Morgenausgabe
Nr. 3
-46. Jahrgang
A 2
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Vorwärts: Berlag G. m. b. H.
Zwei Millionen Arbeitslose.
Frost und Ruhraussperrung.
In der ersten Hälfte des Monats Dezember hat die Zahl fügungsempfänger um über 400 000, die der weiblichen umfast der Hauptunterfügungsempfänger in der Arbeitslofen. 100 000, zusammen um über 470.000 Personen Gegenüber versicherung erheblich zugenommen, und zwar von rund dem Vorjahre ist die Erhöhung des Nineaus der Arbeitslosigkeit 1 030 000 auf 1 300 000, das ist um 270000 oder um 26,2 Proz. Mitte Dezember infolgedessen eine erheblich höhere als im Ausgangs. Der Zuwachs betrug bei, den, mänlichen Hauptunterstüßungszeitpunkt der minterlichen Arbeitslosigkeit Mitte Ottober; denn am empfängern 27,6 Proz, bei den weiblichen 21,1 Proz. Die Zahl der 15. Dezember 1927 wurden 830 000 Personen in der Arbeitslosen. Zuschlagsempfänger ist in der Zeit vom 15. November bis versicherung unterstüßt, am 15. Dezember 1928 dagegen 1,3 Millionen. 15. Dezember von rund 761 000 auf 1 285 000 gefliegen. Su ber außerordentlich ungünstigen Entwicklung der Dinge in der Arbeitslosenversicherung steht die Krisenunterstüßung in teinem Berhältnis. Bon Mitte November bis Dezember 1928 hat sich die Zahl der Krisenunterstügten nur um 18 000 Personen erhöht. Die Ursache für diese langjamere Enimidlung liegt darin, daß die von der winterlichen Arbeitslosigkeit in erster Linie betroffenen Be rufsgruppen zur Krisenunterstüßung nicht zugelassen find. Die Arbeitsmartilage ist nach den neuesten Ziffern eine so ungünstige, daß ber Reichsarbeitsminister nunmehr enblich fämtliche Berufs gruppen zur Krisenunterstügung zulassen und auch die unter fügungsbauer ausdehnen muß, damit nicht etwa durch Aussteuerungen in einem Zeitpunkt, in dem die Möglichkeiten der Arbeitsvermittlung auf ein Minimum herabgedrüdt find, Unterftügungsempfänger der nadien Not preisgegeben werden.
Die Zahl der Krisenunterstütfen ist in weit geringerem Umfange geftiegen. Die Zunahme betrug bei den Hauptunterffügungsempfängern in der Berichtzeit rund 8700 oder 8,1 Proz.( von 108 100 auf 116 800); besonders start war sie bel den weiblichen Hauptunterſtühungsempfängern( 12,4 Pro3.). Die Zahl der Jufchlagsempfänger in der Krifenunterstützung ist in der Zeit vom 15. november bis 15. Dezember von rund 107 300 auf 124 200 gefliegen.
Die neue, durch die Feiertage etwas verzögerte Bekanntgabe der amtlichen Biffern zeigt die außerordentliche Zunahme in der erften Dezemberhälfte. Die wesentlichsten Ursachen für die fprunghaft gesteigerten 3iffern liegen in bem faft im ganzen Reich eingetretenen Frost, der sämtliche Außenarbeiten zum Er. Die Gewerkschaften erwarten; baß das Reichsarbeitsministerium liegen brachte. Zu den saisonalen Gründen treten die tonjunt. dem Reichstag sofort bei seinem Wiederzusammentritt eine Vorlage furellen. Es ist jetzt deutlich sichtbar, daß durch die verbreche auf Ausdehnung der Krisenunterstügung unterbreitet. rische Aus perrung in Rheinland. eftfalen die Kon. Jede Berzögerung muß vermieden merden; denn es besteht nach der Jebe Berzögerung muß vermieden werden; denn es besteht nach der jun tur einen Sio B erlitten hat, der fie offenbar in etwas raicherem bisherigen Entwicklung der Ziffern tein 3weifel, daß sich die Sahl Tempo abwärts treibt Dazu tommt der Arbeitskonflikt in den ber Hauptunterſtügungsempfänger beider Unterstügungseinrichtungen Geelitawerstest, dessen Ausstrahlungen auch die Beschäfti bis Mitte Januar auf 1.9 bis 2 millionen erhöht. Bu gungsmöglichkeiten in anberen Induftrien herabminberndiejen tommer noch bie Richtunterfühten, jo bas bereits am In der ersten Dezemberwoche ist bie Bahl in itärterem Maße 13. Dezember die Gesamtzabt der Arbeitstofen wet 3 geftiesen wie in der zweiten Dezemberwoche Bon Mitte November tonen betrug und bis Mitte Januar 2½ millionen bis Mitte Dezember stieg die Zahl der männlichen Hauptunter. berloreiten.mirb.
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Sind wir reich?
Die Arbeiterschaft und die deutsche Leistungsfähigkeit.
Der Bericht des Reparationsagenten über das vierte Dames- Jahr ist überaus optimistisch, so optimistisch, baß man persucht sein tönnte, ihn zu überschreiben: von der. Segnungen der Reparationszahlungen für das deutsche Bolt.
Der Widerspruch gegen den offiziellen Optimismus Barfer Gilberts ist in Deutschland sehr rasch laut geworden, der Bericht bietet an manchen Stellen Angriffsflächen genug für eine nüchtern wägende voltswirtschaftlich wohlfundierte Kritik, die in der Beurteilung des Wohlstandes Deutschlands zu ganz anderen Ergebnissen fommt.
Die deutschen Arbeiter wissen sicherlich beffer als Herr Barter Gilbert, daß Deutschland von 1928/29 nicht die beste der Welten ist, fie find weit entfernt davon, ihre Lage optimistisch zu beurteilen. Sie stoßen in ihren fozialen Kämpfen nicht nur auf den Widerstand der bürgerlichen Klaffen, sondern zugleich auf die volkswirtschaftlichen Grenzen, die dem Streben nach einer grundlegenden Berbesserung ihrer Lage gezogen sind. Das Ziel, das ihnen vorschwebt, ist die allgemeine Hebung der Lage der Arbeiterschaft, nicht eine Aufhäufung von Lugus und Reichtum bei einer zahlenmäßig geringen Klaffe, sondern eine Hebung des allgemeinen Kulturniveaus.
Die schweren Schatten der Wirklichkeit liegen über diesem Idealbilde. Die Arbeiterschaft, deren politische Vertretung die stärkste Regierungspartei im Reiche ist, tennt die Schwierig. feiten, mit benen die Finanzwirtschaft des Reiches wie der Länder und Gemeinden zu fämpfen hat. Wichtige Fürsorgeanfgaben tönnen nicht ausreichend erfüllt werden. Neue Steuererhöhungen stehen bevor. Ganze Wirtschaftsgebiete seufzen unter entfehlichem Elend Baldenburg ! Besonders die großstädtische Bevölkerung leidet unter der Wohnungsnot und ihren schlimmen Auswirkungen auf die Bolkskultur wie auf die heranwachsende Jugend bes Boltes.
Es find soziale Elementartatsachen, die feine Inder berechnung und fein offizieller Optimismus über den Wohl stand des deutschen Boltes aus der Welt schafft jene Elementartatsachen, die stärkste Triebfedern der Arbeiter bewegung find. Das Ringen um die Verbesserung der Lage des Boltes ist nicht nur ein inneres Verteilungsproblem. es ift zugleich ein Problem der Entmidlung der deutschen Boltswirtschaft.
Dies Problem wird überschattet von ben Reparations serpflichtungen. Die Arbeiterschaft erkennt die politische Ber. pflichtung zur Reparationsleistung an. Sie wehrt fich andererseits gegen eine Herabdrüdung auf ein Niveau, auf bem von fultureller Eristenz nicht mehr die Rede sein tann. Für fie liegt die Grenze ber beutschen Leistungsfähigteit ba, po unter dem Drud der Reparationsverpflichtungen sowohl le Aufstiegsmöglichkeiten der Arbeiterflaffe wie die Entwid lung der deutschen Bollswirtschaft unmöglich wird.
Boftichedfonto: Berlin 37 536 Banffonto: Bank der Arbeiter, Angeftellten und Beamten Wallitt. 65. Diskonto- Gesellschaft. Depofitentafle Lindenstr. S
Wir und die Wehrmacht.
Zwei Beiträge zur Diskussion.
Bir eröffnen hiermit die Diskussion über die Richtlinien zur Tage( 31 Dezember) zugegangen sind und die, nebeneinandergestellt, Behrpolitit mit zmei Auffäßen, die uns zufälligerweise am gleichen age( 31 Dezember) zugegangen sind und die, nebeneinandergestellt, zeigen, welche Weite der Meinungsverfchiedenheiten durch das Wehrprogramm der Partei nach Möglichkeit überspannt merden soll.
Grenzschutz genügt!
Von Franz Künstler.
Die Redaktion.
Nachdem in der Parteipreffe die Richtlinien der Wehrpolitik veröffentlicht wurden und bereits darüber eine sehr eingehende Disfuffion begonnen hat, will auch ich meine Gründe darlegen, die mich bestimmten, in der Schlußabſtimmung gegen den Entwurf zu stimmen. Besonders die im Absah 3 des Entwurfs von der Mehrheit der Kommission beschloffene Formulierung und die daraus hergelettete Be jahung der Wehrmacht haben mich zu meiner ablehnenden Haltung bewogen.
Es fann m. E. nicht die Aufgabe der Sozialdemokratie und eines sozialistischen Wehrprogramms sein, Feststellungen zu treffen, die alljährlich in den Reden zum Haushalt des Reichswehrministeriums die Herren Brüninghaus, Graf v. d. Schulenburg und Treviranus zum Ausgangspunkt ihrer wehrpolitischen Ziele gemacht haben. Nichts anderes bedeutet es aber, wenn man davon spricht, daß die Machtpolitit imperialistischer und faschistischer Staaten der beutschen Republit bie Pflicht auferlegt, eine Wehrmacht auf rechtzuerhalten. Mit dieser Argumentation haben die ver antwortlichen Militärs und rechtsstehende Polititer nicht er beute, fondern schon in der Borfriegszeit jede Heeres uni Flottenvorlage begründet. Aus dieser Tatsache entstand da Bettrüsten und ein endloses Anziehen der Steuerschraube.
Liegen die Dinge heute in Deutschland infolge der Be Es handelt sich um die Lösung eines schwierigen voltsstimmungen des Versailler Friedensvertrages auch wesentlich wirtschaftlichen Differenzproblems, das tief eindringendes anders, so ist doch nicht zu verkennen, daß unsere republikanifoziales Verständnis und ehrliche Beobachtung fozialer Ele schen Militärs, mie auch alle bürgerlichen Barteien, ohne die mentartafsachen erfordert. Die deutsche Arbeiterschaft kennt mehrpolitischen Fesseln, die Deutschland von der Entente auf diefe sozialen Elementartatsachen in Deutschland sehr genau erlegt murden, sich in Rüftungsfragen genau so verhalten und sie ist eben deshalb von rosarot gefärbtem Optimismus würden, wie bis zum Zusammenbruch des Reiches. Der Beüber den Wohlstand Deutschlands weit entfernt. meis wurde erst vor einigen Wochen im Reichstag erbracht bei der Abstimmung über den sozialdemokratischen Panzertreuzerantrag.
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Die Berhandlungen der Sachverständigen tönnen an der Bedeutung dieser Elementartatsachen nicht vorübergehen- ihre Bernachlässigung müßte schwere Rüdwirtungen auf die fozialen Verhältnisse in den Ländern der Reparationsgläubiger nach fich ziehen. Man kann durch die Ueberspan nung der Forderungen Deutschland zu sozialem Dumping zwingen wird die volkswirtschaftlichen Folgen dann aber felbst verspüren. Soziales Dumping bedeutet immer hüben wie brüben Rückgang der Leistungsfähigkeit. Eine Ar beiterschaft auf anständigem Lohnniveau, unter Lebensbedin gungen, die auf die Dauer Qualitätsarbeit gewährleisten- bas ist eine Grundvoraussetzung deutscher Leistungsfähigkeit. Wenn die Höhe der endgültigen Reparationsverpflichtungen diese Voraussetzung vernachlässigen würde, so würde die deutsche Leistungsfähigkeit in Zukunft ein höchst zweifelhafter Faktor sein.
Auf den Bericht des Reparationsagenten gehen wir im einzelnen noch näher im Wirtschaftsteil ein.
Poincarés Gegenoffensive. Musarbeitung eines Reformprogramms im Kabinett. Paris , 2. Januar. ( Eigenbericht.) Die Regierung Poincaré bereitet sich nach besten Kräften auf die von der Lintsopposition für Anfang Januar angefagte Offensive vor. Am ministerrat gab Ministerpräsident Poincaré am mittwoch von den Erklärungen über die allgemeine Politik der Regierung Kenntnis, mit denen er die Interpellation der Radikalen zu beantworten gebenft. Die Minister werden, mpie ferner verlautet, im Laufe diefer Boche mit Boincaré den Arbeitsplan ber Regierung für hie bevorstehende Kammertagung beraten. Poincaré betrachtet es als feine erste Aufgabe der Kammer mit neuer Feftig. teit gegenüber zu treten. Er beabfidtigt insbesondere, burch die Borlegung eines umfaffenden innerpolitischen fozialen und ab ministrativen Reformprogramm Eindrud zu erzielen. Der einzige Umstand, durch den sich ein neuer Optimis. mus des Ministerpräsidenten bezüglich der Situation des Rabinetts rechtfertigen läßt, liegt in bem moratorium, bas ein Teil ber Linten Boincaré gemeinsam zum Abschluß der Reparations und Räumungsverhandlungen gewähren möchte, da fein Rame zu fehr mit diesen Berhandlungen verknüpft ist, als daß ein Regierungsweddel in diesem Augenblid auch nach Ansicht dieser oppositionellen tretje nicht schädlich wirten müßte. Boincaré wird übrigens auch in feine Erklärungen längere Ausführungen zur Repara tions. und interafttierten Schuldenfrage, ferner über bas, Berhältnis zu 3talien einflechten.
die Bejahung der Wehrmacht zu mählen, welche die SozialEs ist daher geradezu gefährlich, eine Begründung für bemotratie in eine schwierige Situation bringen fann. Ist auch für die nächste Zukunft mit einem Kriege in Europa nicht zu rechnen, so weiß doch jeder Politifer, daß auch die heutige Entente nicht für alle Ewigkeit Bestand haben wird. Mächte gruppierungen und Bündnisse, das lehrt uns die Ge schichte, haben nur für eine bestimmte Zeit gemeinsamer in Europa wird sich bestimmt die eine oder andere MächteInteressen bestanden. Bei einer anderen Mächtekonstellation gruppe Deutschlands bedienen und es in den Kreis der kriegerischen Berwicklungen hineinzuziehen bemühen.
In einem solchen Fall wird dann der Sozialdemokratie die schwerste Aufgabe gestellt. Wie soll sie sich verhalten, wenn von den in Deutschland Regierenden der Eintritt Deutsch lands in den Krieg gefordert wird mit Worten, die dem fozialdemokratischen Wehrprogramm nicht ganz fremd sind? Heute ist in der Sozialdemokratie doch nur eine Auffaffung vorhanden, daß die Machthaber im August 1914 das Bolt belogen und betrogen haben.
Damals, so hieß es, murde Deutschland der Krieg aufgezwungen. Also nicht Angriffs, sondern Abwehrfrieg. In Zukunft tönnte die Parole lauten: Abwehrkampf gegen Interventionen imperialistischer und faschistischer Staaten.
Bukunft ausgeschlossen sind, erkennt auch der Genosse Daß friegerische Konflikte für Deutschland nicht für alle Stampfer an in seinem Artikel ,, Bir und die Wehrmacht Es tommt aber für die Sozialdemokratie darauf an. die Urfachen eines Krieges und alle seine Begleiterscheinungen zu erkennen und diese sozialistische Erfenntnis in einem Programm festzulegen.
Mit der von mir kritisierten Fassung tann aber jeder Die einen werden im Falle, daß machen, was er will. Deutschland einmal in einen Krieg vermidelt wird, sagen: Für uns ist die Landesverteidigung gegeben, da es sich um Und eine Intervention imperialistischer Staaten handelt." die anderen werden der Auffassung sein, daß die Voraus fegungen für bie Landesverteidigung nicht gegeben sind.
Deshalb muß der Barteitag in Mogdeburg für den Abfag 3 eine andere Fassung beschließen. Dabei ist auszugehen von dem Standpunkt, daß die heutige Wehr macht umgeformt werden muß zu einer Grenz fubpolizei. Grenzschußaufgaben soll die Reichswehr