Morgenausgabe
Nr. 1
A1
46. Jahrgang
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Der Bormorts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlix und im Handel mit dem Titel„ Der Abend". Illustrierte Beilagen Bolf und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Biffen". Frauen. timme, Technif"" Blid in die Büderwelt und Jugend- Borwärts
Quen pod ibiglia
517
Vorwärts
Berliner Bolksblatt
Dienstag
1. Januar 1929
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neue Opfer erfordert.
Es gehört feine besondere Prophetengabe dazu, um vor auszusagen, daß sicherlich diejenigen wieder am lautesten gegen die neue Bedrüdung protestieren werden, die sie am leichteften tragen fönnten. Das sind die Kreise, denen erst immer durch neue Steuergefeße zum Bewußtsein gebracht werden muß, daß wir einen schweren Krieg verloren haben, die wenigstens in ihrer Lebensführung dieser Tatsache bisher menig Rechnung getragen haben. Für uns fann es fich nicht darum handeln, über neuen Steuerdrud zu zeiern wir haben vielmehr die Aufgabe, bei der Aufbringung und Ber teilung der neuen Steuern dafür zu forgen, daß der Stand der sozialen Fürsorge und der Kulturpflege nicht herab
Philosophische Grübler fönnten mit Recht Betrachtungen| Tagen eine Rechnung präsentiert, werden, die zu begleichen darüber anstellen, ob es richtig ist, den mit dem Ablauf eines Kalenderjahres, beendeten Zeitabschnitt zum Ausgangspunkt politischer, fulfureller und sozialer Werturteile zu machen, wie das heute faft zur geheiligten Ueberlieferung geworden ist. Und mit wohl noch größerem Recht könnte man die Frage aufwerfen, warum wir gerade pon dem neuen Kalenderjahre Neues und Besseres erwarten. Sonnen gehen auf und nieder, Wolfen geh'n und kommen wieder, und kein Mensch wird's wenden deklamieren uns die nlichternen Weltweisen, während die emig Unbefümmerten ans fröhliche Ende den fröhlichen Anfang knüpfen, ohne der 3äjur des 1, Januar eine allzugroße Bedeutung beizumessen. Wir sind vor dem Verdacht gefeit, daß wir von dem neuen Jahre Besseres erwarten, das wir nicht selbst erringen. Die Sozialdemokratische Partei ist feine Gemeinschaft von Schwärmern, die des Wunderbaren harrt, das an einem Tage mit überfinnlichen Kräften die Erlösung des Menschengeschlechts vollbringt. Die Befreiung des Menschengeschlechts von der Schredensherrschaft der apokalyptischen Reiter ges fchieht nicht durch Zeichen und Wunder. Sie ist irdisch und etheischt Zeit. Ihr Tempo ist nur zu beschleunigen dadurch, daß sich immer mehr Menschen bereit finden, Hand und Herz bem großen Biele zu opferu. Diese Erkenntnis führt uns zum Sozialismus, fpornt uns an, Apostel zu werden für ein Reich, das den Glaubensgrundjaz Liebe deinen Nächsten wie dich selbst zur Wirklichkeit werden läßt. So wollen wir durch unsere Mühen dazu beitragen, daß das neue Jah:
ein befferes werde.
Und wenn wir in der Muße der Festtage Rüdblid und Ausblid halten, so genügen wir damit nur einer Pflicht, die uns der Charakter unserer Partei als Rampfes organisation auferlegt. Je flarer wir die Wegstrecke erkennen, die hinter uns liegt, und je sorgfältiger wir das Terrain fondieren, das unser fünftiger Vormarsch berühren wird, um so sicherer werden wir marschieren.
Der Rüdblick auf das verflossene Jahr gibt uns zu Jubelhymnen feinen Anlaß. Wir fönnen nicht mit einem langen Register von Erfolgen aufwarten, die beweisen sollten, wie herrlich weit wir es gebracht haben. Und doch sind unsere Mühen nicht vergeblich gewesen. Der Wahlerfolg unserer Partei am 20. Mai hat die Voraussetzung für die Arbeits basis im Reiche geschaffen, die allein die Aussicht auf eine langfame Befferung unserer außen und innenpolitischen Lage bietet. Es wäre Selbsttäuschung, wenn wir uns nicht eingestehen wollten, daß die politische und soziale Ausbeute des Jahres 1928 recht mager geblieben ist, aber es wäre Selbstbetrug, wenn wir leugnen wollten, daß unsere Stellun gen fester geworden sind. So mag im fummarischen Urteil über 1928 ein Bort der Geisterstimme Uhlands gelten:
gedrückt wird. Mit einem Defizitetat, dessen Deckung wir dem Zufall oder dem lieben Gott überlassen, würden wir nicht allein die Gefahr einer neuen Inflation heraufbeschwören, sondern uns auch selbst den Weg zu einer vernünftigen- Regelung der Reparationen verbauen. In dieser Frage ist im verflossenen Jahre zweifellos ein Fortschritt erzielt worden. Wenn man bedenkt, daß zu Beginn des Jahres 1928 der französische Ministerpräsident Poincaré gegen den Vorschlag des Reparationsagenten, die deutschen Reparationsverbindlichkeiten auf einer absoluten Grundlage, festzusetzen, noch die lebhaftesten Bebenten erhob und damit die Tatsache vergleicht, daß jezt eine von den Regierungen ernannte Sachverständigenkommission sich anschickt, eben diesen Vorschlag zu prüfen oder gar auszuführen, dann tritt
Deutsch - englischer Grußwechsel.
Die Hoffnungen der Internationale.
Der Präsident der Sozialistischen Arbeiter- Internationale und ehemalige britische Innenminister Artur hender lon, Unterbausabgeordneter der Arbeiterpartei, sendet der Deutschen 103ialistischen Arbeiterbewegung den folgenden Neujahrsgruß:
Wachstum des guten Willens zwischen den Nationen bringen? ,, Wird das kommende neue Jahr neue Beweise für das Jeder international Denkende wird sich diese Frage stellen und sich auf die Forisegung der politischen Kämpfe gefaßt machen müssen, che eine bejahende Antwort möglich sein kann. Die Feinde der Organisierung der friedlichen Beilegung internationaler Streitfälle und der Organisierung der Abrüstung find die Feinde des Friedens. Die großen Nationen treten für die Rechtung des Krieges ein; gleichzeitig aber machen einige unter ihnen ganz offen Vorbehalte, die sich auf das Recht zum Kriege beziehen und zeigen keinerlei Eifer, sich zur Schaffung einer Alternative für den Krieg zusammenzutun. Der Pfad zur Abrüstung ist beschwerlich, aber nur deshalb, weil der Geist des Militarismus zwar bereit ist, das Risiko des Krieges auf sich zu nehmen, nicht aber das Risiko des Friedens.
Die Militaristen entwerfen ihre militärischen und maritimen Mindestprogramme, sie haben bisher jedoch nicht den Mut gehabt, auch nur die Zahlen und Siffern für die Streitkräfte zu Lande und zur Luft als Beitrag zu einem Abrüftungsprogramm niederzulegen.
Falscher Stolz, Nervosität und die Trägheit derjenigen, die
und inmitten verstärkter Dorbereitungen für die Wahlen, damit mir und mit uns die Freunde in anderen. Ländern Anlaß haben merden, mit Freude auf das Ergebnis der Wahlschlacht zurückzublicken." Die Kundgebung schließt mit den besten Wünschen für die Arbeiterklasse und die Internationale.
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Jn seiner Neujahrsnummer veröffentlicht der ,, Daily Herald", das Organ der britischen Arbeiterpartei, Gegengrüße der Führer der deutschen Sozialdemokratie an die Labour Party zum Jahreswechsel. Als Dorfizender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands schreibt Genosse Otto Wels :
,, Dar zehn Jahren fanden in Eurem Lande die ,, Kakhi- Wahlen" statt. Die Arbeiterpartei fiel damals den Tücken eines Wahlinstems zum Opfer, das die damals regierende Koalition rücksichtslos auszunuzen vermochte. In jener 3eit der Machtlosigkeit der britischen Arbeiterschaft wurden von den siegreichen kapitalistischen Regierungen die Friedensverträge beschlossen, unter deren Sinnlosigkeiten die Welt hente noch leidet und deren ungerechtigkeiten eine latente Gefahr für den Frieden der Welt bilden. Wenn mir heute das Schlimmste überwunden haben, so danken wir es nicht zuletzt der Labour Partn, die 1924 in entscheidender Seit die 3ügel der britischen politik mährend einer kurzen Periode an sich zu reißen vermochte. Doch eine dauernde Besserung der internationalen Derhältnisse und eine definitine FestiLändern Europas die Dölker von Regierungen geleitet werden, die unter starkem sozialistischem Einfluß stehen.
niemals an das Morgen denken wollen, sind unsere geistigen gung des Friedens wird nur möglich sein, wenn in den führenden
Feinde.
Ich erwarte vom neuem Jahr vertraunsnoll eine Räumung des Rheinlandes durch die ausländischen Truppen und die erfolgreiche Durchführung eines wesentlichen Schrittes in die Richtung auf internatonale Abrüstung
Der Präsident der britischen Arbeiterpartei Berbert Morrison jendet der Arbeiterbewegung des Kontinents die folgende Neujahrsbotschaft:
Das Jahr 1928 hat einen erfreulichen Umschwung in Deutsch land gebracht. Das wichtigste internationale Ereignis des neuen Jabres werden die Neuwahlen in England sein. Deshalb sind die Wünsche, die ich zum Jahresmechsel im Namen der Deutschen Sozialdemokratie der Labour Party übermittele, in erster Sinie Siegesmünie bei der kommenden algemeinen Dollsbefragung."
Als Dorjizender der Sozialdemokratischen Reichstagsfraktion erklärt Genosse Rudolf Breitscheid :
Mit Tebbofter Spannung erwarten auch wir dentschen Sozialdemokraten den Ausgang der englischen Parlamentswahlen im Jahre 1929; und wenn wir heute den Wunsch ausSprechen, daß die Sabour Party einen schönen und großen Erfolg erringen möge, so nicht nur, weil wir uns mit ihr brüderlis verbunden fühlen, sondern auch, meil wir wissen, was ein
Richt rühmen tann ich, nicht verbammen, Untröstlich ist's noch allerwärts. Doch jah ich manches Auge flammen, Und Klopfen hört ich manches Herz. Und 1929? Der gewissenhafte Chronist müßte mit der gleichen Feststellung beginnen: Untröstlich ist's noch aller„ Ich schäze mich glücklich, unseren ausländischen jozialistischen märts! und er würde balb Gelegenheit bekommen, das für Freunden im Namen der britischen Arbeiterpartei brüderliche Deutschland im einzelnen zu belegen. Im ersten Monat des Grüße und die besten Wünsche für 1929 senven zu können. Die britische Arbeiterbemegung ist in steigender. Maße an der neuen Jahres noch wird die Deffentlichkeit die Summen er internationalen politik interessiert und zeigt ein wachsendes Infahren, die zur Balancierung des Reichshaushalts erforderteresse an dem Fortschritt des Sozialismus in anderen Cändern. lich sind. Neue Steuern und vielleicht auch neue Beschrän: Unsere Anteilnahme an der Arbeit der sozialistischen Internatiotungen an fulturellen und sozialen Aufgaben in Reich, Staai nale ist größer als jemals zuvor, und wir freuen uns, daß der und Gemeinden stehen im Hintergrunde dieses feineswegs Sozialismus in allen Ländern in einem ständigen Fort- Wahlsieg der englischen Arbeiter für die politik der Welt beerfreulichen Bilbes. Dem Kundigen fommt das alles zwar fritt zur Macht begriffen ist. nicht überraschend. Als zu Beginn des Jahres 1928 der damalige Reichsfinanzminister Dr. Köhler mit fröhlicher Unbekümmertheit alle verfügbaren Mittel heranzog, um den Haushalt für 1928 ins Gleichgewicht zu bringen, da haben hm die Sprecher der sozialdemokratischen Reichstagsfrattion porausgefagt, daß bas bide Ende diefer Unbefümmertheit ein Defizitetat für 1929 bedeuten würde. Sie haben leider allzu sehr recht bekommen, und dem Bolte wird in wenigen
Das neue Jahr 1929 wird 3enge einer der michtigsten allgemeinen Wahlen sein, die die britische Geschichte kennt. Der britische Sozialismus trifft bereits die denkbar größten Dorbere'tungen zu diesem Ereignis, nicht nur um einen Schritt vorwärts zu erzielen, sondern um die Einsegung einer Arbeiterzegierung mit einer parlamentarischen Mehrheit zu erkämpfen, ein 3iel, das die organisierte Arbeiterschaft Groß britanniens aus ganzem Herzen erstrebt. Der Beginn des Jahres findet uns daher inmitten der Konsolidierung unserer Arbeit
deuten würde. Er könnte die stagnierende Politik des Ausgleichs und der Derständigung nen beleben, den Bemühungen um die internationale Abrüfung einen neuen Aufstrich geben. vom Dülkerbnud die Gefahr diplomatischer Dersumpfung abwenden heifen und durch die Beschleunigung der RheinTandräumung eines der Hindernisse beseitigen, die heute noch der Derwirklichung eines dauernden, auf der Gleichberechti. gung der Nationen beruhenden Frieden im Wege liegen.
In diesem Sinne der Sabour Partn ein herzliches G1&- auf zum neuen Jahre!"