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ttr. 1» 46. Jahrgang Dienstag, 4. Larmar 4929
Di« Sozialdemotrati« hat in ihr« lang« Entwickkrngszeit vi«(« CSvest« vorbeizieh« seh«, niale Neujahrsmorgen, bi« nach Frost und Rot schmeckten. Auch andere, die der vorausstürmendan Jugend Anlast boten, mst lustiger Schellenkappe vorzustohen. W«n Diszi- plin die michtigste Ansorderung für eine geschlossene Kampfgruppe ist, so muß es auch eint Stunde geben, eineFrewacht", wo der >ungc Most übergär« darf, damit sich der Wem um so besser Höre. Silvester war stt frühann Jahren ein besonderer Tummelplatz für die munter« Geister. In unserem von dem Genossen Hinrich» f e n betraut« Parteiarchio befindet sich eine groß« Anzahl von alt« Silnesterzeitungen, zum gröstt« Tell von Humor- begabt« Parteigenossen zum Jabreswechsel zus<unm«gestellte Scherzzeituugeu, aus denen wir nur einig« Prob« bring«. Gm schönes seltenes Platt sst die Silvesterzeitung des Jahres 1891 der Brauuschweiger Genossen. Gs sst der Engel der neuen Zeit, Gr treibt mit flammendem Schwerte  .«'.i-i Hknau» das Mucker- und Junkertum Uud was sich dem Fortschritt wehrtet So hebt mit kühnem Schwung das Eingangsgsdicht an und illustriert sofort den Komps jener Zest, in der sich Kirch« und Staat gegen den Sozialismus verbündet«. Als sehr gelungen« Mysti, fikation erscheint in der gleich« Nummer«in ArtikelSozioldenux kratssche Irrlehren" von Eugen Richter  . Wir zitier« daraus nur d!« eine Stell«: Nach der Stotsstik würde, wen» aller Champagner, alle Austern, aller Kaviar, aller Schnepfendreck allgemein verteilte würde», auf jede Arbeiterfamilie für jede Mahlzest«ty. Kaviarkorn,«in Ehampagnertropfen. 0,0000013 Gramm Schnepfendrei� und.alle Jahr eine halb« Auster kommen. Das wäre«ine herrliche Der- besserung der Arbeiterlage, ob der wohl jedem Arbeiter dos Wasser im Munds zusammenlaufqa müßte. Nun haben die Sozialdemo- krat« noch ein« Trumpf, d« sie ausspielen. Sehen wir doch«in- mal. worauf dies« Hoffnung hinausläuft. Letzt Hab« vielleicht l 00 000 Personen im Deutschen Reich Universttätsbildung. Per- teilte man diese auf all«, so käme vielleicht auf jeden«in Hundertstel Unioersitätsbildpng- Damit sich die Bildung auf alle erstrecke, müßte man hierauf de»--gogenwärtig« Kulturstandpunkt zurück­schrauben. Wckch genialer Gedanke,»>clch immenser Fortschritt,
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da«» die soziokdenwkqiSsche» PotkzcheglLcker bescher« wv»«? llnd damit auf jede« Arbeit ertssch mittag» ein Kaviartörnch«, ebt Trapse» Champagner, 0/000013 Gramm Schnepfendreck und alle Iahe ei»« halbe Auster komm« uud damit jeder ein Hundertstel Universitätsbildung erlange, soll die ganze Gesellschaftsordnung umgestürzt werden, lue ganze Kulwrbewegung der Barbarei Platz machen? Welch ein Wahnwitz? Eine Briefkostennotiz lautet: Emmendruder Rauke: Sie suchen ein« arbeitslose» Erwerb? Werde» Sie Rentier oder Fideikommißbesitzer. DieSilvesterzeitung", von Fritz Wille i« Perlt» her«». gegeben, bringt 1893 unter ihre» österreichische» llMdomg« fol. gend«: Nachrichte» zufolge veranstalt« die arbeitslos« Arbeiter Wiens am kommenden Silvesterabend zu Ehr« der mn ihr Wohl väterlich besorgten Regierung ein Festhungern. DiesÄbe Zeitung vom Jahre 1894 bringt ebt Peroch«, Rnssische Marseillaise": Wohlan, wer kühn dos Recht«wochbck, lind unentwegt die Knute leckt, Den Zar als Väterchen betrachte� Bor lauter Demut fast verreckt. Wer auf Sibirims Eisgefilde« " Die Sklav«peissche herrisch schwingt. Verhöhnet, wer nach Freiheit ringt. Anbetet die Kosak cngilden: ' 3 Es trete mutig vor Und brülle unfern Chor: T'. t-i Wutky, Wutknl Im Rubel liegt das Älllck. Das Zeichen sei der Strick! V" Au» da» Inseratenteil: tikbesgob« für notleidende Agrarier, tn« ohne diese irr dem hart« Winter nicht nach Hannover   könnm, werden dringend erbeten. Ebenso werden auch Prospekte, wie solch« zu erlang« sind, dankbar angenommen. Offerten unter B.d. 2. Schmachtriem« für Arbeiter der Tabat« indnstrie fertigt billig«md«Mvondt Johannes Augustinus. .......- jßrnt allen Siloesternummern wog« die best« nicht vergessen sein." die aus he« sprudelnden Born des Pa'rteihiunorg flösse», dem Währe»"Ja coh"!" Er meldete 189 4:Nach einer Statistik des Landrüts von Schnabelweit auf Schnoddershenn sind in den erst« acht Monaten des Jahres 1893 an Hungerkrankheiten ge- starben: 1Z Lotifundienbesitzer, 28 Besitzer von je über 5000 Hektar, 194 Grundeigentümer mit sc über 1000 Hektar." Das hört sich trübe an in einer Zeit, wo das Volk unter neu« Milstärlasten. Steuern und Zöllen seufzte und die Junker ein« Getreidezoll von acht Mark forderten. In der Nummer von 1894 weiß derWahre Jacob" zu meld«: ,Jn Deutschland ist die Intelligenz im Nieder- gang begriffen, da seit langer Zeit keine neu« Flinte erfunden war-
i«u sst." Zwei Berllmr Schusterjungen bemerken zum erstenmol die Kuppel des neue» Reichstags gSrnudes:Kiek mal. Willem," sagt der ein«, wat se nu da in Berlin   für e« riesijet Mistbeessenster hinjemacht haben."Weesie. Anton, da soll jewiß Kohl jebaut werden." Der fleißige Säge, Schreiner, bringt folgend« netten Hobelspan:Dos beste Heilserum, das ist der uervus rem in." * Das sst freilich nur ei» knapper lleberdlick. Beenden wallen wir bisse Blutenlese aia der Fülle des Stoffs mit einig« Säkular. gloss«, die eine Extrammgabe desBorwärts".B-rlags zur Jahr hllndertwende enthält: �Kapitalismus   Sozialismus! Glaubt Hr. ihr werdet es merk«, wie das Mötzlich geht! So wenig, wie ihr merkt, daß ein neues Jahrhundert beginnt, wenn es euch nicht der Kalender anzeigte. Aber was ihr merken könnt und sollt, das sst, wie es wird! Wem: sich die Zukunstsmenfchen vom kapiralistisch« Schlacht. W» der Arbeit«rMlen werd«. dann mitssm sie leider auch zur Schande des Menjchentmns der arbeitswilligen.�Hyänen des Schlachtfelds"«wähn«. Im vergangenen Jahrhundert Hab« mir wie die Wilden zu zivilisieren begonnen: es sst hohe Zeit, daß das nette Jahr hundert sich an das kvlturbedürftige Europa   criimert."
Moabit   im Lahre itS29. Auch diesmal sind in Moabit   zum neu« Jahr eine groß« An­zahl von P« r fo na lo« n d�-r un.g e n bekamügegeben. Richter sind von«ner Strafabtessung in die andere, vom Landgericht ins Strafgericht Und umgekehrt v/ffetz.t mpfden. Auch die Besetzung- der sogenannten Schwurgerichte ist nielfach erneuert worden. Es tpird abzuwarten fein, wie sich diese PersonalveräNdcrungen onswirken werden. Eine Verfügung des Amtsgerichtsprüsidenten Berlio-Mittc muß aber gerade an dieser Stelle besonders begrüßt werden. Der Vorwärts" hat seit jeher gerügt, daß junge Leute von den Richtern abgeurteilt mnrdeu, ohne daß ihnen eine richtige Hilfe wurde. Wäh­rend Jugendliche bis zu 18 Jahren sich der moralischen und sonstigen Unterstützung der Jugcndgcrichtshils« erfreuten, kanten die junge» Menschen im Alter von 18 bis 20 Jahren nur vereinzelt vor den Jugendrichter. Der Amtsgerichtspräsident hat nun verfügt, daß alle Jugendlichen bis zu 21 Jahren vor den Iu-
(Soldat Surren. Otoman vs« Gesrg von der Vrisg. CopjTight 1927 by J. M- Spaetb Verlag:, Berlin  . Horch! er spricht. Fortwährend vergrößert und ver- kleinert sich, oerschwindet und erscheint her unterhastsame Fleck seiner Zähne. Seine Stimme aber klingt spröde und splittert wie ein Bambusrohr auseinander. Man ist auch müde. Ich vernehme ein paar Satzteile aus dem Text:Jesus  aber sprach: Ich bin al� Zeit unter euch gewesen... ihr kommt zu mir mit Schwertern und Stangen.. und denke einen Augenblick, daß diele Schwert- und Stangenträger die Entente ist. doch das ist ein Gedanke ausdem Haus- gebrauch des Christentums. Nein, ich sehe vielmehr deutlich zwei jener Stangenträger zur nächtlichen rlnhoh, von Gethsemane hinaufsteigelt. sehe sie die Beine heben, Lurtie- bam der eine. Pfeiffer der andere, sehe sie schreiten mu senkrecht gestellten dünnen Stangen, einen Stern zu stechen imd einen Gott zu verroten. Da? Ohr wurde dem einen abaelchlagen, denk« ich. Aber es sitzt doch noch dran?... Und sesua Heist««s- Eni Ohr blutet schon leicht. Mir ist schon ganz naß im Nacken, sagte der Verwundete, und der andere befahl ihm:«tecke dem Schwert in die Scheide und hake mich ein... So irrlichtern meine letzten Gedanken nicht übel un­angenehm ist nur, daß mir die Knie zistern. Gegen Ende der Predigt kippen ein paar Leute der Kompanie um. es gibt sodann Unterbrechungen, und immer wacht man aus der Pfarrer läßt gerade den weißen Zahnsleck verschwinden. Nach der Predigt trist er zum Unteroffizier vom Dienst. nun plötzstch ein kleiner Mann mst blauer Offiziersmütze. und fragt, weshalb die Leute umgefallen sind. Jene haben sich inzwischen erhost und sagen ihm. daß wir diese Nacht vorn waren. Da runzell er die Stirn und entläßt uns. Bald nach 0 Uhr beginnt endgültig der Schlaf. Einer von denen. die umgefallen sind, sitzt noch mst bleichem Gesicht und blöden Augen am Zaun. Brennesseln waren an seiner Backe, denke ich, und falle In Schlaf. Weiß der Teufel! Um 16 Uhr erfolgt abermals allge- meines Wecken. Dazu rufen die Korporalschaftsführer den Befehl aus. daß mst vollem Gepäck und im Ordonnanzanzuge «getreten«erden soll. Man weiß nicht, was es bedeutet.
Ob der Russe angreift? Nein, vorn ist alles still. Man macht sich eilig fertig, zieht Eisen zu Rate und findet selbst die Hyäne bestürzt. Sie kraust ihre Stirn, errötet vor Neu- gier, schleudert das Gepäck auf den Rücken und rennt zur Schreibstube. Bleib hier!" schreit der Gefteite Hoyer,es ist Antreten befohlen. Die Kompanie wird sogleich eine Stunde straf- exerzieren." Weshalb?" glotzt Eisen. Lurtjebam und Pfeiffer fehlen," sagt Pabst und sucht in der Runde. Wegen der Schweine," nickt der Gefreite voll Wut. Wo sind sie? Daß wir sie verprügelnl" Vom Gollesdienst gedrückt man hat sie im Kornfeld erwischt, unbesehen haben sie drei Tage Msttelarrest bloß euch nützt es nichts." Verflucht!" Wirklich sehen wir den diensttuenden Unteroffizier Tiel  - bürger soeben mst ihnen fortgehen. Lurtjebam putzt nach- denklich seine Brille, er stolpert und setzt sie auf; der Pfeiffer schlendert so krumm dahin, als weine«r ein bißchen. Sie tragen keine Waffen. Mehrere Steinwürfe vom Dorf steht misten in den Wiesen ein Birkenpaar, dorthin steuern sie. Indessen heißt es: Antreten? Der Jurist, Leutnant und Zugführer, gutmütig und fett, leitet das Exzerzieren. Die Sonnenglnt konnte emer Brat- wurft gefallen. Brause hat sich drüben vor seiner Tür im Schatten niedergelassen und hält sich eine Zeitung vors Ge- ficht. Der dicke Jurist kocht vor Wut. obwohl er bei jedem Kommando übers ganze Gesicht lächelt. Er läßt uns in Schwarmluiien ein Kornfeld durchstreifen und besiehst: Hin- legen! Ausgiebig läßt er uns dort liegen, denn er hat ein goldenes Herz. Einige schlafen mst der Nase am Gewehr» kolben, der hitzige Sonne ausstrahlt. Andere machen tatsäch- sich die befohlene Anschlagübung. ihr Ziel ist die viereckige Zestung von Brause, die er manchmal ein wenig senkt, mn uns zu beobachten. Wieder folgen Schwarmübungen, wieder Zielen im Kornfeld. Gegen Ende der Stunde erhebt sich Staub aus der Straße vor Apollonia, wo sie den Wald verläßt, und ein Restrr nähert sich. Im langsamen Trabe erreicht das kleine schwarze Pferd den Ziehbrunnen und das erste Haus, hinter dem es verschwindet. Der Nester war ein Offizier. Wir zielen weiter. Doch jetzt wird neben der Schreib- stube derselbe Reiter sichtbar, er hast an, steigt vom Pferd« und übergibt es dem Schreiber Philipp, der eben noch mit
seinen langen Armen eine rote Matratze ausklopfte. Darauf kommt er vors Haus, und es ist der Pfarrer. Der Leustiant faltet die Zeitung zusammen, steht eilig auf. und sie geben sich die Hand, der Leutnant mst einer tadellosen Verbeugung. Unser Zugführer befiehlt wie von ungefähr:Auf! und Kehrt marsch!" undMarschmarsch!" Wir springen wie gebissen, gestochen von dem Verlangen. daß der Pfarrer hersehcn soll. Der dicke Jurist ist ein Engel prompt sieht der Pfarrer her und stutzt. Wir schwärmen im Kornfeld hm und her, der Nüsse setzt zum Sauistagsversnügen Schrapnells auf den Wald. der in endloser Breite daliegt und flimmert. Dann kommt der Philipp gelaufen, und wir rücken ein. Man macht sich zum Essen fertig, sitzt im Grase und spiest mit dem Geschirr und der Löffelgabel. Drüben über­quert der Pfarrer den Platz. Er ist allein, will vielleicht das Essen probieren doch nein, jetzt eist er mit kurzen eist- schlossenen Schritten der Wiese zu und nähert sich den beiden Bicken  . Zwei Soldaten neben mir sehen ihm nach, der eine sagt:Jetzt bekommen sie doch noch ihren Spruch nachge­liefert." Und der andere, der mst dem Taschenmesser Speis«*« nun seinem Löffel kratzt, nickt:Strafe muß sein, sage 5ch immer." » Lutjebam und Pfeift« stehen seit einer Stunde an ihren Birken. Der Unterottjzier Tielbürger im Helm neben ihnen- Drei Tage Mistelarr« ist soviel wie drei Stunden am Baum Sie sind keineswegs festgebunden, geschweige denn gefesselt nein, Tielbürger hat nach der Instruktion jedem ein Seil vor die Füße gelegt, dieses, ohne damst die Stiefel zu be­rühren. um den ganzen Baum geleitet und hinten zugebu«' der, Das soll soviel heißen: Du bist gefessest. Sie stehen da, Tielbürger mst diensllicher Miene neben ihnen. Cr darf ebenfalls nicht sitzen, hat st>gar nicht einmal einen Baum, sich daranzulehneu Die Zest wird lang. Zuerst haben die beiden sqmboksch Gefessesten den Versuch gemacht, ein wenig zu plaudern, der Unteroffizier jedoch verbot es ihnen. So blicken sie still geradeaus über die Graswiesen, die abgeblüht haben imd stellenweise verbrannt aussehen. Pfeifter schüttest sich beim Gähnen und versucht im Stehen zu schlafen, was nicht verboten ist. Es gelingt ihm wirtlich, einen Mar nicht tiefen, aber ihn sanft schaukelnden Schlaf zu finden. Speichel fließt über die ersten vi« Kronen- knöpfe semer Uniform.  (Fortsetzung folgt.)