Verabschiedung der Zuckervorlage. Sozialdemokratische Erklärung im Reichstag.
Dar Reichstag verabschiedete gestern zunächst das Ueberein- kommen über die Sklaverei, den Schiedsvertrag mit den USA. , den Jertrag mit der tschechoslowakischen Republik über die Grenzoder. das Handelsabkommen mit der Republik China und dos Handels- abkomme» mit der Südafrikanischen Union . Der Handelsoertrog mit Panama wurde in zweiter Lesung angenommen. 3n dritter Beratung wird dos Gesetz über die Aussetzung der Grundcrwcrbssteuer der Kirche(Besteuerung der toten Hand) gegen die Stimmen der Kommunisten verabschiedet. Es folgt die Abstimmung über das Gesetz betr. Fürsorge iür Saisonorbeitslose. Es wird unter Ablehnung der Abänderungsanträge in der Ausschufjsassung angenommen. Die Schlutzabstimmung wird auf Antrag der Kommunisten nament- lich vorgenommen und auf eine Stunde zurückgesetzt. Die Ausschüste für besetzte Gebiete und Reichshaushalt be- antrogen, „die Reichsrcgierung zu ersuchen, die bisher gezahlten monat- lichcn Reichsbeihilfen an die Sozialrentner, die von einem Versicherungsträger des S a a r.g c b i e t s Rente beziehen und autzerhalb des Saargebiets im Reichsgebiet wohnen, ange- messen zu erhöhen." Abg. Slöhr(Ratsoz.) behauptet, daß hier ungeheure Schlamperei und Korruption bestehe, gegen die ein Untersuchungsausschuß not- wendig wäre. Abg. Schreck-Baden(Komm.) erwidert mit der Bezeichnung der Nationalsozialisten als Hilfstruppe des Großkapitals. Der Haupt- ousschuß habe Geld für Domrestaurierungcn bewilligt, aber Hilfe für Sozialrentner und Kriegsopfer abgelehnt. Der Ausschußantrag wird angenommen. Die Erhöhung des Zuckerzolls. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzes über dieErhöhung des Zuckerzolls. In der Ausschußfasiung ist dem Gesetzentwurf aus sozioldemo- kratiichen Antrag hinzugefügt, daß der Veichssinanzminister den er- höhten Zoll um 10 M. wieder herabsetzen kann, auch wenn der Magdeburger Zuckerpreis 21 M. nicht übersteigt, sofern tatsächlich ein wesentlicher Teil der für den Inlandsoerbrauch be- nötigten Zuckermengcn von den Fabriken hat zu Preisen beschafft werden müssen, die unter Berücksichtigung der Fracht über 21 M. lagen. Der Ausschuß hat die Geltungsdauer de» Gesetzes bis Ende 1931 befristet, so daß am Jahresbeginn 1932 wieder der alte Zuckerzoll in Kraft tritt. Reichsernährungsminister Dr. Dietrich! Bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs war für die Reichsregierung neben dem Schutz der � inländischen Produktion der Schutz der Verbraucher maßgebend. Dementsprechend werden wir die Preisentwicklung aufmerksam vcrsolgen und gegebenenfalls von der uns erteillen Dollmacht Gebrauch machen. Abg. Krätzig(Goz.): Unser Versuch, die Erhöhung des Zuckerzolls zu verhindern, hat nicht Erfolg gehabt. Ein Mißbrauch der Erhöhung zum Nachteil der Verbraucher darf aber nicht eintreten. Wir Sozialdemokraten sind durchaus nicht Gegner des Schutzes der inländischen Erzeugung, wie unser Agrarprogramm beweist. Wir sind aber Gegner des Mißbrauchs des Erzeugerschutzes. In dieser Lorloge wird zum erstenmal der Versuch unternommen, einen solchen Mißbrauch zu verhindern. Deshalb nehmen wir zu ihr eine andere Haltung ein, als gegen frühere Zollerhöhungen, die eine Garantie gegen Miß- brauch zum Nachteil der inländischen Derbraucher nicht enthalten haben. Es ist unbestreitbar, daß ausländisches Kapital versucht, sehr wichtige Zweige unseres Wirtschaftslebens zu schädigen. Wir haben das größte Interesie daran, daß das nicht geschieht. Die Kommunisten verweisen wir auf die russische Wirkschafls- Politik, die z. D. einen Zuckerzoll von 59,40 Mark vorsieht. (Lebhaftes Hört, hört!) Danach sind die Kommunisten gewiß nicht berechtigt, gegen diese Vorlage und gegen uns aufzutreten. Wir wissen sehr wohl, daß mit der Zuckerindustrie auch die gesamte Landwirtschaft geschädigt wer- den würde, da Zuckerrüben eine wichtige Vorfrucht für Weizen sind. Im Jahre 192tz hotten wir eine Einfuhr von Lebensmitteln, die wir auch im Inland erzeugen können, in Höhe von VAt Milliarden Mark und 1927 von 2 Milliarden Mark. Wir l innen unmöglich Zustände einreißen lassen, die in kurzer Zeit uns meitere 100 bis 150 Millionen Mark ans Ausland zahlen lassen i'ürden. Wir werden also dem Gesetz zustimmen, zumal e» im Uusschuß aus unseren Antrag verbessert worden ist. Ich habe im '.tarnen meiner Fraktion folgende ErNärung abzugeben: „Die Ueberslutung des deutschen Marktes mit ausländischem Zucker bedroht in gleicher Weise Zuckererzcuger und Zuckerver- braucher. Eine Beseitigung der durch die kapitalistische Anarchie in der Zuckerocrsorgung entstandenen Schwierigkeiten, die auch im Interesse der Verbraucher liegt, veranlaßt deshalb die Sozialdemo- kratie, der Regierungsvorlage in der vorliegenden Fasiung die Zu- srimmung zu geben. Zum erstenmal In der Geschichte der deutschen Zollgesetzgebung sieht eine Vorloge neben dem Schuh der Erzeuger eine Siche- rung der Verbraucher vor, und zwar durch die Bestimmung, daß der Zuckerzoll von 25 M. unter den gegenwärtigen Zollsatz aus 10 M. herabgesetzt wird, wenn der Großhandelspreis für Derbrauchszucker den Betrag von 21 M. pro Zentner übersteigt. Die Zustimmung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zum Gesetz tonnte erfolgen, nachdem ihr Antrag zu Z 2 diesen Schutz der Verbraucher noch besonders sichert. Auch die tommu- n i st i s ch e Fraktion hat diesem Antrag ihr« Zustimmung ge- geben. Eine Ablehnung des vorliegenden Gesetzentwurfs durch die Sozialdemokratie hätte die Gefahr heraufbeschworen, daß ein Gesetz -ustonde gekommen wäre, das mit Hilfe hohen Zolls unbegrenzte Preissteigerungen auf dem Zuckermartt hervorgerufen hätte. Durch die im Gesetz vorgesehene Maßnahme der Stabilisierung des Zuckerpreises werden die deutschen Verbraucher vor dieser drohenden schweren Schädigung bewahrt. Aus diesem Grund« stimmen wir der Vorlage zu."
Abg. Blum(Z.): Der Zuckerrübenbau fängt an, unrentabel zu werden, das beweist schon der Rückgang der Anbaufläche. Auch die Zuckerfabriken haben abgenommen. Gerade die Kleinbetriebe sind im Zuckerrübenbau vorherrschend und haben Interesse daran, daß er ausgebaut wird. Ebenso die Arbeiterschaft. Deshalb muß er gegen die ausländische Konkurrenz, namentlich gegen dos t s ch c ch o- slowakische Dumping geschützt werden. Die Mehrzahl ineiner Freunde hätte den Vorschlag des Reichswirtschastsrats vor- gezogen, da ein plötzliches Herunterschnellen des Zolls von 25 auf 10 M. schwere Wirkungen haben kann. Um jedoch ein« Majorität zu gewinnen, haben wir uns einverstanden erklärt. Wir b e- halten uns vor, nach den Ferien aus die Sache zurückzukommen und eventuell Anträge zu stellen, aber wir empfehlen die Annahme der Regierungsvorlage. Abg. hörnle(Konim.): Der Entwurf bringt nicht, wie der Er- nährungsminister behauptet hat. einen Ausgleich der Produzenten- und Konsumententnteresien, sondern bedeutet eine neue Masienbe- lastung. Die Sozialdemokratie stellt sich schützend vor das Wucher- kapital. was in Sowjetruhland geschieht, kann nicht verglichen werden mit dem schmutzigen Ausbeuterstaat Deutschland. (Präsident L ö be mahnt, doch parlamentarische Ausdrücke zu gebrauchen.) Sowsetruß- land hat da» volle Recht, sich mit wirtschasllichen Mitteln ebenso zu verleidigen, wie mit politischen und militärischen. Wir stellen den grundsätzlichen Antrag, daß Zucker zollfrei ins Land kommt. Abg. hamkcns(D. Dp): Di« zu niedrige Zollfestsetzung für Zucker hat zu diesem überstürzten Gelegenheitsgesetz geführt. Wir stimmen ihm zu, behalten uns aber für später seine Verbesserung vor. Abg. Stubbendorsf(Dnat.): Wir begrüßen nnt Genugtuung, daß auch die Sozialdemokraten dem Schutz der Zuckerwirtschaft zu- stimmen. Sehr bedenklich ist die Verbindung eines Zolls mit der Preisfestsetzung, da» Ist ein erster Schritt zur gebundenen Wirtschast, für die eine Pichryeit hier nicht vor- Händen ist. Abg. Tanhen(Dem.): Bedenklich erscheint uns die Festsetzung eines Inlandszuckerpreises ohne Rücksicht auf den Weltmarkt- preis und auf die R ü b e n e r n t e. Die UnHaltbarkeit dieses Versuchs wird sich bald herausstellen. Nach kurzen Ausführungen der Abgg. Vorrmanv(WP.) und Geraver(Bayr. Vp.) erklärt Reichsernährungsminister Dietrich: Mit der Vorlage ist eine Zwangswirtschast keineswegs beabsichtigt, eher droht eine solch« Ge- fahr von privaten Vereinbarungen. Wir hoffen, daß die Dereini- gungen der Zuckerproduzenten mit der Regierung zusammenarbeiten werden, damit dieses Gesetz durchgeführt werden kann. Die Vorlage soll auch dazu beitragen, die Beteiligten außerhalb des Reiches all- mählich zur Vernunft zu bringen, und schließlick, durch eine internationale Zuckerkonvention die Mißstände zu beheben. Nachdem die Abgg. v. Sybel(Cbrnat. Bauernp.), Meyer-Han- nover(D.Hann.) und Gandorfer(D. Bauernp.) erklärt hatten, trotz ihrer Bedenken der Vorloge zuzustimmen, wird ein kommunistischer Antrag, den Zuckerzoll auszuheben, gegen die Stimmen der Kom- munisten abgelehnt und mit dem gleichen Stimmenverhältnis das Gesetz verabschiedet. Annahme der Gaffonarbeiterfürsorge. In namentlicher Abstimmung wirb nun der Antrag der Demokraten und der Deutsche « Volks- Partei, an Stelle des Regierungseatwurfs über die Fiürsorge für Saisonarbeiter eine« anderen Gesetzentwurf anzunehmen, mit 221) gegen 189 bei 5 Enthaltungen abgelehnt, in einfacher Abstimmung wird darauf die AuSschußfassung gegen die Flügel- Parteien äußerst links und rechts angenommen. In der wiederum namentlichen Schlußabstimmung wird das Ge» setz mit 278 gegen 138 Stimmen bei 6 Enthaltungen angenommen. Es folgt der kommunistische Antrag, die Reichsregierung zu er- suchen, die am 14. Januar 1929 fällige zweite Hälfte der sur die Ablösung der örtlichen Sonderzuschläge an die in Frage kommenden Beamten zu zahlenden Abfindungsbeträge noch vor dein 25. Dezember auszuzahlen. Der Ausschuh beantragt Ablehnung. Abg. Torglcr(Komm.): Obwohl der Antrag nicht«ine Mehr- bclastung des Reiches bedeutet, sondern nur ein« Vorauszahlung um drei bis vier Wochen, hat der Finanzminister im Zlusschuh die Durchführung für unmöglich erklärt, während 40 Millionen für den Ankauf der Schichauwcrke vorhanden sein sollen. Der Ausschußantrog wird mit knapper Mehrhest angenommen. (Rufe der Komm.: Schiebung!) Entsprechend dem Antrage des Geschästsordnungsausschustes wird die Genehmigung zur Strafverfolgung der Abgg. Dr. Frick(Notfoz.), Thälmann (Komm.). Lind(Dnat.), Münzenberg (Komm.) und Buchmann(Natsoz.) wegen Beleidigung oder pollti- scher Vergehen versagt. Eine Petition des Fabrikanten Hübenthal in Waldbröl um 100 000 M. Schadenersatz, die trotz mehrfacher Ueberweisung durch den Reichstag an die Regierung bisher nicht berücksichtigt worden ist, wird ihr zur Berücksichtigung überwiesen. Das Schankstöttengesetz geht nach Ausführungen des Abg. Diekrich-Berlin(Komm.) an den Volkswirtschaftlichen Ausschuß. Der Soziale Ausschuß beantragt, einen Antrag der Kommunisten abzulehnen, wonach die Erwerbslosen, Sozial- und Kleinrentner sowie alle Fürsorgebercchtigten eine Winterbeihilse von 30 M. für die Hauptunterstütziingscmpfänger und 10 M. für jeden Unter- haltsberechtigtcn, Empfänger von Waisenrente 10 M. erhalten. Abg. Schneider-Berlin (Dem.): Die einmalige Spende wäre keine wirksame Hilfe und würde«ine schwere Belastung der not- leidenden Reichskasse sein. Die Fürsorgemoßnahmen schassen in Notfällen den erforderlichen Ausaleich. Abg. Gräs-Dreeden(Komm.) sucht diese Begründung zu entkräften. Zur Abwehr gemeindlicher Mehrleistungsbeschlüsse von Stadtvertretungen haben in jüngster Zeit die Bürgermeister beson- dere Zweckverbände geschaffen. Abg. Moldenhoucr(Vp.) weist auf die sehr hohen finanziellen Kosten einer Durchführung des kommunistischen Antrags hin, die nur durch starke Beitragserhöhung oder durch Beanspruchung von Reichsmitteln aufzubringen wären. Ein« Vereinheitlichung
�der Sozialversicherung würde Ersparnisse und dadurch einen Ausbau ermöglichen. Gegenüber einem neuen sozialdemo- trotischen Antrag wollen wir die durchaus bewährte paritätische Verwaltung in der Angcstelltenversicherung beibehalten. Abg. Karsten(Soz.): Dem kommunistischen Redner gegenüber stelle ich fest, daß die sozialdemokratische Fraktion auch in der Zeit als sie Opposition war, niemals Anträge auf Weihnachrsbcihilfe für Notleidende gestellt hat. (Zuruke der Kommunisten: Winterbeihilse verlangen wir!) Ein- malige Gaben ändern an der Hilssbedurftigkeit aar nichts und können nicht die Wirksamkeit haben, die man ihnen zuschreibe Statt einmaliger Unterstützungen sollte man durch Rentenver» b esse rung dauernde Wirkung erzielen. Nach dieser Richtung haben wir uns auch in diesem Jahre bemüht,«ine Verbesserung der Invalidenversicherung zu erzielen. Wir wollen hier k«in« Komödie spielen. Wenn sich irgend ein« Möglichkeit ergibt, solchen Anträgen Rechming zu trogen, dann muß beim Wiederzusammen- tritt des Reichstages etwas dafür geschehen. Abg. Dr. Moldenhaucr bat erklärt, die Wirtschast könnte eine Höhere Beitraasleistung nicht ertragen. Räch unserer Meinung ist dl« deutsche wirlschafl v?r- pflichtek und in der Lage, dafür zu sorgen, daß dle Leuke, die ihr Leben lang gearbeitet haben, im Alter und in der önvalidikäl ein erträgliches Dasein führen. Jede Erhöhung b«r_ Invalidenrenten kommt vollständig dem Inlandkonsum zugute, während die Ein« nahmen der reichen Leute zum großen Teil in ausländischen Bädern verpraßt oder für Einsuhrwaren aus dem Auslande verbraucht werden. W«nn den Angestellten das Recht gegeben ist. sich besser gegen Arbeitsunfähigkeit und für ihr Alter und für ihre Hinter- blieben«» zu versichern, darf den Arbeitern dieses Recht nicht oersagt werden. Die Arbeiter sind bereit, höhere Beiträge zu zahlen, wenn sie dafür eine vernünftig« Versicherung erhalten. Weil heute bci der Invalidenversicherung nicht über ein versicherungsfähiges Ein- kommen von 36 M. pro Woche hinausgegangen werden kann. schaffen die Arbeiter sich notgedrungen elne Zusatzversiche- rung in den Gewerkschaften. Allerdings müssen sie da 100 Proz. Beitrag zahlen, während m der Inoalidenversicherung die Unternehmer 50 Proz. zahlen müssen. In unserem Antrag. gegen den sich Dr. Moldenhauer gewendet hat, verlangen wir eine maßgebende Mitwirkung der Organe der Selbstverwaltung an der Angestelltenversicherung. Wir wollen dort Demokratie, wir wollen nicht, daß«ine Minderheit dir maßgebende Rolle spielt und wollen auch nicht, daß die Bureaukratie ausschlag- gebend ist. Wir wünschen, daß aus den Anträgen möglichst bald etwas Positives wird, damit die Angestellten sehen, daß im Reich?« tag Leute sitzen, die sich für die Interessen der Versicherten mit aller Kraft einsetzen.(Lebhafter Beifall bei den Soz.) Abg. Locke(Wirtschp.) erklärt, daß die Wirtschaft, namentlich der Mittelstand, neue Soziallasten nicht tragen könne. Abg. Slöhr(Ratsoz.) unterstützt das Verlangen nach einer Weih- nachtsbeihilfe. Ein Antrag der in der Regierung vertretenen Parteien mit Ausnahme der Volkspartei will den Rcichsarbeitsminifter ersuchen, dem Reichstag baldigst das Ergebnis einer Prüfung vorzulegen, ob die folgenden Aenderungen in der Angestellten- Versicherung möglich sind: Erhöhung des Grundbetrages und des Kindergeldes, Anpassung des Steigerungsbetrages an den Prozentsatz in der Invalidenversicherung, Herabsetzung der Altersgrenze. Verkürzung der Wartezeit. maßgebend« Mitwirkung der Versscherten ln den Organen der .SelbOverwaltung. Der kommunistische Antrag wird abgelehnt, der Antrag der Regierungsparteien gegen die Stimmen der Deutschnationalen, der Deutschen Volk-partei und der Wirtschoftspartei angenommen. Um 147 Uhr ist die Sitzung zu Ende. Nächste Sitzung: Sonnabend abend 10 Uhr.
Verfassungsanirag der Vottspariei. Einstweilen nor Malerial für die Oi6?ufsion. Die Reichstagsfraktton der Deutschen Bolkspartei hat den Antrag eingebracht, Artikel 54 der Reichsverfaisung dahin zu ändern: Der Reichskanzler und die Reichsminister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstages. Bei Beginn der Amtsführung und jeder Wahlperiode ist dieses Vertrauen durch einen Mehrheitsbeschluß des Reichstages festzustellen. Ein« Zweidrittelmehrheit des.Reichstages ist erforder- lich, wenn der Relchsregierung oder dem Reichstanzler oder einem der Reichsmimster das Vertrauen wieder entzogen werden soll..Es• genügt einfache Mehrheit, wenn der Antrag auf Entziehung des Vertrauen» in Derbindung mit der Schlußabstimmung der dritten Lesung des ordentlichen Haushalts eingebracht wird. In Artikel 85 sollen an Stelle der Absätze 4 und 5 folgende Vorschriften treten: Der Reichstag kann im Entwurf des Haushaltsplanes ohne Zustimmung der Reichsregierung und de» Reiche- rotes Ausgaben nicht erhöhen oder Neu einsetzen. Dergleichen Zustimmung bedürfen Gesetze und andere Beschiiisie des Reichstags, welche eine Erhöhung der Im laufenden HaushaltSF-sctz vorgesehenen Ausgaben zur Folge haben. Ergibt sich im Laufe eines Haushaltssabres auf Grund der' Ergebnisse eines Vierteljahres, daß die Eingänge aus Steuern und Zöllen den Doranschiag um mehr als 10 Proz. übersteigen, so sind die Mchreingänge bis zu 10 Proz. zur Verminderung des Anlcihc- bedarses oder zur Schuldentilgung zu verwenden. Der die Mehr» «tngöng« um 10 Proz: übersteigende Betrag ist im Lause des Haushaltsjahres zurückzulegen und bei Ausstellung de» folgenden Haushaltsplanes zur Steuersenkung zu verwenden Die Zustimmung der Reichsregierung und des Relchsrates kann gemäß den Vorschriften des Artikels 74 ersetzt werden. Diese Grundsätze über die Ausgabenbewilligung sollen sinngemäß auch bei den Ländern, Gemeinden uftd Gemeinde- verbänden durchgeführt werden. Hier wird ein keineswegs glücklicher Versuch unter- nommen, die Entwicklung des parlamentarischen Systems und der Finanzwirtschaft in starre Formen zu pressen. Er wird auf absehbare Zeit ohne Wirkung bleiben. Und das ist kein Schaden. Denn es kommt weniger darauf an, die Verfassung zu ändern, als darauf, sie vernünftig an- zuwenden.