Einzelbild herunterladen
 

Mittwoch 5. Oezembee 1925

Unterhaltung unö ÄNissen

Seilage des Vorwärts

Aufbruch in die Mongolei .

Von Sven Hedln.

So#*#tStn läft.*06<** IWn» eivtM'rnn In.VntmWUo. t!«'cDitnittnbb*. dl».« Hstet unteMranitn h-t.»in» Mckluij griaxtamn dst, uni«c d »««!Aus??oA»r el* �vch'"'d" r , hl*»r.fi« uafeer«.schnitt(*r R«u« d'.i ff ff.»tiwriKin« in EeipOs NN, ZS-ldn-ch»n»rfchtiwn. IVm 3Bfrfe tft folipttfcct«. schnitt«ntnoimne»: Die mongolisch« Erve HÄi UNS sest. Ein Monat ist hersta rcr. gcnocn. seitdem wir unsere Zelte om Lsutsertu-gol autschllugen. Wir verstehen nicht, wo die Zeit geblieben ist. Don Longerweile willen v'ir nichts, alle arbeiten, täglich ereignet sich etwas Neues, wir schmieden Pläne und werden in ständiger Spannung gehalten von dar Erwartung und Sehnsucht nach dem Ausbruch. Wir erwarten die Äamele. Am 1k. Juni langten di« ersten b«i un? an. S-e ivaren groß, rundlich und schön. Ihre Winterwalle hatten die Tiere schon zum größten Teil verloren und sahen infolgedessen nackt aus. Heber unseren Köpfen stieg gerade Dr. fymdes Pilotballon empor und hob sich schimmernd wie ein Diamant von dem Hinter- Sirimd eines türkisblauen Himmels ab. Die beiden fremden Mon- Kalen. die die neuen Mitglieder der Karawane in unser Lager ge­führt hatten, waren prächtige, abgehärtet«, wettergebräunt« Typen ihrer schon von den Zeiten Dschmgis Chans her berühmten Nnsi«. Ergo glich war es, sie zu beobachten, als der Ballon sich in die Lüfte hob. Sie standen sprgchlo? da und starrten dem hellen Ballon nach, bis er nur noch mit dem Fernglas zu erkennen war. Gegenwärtig besitzen wir 200 Kams'e. obgleich sich nur 10 l beim Lager befinden. Wir brauchen nach einer kürzlich vorgenommenen Zählung und Wisgimg des Gepäcks 204 Kamele, eine Zahl, die wir durch timpacken auf 270 herunterbringen wollen. KZ davon dienen uns und unseren Dienern als Reittiere. Jeden dritten Dag wird ein Kamel frei, und bei unserer Ankunft in Harnt wird eine große "NZahl ohne Losten gehen. Kurz vor Sonnenuntergang stattete ich den Kamelen noch einen besuch ab. Einige standen hoch ausgerichtet und vornehm da. an- der« lagen und käuten wieder, und der rote Sonnenball spiegelte sich in ihren glänzenden braunen klugen, daß sie leuchteten wie die Rubine aus Badakichan. Ringsum herrscht« Schweigen. Im silbsrnen «chein des Mondes werten die Zelt« tieischwarzc Scheiten. Ich bleibe vor meiner Behausung sieben und betrachte die msißen Bän- bor. die die Zelt« schmücken. Sie find nicht geistlos« dekorottr« Muster, sondern haben«inen tiefen Sinn. In den beiden untersten Ecken aus jeder Langseit« ist das Ideogramm Sho zu sehen, das .-Langes Leben* bedeutet. In der Mitte der Zeltbahn kommt das- selbe Zeichen noch einmal stilisiert vor in Krctssorm. Dieses um- «eben mit ausgebreiteten Mügeln die fünf Fledermäuse. Fou. deren Zeichen.Glückseligkeit* bleuten. Zu beiden Seiten schweben schwere stilisierte Wolken. Am Sonntag, dem ZK. Juni hatten mir m der Stadt der No- vonet» est, richtiges Polkas est. Citie soydscbare lHsiellschatt watl in vnser Lager gekommen: vier, füns Männer mit drei Frauen und '''nem halben Dutzend schmutziger Kinder. Sic erklärten, sie seien �ve umherreisende Theatertruppe und hätten uns ausgesucht, um sm, Proben ihrer Kunst zu zeigen. Einige von uns glaubten, es f�en geschickt verkleidete Spione einer Räuberbande und in diesem Zalle spielten sie ihre Rolle wirklich gut. Denn warum sollte sich eine Schauspielergesellschaft hier hinaus in die Einöden der Man- ftn'ei oerirren, wenn sie ganz China zur Dersügung hat. Vielleicht �b«r ist die Konkurrenz so stark, daß es sich lohnt, auch einmal die Aiangolen zu ergötzen. Derartige Abenteurer daben von Räubern nichts zu fürchten-, es würde sich nicht lohnen, sie zu plündern, und vermutlich brauchen auch die Bairditen von Zeit zu Zelt eine Zer­streuung. Di« Truppe ließ sich ganz in der Nähe der Zelte urtserer Diener häuslich mcber, und nachdem sie mit Cflen und Tee de- wirtet war, begannen die Damen sich gegenseitig das Ungeziefer abzulesen und oin schonungsloses Blutbad anzurichten. Zur gewohnten Zeit erklang die Teeglocke und wir veesavimel. ien uns cn den Kosinotischen. Der Nachmittagstee pflegt zwanglos öu seir, und uns nicht long« aufzuhalten. Aber er wird nie oer- >aumt; um S Uhr ist man nach dar Wärme des Tage? durstig und tvill T«« haben. Heut nnchm.ittag blieben mir jedoch länger als ge­wöhnlich sitzen. Dann jetzt mollte sich die Wandertruppe sehen lassen. Unter dem Sonnendach des Kasinozelt ss und längs des Tisches vor dsm Eingang wurden Stühle und Bänke in Reihen vM'gestM und wir nahmen Platz. Mitten aus dem im Süden von �ockksiten und Pwviantsöcken begrenzten sreten Platz an der Marco- Polo.Straße, wie wir den steten Weg vor den Zelten nennen, rich- küev die Schauspielsr ihre Freilichtbühne her. Eine lears K.st« wurde hingestellt, und auf zwei Stühlen ließ sich dos Orchester virder. zwei Stromer, von denen der ein« Flöte blies, der andere ein Saiteninstrument bearbeitete. Die Schauspieler waren noch in dem Zclt unserer Diener, um stch anzukleiden und.zu schmiiiken. Die Zuschauer versa, nmelten stch allmählich. Neben und auf den Packkisten saßen die Mongolen vuo unsere übrigen Diener. Das IretsttrlparkeU war besetzt. Wenn diese Schauspieler verkleidet« Spion« waren, dan muß ihnen die Einwohnerzahl der wandernden Stobt doch Achtung eingeflößt habe». Nun traten sie auf. Es waren zwei Männer, ober der eine spieste«ine Frouenrolle und hott« von Natur ein Frauengcstcht. Er trug eine weibliche Perücke und Schmucksachen, wie die chl.test. scheu Damen tragen. Er hatte sich um die Augen trcidcweiß ge- schminkt und trug einon langen schwarzen Schnurrbart. Ihre Aollen tonnten sie gut. Singend und schreiend und plärrend stießen ste unbegreifliche Morl« aus. während die Musik spielte und sich vnltrengte. Dös Stück mar in wer Akte eingeteilt, und die gam« Zeit hindurch zankten sich zwei Liebend«. Es war uns ein Trost. vcß selbst die Chlnesen nicht» Vesser «? als solch« witzelnden Won- «flechte verstanden. Es wäre sicher sin« recht unterhaltende Lek- kür« gewesen, den ganzen Text dieses wunderbaren Schauspiels zu >flen. Man könnte vielleicht glaubeki.«« müßte eintönig werben, wenn s«ei vergebt« Menschen sich vier Akt« hindurch necken und hänseln. Aber das ist durchaus nicht der Fall. Es ist kein« Wechs-lred«. bei sich zwei gegenüberstehen und wie gewöhnlich« Menschen sprechen, sondern unser« Schauspieler sprangen ttnib lar.zlcn die Konje Zeit umher, schlugen einander mit Fächern vor die Stirn, es klatschte oder entlockten einer Art langer Klapper aus hartem rhythmisch knarrende Laute. Sie machten Sprunge wie Akra- r»ten, duckten sich wie Kotzen, verdrehten ihr« Gesichter und erhoben

etn richtiges Indianergsheul. Ohne Zweifel sagte» sie«cht fri- ool« Ding«, aber ihre Bewegungen waren nicht anstößig, ihre Mimik ausgezeichnet, und die chinesischen Zuschauer, nicht zuletzt die drei Schipper, hotten riesigen Spaß daran. Die Mufik war nicht schlecht. Sie hote den monotonen Rhythmus der asiatischen Tonkunst, dem ich für meinen Teil nicht müde werde zuzuhören. In ganz Asien von West bis Ost habe ich ihren Tönen gelauscht und bei dieser faszinierenden einschläfernden Musik von rosigeren Zeiten geträumt. Sie beschwichtigt die Unrast des Herzens und führt die Gedanken zur Ruhe: man versteht, daß die Kobra sich von der Flöte des Schlangenbeschwörers bändigen läßt. Als das Spiel beendet war und Schauspieler und Musikanten ihren Lohn erhalten hatten, zogen sie ihres Weges und die Zu­schauer zerstreute» sich. Wir hatten auf all« Fälle so etwas wie eine Volksbelustigung in unserer Stadt gehabt ich fühl!« mich an meine Jugendjahre erinnert, wo man sich auf Lejonslättcn das Kasperletheater, die Korusielle und andere Possen ansah.

Der Korsarenkoffer." Do» Albert Jean. ..Und was ist das dort?* fragt« Herr Cabossol und rückte den Kneifer auf feiner kleinen Nase zurecht..Las ist«in Korsaren- tolfer,* erwidert« der Atthäridier ruhig.Sehen Sie sich nur die Beschläge an! Florentinssche Arbeit! Und der Koffer selbst aus allem Eichenholz. Damals machte man noch Sachen, die was aus- hallen konnten, verstehen St«!* Herr Cabossol, der ein friedlicher Rentier war, nickte und war äußerst imponiert..Lächerlich billig. Zweitausend Franken!* Ich nehme ihn.* Ms er nach Hanl« kam, sagte er zu seiner Frau:..Bichett«. ich habe einen Korsareickoffer gekauft.*Was für ein Ding?* fragte sie.Einen Koffer, der einem alten Sseräuber gichört hat!* Darauf ging Herr Cobassol in sein Arbeiiszimtner und durchstöberte sein Konlervailonslexikon nach allem, was dort über Korsaren ge- schrieben stand. Der Koffer wurde ins Haus geschickt.Na. was sagst du nun?* fragte er stolz.Der ist ja schauderhaft.* sagte seine Frau mit höchst unpassender Offenherzigkeit..Quatsch,* erwiderte der sonst so friedlich« Piann verbissen.Gang im Gegenteil, er ist

prachtvoll? Ueberkommt dich nicht eine besondere Stimmung, wenm du ihn betrachtest?* Nein, das kann ich nicht behaupten,' sagt« sein« Frau ruhig. Jttbts ich bekomme große Lust, diese scheußlichen Flecke abzu- waschen.*Bist du verrückt, dos sind ja Blutflecken! Ach. das ist es also, was ich merkt«, der Geruch von Menschenblut! Kannst du den Toienkopf dort sehen, wie? Ja, das war ein Leben, das die allen Korsaren führten!* Er rollte die Augen zornig, und sein« Frau schlich sich kopsschüttelitd davon. Als sie beim Frühstück saßen, stieß Herr Cabossol plötzlich fern Messer in das Beefsteak hinein.Dies Fleisch ist ja nicht blutig,* brüllte er und klingelte wie ein Rasender nach dem Dienstmädchen. Als dieses erschien, kreischte er kos:Wenn Sie mir noch einmal eine derartig« Schweinerei bieten, können Sie Ihre Sachen um« gehend packen. Berstehen Sie mich!* Da» Mädchen nahm ruhig ihre Schürze ab und antwortete:Ja. machen Sie sich nur ja keine Ungelegenheiten. ich gehe sofort!*Ach nein, Marie," jammerte Frau Eabassol,das können Sie mir doch nicht aittu».* Aber hier ist auch ein Herr im Hause!" sauchte Eabassol, indem er gewallig aus den Tisch schlug.Weg mit Ihnen von der Kom« mandobrückek* Nach einigen Stunden kam er tatsächlich von einem Miets- bureau nach Hause und bracht« einen schwarzen Herrn von Mar« tinique mit. der erst mal eine gewallig« Portion Reis verschlang. ein« Flasche Rum hinuitterspülte und, ohne dos Geschirr auszu- waschen, unter Mitnahme von einem halben Dutzend silberne? Teelöffel verschwand..Hundert Rohrhiebe soll er bekommen, wen« ich diesen schwarzen Hund wiederfinde,* knurrt« Herr Eabassol, als er die Bescherung entdeckte.Du solltest lieber auf die Polizei gehen.* seufzt» seine Frau. Während der Nacht«äffte sich der unglückselig« Rentier unter furchtbaren Beklemmungen...Geh' drauf las.* befahl er,wir entern! Dorwärts!* Um zwei Uhr nachts zertrümmerte er die klein« Lampe auf dem Nachttisch mit einem Faustschlog, währeird er schrie:Zurück da!" Am Mvrgen erwachte er wie gerädert. .jIetzt hör' aber mal," sagte fein« Frau.Das ist dieser«kelhofte Kcsfer, der dir dies« entsetzlichen Phantasien einflößt. Dieser scheuß- liche Koffer ist daran schuld, daß wir unser« Köchin, sechs silberne Löffel und«ine Nachtlamp« eingebüßt haben! Ich fleh« dich an. Emil, nimm Vernunft an und laß den Altwarenhändler seinen Koffer wiederbekommen!" ,La, ja," stöhnt« Herr Eabassol mott und aufgebend,wenn du meinst...* Als Herr Eabassol in den Laden trat, war der Antiquitäten- Händler gerode damit beschäftigt, zu telephonieren. Hallo!* sagte der vortreffliche Händler zu seinem unsichtbare» Gesprächspartner.Sind Sie es, Baillant? Also, dieser Korsaren- koffer ging einjach großartig. Sofort war er weg. Ein alter Idiot kaufte ihn. Sie müssen mir so schnell wie Irgend möglich min- destcns«in halbes Dutzend solcher Korsareickoffer herstelleit. Wir werden glänzende Geschäfte damit machen..."

Merseburger Zaubersprüche.

Von Max Barchel.

Die Merseburger Zauberkprüche stammen aus dem zehnten Jahr. hundert und gehören mit.zu den ersten, deutschen Literoiurdenk- rnötent. Sie sind heidnischen Ursprünge und werden im Merseburg «« Dam aufbewahrt. Der berühmtest« Spruch heißt:Einst ließen sich nieder Idise, saßen mal hierin und saßen mal dorthin, einige hefteten Hoste, andre hemmten das Heer, einige machten sich zu schaffen an den Fesseln: entspring den Bonden! eztsahr den Feinden!" Die Idise warett heidnische Göttinnen, und wenn sie Izmt« wieder einmal nach Merseburg kämen, würden sie wohl andere Sprüchlein dichten. andere Beichwärungen in den Wind flüstern, aber ihr Haupispruch blieb« wohl dersetbe, nämlich: Entspring den Banden! Von der Elbe bis zur Saale bat sich in den letzten Jahrzehnten eine große Industrie angesiedelt- Sie hat das Gesicht der Landjchaft verändert und basiert aus den Bodenschätzen in der Erde, aus den Braunkohlen, auf dem Kupier, auf dem Salz, aus dem Kolk, auf dem Kali. Die chemischen Werk« bauten ihr« Schlüsselstellung aus. In der Nähe der Kohlen wuchsen groß« Eiettrizllötswerk« empor. Maschinenbau setzt« sich in de» Stadien und Dörfern fest. Kalt- schächt« senkten sich in dt« Tiefe. Mitteldeutschland mit der unge, krönten Hauptstadt Leipzig ist«in schwarzes Revier der Arbeit ge- worden. Das raucht und qualmt, verfinstert den Himmel, reißt klein« Bauerndörfer in das Büaield internationaler Wirffchaft und schmettert in die ehemals friedliche Landschaft d«n klirrenden Alarm der Klassenkämpfe. Das Ammontakwsrk Merffbyrg. besser bekannt unter dem Namen: Leu na werk, ist«ine phantastische Industrieanlage, in der IROOO Arbeiter beschäftigt sind. Dreizehn über 100 Meter hohe Schornsteine steigen über den Kesselhäusern,.Hallen, Elsenkonftnikttv. nen und Kühllürmen aus. über l> Kilometer erstrecken sich dir An- lagen zwischen Eisenbahn und Saale , eine Stadt iür sich, eine Weil für sich. Das Werk itt eine Schöpfung des Krieges. Hier wurde dag tödliche Phosgengas hergestellt und düngt« die Schlachtftldir. Heul« müssen andere Felder gedüngt werden. Und si« werden auch gedüngt. 2m Leunawerk werden für dir deutsche Landwirtschaft die künstlichen Düngemittel hergestellt. In der Luft ist Stickstoff. Der wird mit Wasserstoffgas und Wasser gemischt, das ergibt dann Ammoniak- Wasser, einen gesuchten Artikel in der chemlichen Industrie. Der Stickstoff tm Ammontakwasser wird durch Salt gebunden: der schweseljaure Ammoniak, das Düngemittel, ist fertig. Jährlich werden im Leunawert zur Herstellung des Düngers über 1000000 Tonnen Gips gebraucht.. Di« Kohlen liegen im Geisellal und werden durch«igen« Bahnen be.rongeholt. Im Yetseltol zeigt sich die trogisch« Perwandlung der Lairdjchaft durch die Technik. In den armen, verschmutzten Dörfern bat sich Grub« an Grub« in die Erde gefressen, gewallig« Halden hauen ihre Scbutthügel aus, Brtketffabviken klirren, Sohlenz üg« rattern, Schornstein« qualmen. Fußhoch liegt der schwarze Dreck auf den Wegen und Straßen. Di« Kohlen verändern die Landschaft, versetzen Straßen und Wege, lassen ganze Dörfer verschwinden, und auch das Leunawerk Hot ihre Hauptgrtiben in diesem flachen Tal. Diese Kohlen beseuern nicht nur die mächtigen Heizflächen der Feuer- häuler, die Btaunkohle aus dem Geisellal verwandelt sich zugleich in den Kohleverflüfsigungsonlagen in Benzol und geht auf den Welt- markt. Im ersten Jahr wurden im Leunawert 100 000 Tonnen Benzol hergestellt. Im nächsten Jahr sollen SOOOOO Tonnen pradn- ziert werden.

Leuna und Rotzen waren kleine Bauerndörfer, bis im Krieg das Ammoniakwerk kam und sich festsetzte. Felder und Bauernhöfe wurden ausgekauft, die Bauern an die polnische Grenze verpflanzt, neue Siedlungen, kleine neu« Stadls erstanden aus dem Nichts und liegen nun in den Goswolken. den Gtftschwaden und Afcheregcu und verkümmern. Leuna , das ist«in neuer Begriff in Mitteldeutschland geworden,«in Schlagwort, das noch nicht abgeklappert ist. ein Wort, das noch wirtlich Krait hat und auch schlägt. Von Merseburg , von Leipzig . Halle. Zeitz und Weißens«! kommen die Ehemiproleten. Sie kommen mit den Fahrrädern, mit den Autobussen, mit den Arbeiter- zligen, achtzchntausend Männer, achtzrhntaiisend Jweihänder der chemlschen Indiistrie, ein besonderer Schlag: der Leunaproletarier. Die Arbeit ist schwer und gefährlich. Ja, die Löhne liegen etwas über dem Durchschnitt der mitteldcuttchen Industrie, sie müssen mahl auch so liegen, denn die Arbeitsbedingungen liegen unter dem Durch- schnitt der anderen Werke. Das Aminontakmerk ha! seine eigeue Be- trieöskrankenkafl« und hütet seine Geheimnisse gut. aber das ist unbe- kynnt, das jeden Morgen viele hundert Arbeiter noch dem Spital gehen, das von den ProletenDer Sarg" genannt wird. Sechs Aerzte haben immer zu tun. Sie müssen zu tun haben, denn auch die Umgebung leidet unter dem Rieienbetrieb, das mit seinen Gasen und seiner Flugosch« die Bäum«, die Sträuche. -, die Blumen schädigt. Selbst das Metall mlrd van den Giitgassn angegriffen. Die Bogel find schon lange geflohen. Nnr der Mensch kann nicht fliehen. Dos ist keine poetisch« Umschreibung: in Merseburg bat sich einVeteni der durch die Leunamcrkc Geschädigten" gebildet. Der L-eunaprolet hat keinen besonderen Verein. Er hat die Partei, die Gewerkschaft. Der mitteldeutsche Ausstand hat bis heule feine Spuren hinterlassen. Wohl sind dieGelben" bei der letzten Belriebsrotswahl entscheidend gefchlogen, und die beiden Arbeiter- pari«!«« teilen sich in die Führung, aber immer noch herrsch« in Leuna die Derkpolizei und das Spitzelunwesen. Di« Kontrolle erniedrigt den Arbeiter zum Heloten. Jeder Arbeiter hat einen Ausweis und darf das Tor nur einzeln pessieren. Jeder fünfte oder zehnte Man» wird herausgegrilien, muh in eine besonder« Kabine, muß die Hände. hochheben und sich abtasten lasien. Er muß sich auch auf Verlangen ausziehen. Auch nach dem Arbeitsschluß geht der Weg durch dos Drahtpcrhau der erbärmlichen Kontrolle. Strafen sind an der Tages- ordnung. Als ob die Arbeit in der Eiftbude nicht schon Strafe genug wäre. Da? Werk gehört zu dem größten chemischen Trust der Welt, zur I. G. Farbeninduftr!«werke A.-G- Nach einer Berechnung komme» für diesen Trust auf den Kopf eines Leunoprolelen rund 1000 Mark Relnverdienst. Im letzten Ähre hatte dieser Mamnnttkonzern üb« 100 000000 Mark Reingewinn. Und wie wird das Geld nerdieitt? Durch die Arbeiter und durch«ine irrsinnige Preispolitik. Die Her. stellung«ints Kilo Solvarfans in einem Schmesierbetrieb kostet der I. G. rund 200 Mark. Dos Salsa rson wird nun den Apotheken für MOO Mark pro Kilo verkauft unter der Bedingung, daß der Herr Apotheker 1k 000 Mark dafür oerlangt... Jaden Abend werden im?lmntoniakwerk Mersrdtirz die giftigen Gas« verbrannt, dann züngeln über den Anlogen die sogenannten �öeunafackeln*. Wann endlich wird das werktätige Dolk. wann wird endlich der Staat in dies« Gistbud« hineinleuchten, in die Dunkel. kqmmern der Ausbeutung und Preispostffk. und den Herren van der I. K. eine Fackel anzünden?