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45. Jahrgang.

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Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Freitag

21. Dezember 1928

10 Pfennig

Die etnia alttge Ronpareillezetle 80 Bfennig. Retlamezeile 5.- Reichs mart Kleine Anzeigen" das fettge. brudte Bort 25 Pfennig( zulässig zwet fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Bfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Bfennig, jedes wettere ort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmart Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden Straße 3, wochentägl. von 8 bis 17 Uhr.

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Severings Ruhrſchiedsspruch.

Regelung der Arbeitszeit.- Mängel im Schlichtungsverfahren.

Reichsinnenminister Severing berkündete heute im| nachfolgende Aussperrung unnötig zu machen. Unter diesen Um­Arbeitskonflikt Nordwest seinen Schieds. ftänden war es geboten, spruch, in dem es u. a. heißt:

Für die Zeit von der Wiederaufnahme der Arbeit bis zum 31. Dezember 1928 regelt sich die Entlohnung nach dem für verbindlich erklärten Schiedsspruch vom 27. Oftober 1928.

Mit Wirkung vom 1. Januar 1929 erhalten die im reinen Zeitfohn beschäftigten Arbeiter im Alter von über 21 Jahren eine nicht affordfähige Zulage nach Maßgabe einer besonderen Zabelle, in der Zulagen non 1 bis 6 Pfennigen je nach dem bis herigen Zeitlohn gewährt werden.

Die Zulage beträgt für die unterste Klasse 6 f. pro Stunde und in der obersten Klasse 1 Bf., so daß in den untersten Klassen künftig 67 Pf. und in der höchsten Klasse 90 Pf. zu zahlen sind. Die Affordlöhne bleiben unverändert. Die sozialen und sonstigen tariflichen zu Tagen werden durch diese Regelung nicht berührt.

Die Akkorde sind so anzusetzen, daß der Durch fchnittsarbeiter bel gesteigerter Leistung unter normalen Betriebsverhältnissen 15 Broz. über den Tariflohndet entsprechenden Gruppe hinaus verdienen muß.

Für die Dauer der Arbeitszeit sind die gesek. lichen Vorschriften maßgebend, soweit sie nicht durch die Arbeitszeitregelung dieser Entscheidung oder durch eine spätere Vereinbarung der Tarifvertragsparteien in zulässiger Weise abgeändert werden.

Die

Mit Wirkung vom 1. Januar 1929 wird die Arbeits­zeit für alle Arbeiter, die 60 Stunden arbeiten, allge­mein auf 57 Stunden die Woche berkürzt. Arbeitszeit ist in den verschiedenen Spezialbe trieben wie Gießereien, Schweißereien usw. nach einer besonderen Vereinbarung geregelt, die im Schiedsspruch festgelegt wird. Maßregelungen aus Anlaß des Lohnkonflikts sind unzulässig.

Dem Schiedsspruch ist eine sehr umfangreiche Begründung

beigegeben, der wir das Folgende entnehmen:

An die Spitze der Entscheidung ist die Bestimmung gestellt, daß für die Zeit von der Wiederaufnahme der Arbeit bis zum 31. Dezember 1928 die Lohnerhöhungen des verbindlich erklärten Schiedsspruches Geltung belommen sollen. Daß diese Bestimmung lohntechnisch einige Schwierigkeiten bereitet, muß ohne weiteres zu gegeben werden. Wenn trotzdem auf diese Bestimmung nicht ver­zichtet worden ist, so waren dafür gewichtige Gründe maßgebend, die letzten Endes in der Berpflichtung liegen, dem heute noch gel­tenden Schlichtungsverfahren Achtung zu verschaffen.

Es fann nicht in Abrede gestellt werden, daß dem heutigen Schlichtungsverfahren Mängel anhaften. Jahrelange Erfahrun gen haben gezeigt, daß die Parteien allzu leicht geneigt sind, Berein. barungen aus dem Wege zu gehen, wenn diese Bereinbarungen ohne gegenseitige Zugeständnisse nicht erreicht werden können. All­zuhäufig haben fie in derartigen Fällen die Entscheidungen über den Lohnstreit dem Schlichter und in letter Instanz dem Reichsarbeits­ministerium überlassen. Dieses Berfahren, das allmählich zur all­gemeinen Uebung wird, hat die nachteiligsten Folgen infofern, als es das Verantwortungsgefühl und die Verantwortungsbereitschaft der Parteien herabmindert und die Berantwortung ausschließlich ben Amtsstellen überläßt. Es wäre dringend zu wünschen, daß auch ohne eine Wenderung des Schlichtungsverfahrens die Parteien mehr als bisher zur Berständigung im Lohnstreit fommen würden. Wenn darum auch anerkannt werden soll, daß das Schlich. tungsverfahren Mängel aufweist, die eine Abstellung er forderr, so geht es doch nicht an, daß sich eine Partei über einen rechtsverbindlich erklärten Schiedsspruch mit einem Aft wirtschaft­ficher Selbsthilfe hinwegfeht, der nicht nur für die Eiſenindustrie, sondern weit darüber hinaus für das ganze Wirtschaftsleben Deutschlands   sehr bald die schwersten Folgen nach sich ziehen mußte.

Als sich die Regierung Ende November zu einem Eingreifen entschloß, handelte es fich nicht mehr allein darum, Meinungsver schiedenheiten über die Lohnhöhe zwischen der Arbeiterschaft und den Unternehmern in der nordwestdeutschen Eisenindustrie zu schlichten, fondern auch, und zwar vorwiegend um die Abwendung von wirt­fchaftlichen und polifischen Erschütterungen, die, zur vollen Aus­wirkung gelangt, das ganze deutsche Wirtschaftsleben in schwerste

auch in der Entscheidung zum Ausdrud zu bringen, daß das Schlichtungsverfahren nicht ohne weiteres beiseite geschoben werden darf, wenn einer Partei die ergangenen Entscheidungen mißfallen.

Andererseits läßt sich nicht verkennen, daß die Wirtschafts lage in der nordwestlichen Eisenindustrie zurzeit teineswegs besonders günstig ist. Die allgemeine Konjunttur ist, gemessen an dem Beschäftigungsgrad des Jahres 1927, 3urid gegangen und die Ertragsmöglichkeit hat besonders in der er­zeugenden Industrie durch einige ungünstige Umstände des laufen­ben Jahres eine nicht unbeträchtliche Einbuße erfahren. Zusammen. faffend läßt sich also sagen, daß die Verhältnisse seit Ende des ver gangenen Jahres nicht günstiger geworden sind und daß feine An­zeichen vorliegen, die eine erhebliche Befferung in furzer Frist er. tennen ließen. Dieser Umstand fonnte bei der Prüfung der Lohn­erhöhungen nicht unberücksichtigt bleiben.

Bei der Brüfung aller der Neuregelung unterworfenen tarif­lichen Abmachungen hat sich herausgestellt, daß diese Abmachungen

erheblichen fonffifufiven Mängeln

leiden, die in der Hauptsache in der Unübersichtlichkeit und in der SystemIosigteit bestehen. Es wäre nicht unerwünscht gewesen, jetzt schon eine vollkommene Neuordnung, ins besondere des Rahmentarifs, zu treffen, der in gewissem Sinne die Grundlagen für die Festsetzung der Löhne und der Arbeitszeiten bestimmt. Das war aber ohne eine ausführliche Vorarbeit mit den Parteien unmöglich. Diese Neuordnung muß deswegen einer spä teren Vereinbarung der Parteien im Zeitraum oder nach Ablauf der Geltungsdauer der vorliegenden Entscheidung überlassen bleiben. Es darf aber die Erwartung ausgesprochen werden, daß die Parteien den schon einmal unternommenen Versuch einer der­artigen Regelung ernsthaft aufnehmen und durchführen. Daß in dem ausgedehnten Industriebezirt, der von Düsseldorf   bis Hamin reicht und in dem neben der gewaltigen Urproduktion auch die meiterverarbeitenden Werkstätten liegen, die selbst noch die größten Mannigfaltigkeiten in der Arbeitsweise aufweisen, die

Durchführung von Normativbestimmungen für die Berechnung der Berdienste nicht allzu leicht ist,

leuchtet ein. Aber die vorliegenden Schwierigkeiten müssen über­

London noch in Gasgefahr.

Fortdauer der Explosionen.  - Keine Menschenopfer.

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Durch die furchtbare Gaserplofion, die geffern in London   statt, Straßenfreuzung um Mitternacht noch immer bis zu 3 mei Meter fand, ist niemand getötet worden. 17 Personen, die Ver­lehungen erlitten hatten, wurden ins Krankenhaus geschafft, darunter sieben mit Gasvergiftung. Am Nachmittag erfolgte die zweite Explosion. Ein fünfftödiges Haus wurde in Flammen gehüllt, die 50 Fuß hoch in die Luft fliegen. Mit Gasmasken versehene Arbeiter sind dabei, die allgemeine Gasbelieferung wieder sicher­zustellen.

In dem Explosionsgebiet in Bentral- London   schlugen an einer

Mitleidenschaft gezogen hätten. Es ist nicht erwiesen, daß vorher Blick auf den Stadtteil Holborn, den Schauplatz

alle Mittel erschöpft worden find, um die Kündigungen und die

der furchtbaren Gasexplosion.

hohe Flammen aus einem der vielen Krater, die in den Asphalt geriffen morden sind. Verschiedentlich find noch fieinere unterirdische Explosionen von Gastaschen" vernehmbar, die sich unter dem Straßenpflaster gebildet haben. Die Gefahrenzone ist von der Bolizei streng abgesperrt. An ihren Zugängen halten noch eine Anzahl Feuersprigen mit ausgelegten Schlauchleitungen, um im Notfall bei erneuten Explosionen gleich eingreifen zu können. In der Luft ist noch starter Gasgeruch wahrnehmbar. An den Straßenlaternen hängen Schilder mit der Aufschrift: Rauchen verboten." Ungefähr 400 Familien find zum Räumen ihrer Häuser aufge­fordert worden und haben dies größtenteils getan.

Die menigen Zurüdgebliebenen bleiben auf eigene Gefahr. Bis nach Mitternacht standen dichte Menschenmassen an den Zufahrtstraßen des Biertels, das in Ermangelung des Gaslichtes von transportablen elektrischen Lampen erleuchtet ist. Die Störungen des Straßen­verfehrs waren sehr groß, besonders zur Zeit des Theaterschlusses. Es herrscht große Genugtuung darüber, daß die Berlustliste im Ver­hältnis zu der Gewalt der Explosion und dem Umfang des Material­schadens so gering ift. Bon den 15 mit Berlegungen oder wegen Gasvergiftung ins Krantenhaus gebrachten Personen fonnten fieben nach der Behandlung wieder entlassen werden. Der den Ladeninhabern durch die Störung des Weih­nachtsgeschäfts zugefügte Schaden ist sehr groß. Der Schaden an den Straßen wird auf etwa eine Million Mark geschätzt. Die Beschädi­gungen der Häufer sind noch nicht abgeschätzt. Die Fundamente mehrerer Häufer an der Ede von High Street und Denmark Street gelten als gefährdet. Die Sachverständigen befürchten, daß sich unter dem Straßenniveau zahlreiche Ansammlungen beträchtlicher Gas­mengen gebildet haben, von denen aus das Gas allmählich in die Keller und die anderen Räumlichkeiten der Häuser eindringen wird. Jufolgedeffen rechnet man mit der Möglichkeit fleinerer Explosionen für die Dauer von mehreren Wochen. Die Gaslicht- und Koks­Gesellschaft hat eine Erflärung veröffentlicht, in der sie die Berant­wortung für die Katastrophe von gestern vormittag ablehnt mit dem Bemerken, die Explosion sei in einem unterirdischen Tunnel des Postamies erfolgt, während dort Angestellte des Poftamtes mit Reparaturen beschäftigt waren.

Hindenburgs Antwort an Simons Die Kulmbacher Räuber Schiedsspruch für die Werffen

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