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3Ir. 605 45. Jahrgang Öeanfog. 23. Oejonfer 1928

3)as Warenhaus der 9ilelmien

ImEngrosladen" der Kleinhändler. Eines der(Srofefcuer, die uns in diesen Weihnachtstagen er- schrecklen. vernichtete in der Kenen F r i e d r i chst r a ß««ine «Engrosyalanterleworenhondiung�. Und wer nun aus Neugier in dieses tme End« der Straße geriet, mußte feststellen, daß hier f a st ied«? Haus«ineEngrosgalanteri«marenhand- l u n g* beherbergte. Hier liegt nämlich das Zentrum des Einkufs sür die Straßenhändler Berlins . Alles zu haben. Eigentlich kann man in diesen Läden olles haben: Wollene Zacken und Ärbeitshenrden ebenso wie Luzusladertaschsn. Vriespapter »nd Kämme. Aber jetzt gekst fast nicht» anderes als Spielwaren. kametta und Veihnochtslerze«. und nur gan; Norsichtige. fangen schon an, sich mit den üblichen Silo« st c r> che rze» einju- decken. In den mechanischen Spielwaren schlägt natürlich Flugzeug >tnd Zeppelin heute jede Äonkurrcilz, es gibt sogar ein von zwei Aeroplanen unfreistes Flugzeugmutlers chisf: daneben ist natürlich das Auto in ollen Formen meiterbeliebt, und als sozusagen altuell- ste» Spielzeug für Berliner Kinder kann wohl«in Feuerwehr- automobil gelten, das selbsttätig bremst und eine mechanisch« Leiter ausstellt. All« dies« Herrlichkeiten kosten ungefähr 30 bis 70 J5f. im Einkaof.(c daß dem tüchtigen Straßenhändler ein angemessener Verdienst bleibt. Außer den mechanischen Spielwaren gib! es dann noch hieFeuerräder", deren aktuellste Abwandlung der seuer- speiende Inder ist und dieCuletschcr'. die in immer neuen, ortgi- nellen Scherzstgurev maskiert, jetzt einer der beliebtesten Artikel des weihnachtlichen Siraßenhandels geworden stnd. �jck will jar nifcht N» wmammmmmmmm

von all fon verschiedenen Kram wissen/ erklärte ein Straßenhändler. 5ck bleibe bei die Quietscher! Wenn man da een bisken reden kann, sind die det schnellste und beste Jcschäst! Ick ruse einfach: Na, wer hier noch mal keene SchwiegcrnmUer hat... nehm je »:it. mein Herr, so billich konim'n S« nich mehr dazu!" Da tooscn S« alle... Aber wer nich reden kann, soll nich uff de Straße sehen! Die Arbeitslosen, die jetzt mal ccn bisken mitmachen wollen, kennen jejcn«enen richtijen Händler doch nich uffkommcn.,, Un die Kinder mit ihre paar Jrofchens..." Die kleinsten �Geschastskapitalien"'. Ja.die Kinder mit ihre paar Iroschens"... die sind sogar recht gute Soisonkunden dieserEngrosxefchäste", denn hier kann man schon mit 30 Vf. einenEngroseinkaus lästgen". Und so fängt die Korrier« so eines jugendlichen Geschäftsmannes oft damit an. daß er dos hier für 30 Pi. erstandene Dutzend Knarren schnell auf dem Alexanderplatz umsetzt, mit dem für den Erlös erstandenen nächsten Dutzend ani Rathaus steht, und sich so, mit �wachsendem Warenlager, vom Zentrum nach dam Osten oder Westen raus« handelt. Man kann hier unter den Kunden überhaupt genau den Arbeitslosen von dem Strabeichändler von Beruf unterscheiden. Der Siraßenhändler steckt gleich viel größere Summen In das Geschäft, während auch der erwachsene Erwerbslose zumeist mlk lOO Brief Lametta ansängt, die dev Vorzug hoben, noch nicht 2 Mark zu kosten. Erst langsam handelt er sich herauf und wechselt auch öfter mit seiner Ware, um dl» Dinge h«rausz>:stnden. mit denen er am leichtesten einig« Groschen Profit«rzlett. Der berufsmäßige Händler aber bleibt feiner Speziallläk für die Solfon treu Und Ist ganz un. glücklich, wenn die mal nicht aufzutreiben ist..Haben Sie Tiroler Tanzpaars?" stürmt einer herein.Mcviel? Die können Sie mir man alle reservieren! Hemeln is det. nirjends sind Tanzpaore zu kriejen!" lind er nimmt sich gleich zwei Dutzend Kartons zu je einem Dutzend Paare mit. Er arbeitet mit seinem' Sohn, wie er sagt, schon lange in diesem Artikel:Un beim kricht man mit der Zeit so den Zauber raus!" U-ber«in halbes Dutzend Berkaufs- fräste sind im Loden, und doch ist keine zu viel, denn fast ununter- brachen klappt die Ladeniür, und bei aller rauhen Gemütlichkeit dieser Kundschaft warten will keiner, und wenn gerade kein« Verkäuferin frei ist, so macht mancher einfach Miene, kurz umzu-

kehren, und der Herr Chef muß selbst eingreifen, um den Kunden zu bedienen. Und um die kleinsten Beträge handelt die Kund- schaft. Plötzlich erhebt sich ein lärmender Disput: Für 1000 Brief« Lametta will ein Strahenhändlerpaar noch einen Extrarobatt be- willigt haben, und weil sich der Chef nicht dazu verstehen will, wird er mit frommen Weihnachtswünschen überschüttet:Denn hängt Euch uff mst Euer Lametta! Fufszich Pfennje bei 1000 Briefen!" Und entrüstet knallen sie die Ladeniür hinter sich zu. Kleinste Händler. Hier und da stehen zwischen den großen Leuten auch die Ge» stalten schmaler, abgerissener Kinder. Einige kaufen hier für eigene Rechnung, andere als Einkäufer des Vaters oder der Mutter. die irgendwo einen kleinen Stand haben und die Kinder nur zu gern als Helfer annehmen. All« aber betragen sie sich wie alt« Geschäftsleute. Da steht so«in Dreizehnjähriger und fordert �Schäfchen", da» uralte weihnachtsspielzeug aber die so stark be» gehrten Schäfchen sind gerade alle geworden.Irade die besten Artikel sind nicht zu kriejen." meint er mißvergnügt, als er erfährt. daß auch die Knarren schon ausverkauft sind.Acht Dutzend Schäfchen und vier Dutzend Knarren Hab« ick vorjen Sonntach verkanft!" Und brummend nimmt er nur ein Dutzend Zelloloidpuppen für die Mutter mit, dazueen halbet Dutzend non die kleenen. bunten, mal erst sehen, wie sie sich einsührn"... mehr als 35 Pf. Risiko kann das Geschäft noch nicht tragen.Du handelst, Mutler handelt«md was macht denn n» dein Bater? Ganz gleichmütig kommt die Antwort:'N Vater Hab ick jarkeen"... Ist er tot, gefallen, oder hat der arme Bursche nie einen Vater gehabt... Welche Tragödie auch dahinterstecken mag, der Junge scheint davon überzeugt zu sein, daß man auch ohne Vater durchkommen kann. Er steht selbst seinen Mann. Dann kömmt ein Fünfzehnjähriger: Der arbeitet den Tag über als Lanf- junge, nimmt aber Sonnlogs und in den Abendstunden noch da» Straßenhandelsgefchöst mit.Hck will mir'n Mantel koofen!" ver­traut er mir an. und erweist mir die Ehre, mich als künstlerischen Beirot bei der Auswahl von Quitschfiguren zu beschäftigen. Mit 90 Pj. Kapital hat«r angesangen. anderthalb Dutzend Knarre» waren die erst« Ware, jetzt hat er sich schon zu anderthalb Dutzend Quietsch- figurcn heraufgearbeitet und will ein erstes Experiment mit vier Feuerrädern wagen, und stolz zählt er fein Geschäftskapital von Z Mark und 75 Pf. In lauter Groschen und Sechfern aus den Tisch des Haufe». « Ja. hier in diesen komischen Laden voller Kartons und Krame- reien, hier haust wirklich der Weihnachtsmann der armen Leute. Und die Händler mit seinen Schätzen, die an den Rändern der erleuchteten Straßen stehen, handeln wohl mit Weihnachtssreuden für die anderen. Aber gleichzeitig handeln sie au 6) um Weihnackstsfreude für sich und manchmal ist es schon Weihnachtsfreude, wenn auch nur sür ein bißchen bessere Nahrung. Und das sollten wir nicht vergessen, wenn die roigefrorenen Finger alter und junger Ge- legenheiishändier uns vor der erleuchteten Tür der Geschäft« drei Briese Lameita oder irgendein anderes Weihnachtszubchör ent- gegenstrecken. Wer Witt unter die Soldaten..." Weihnacht««, da» Fest der Qieli«, steht vor der Tür. Da wurde der Zimmermann aus Nazareth geboren. In feinem Namen wird verkündet:Du sollst nicht töten". Draußen, an der nordöstlichen Peripherie der Stadt, feiert eine Volksschule ihren Ellern - abend mst weihnachtlichem Anklang. Den Beschluß bildet eine zusammengestellte Szenensolgc:Aus Frau Halles We'chnachtssticke", 'Da passiert es. Zehnjährige Mädchen müssen auf Geheiß ihres Lehrers alsSoldatenspielzeug" mitwirken. Unterm Stahl- Helm, mit geschultertem Gewehr, klingt es srisch-sröhtich van hellen Mädchenstimmen, zu Ehren des Christentums: W«r will unter die Soldatei». der muß haben«in Gewehr...

®' Soldat Surren. St onxan von Seorg von der!)rkng. CopyrigWi 1927 by J. W. Spaetb Verlag. Dsrliv. Man unterscheidet deutlich zwei Geräusche, lange Zeit dag dumpfe Fallen van Brettern auf meichen Baden, dann �agengerafsel, danach wieder Fallen van Brettern. . Bon link» wird ein Befehl durchgegeben, er lautet: Gleich Schützenfest! Einrichten van dem dicken Äugelbaum bis öu den Pappeln! Achtung! Fertig! Feldwebel Engelke, der sich halb aus dem Graben er- hoben hat, befiehlt:Feuer!" Wir geben drei Salven ab, sie rollen wütend durch die �ackt. Stille tritt ein. nur der russische Hund gibt eine kleine Eigensinnige Antwort. Dann steht jemand oben auf der Deckung. Es ist Bubi, der Verpflegungsunteroffizier. und er kräht:Jetzt schieße ich allein!" Man sieht deutlich, wie er den Kolben, an die Backe legt und sorgfältig tn Nichts zielt. Dann knoM der S-buß. E? ist wie im Theater man ist begeistert und mochte B-t- fall spenden.. Dieser Gedanke aber endigt mit Bubis famosem Knall. °enn nun schmettert eine wllde Salve vom russischen Graben herüber. Mit einem Schlage haben wir uns in unierm winzigen Erdspalt wie Igel zusammengerollt, wahrend Sawe °uf Salve über uns hinpeitscht, mtnutinlang. Danach de- ginnen sie tn eine unaeregeltc Schießerei ausetnonderzu. fallen nicht weniger bösartig, weil man die Bienchen einzeln schwirren bört das eine möchte den. das andere diesen besuchen. Wir drücken die Helme an d:« kleine �rabenwand und warten auf da» Ende dieses Ausbruches. �er Oesterreicher beunrukpat sich und lendet unentwegt Leuchtkugeln empor. Der Rvsie feuert eine halbe Stunde ohne Pause. Ich frage mich: Wie werden wir zurückkommen. um I.wei Uhr tue Dämmerung einsetzt. Albering l?hnt seinen Kopf schweigend neben den meinen, auch er hat mit- geschossen. Einen Augenblick flaut da» Schößen ab. Ich höre mein»« �nken Nebenmann stöhnen, es ist Klees. Auch wir wird bang ums Herz. Wie ein Tierlein, das man aualt. stonnt «r. trocken und den Tränen nahe. Wieder prasseln Schüffe. wieder stöhnt er, das Gesicht auf dem Arm. Der nächste m

der Reihe beugt sich zu seinem Ohr und flüstert etwas. Es ist unser Sergeant, er zürnt:Beherrschen Sie sich doch! Seien Sie doch ein Mann!" Ohne seine Stellung zu ändern, klagt Klees:Sie sind gleich da," und wimmert. Es zerschneidet mir das Herz. Wie soll ich heimkommen? Es beginnt bereits zu tagen, meine Hände liegen wie zwei helle Steine unter mir an der Erde. Sökel aber sogt laut:Das ist ja Unsinn solange sie schießen, kommen sie nicht. Ich werde nachschauen. wenn Sie es wissen wollen." Er erhebt sich trotz der tropfenweise herstreifenden Ge- schösse, späht in die Runde und bückt sich rasch wieder. Seien Sie doch still. Hasenherz!" mahnt er böse.Es ist nichts zu sehen. Das ist nichts als ein- ganz gswöhn- liche Schießerei." Klees schluckt. Horch, wieder kläfft der Hund! Vielleicht kommt er sogleich zu uns gerannt, in der Morgendämmerung über die halbfertige Brücke, mit Atem wie Feuer. Der Russe schweigt. Eine Viertelstunde verrinnt. Die Leuchtkugeln der Oesterreicher fallen in müden Boden nieder. Hinter den drei Pappeln breitet sich«in grauer Streif über den ganzen östlichen Himmel. Jetzt sind schon die Gesichter zu erkennen, wir müssen sort. Einzeln zurückkriechen!" befiehlt Sökel. Man wartet, bis man an die Reihe kommt', es dauert lange. Eine gleichmäßige Hella steigt bis an den Scheitel des Himmels, van den Russen her kommt das feindliche Licht. Man kann nicht länger warten, kriecht los, fühlt etwas Drohendes im Rücken, das sich nähert, springt auf die Beine, geht, läuft eine Strecke, geht wieder. Kochgeschirre klappern gegen Seitengewehrjcheiden. Jetzt sehe ich die ganze Reihe der laufenden Soldaten, es sind vielleicht 20, in Mänteln. Sie haben die Köpfe in den Kragen, als erwarten sie von rückwärts einen Hagelschlag. Werden die Russen schießen? Lautlose Stille. Nur die hastigen Schritte der Soldaten und da? verfluchte Rasseln der Kock-gelch'rre. Kein Hundeqebrll. kein Laut heller Tag und zwanzig graue Menschen, die zurückstreben tn den Graben. Soldaten mit aufgepflanzten Seiteng-wehren, un- ordentlich umgeschnallten Koppeln, und Kochgeschirren, die an ihren Oberschenkeln soringen Ich sehe sogar, daß einer einen Erdfleck auf dem Rücken hat. Er ist riesengroß und schwarz, diese,; Fleck, wie ein Loch im Himmel jeder Russe muß ihn sehen! Die Reihe tellt sich, man sucht die Stroh- wische zu erkennen. Hier ist das Drahtverhau, hier der Durchlaß.

Sie waren hinter uns geleimt!" lacht einer, der vor mir das Drahtfeld verläßt. Wir erblicken den Graben, springen hinunter, berühren mit. den Füßen die Sohle da rast eine wütende Salve über uns hin. Tierlein erhebt sich aus der Kniebeuge, fein morgen- blasses Gesicht überstrahlt ein Lächeln, er hebt die Hände verzückt. In demselben Augenblick prallt einer, der zuletzt ge» sprnngen ist, neben mir auf den Boden, schlägt mit beiden Händen gegen die Rückwand des Grabens, kniet an ihr, sinkt langsam zur Seite, gefolgt von zwei schmalen Sandbächen, die seine Finger ausgewühlt haben. Es ist der Sergeant. Er ist mitten durch den Llopf getroffen, tot. Ordanaanz. Die Sterne verblassen, man sieht Wiesen rings, helle Dirkenstämme, einzelne Gehöfte und endlich da vorn dos langgestreckte Dorf zwischen den schwarzen Bäumen der Straße, Apollonia. Bei einem der Häuser flattert Wäsche. Man schreitet durch die unendliche Stille an einem Wasiergraben hin, der einen Trupp grauer Morgenwolken spiegelt, immer auf die Wäsche los, die da vor Apollonia flattert. Man freut sich auf den Schlaf im Zelt. Kurz noch Mitternacht wurde die Kompanie von den Braunschwcigern abgelöst. Das Wildschwein rannt« wie vor einer Wache an seinem Posten entlang, und man selber ging los. immer geradeaus, Tornister und Gewehr umgehängt, in Richtung auf die Mühle, die vor acht Tagen, also vor recht langer Zeit abgebrannt war. Man wandte sich nicht um. Der Russe oerhielt sich still. Die Kompanie marschiert feit einer Stunde in voller Auflösung. Nur die einzelnen Gruppen, die ihr Zelt ge- meinsam bauen wollen, halten sich zusammen. Jetzt hat die Spitz« das erste Haus von Apollonia erreicht. Jetzt erkennt man eine Unterhose und zwei Hemden, sie blähen sich an einer Hecke im Wind. Reben seiner Wäsche stebt ein mit Strohhalmen behanqener Soldat, den unsere Ablösung ge, weckt haben mag. Posten. Man geht vorbei und foppt ihn ob seines Argwohns, worauf er stirnrunzelnd das Ende der Kompanie abwartet. Jetzt werden Zelte geballt, und Tee mit Rum empfan- gen und getrunken und. während sich der Himmel zu einer feurigen Sturmhaube ausbeult, das Stroh der Braun- schwelger unters Genick gezogen und geschlafen. (Fortsetzung folgt.)