen, bald zur Bestechung seines Wärters auf der Moritzburg , wo der Kronprinz gefangen saß, bald zu noch phantastischeren 3weden. Und die alten Die alte Dame hatte für die Hohenzollern sehr viel übrig; mehr| Damen gaben ihr Geld her.

Buzmacherin Frieda Herold kennen. Verhängnis.

Der Hafen von Munkmarsch auf Sylt .

Selbst im Wattenmeer zwischen der Insel und der Schleswig- Holsteiner Küste gingen die Wellen so hoch, daß die Landungs­brücke in Munkmarsch

vom Meere vollständig

überspült wurde.