Beilage Dienstag, 18. Dezember 1928.
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Wegen des Weibes Eine wahre Begebenheit aas den Urwäldern Zentral-Bomeos. Von Dr. Leon Ballner, holländischer Stabsarzt für Niederländisch-Indien.
Wir befanden uns auf der Reif« nach Aentrol-Borneo , um die Besatzung des befestigten Biwaks im Gebiete der Kopfjäger abzu- losen. Viele Wochen dauert« schon die Expedition. Dajaks, Ein- geborene aus dem Binnenland, ruderten uns in langen Kanus den Mahakkam und feinen Nebenfluh, den Rohftrom, auswärts. Langsam ging es unter Beschwerden vorwärts. Ein Tag löste den anderen ab und zog � uns immer tiefer in fenc öde, trübe Stimmung, die man nur in den endlosen Morästen und Urwäldwüsten Borneos kennt. Tieffter Mißmut und Teil- nahmslostgkeit geben den Grundton dieser Stimmung. Wir er- schraken nicht mehr, wenn die tödlich lallen Augen des Krokodils regungslos aus dem Wasser starrten: wenn im Schlamm eine giftig« Woss«rschlange zischend oorbeischnellte oder ein saugender Strom- wirbel ein Kanu in Gefahr brachte. Mao hört wohl die Ruderer schreien und klopfen, wenn sie ein Krokodil sichten: man hört ein- mal einen Fluch, ein Schimpfwort, einen wüsten Schrei. Es sind jedoch nur äußere Wahrnehmungen, man fühlt und begreift nicht. l5in ungesunder Nebel macht die Kleider am Leibe kleben, die neuer, die wir gegen die Mücken brannten, erstickten uns fast und trieben uns die Tinnen in die Augen. Myriaden von Moskitos, Faltern und Fliegen sogen das Blut aus dem gemarterten Körper. Troflloftr Urwald. . Die Küstenstation, die die Urwaldposten mit Proviant und Mamtfchaft versorgt, lag bereits dreißig Tagreisen hinter uns. Wir lamen in den Bereich der unermeßlichen Urwälder. Wochenlang sahen wir keinen Menschen, kein Wild, keinen Fiich. Hier waren «imnal die Jagdgebiete der Punans, der sch-wärmendan Jagdstänune. Sie haben alles ausgerottet mit Gift und List. Das Wild mit Fallen und oergifteten Pfeilen und die Fisch« mit den: Tubagift, das ganz« Flüsse entvölkert. Dort ist tiefer, unerbittlicher Urwald, der sich in den Strom hineindrängt, ihn von oben mit Rotong und Lianen überspannt und fesselt, ihn durch gestürzte Baumriesen zu wilder Gegenwehr *<i3t. Am oberen Boh wurden, wir drei Wochen lang durch chnch- masser festgehalten In einer Bucht, wo das Wasser etwas ruhiger �ar. sammelten wir die Kanus, und auf dem schmalen Saum von �and und Steinen schlugen wir das Lager auf. Hinter uns erhob sich wie«i„e Mauer hoher, dunkler Urwald. Togtäglich gab es Wolkenbrühe. Wir kamen nicht aus den feuchten Kleidern, denn es gab, wenn auch der Regen aufhörte, mir kriechende Wolken, Dunst — �md-Ncbel. In solchen Stunden hockten wir trübselig bei gunlmen- den Feuern, zu geisttötender Untätigkeit verdammt. Vi« gefürchtete Beriberi. Nach einer Woche meldeten sich die ersten Kranken mit Malaria Dysenterie, und wenige Tage später tauchte die furchtbor« Krankheit des Urwaldes auf: die Beriberi, die Krankheit aus Mangel an Vitaminen, die Folge unserer Ernährung mit Reis und getrockneten Fischen. Bei ewigen Soldaten traten Schwellungen Mi den Füßen auf, sie gingen einher, als wateten sie im Morast. und ihr Atem wurde nrühsam und schwer. Ost streiften wir dos Ufer entlang oder kappten uns durch den Urwald, nur um Ab- wechfelung für die Kost zu suchen Wir aßen bitter« Farne und hölzigen Rotang und beneideten di« Dajakruderer, die von der Gefahr der Beriberi oerschont blieben. Denn st« aßen alles, was sie fanden: Insekten, Würmer, Molch«, Schlangen und einmal auch ein Bas, das den Fluß l>eruntertri«b, den blaugedunsenen, von Gasen geschwollenen und halb zersetzten Kadaver eines Rhinozerosses. Bald starb einer der Beriberikranken. Er wurde im Urwald be- groben und bekam einen Stein und feine Militärmütze aufs Grab. -Ich beobachtete die Malaien, als sie beim Grab« standen. Sie Maren all« durch die schweren Entbehrungen henintevgekommen. «in keinem ihrer Gesichter jedoch konnte ich Bewegung, Auflehnung aber Unzufriedenheit lesen. Und doch waren sie nichl so stumpf oder fatalistisch gleichgüllig, st« beherrschten ihr Mienenspiel. Des Nachts, Menn wir unter dem Zelte lagen, hörten wir manchmal einen kaum unterdrückten Fluch, ein Zähneknirschen, ein Stöhnen im schlaf oder ein schreckhaftes Erwachen. Das sse wohl rräumten? Woran sie wohl dachten? Nicht an Gesahr oder Krankheit, an dos Hestern oder Morgen. Daran denkt ein Malaie nicht. Sie träumten vom Hasardspiel oder dachten an ihre Weiber, die wohl wenig auf Treu« hielten, an«Inen Todfeind,«inen Nebenbuhler daheim in der Etappenstation: im feuchtwannen Moder des Urwaldes können einmal aus solchen Träumen mit Urgewall wilde Taten hervor» brechen, wie wir eine schaudernd im Biwak erlebten. Oer Schrei aus dem Schlaf. Wir wurden gegen Mitternacht heftig aus dem Schlaf geschreckt. «in Man» fährt aus mtt einem wilden Schrei:««Vh morde dich, verfluchter Hund!* Im Schein der Sturmlaternen, die vor den: «)«»« hingen, sah er wie ein Wahnsinniger au»! Ausrecht saß er da. irre um sich blicke»»d. Er war anscheinend aus einem schreckhaften Traum aus- gefahren und hatte noch nicht zur Wirklichkett zurückgefunden Der walaische Korporal schimpfte. Der Mann fiel stöhnend zurück. Der Sergeant neben mir war aufgewacht.„Das war der Füsilier Boimon.* erklärte er mit schläfriger Stimm«,„er gefällt mir nicht. Er hat in der Etappe ein« funge Frau, die betrügt ihn. und er rveiß es. Darüber grübelt er die ganze Zeit schon. Wenn die Kerle nachdenklich werden und schwer träumen, ist ihnen nicht zu trauen Ich wollte, wir wäre» ihn los. Wenn er nur di« Beriberi hätte! Gott verdamm ihn'* Und es wurde wieder ruhig. Man hört« wieder di« Rächt des Urwoldbiwaks: die Stimmen von In- l«kt-n. das Rauschen des Wassers, tiefe Atemzüge, den Seufzer »ine» Schlafenden. „Mala G'ab.� Am folgenden Morgen sprach uh mit dem Korporal.„Betul tuan.* meint« er..chia suka pikir, bibi suka main mala dan main perlip.»—..So ist es. Herr! Er liebt es. nachzudenken! Sein Weih spielt gern mit den Lugen und mtt der Lieb«! Bevor er wegging, hat«r p« geschlagen, daß ihr das Blut aus Mund und
Nase lief. Ich habe es selbst gesehen. Jetzt muß er für ein Jahr in den Busch. Deswegen grübelt er.* Das Wort„pikir*(grübeln, nachdenken) habe ick später oft gehört. Es drückt einen enisten veelenzuftand des Malaien aus. Es ist eine Borstufe zu sttvas Aergerem, zum„bingun*, zum Verwirrt werden Und geht wetter über in den„maw glob*, in„die blinden Augen": die Taten der blinden Wut. Ich beobachtet« manchmal Paiman und sprach mit ihm. Scius Wangen waren hohl, seine Augen ohne Glanz. Lange Stunden konnte er ins Wasser starren oder mit Insekten spielen, mit Käfern oder Fliegen Er riß ihnen die Füße oder die Flügel aus und quälte sie zu Tod«.„Was ist dir. Baimon,* fragte ich ihn,„bist di: krank?* t-„Nein, Herr, ich weiß es nicht. Mein Herz har Sehnsucht.* Ich kannte damals die Zlrt der Malaie» noch zu wenig, aber ich ahnte, daß es etwas anderes sei als die gewöhnliche Art von Sehnsucht. Ich untersuchte ihn auch, und als ich fand, daß er gesund war, tröstete ich ihn mtt einigen der übtichen Redensarten und meinte, daß ihn die Ruhe und bessere Kost in der Bestimmung-- ftation ins Gleichgewicht bringen würden. Tumult und Mord. Zwei Tage später geschah die Tat. Pechschwarz, schwül und dunstig lag die Nacht über Strom und Urwald. Die Wachen standen schon draußen bei den Kamis. Die Dajaks saßen bei ihren Feuern am.Ende, der-Bucht. Wir all« lagen bereits unter dem Dach, manch« schliesen schon, manche rauchten oder sprachen mtt halbkiuter Stimme. - Zu den Seiten des Zelte» qualmten einige Feuer. Da? Holz war naß, es tropfte unaufhörlich von den Bäumen. Wir hingen zwei Sturmlaternen, die eine» trüben roten Schein auf die Soldaten und noch vorn in den Nebel warfen Plötzlich springt ein Mann aus. Es war Paiman Er ergreift beide Sturmlaternen. Der Sergeant schnellt empor, schreit:„Was ttist du? Bist du verrückt?* Es ist zu spät. Paiman schleudert die Laternen hinaus ins Wasser. Jetzt ist es finster. Die qualmenden Feuer leuchten nicht. Und ehe man weiß, was geschieht, was dies bedeuten soll, schrillt schon ei» furchtbarer Schrei, ein Todesschrei. Die Leute springen auf. Tumult. Flüche, alles flieht blindlings aus dem Zelt«, stiebt auseinander. Nur wenig« Sekunden dauert das. Es folgt ein kurzer Augenblick der Stille. Das Zell ist noch nicht leer. Da wälzen sich einig« am Boden. Man sieht es nicht, man hört es. Man hört röcheln und vernimmt die entstellte Stimm» de? Paiman, unheimlich heiser und wrld.'Wie das Bellen eine« töllwütgen Hundes klang diese Stimme. Es waren Schreie, die in der Kehle l>alb erstickten.„Hier! Da! Hier, du Schandkerl! Du Hund? Hier! Nach einmal!* Dann folgten nicht wiederzugebende unflätige Worte. Dann wieder Namen, rasch und keuchend, Soldatennamen, einer nach dem anderen.„Da! Wowor! Da! Lonto! Da! Pattql* Das klang alles so erschreckend, so beut- lich, so körperlich. Wir fühlten, daß jedes Wort von einem Stich beglettet sein mußt«, der eine tödliche Wunde bedeutete. Dieses alles spielt« sich blitzschnell, wohl in weniger als einer Minute, ab. Jetzt schrie und rief man durcheinander. Ein Schuß ging los
Jemand wühlte unter den qualmenden Holzstücken und holte glimmende Späne heraus. Ein anderer schlug Feuer. Es erlosch wieder. Nur einen Augenblick hatte es aufgeleuchtet: Wir sahen, wie im Licht eines Blitzes, ein grauenhaftes Bild. Jemand log am Boden, ein anderer über ihm, in ihn hineingewühlt mtt dem Messer, mtt den Zähnen, mit gekrallten Fingern. Der Tote war ein junger Menadonese,. xin unschuldiger Mensch. der mtt Paiman niemals einen Strett. nie eine Differenz gehabt hatte. Und war doch picht bloß getötet, er war zerfleischt worden, wie es schien, nnt einem Haß, der über jede Barstellung hinaus ging. Paiman aber war jetzt ruhig. Es war jedoch nicht mehr di« frühere grüblerisch- krankhosie Ruhe, sondern ein klarer, gesunder Zustand. Es war eine deutlich erkennbar« Entsponnung bei ihm eingetreten. Jetzt tonnte er gut schlafen und mit Appetit essen. Blind vor den Augen.. Wieder vergingen einige Wochen, und wir erreichten unseren Bestimmungsort. Es war die längste Reise, die je ein Transport in dieser Gegend gemacht hatte. Paiman sprach nicht viel. Cr hatte zuerst gegrübell und war dann„blind vor den Augen* geworden. Er gab auch zu, daß der Ermordete ihm nie etwas zu Leide getan hätte. Was sich damals im DunkÄ des Urwaldes ereignet hat. hängt mit dem Wesen des Malaien, mtt den Gewohnheiten der Kaserne. mtt dem Klima, mtt den schleichenden Krankheiten zusammen Im Mittelpunkt des Ganzen steht die Seele eines Malaien niederen Standes mit ihrem dumpfen Wollen und dunklen Empfinden Paiman ist erst wenige Jahre im Dienst. Seine fünfzehnjährige Frau ist die Tochter eines Soldaten: in der Kaserne geboren, früh reis, früh verdorben. Wo und wie es nur angeht, betrügt sie ihn. Sie hat es leicht. Denn Paiman ist trog« und schwer von Begrsss. Er war früher Bauer. Einmal aber schöpfte er Verdacht. Er ahnt, daß sie ihn hintergeht. Mtt mehreren sogar, auch mtt den nicht- javanischen Rassen, die ihn hochmütig behandeln, mit den leide«-- schastlichen Männern von den Molukken, mtt den tapferen, aber hinterhälligen Menadonese» von Celebes . Mtt Soldaten, die ihm überlegen sind, mtt feurigen jungen Leuten, die schöne farbige Unterkleider anhaben, die Gttarre spielen, eine buschig« Haarlocke unternehmend über der Stirn tragen. Einsam sitzt der Gatte im Urwald, und da tauchen allerhand Bilder vor ihm aus. Er sieht die Kaserne, die Baracke der Verheirateten, den großen Raum, wo die cklctiien Abteil« für die Frauen und Haushälterinnen sind. Farbig« Tücher aus Kattun und Bombusuiände scheiden sie vonein- ander, bilden dunll«, lauschig« Winkel und Ecken. Es ist Nacht. In der Barock « flimmert eine einsame Petroleumlampe. Draußen spielt jemand aus einer Gitarre. Es ist dies ein Zeichen. Der Wowor? der Lonto? Oder ein anderer? Versluchte Hunde! Paiman fährt aus den Wachträumen auf. Manchmal packt es ihn wie ein Delirium. Die Gedanken, immer wieder dieselben, fließen in raschem Tempo, itn Tempo eines Fieber- pulfes, und hämmern unablässig: fic müssen sterben, sie müssen oll« sterben.'—■"------- Nach weiligen Tagen kehrte die abgelöste Truppe zuin Küsten- biwak zurück. Sie nahmen Paiman in Fesseln mit. Einige Stunden vor der Abreise sprach ich ihn zum letztenmal. Da sagte er mir einige Worte, die mir bestätigten, was ich schon ahnt«:„Ich habe damals geglaubt, daß ich mein Weib töte und die, welche vielleicht ihre Liebhaber waren. Die jungen Krokodil«, den Wowor, den Lonto und die anderen.* Das Gericht verurteilt« Paiman zu zehn Jahren Zwangsarbeit tn der Kette. Er kam nach Neu-Guinea , dorthin, wo Urwald und Sumpf jedes Urteil in ein Todesurteil verwandeln.
Bier Frauen warten auf den Henker. Bier Todes- kandidatlnneu in einer gemeinsamen Zelle des Frauengefängnisses St. L a zo r invParis. Es ist di« gleiche, in der während des Krieges die Tänzerin und Spionin M o t h a Hary der Guillotine entgegensah. Werden auch diese vier Frauen von hier aus ihren letzten Gang antreten? Geschworene haben innerhalb weniger Tage die vier— drei in Pari» und eine in Versailles — des Mordes schuldig be- funden und ihnen mildernde Umstände versagt. So warten fle des Todes Junta Kjures hatte di« dreizehnjährige Carmen, Mitwisserin des Gelddiebstohls bei ihren Eltern,- im Walde von Boulogn« getötet: David, aus Rache, den Säugling ihrer Nachbarn: Blanche Vabre ihren sünszehnjöhrige» Stiefsohn Jean: Iuliett« Brussy ihren Mann Und kein« van den vieren hätte mildernd« Umstände verdient? Sie alle sollten sich in einem Zustand befunden haben, der ihre Ueberlegungssähigkeit nicht beeinträchtigte. Junta Kjure, leugnete die Tat bis zuletzt. D« David bereute st«, weint« vor den Richtern, schien vollkommen ausgelöst: trüb war die Jugend dieser Auswartefrau, schwer ihre Gegenwart, die Aerzte bezeichneten ste als hysterisch— Ihre Richter aber tonnten kein Mitleid. Blanche Vabre. Schon früher Holl« ste zweimal Menschen blutig verletzt: zweimal an sich selbst Hand angelegt. Sie heiratete einen Mann, der drei Kinder in die Eh« mitbracht«. Sie ging schlecht mit ihnen um. Der Dater brachte die Ztleinen aus dem Haust. Eines Tages holte Blanche SeGre den fünfzehnjährigen Jean aus der Pension Was zwischen Sttesmutter und Stiefsohn vorgegangen, weiß niemand. Wie nach hartem Kampf fand man den Stiefsohn mit zahlreichen Messerstichen in der Wohnung tot. Die Sttesmutter wurde noch lebend qu, dem Wasser gezogen. Wes- halb hatte st« den Jungen getötet?„Ich habe ihn gefragt, ob es wahr sei, daß der Vater mich ins Irrenhaus stecken wolle. Und als der Junge ja sagte, ergriff ich das Mefler und stach auf ihn ein. sinnlos vor Wut.* War das ein Grund zu töten? Die Sach- verständigen sprachen von schwerer erblicher Belastung, van Hysterie und wer weiß wovon: die Angeklagte sei aber völlig normal. Und so wurde ste zum Tod« verurteilt. Iuliette Brussy! Luch sie Stiefmutter. Auch sie be- handelte ihre Stiefkinder schlecht. Auch hier war der Bater ge- zwungen, die Kleinen aus dem Hause zu schassen. Nicht das Sties-
tind siel der Frau zum Opfer, sondern der Man». Si« öffnete nachts den Gashahn, wartete im Keller, bis der Schlafende tot war. aß dann ruhig zu Abend und legte sich zu Bett. Di« Schwieger. mutier fei an allem schuld, Nagte ste vor Gericht. Wegen der Ler-- sicherungssumme habe die Frau ihren Mann getötet, meinte d--r Staatsanwalt. Als der Borsitzend« das Todesurteil verkündete, sagte sie:„Dank e.* Das Publikum applaudierte. Ein grausames Weib. Ganz normal, sagten die Sachoerstäudigen! Das war Iuliette Brussy. Wird sie hingerichtet werden? Oder wird Präsident Doumergue fle und die anderen drei Frauen be- gnadigen, wie in den letzten Jahrzehnten die Präsidenten der fran- zöstschen Republik es stets getan? Nicht solang« der Krieg währte: Matha Hary, dl« Spion in, wurde hingerichtet. Auf Grund eines Schwurgerichtsspruches hat aber im Jahr« läk-J die Guillotine das letztenial den Kopf einer Frau vom Rumpf getrennt. Der Kampf dieses Weibes auf dem Schafott um ihr Leben war so furchtbar, daß vian sich seitdem nicht mehr entschloß, «ine Frau zu guillotinieren Es wurde das Privileg der Männer. Im Jahr« 1830 war es Frau Pachaut, die ähnlich wie Iuliette Brussy vom Tode de« Mannes Befreiung erhoffte. Si« zertrümmerte ibm während des Schlafes den Schädel. Und büßte dafür mit Ihrem Kopfe. Anette Eaulagne vergiftet« ihre Kinder: Anna Marehalle außer diesen noch den Mann. Im Gegensatz zur Pachaut nahm jene ruhig, ja mtt Zynismus, ihr Schicksal hin. Und die Marchalle hinterließ gar für ihren Mann eine Grabschrift:„Hier ruht Jean Bapteste Marchäll«, 37 Jahre alt. Mustergüttiger Ehemann, zärtlicher Bater, guter Christ, tat alles, um den.Armen zu helfen. Dem teuren und tugendhaften. Manne von setner zu Tode betrübten Frau. Friede seiner Asch«.*— Als st« das Schafott bestieg, sagte ste zum Pfarrer:„Och bin zufrieden, Si« haben mich gut vor- berettet zum Uebergang in ein« besser« Welt.* Sie war bestimmt normal, diese Ieanne Baptist«, die Mann und drei Kinder ve.r- giftete. Und«ine so gefühlvoll« Grabschrift hinterließ. Ganz normal.... Die sronzöstsch« öffentliche Meinung ist von den vier Todes- urteilen kaum berührt worden Auf ein« Umfrage hin haben sich einige Frauen für die. Gleichberechtigung von Mann und Frau vor der Guillotine ausgesprochen. Bier Frauen warten im Gefängnis St. Lazar auf den Henker. Werden sie hingerichtet? Leo Rosenthal