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Beilage
Donnerstag, 29. November 1928.
Curt Biging:
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
Bericht von einer Lapplandfahrt.
Das Wetter in Helsingfors ist auch in der schönen Jahreszeit oft genug echter April. Eben noch scheint die Sonne, da jagen graue Wolfen daher, falte Schauer ergießen sich vom Himmel, der Wind peitscht unangenehm frostig, die feuchte Luft durchdringt ha alle Kleider. Ueberhaupt ist das Klima in Helsingfors ein eigenes Kapitel, wie überall hier an der Küste, und die bedrohliche Zunahme der Tuberkulose in Finnland ist nicht zum wenigsten die Folge der Witterung.
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Der Zug nach Norden ist mäßig besetzt. Der Reiseverkehr auf größere Streden ist nicht bedeutend, es ist faum zu begreifen, wie die Eilenbahn existieren tann. Unter prasselndem Regen fährt der Bug aus dem immerhin pompösen Bahnhof, nach einer knappen Biertelstunde leuchtet die Sonne wieder über der grünen Landschaft.
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Niedrige Wälder aus Birken und Kiefern und Unterholz jäumen die Gleise. Zu beiden Seiten begleiten Meile auf Meile hölzerne Gatter den Weg. Finnland ist das Land der Einzäunungen, aber diese dienen nicht der Betonung des Eigentumsbegriffes, sondern der Fernhaltung des lieben Biehs. Der Wald ist viel mit Gestein durchseßt, aus Moräften wintt bunt eine reichhaltige Flora. Spärlich nur ist das bestellte Land, tiefe Entwässerungsgräben halten es einigermaßen troden; es ist nicht leicht in Finnder Name Sumpfland land, den Ader zu bebauen. Suomi besteht zu Recht, um so mehr, je weiter man nach Norden kommt. Kleinere und größere Ortschaften wechseln in ziemlich großen 3mischenräumen ab, blaue Seen begleiten die Bahn, ganze Inseln Don Holzflößen harren am Ufer ihrer Berarbeitung. Bei längerem Aufenthalt geht man in das einfache Bahnhofsgebäude und nimmt eine ebenso einfache Mahlzeit ein: füße Milch, faure Milch, Obstfpeisen, Butterbrot und belegte Brote sind das Uebliche. Speisemagen wird nicht sehr in Anspruch genommen, man trinkt darin höchstens seinen Tee oder Kaffee. Ueberhaupt lebt der Finn länder außerordentlich bescheiden; er wohnt auch sehr bescheiden - das hängt mit den Preisen für Wohnungsbau zusammen, nur in der Kleidung legt er Wert auf Sitz und Qualität. Allerdings find befte Stoffe in Finnland auffallend billig.
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Stunde auf Stunde rollt der Zug immer durch dieselbe Landfchaft. Sie ändert sich, je weiter man nach Norden kommt, in der Dichte der Besiedlung, die mit der Länge der Streden immer fümmerlicher wird. Die Uhr zeigt die einbrechende Nacht, aber Ovices will nicht dumtel werden; man muß die Borhänge fest zusperren, wenn man schlafen mill In den ersten Wochen hat man in Finn land im Sommer einen schlechten Schlaf, man fann sich nicht so schnell an die Helligkeit der Nächte gewöhnen, und man vermißt fast überall verdunkelnde Borhänge, die dem Mitteleuropäer hier den Schlummer möglich machen könnten. Am Morgen ist der Zug in Dulu, das durch die Stromschnellen des gleichnamigen Fluffes berühmt ist. Hin und wieder schimmert die See im Westen, die Bahn fährt über hundert Kilometer an der Küste entlang.
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Die letzte Eisenbahnstation.
I'm bie Mittagszett hält die Lokomotive in Rovaniemi , bem Endpunft, etwa zweihundert Stilometer nördlich vom nörd lichsten Strand der Ostsee . Von hier aus geht es nur noch mit dem Auto weiter. Ueber 500 Kilometer Chaussee trennen den Reisenden noch vom Eismeer. Rovaniemi am Remifluß ist eine aufstrebende Ortschaft mit einer verheizungsvollen Zutunft. Großer Markt wird hier abgehalten, ein ausgedehntes Hinterland muß von hier aus versorgt werden. Unter zehn Einmohnern find neun Händler, produit wird hier menig
tte geleistet, der Zwischenhandel wirft mehr ab.
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Zwei Autolinien fahren gen Morgen: die Poft und die Lapinjuna( der Lapplandzug). Beide führen ausgezeichnete Brockman Wagen vom Autobustyp ohne Decksize. Die Federung ist gut, die
Size find bequem, man übersteht die zwölfstündige Tour bis Ivalo ( 295 Stilometer) ohne jebe Unbehaglichkeit. Die Fahrstraße ist nach dem Maßstabe beutscher Wege nicht hervorragend, aber fle en genügt in jeder Hinsicht den Anforderungen, die man an eine brauchbare Autostraße durch wenig bebautes Land stellen kann. Niveauunterschiede werden nicht ausgeglichen, man müßte das
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um seinen Unterhalt ringen, aber deutsches Arbeitstempo ift in thuge Mann verzichtet hier auf Stärkung, das Effen ist mangelhaft Finnland etwas völlig Unbekanntes.
Von der Höhe der Kaunispää ( Schöner Kopf"), wo das Auto eine Weile hält, damit die Touristen photographische Aufnahmen machen können, hat man einen weiten Blick über unermeßliche Einöden. Belliges Bergland ober
halb der Baumgrenze, Bergreihen hinter Bergrethen, darüber ein Himmel in allen Farben das fennzeichnende der Gegend füdlich vom Inarisee .
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Am späten Nachmittag langt man in Joalo an, schläft und ist in der vorzüglich geleiteten Herberge des finnischen Touristen vereins und fährt am nächsten Morgen weiter bis Bitkjärvi; der
in jeder Beziehung. Jetzt ersetzt das Motorboot den Autobus; stundenlang fährt man über Fluß und See, zwei donnernde Wasserfälle werden durch eine Bootsschleppe auf dem norwegischen Ufer umgangen. 3mei parallele Straßen von Baumstämmen, die mit Ketten verbunden und fest verankert sind, weisen dem treibenden Holz den Weg nach dem Unterlauf. Wehe dem kleinen Boot, das in der Zeit, da die Stämme treiben, zwischen sie gerät!
In Salmijärvi setzt wieder der Autodienst ein. Wie auf der Strecke zwischen Joalo und Pitkäjärvi, so ist auch jezt das Gelände erheblich fälliger als zwischen Rovaniemi und Ivalo . Der Führer muß gehörig aufpassen, aber er nimmt die häßlichste Kurve mit der Sicherheit der Chauffeure in den Alpenländern, Das Land ist fast menschenleer, selten nur zeigt ein Blockhaus, daß jemand es gewagt hat, der Wildnis und Einsamkeit zu trotzen.
Bis dann Petsamo kommt, dieser verwahrlofte Mittelpunkt orthodorer Klosterfultur. Mehr Unterstand denn Hütten find die Buden dieser Skoltlappen; die Fenster fönnen nicht ge öffnet werden, die Fugen zwischen Glas und Raum sind mit Papier verklebt. Allerdings ist hier der Winter bitter talt; bis zum März rafen furchtbare Orkane, bei denen die Wolken zum Greifen dicht über den Erdboden dahin jagen, wochenlange Schnee stürme vereinigen sich mit der langen Nacht des Win= ters, um die Gemüter zu bedrücken. Alljährlich bekommen ein paar Mann der hiesigen Grenztruppe, den Balorwinterklaps und müssen fortgeschickt werden.
Eine deutsche Meile fjordabwärts liegt Trifona, der Hafen " von Betsamo. Weiter als bis Trifona fönnen die See schiffe nicht fahren. Schlidbänte, die bei Ebbe gen Himmel stinten, versperren die Zufahrt. Aber die Reede dicht vor Trifona ist das ganze Jahr eisfrei. Finnisch- Lappland ist selbst im Winter nicht von der See abgeschlossen.
Bilder aus dem Bergmannsleben.
Fünfundzwanzig Jahre in Ruhrbergwerken.
Ein Bergmann zeichnet Bilder aus feinem Leben auf. Er führt die Feder nicht mit besonders leichter Hand, aber er hält mit ihr ehrlich das fest, was in fünfundzwanzigjähriger Bergarbeit ihm beachtenswert erschien. Das ist vielerlei. Ob man es als bedeutend oder unbedeutend empfindet, hängt davon ab, wie man das Schicksal von Tausenden miterlebt, die in Not und Enge von der Geburt bis zum Tode ihren Weg ziehen.
Der fünfzehnjährige Bursche steht zum erstenmal im Schacht
unter der Erde.
„ Na, Junge, bist du auch hier? Willst du auch das Totenhemd anziehen?" fragte ihn ein Bekannter, den er in der Dunkelheit der Tiefe nur an der Stimme erkennt.
Das Flög, in dem er arbeiten soll, ist nur 2½ Fuß did. Schlecht arbeiten, auf den Knien hodend und auf den Seiten liegend, ungesund, viel Kohlenstaub und wetterreich, ist nichts für so junge Lungen. Zwanzig Jahre in einem solch dünnen Flöß, und du bist ein alter Mann." Das ist die Begrüßung für den Neuling. Der hat den Mut der Jugend. Sollte es wirklich so schlimm sein? Bisher hat er im Lagbau fünfzehn Stunden täglich für eine Mart gefchyuftet, unter Vorgesetzten, die gern prügelten. Jetzt foll er für eine Mark und dreißig Pfennige für zehn Stunden Arbeit bekommen.„ Nicht schlechter soll es werden. Nicht verzagen. Tu deine Pflicht, gegen Unrecht wehre dich." spricht er sich selber
Mut zu.
,, Gegen Unrecht wehre dich!" Es gibt noch teine gewerkschaftliche Organisation; aber es gibt bösartige Borgesetzte und schlechte Kameraden. Gegen sie müssen die Bergleute zusammenhalten. Ein storfes Gemeinschaftsgefühl verbindet sie. Beständig umdroht sie Tod und Gefahr, in jedem Augenblick fann einer von ihnen hilflos und ohne das tatkräftige Zugreifen der anderen verloren sein. Stärker als in anderen Berufen wächst in dem des Bergmanns das Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Der junge Bursche wird von einem Hauer ausgenutzt. Rasch treten ältere für ihn ein und sorgen für Abhilfe. Sein Tagewert bleibt schmer genug, auch wenn er nur das vorgeschriebene Penfum Leiftet. Der Profit triumphiert. Ein alter Mann, der an der Bremse arbeitet, verdient eine Mart sechzig pro Tag. Wenn er nicht pünktlich mit dem Förderkorb herunterfommt, verliert er einen Tag Arbeit und damit einen Tag Verdienst. Die Einfahrt ist ganz unzureichend organisiert. Um zur rechten Zeit heranzukommen, stellen sich die Leute schon mehr als eine Stunde vorher an, ehe die Seilfahrt beginnt. Da die meisten ziemlich entfernt vom Arbeits. play wohnen, müssen sie bald nach drei Uhr morgens von Hauſe fortgehen, stundenweit auf holprigen, aufgeweichten, unbeleuchteten
Wegen marschieren. Kommen sie, vom Regen durchnäßt, in der Grube an, so müssen die Kleider in der Hitze der Tiefe auf dem Rörper trocknen, und dann saugen sie sich durch den Schweiß aufs neue mit Feuchtigkeit voll.
Chalbe Land in die Zuft sprengen, un desenten tümpfe geht, siftimmungen, aber die stehen auf dem Papier und merden möglichst zu ebnen. Uber wo es durch die ausgedehnten Sümpfe geht, sift der Unterbau durchaus solide; starke Holzbrüden führen über die 8/1 zahllosen Fluß- und Bachläufe, die größeren Ströme werden auf Fähren überschritten. Unterwegs gibt es genug Verpflegungs diftationen, wo man schlechten, aber reinen Raffee ohne Zusag be kommt, und in Sodankyla gibt es sogar einen Mittagstisch, den üblichen Fisch und hinterher die übliche Fruchtjuppe.
Gelten mur find die einzelnen Geböfte an der Landstraße, he Blockhäuser mit ein menig Kartoffelland oder einem im Bachs. bum meit zurüdgebliebenen Kornfelb. Somer muß hier der Bauer
Der Bergmann hat jeden Tag sein Totenhemb an. Es ist etwa die Zeit des Sozialistengesetzes. Wohl gibt es bergpolizeiliche Behoch ins Dunkle gehängt, damit niemand sie lefen kann. Menschen leben, die täglich höchstens zwei bis drei Mart tosten, find billiger als Sicherheitsvorrichtungen. Im Anfang der achtziger Jahre wird auf der Zeche Ditfalia" ein neuer Förderschacht gebrochen. Damit die Arbeit schneller geht, arbeitet man sich von unten und oben entgegen. Aber als die beiden Erden zusammentreffen sollen, zeigt es sich, daß sie einige Meter auseinanderklaffen. Um die Kosten eines nochmaligen Abteufens zu sparen, erfand der damalige Direktor ein besonderes Patent. Die paar Meter Differenz wurden mitten im Schagt in einer Schlittenbahn ausgeglichen. Die Förder
förbe, zwei Etagen mit je zwei Wagen, legten sich hier vollständig auf die Seite und wurden von der starten Fördermaschine mit aller Kraft durch die Schlittenbahn gezwängt.
Das war der Direktor, der den Spruch geprägt hatte: Benn der Bergmann vierzig Jahre alt ist und ist nicht bergfertig, dann hat er seine Pflicht nicht getan!"
Durch diesen Förderschacht werden die Kohlen- und die Menschenlaften gequetscht. Im Jahre 1894 stürzt ein Obersteiger Stern mit vier Kohlenwagen von hier in die Tiefe und wird zerstückelt als Leiche aus dem Schachthumpf herausgeholt. Die Beleg schaft bekommt danach wegen Schachtreparaturen einige Feiera
schichten, und die lebensgefährliche Fahrt geht weiter.
Kohle ist in jenen Tagen nicht übermäßig begehrt. Statt den Schacht gerade zu machen, legt man die ganze ertragreiche Zeche still, aus der noch am letzten Arbeitstag eine verhältnismäßig fleine Belegschaft in einer Schicht 600 Tonnen Kohle förderte. Die Bergbehörde, die einst zum Entfehen aller vernünftigen Menschen ihre Zustimmung zur Benugung des gefährlichen Förderschachtes gegeben hatte, gibt jetzt auch die Erlaubnis, die Ausbeutung dieses Kohlenreichtums einzustellen.
Die Bergarbeiter leiden unter Arbeitslosigkeit und schlechter Entlohnung. Langfam, aber sicher bricht sich der gewerkschaftliche Gedanke Bahn. Störenfriede werden energisch, mit oft recht
Verkaufsbaden in Rovaniemi , der Hauptstadt von Finnisch- Lappland .
Zu dem Artikel:„ Von der Ostsee zum Eismeer".
drastischen Mitteln, zur Ordnung verwiesen. Manche Bergleute weigern fich bereits, mit Inorganisierten zusammenzuarbeiten.
Hier enbet bas Buch des Bergmanns Franz offeld, das unter dem Titel ,, Bilder aus dem Bergmannsleben" im Berlag von Gerisch u. Co., Dortmund , erschienen ist( Preis geb. 3,50 M.). Bas noch folgt, find einzelne Episoden. Das Buch ist infolge der zahlreichen Fachausbrüde nicht immer leicht zu lesen. Bei einer Neuauflage sollte dafür ein erläuterndes Verzeichnis angehängt werden. auch manche Drud- und Interpunktionsfehler wären noch zu bes richtigen. Aber das find Kleinigkeiten, die der Verbreitung des lesenswerten Buches feine Hindernisse sein sollten. Wer bekannt werden will mit den Menschen in der Tiefe der Berge und mit ihrem gefährlichen Beruf, der fann taum einen befferen Führer dazu finden als diese Bilder aus dem Bergmannsleben".
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Trude E. Schulz,