tntfflo« zur genauen Feststellung der Streitpunkte inder Benezuela-Frage gesichert werde.—Elite-Rotvdies oder Pöbel in Glaceehandschuheu. Das„Wiener Extrablatt" meldet aus New-Iork: Auf einem in derTonhalle zu D e n v e r von der Elite der Gesellschaft am Sylvester-abend arrangirten Feste fand ein Blutbad statt. Währenddes Festes warfen dort anwesende junge Leute K n a l l k u g e l nunter die Sessel der Damen. Der Direktor, welcherRuhe stiften wollte, wurde niedergeschossen. Es entstandein furchtbarer Kampf, wobei mehr als 20 Personen aetödtet undüber 100 verletzt wurden.Die Nachricht klingt etwas hinterwäldlerisch. Bei dem all-gemeinen Rowdythum aber, welches der sich bedroht fühlendeKapitalismus in die politischen und ökonomischen Beziehungender Menschen zu einander gebracht hat. können wir allerdingsnicht sagen, daß solche Bestialitäten umvahrscheiulich oder garunmöglich feie».—•*>«Deutsches Reich.— Prinz Leopold von Preußen. In der«Voss.Zeitung" lesen wir:«Wie ein Berichterstatter wissen will, istes zivischen den» Kaiser und dem PrinzenFriedrich Leopold zu so ernsten Differenzengekommen, daß der Kaiser sich zu disziplinaren Maßnahmenveranlaßt gesehen hat. Die näheren Einzelheiten, die uns gesternAbend noch in später Stunde mitgetheill wurden, entziehen sichvorläufig unserer Kontrolle."Nach einer anderen Meldung ist es zu einer Anseinander-setznng zivischen dem Kaiser und dem Prinzen anläßlich desUnfalls gekommen, den die Prinzessin hatte, als sie ohne mann-liche Begleitung Schlittschuh lief und ans dem Eise einbrach.Der«Lokal-Anzeiger" meldet. daß der Prinz durch seinenZustand für die nächste Zeit an das Zimmer geseffelt sei. Unswird berichtet, daß dieser Zeitraum sich aus 14 Tagebelaufen soll.— Die fromme„Germania" ist sehr ungehalten übereine„Eigl'sche Rvhheit", die im«Bayerischen Vaterland" steht.Reichstags- Abgeordneter Sigl erinnert an einem AusspruchFriedrich Wilhelms lV. im Jahre 1843.„eine Rotte vonBösewichtern" sei schuld an der Revolution, und bemerkt dazu:„Das war am 18. März 1843. Nicht gar lange späterpassirt« dem König etwas Menschliches: SeineMajestät geruhten— geisteskrank zu werden.Manche behaupten, er sei dies schon am 18. März gewesen, sicheraber ist, daß es erst später offiziell anerkannt wurde." Vielleichtkommt das Zentralorgan der ultramontanen Partei noch dazu,den Ausspruch Pius IX. von 1874, in Wilhelm I. habe man esmit einem neuen Attila zu thun, für eine päpstliche„Rohheit"zu erklären.— EineMohrenwäsche versucht in den„PreußischenJahrbüchern" el» Jurist an der deutschen Rechtspflege. Eskommt ihm aber hauptsächlich darauf an, die Staatsanwaltschaftengegen den Borwurf tendenziösen Vorgehens zu vertheidigen.Mit den Richtern ist er weniger zufrieden und so entschlüpfenihm den» folgende Offenherzigkeiten:„Für alle der älteren Generation angehörige Juristen, derenbewußte Erinnerungen noch das Jahr 1348 mitumfassen, ist eseine der unerquicklichsten, uns für das Lebensende vor-behaltenen Erfahrungen, den intellekuellen Nieder-gang deutschen Nichteram ts während dieser letztenDezennien zu beobachten. Sowohl im vormärzlichen Liberalismus,wie während der ganzen folgenden Periode deutscher Umwälzungenstanden überall Juristen an der Spitze der politischen Bewegung,brachten ihr das beste Theil geistiger Kraft, politischer Begabungzu. Jenes Juristengeschlecht vereinigte in der Thal in seinenReihe» die zahlreichsten und stärksten Bildungselemente, überwelch« die Zeit zu verfügen hatte. Dieser Status blieb einiger-maßen erhalten bis etwa in das siebente Jahrzehnt hinein...Seitdem sind Jahrzehnte vergangen, in denen auf allen deutschenUniversitäten die Sludirenden der Rechte einen förmlichenEhrgeiz darein gesetzt haben, im ruchlosestenVerlottern der Semester es allen anderen Fakul-täten voran zu thun. Schließt sich an eine derartig ver-geudele Studienzeit dann ein juristischer Vorbereitungsdienst,überwiegend ausgefüllt durch das Gesellschaftstreiben, geistlosesSchreibwerk und ftumpssinnige Examenpaukerei, so darf man sichnicht wundern, wenn die Presse deS Assessorcxamens ein immerreichlicheres Material geistig unbedeutender Handwerks-j u r i st e n in das Richteramt hineindrückt. Wer so ohne Sturmund Drang und Leidenschaft, so flach und schal undunersprießlich die besten Jahre des Lebensversimpelt hat, wie dies rmsere jungen Juristen zumeistSethan, der bleibt Zeit seines Lebens nicht nur imlntellekt, auch ini Charakter ein geschwächterMann. Seine Widerstandskraft wird nach allen Seiten hinnur eine äußerst geringe sein. Das htutige Strafrichteramt abererfordert in erster Reihe eine in sich gefestigte und gereifteHaltung des Charakters."—— Ueber die Ursachen des Grubenunglücksim W r a n g el sch a ch t e bei Waldenburg berichtet die„Bresl.Ztg.": Oberbergrath Schollmeyer, der als Vertreter derköniglichen Aufsichtsbehörde, des hiesigen Oberbergamtes, amDienstag Mittag bereits an dem Uuglücksorte eintraf undpersönlich die ersten Untersuchungen leitete, ist wieder in Breslaueingetroffen, nachden, der Thatbestand soweit wie jetzt möglich ab-geschlossen und auch die letzte Leiche geborgen worden war. Ein end-giltiges Urtheil über den Grund der Explosion läßt sich vorläufignoch nicht feststellen, doch sprechen viele Anzeichen dafür, daß inder That ein unvorsichtig abgegebener Spreng»s ch u ß die unmittelbare Ursache der furchtbaren Katastrophe war.(Wir haben schon darauf aufmerksam gemacht, daß der Schußnie die Ursache, immer aber der Anlaß der Explosion gewesensein kann. Red. d.„Vorwärts".) Die wesentlichste Unterstützungdieser Annahme bietet der Umstand,� daß die Mehrzahl derLeichen in Entfernung von etwa sünfundfünfzig Meter auf demBremsberge über der Unglücksstätte gefunden wurden; dasentspricht der Entfernung, in die sich die Bergleute vom Orteeines Sprenaschusses vor dessen Abfeuerung zurückzuziehenpflege». Festgestellt ist, daß zwischen 10—12 Uhr in derUnglücksnacht zwei Sprenzschüsse abgegeben worden sind, undzwei weitere Sprengungen dürften zwischen 12 und 2 Uhr statt-gefunden haben. Rähselhaft bleibt die Anhäufung solcherMassen von schlagenden Wettern, wie sie im Augenblick derKatastrophe vorhanden gewesen sein müssen. Das Gesetz ver-laugt für jeden Kopf der Belegschaft die Zufuhrung von 14 Kubik-mettern„frischer Wetter", d. h. guter atmosphärischer Luft, imWrangelschachte aber sind derartig leistungsfähige Wetterleitungenvorhanden, daß für den Kopf dreihundert Kubikmeter frischerLuft geschafft werden, also mehr als das Zwanzigfache des ge-setzlich geforderten Mindestmaßes. Allerdings hat die Be-wegung der Luft im Freien«inen gewissen Einfluß auf dieWetterführung zur Tiefe, und die in der Nacht zum Sylvesterherrschenden Stürme haben jedenfalls störend auf die Wetter-sührung eingewirkt. Ob vielleicht auch durch irgend ein Ver-sehen die Wetterführung in der Tiefbausohle in der Unglücksnachtnickt in Ordnung gehalten worden ist, läßt sich bei der völligenZerstörung der ganzen Strecke und der unleren Theile desSchachtes überhaupt nicht mehr ermitteln, wenn nicht etwa einerder wenigen Ueberlebcnden nachträglich noch im stände seinsollte, Aufschlüsse über die Entstehung des Unglücks zu geben.Da die vierzehn im Lazareth Waldenburg unter sorgsamster Pflegebefindlichen Verletzten fast durchweg noch für längere Zeit außerstände sind, einem Verhör unterzogen zu werden, so sind dieUntersuchungen als vorläufig gescklosien zu betrachten. Die ver-uuglückten Bergleute hinterlassen inSgesammt 23 Wittwen mit54 Kindern.—— G e i st l i ch e S ch u l a u f s i ch t. In der Provinz Posenhat sich nach einer Darstellung der„Possner Zeitung" folgendesVorkommniß abgespielt:„Der Schulinspektor Herr Dr. Rudenick fuhr nachBiesiadowo, um den neuen Lehrer Herrn N. ins Amt einzu-führen. Unterwegs trat er beim Pfarrer W. ein und nahm ihnmit sich. Als Herr Dr. R. in die Klasse trat, reichte er demLehrer schon von weitem die Hand, und der Lehrer that dasselbe,um seinen Pfarrer zu begrüße». Daraufhin sagte Pfarrer W e n d-laufe in Gegenwart der Kinder und der dem Schulvorstand ange-hörenden Bauern mit erhobener Stimme:„Ich kenne Sie nicht!Wie kommen Sie dazu, mir. dem Pfarrer, die Hand zugeben?" Auf diese unerwartete Anrede hin erröthet? der Lehrerund schwieg. In ähnlicher Weise verfuhr Pfarrer W. auch mitanderen Lehrern, indem er sich ihnen gegenüber für den Diktatorhielt. Kurz darauf ging Herr N. zum Pfarrer W. zur Beichte.Letzterer soll ihm dabei in der gröbste» Form deswegen Vor-würfe gemacht haben, daß er es gewagt, dem Pfarrer die Handzu geben. Er hätte diesem, als dem Stellvertreter Christi, imGegentheil— die Hand küssen sollen. Dabei soll derPfarrer die Lehrer Halbwisser u. s. w. genannt haben.terr N. erzählte dies Vorkommniß seinen Kollegen. Dererkower Lehrerverein berichtete, aufs äußerste einnistet überdiese und andere Ausschreitungen des Pfarrers W. den Lehrerngegenüber, an die Regierung, und diese entzog dem Pfarrer W.die Aufsicht über den Religionsunterricht."Wegen dieses Verhaltens ist dem Geistlichen zwar das In-spektorat von der Regierung entzogen worden und seine Kollegenwerden künftig etwas vorsichtiger sein im Berkehr mit Lehrern.An der untergeordneten Stellung der Lehrer sowohl gegenüberder Geistlichkeit wie gegenüber der Juriften-Bureaukratie wirdaber dadurch nichts geändert.—— München, I. Januar. Nachwehen des FuchS-mühl- Prozesses. Bon den 150 verurtheilten FuchsmühlerHolzrechtlern hotten bekanntlich 76 Revision an das Reichs-gericht eingelegt und sind abgewiesen worden. Nunmehr er-hielten die Fuchsmühler die Kostenrechnung in ihrer Revisions-fache zugestellt, welche sich auf S60 M. 60 Pf. für 18 Angeklagtebeläuft. Es sind darunter Familien, welche über 120 M. zahlenmüssen. Kenner der Verhältnisse in Fuchsmühl befürchten, daßdie Beitreibung der Kosten mehrere Familien von Haus undHof bringen wird.—— Soldaten-Exzeß in München. In der Sylvester«nacht hat sich in München ein unerhörter Skandal abgespielt.Jin Pschorrbräu fand eine Feier statt, zu der fast ausschließlichStammgäste und Geschäftsfreunde, theilweise mit ihren Familien,erschienen. In dem Lokale befanden sich auch Sergeant Zech vomdortigen Trainbataillon und Unteroffizier Fischer. Nach einigerZeit betrat ein Gemeiner den Saal, ohne die Vorgesetzten z» be-merken. Diese ließen ihn antreten und machten ihm Vorwürfeüber die Vorenthaltung der Ehrenbezeugung. Das Publikumnahm den Vorgang in der fröhlichen Slimmung zwar übel auf,verhielt sich aber ruhig. Als später der Gemeine den Saal verließund bei der Rückkehr die vorschriftsmäßigen Ehrenbezeugungenmachte, wurde von einzelnen Tischen ein lautes„Bravo" ge-rufe». Einem alten Brauche gemäß löscht« der Wirth mit demGlockenschlage„12" auf einen Augenblick die Lichter aus.Dieses faßten, wie sie nachträglich äußerten, die beiden Militärsals eine Absicht der Anwesenden auf, sie im Dunkeln zuschlagen. Dazu lag durchaus kein Grund vor, vielmehr trat derWirth an ihren Tisch und beglückwünschte sie zum neuen Jahre.Kurz nach 12 Uhr traten zwei neue Soldaten insLokal. Als diese vor den Unteroffizieren Front machten,brach das Publikum in Gelächter aus und klatschteBeifall. Die Unteroffiziere verließen darauf das LokalNach einer Viertelstunde aber kehrte Zech zurück und stürztein das Zimmer unter dem Rufe:„So, jetzt komm' ich mit Ge-ivalt." Ihm folgten ein Unteroffizier und drei Soldaten inWachtausrüstung und Gewehr. Zech kommandirte„Vorwärts",ließ den zurückgelassenen Mantel des Gemeinen beschlagnahmen,trat aus drei Herren zu, die geklatscht haben sollten und kündigteihnen ihre Verhaftung an. Als dagegen von dem PublikumProtest erhoben wurde und der Ruf verlautete:„Glauben Sievielleicht, Sie sind in Fuchsmühl'i" kommandirte Zech ohneweiteres:„Legt an, Feuer!" Daß die Soldaten nicht gefchossenhaben, erklärt sich nur aus dem Umstände, daß Herren vonhinten den Soldaten in die Arme sielen und sie amSchießen verhinderten. Es steht fest, daß die Soldatenauf daS Kommando die Gewehre bereits erhoben hatten.Die Herren fügten sich nunmehr der Arretirung und folgten derWache zur Hauptwache. Die„Münchener Neuesten Nachrichten",denen wir diesen Bericht entnehmen, schreiben dazu:„Wir ent-halten uns bis zur wohl umgehend erfolgenden amtlichen Klar-legung des Falles weiterer Bemerkung und geben nur der all-tem einen Entrüstung über das geradezu an Wahusiun grenzendeterhalten des Sergeanten Zech Ausdruck, dem schließlich Lynch-jnstiz gedroht hätte, wenn ihn nicht Herr WirihschaflspächterAster aus den Händen der in begreiflicher Aufwallung sich befindenden Bräuburschen durch Zureden an diese errettet hätte."Oesterreich.Wien, 3. Januar. Nach Meldungen der Blatter sind dieVerhandlungen der Regierung wegen Verstaatlichung desNordwe st bahn Uetzes zum Abschluß gekommen.England.— Gegen die deutsche Konkurrenz eifert man inEngland genau so wie in Deutschland gegen die englische. Soveröffentlicht die„New Review" einen Artikel„In Deutschlandfabrizirt", in dem es heißt:„Zahlen reden und Thatsache» beweisen: I8S4 sandte unsDeutschland Leinenwaaren im Werthe von 112 Iii Lstrl.. Baum-wollen, vaaren imWerthe von 462 301Lstr.. Lederhandschuhe imWerthevon 26,016(6 mal so viel als vor 5 Jahren) und Wollenwaarenim Betrage von 907 569 Lstrl. Spielwaaren führte Deutfchlaud1394 für 452 452 Lstrl. ein, bisher für 23129 Lstrl., und Papierund Pappe für 626 926 Lstrl. Für Pianos zahlten die Engländerden Deutschen 405 150 Lstrl., für Porzellan- und Töpferwaaren246 587 Lstrl., für Steindrucksachen. Stiche und Photographien194 613 Lstrl. Alles das sind Produkt«, welche auch in Englandhergestellt werden... Den konimerziellen Aufschwung Deutsch-lands beweisen die folgenden Zahlen: 1378 produzirte Deutsch-land 2148 000 Tons Roheisen. 1394 5 382 000 Tons. 1873492 512 Tons Stahl, 1894 3 617 000 Tons. Damit hat diedeutsche Ausfuhr Schritt geHallen... Der Schiffsverkehr ist dersicherst« Maßstab der Wohlfahrt des Handels. Nun, seit 1893ist der Tonnengehalt der in Hamburg einlaufenden Schiffe größerals in Liverpool."Jene Zahlen sind natürlich keineswegs ein Beweis für denNiedergang der englischen Industrie, obgleich eine verstärkte Ein-fuhr deutscher Produkte daraus hervorgeht. Je mehr dieIndustrie der einzelnen Länder zu einer großen Weltindustriezusammenwachsen, um so mehr nimmt auch der gegenseitigeWaarenanslaufch zu.—Frankreich.— Die Liste der Check-Empfänger. Die An-gelegenheit der Veröffentlichung der„Liste der 104" konzentrirtgegenwärtig fast ausschließlich ihr Interesse auf die Frage, wasUntersuchungsrichter Espinas hinsichtlich des Herrn Vitrac-Desroziers thun wird, welcher die Liste geliefert haben sollte.Derselbe war beim Erscheinen des ersten Polizisten in seinerWohnung sofort nach Brüssel abgereist und kehrte merkwürdiger-weise kürzlich plötzlich wieder nach Paris zurück, wo er, amBahnhofe von seinem Advokaten empfangen, mit diesemeine lange Unterredung hatte. Herr Vitrac behauptet,mit der Veröffentlichung der Liste der 104 nicht dasgeringste zu thun zu haben. Er hat sie wederfür 200 Fr. verkauft, noch den angeblichen Unterhändler Pascalzemals gesehen. Sein Advokat rieth ihm, sich dem UntersuchungS-richler unverzüglich zu stellen, um demselben seine Aussagen zumachen. Doch hat es Herr Bitrac vorgezogen, einen Brief andenselben zu schreiben, worin er seinen Antheil in der Angelegen-heit darlegt, ist jedoch nach dessen Abfassung wieder von Paris„abgereist", ohne das in seinem Briefe gegebene Versprechen.Herrn Espinas zu besuchen, eingelöst zu haben. Letzlerer soll jetztdie Angeklagten nicht mehr wegen Fälschung, sondern wegen Ver«leumdung zu verfolgen beabsichtigen.Rußland.— Regierungsneuerungen. In der Mitte diesesJahrhunderts, als Rußland durch den Krimkrieg auf eine harteProbe gestellt worden war, erlitt die russische Bureaukratie einklägliches Fiasko. Ihre Unfähigkeit, die Verhältnisse in demgroßen Zarenreiche zu übersehen und zu regeln, dokumentirte sichaufs klarste und so sah Alexander II. sich genöthigt, den Provinzenund den Städten eine Selbstverwaltung für wirthschaftliche An»gelegenheiten zugeben und auch die Freiheit der Presse zu erweitern,denn ohne die Mitwirkung der letzleren wäre die russische Regierungnicht im stände gewesen, die Bauern-Emanzipation durchzuführen,da es den Beamten an Kenntniß der verschiedeneu Verhältnisse,welche dabei in bctracht gezogen werden mußten, fehlte. Gegen-wärtig befindet sich die russische Regierung in einer ähnlichenSituation, wie nach dem Krimkriege. Um einen AuSwegaus der ttrisis in der Landwirlhschaft und Mittel zurHebung der Industrie zu finden, was für das russischeReich eine Lebensfrage ist, sieht die Regierung sich ge«nöthigt, Kongresse von sachkundigen Männern aus verschiedenenGegenden Rußlands unter Mitwirkung hoher Staatsbeamten zu-sammentreten zu lassen, wie das mit dem gegenwärtig in Mossautagenden Kongreß der Landwirlhe der Fall, oder sogar selbstsolche Kongresse einzuberufen. So wurden vor kurzer Zeit nachPetersburg Vertreter der Adelskorporationen, der Semstwo's undder Städte des nördlichen und des zentralen Rußlands zu-sammenderufen zu einer Beraihung über die Richtungeiner neu projektirten großen Eisenbahnlinie. Währendder Berathungen dieses Kongresses hat sich herausgestellt,daß die statistischen Daten, welche die Regierung durchihre Beamten über die wirthschafllichen Verhältnisse desnördlichen Rußlands eingesammelt hat, ganz falsche sind. Derrussischen Laudwirthschaft, die die Schließung der ausländischenAbsatzgebiete bejammert, eröffnet sich die Aussicht auf ein neueSbedeutendes Absatzgebiet im Norden Rußlands selbst infolgeder Erweiterung des russischen Eisenbahnnetzes.-—Türkei.— Für die aufständischen Armenier, die inZ e i t u n, dem Mittelpunkt des Aufstandes, besiegt wurden,haben die Gesandten der Mächte sich verwandt. Die Türkenstellten daraufhin die Verfolgung der Flüchtigen ein, und wieein Telegramm meldet, hat die Pforte die Vermittlung derMächte angenommen, was wohl heißen soll, daß sie eS diesenüberlassen will, die noch übrigen Aufständischen zur Niederlegungder Waffen zu bestimmen.Sehr merkwürdig ist die Humanität der europäischen Mächtegegen fremde Rebellen. Die russische Regierung hatweiland viele tausende polnischer„Rebellen" mafsakrirl, dieenglische Regierung ließ nach der Niederwerfung dcSSipoy-Ausstandes in Indien tausende indischer Rebellenerschießen oder«von Kanonen blasen", und wie diefranzösische Regierung gegen die besiegten K 0 m m u»n a r d e n gewüthet, das ist eine der blutigsten Episoden derGeschichte. Was die Türken gethan, ist im Vergleich hiermit da»reine Kinderspiel.—.Amerika.— Der Aufstand in Kuba. Die über Madrid ein«laufenden Nachrichten lauten wie üblich dem spanischen Hceregünstig. So heißt es in einer Depesche aus Havannah, daSRevolutionskomitee in Washington habe seineThätigkeit eingestellt angesichts der verbrecherischen Handlungender Insurgenten auf Kuba.— Die Geschichte erscheint denn dochsehr fraglich.Eine Depesche des Marschalls MartinezEampoS auöHavannah meldet ferner einen Znsammenstoß mit den Insurgenten-schaaren unter Führung von Gomez und Maceo. Diespanischen Truppen hätten 4 Tobte und 19 Berwuudete gehabt.Afrika.— Der Mörder Emin'S. Nachrichten zufolge, die demGouverneur v. Wißmann zugegangen sind, ist der Mörder EminPaschas, Hamadi bin Ali, nicht, wie bisher angenommenwurde, gegen die Belgier gefallen. Es wird vermuthet, daß erbeabsichtigt, sich nach Sansibar oder Maskat zu flüchten, und daßer daher irgendwo an der deutschen Küste versuchenwird, sich unter falschem Namen und mit nach Möglichkeit ver-ändertem Aeußeren, vielleicht auf Fischerkanoes, nach Sansibareinzuschiffen. Der Gouverneur in Dar-es-salaam hat daher dieBezirksämter angewiesen, bei jedem den Bezirk passtreuden Araberdessen Jdeutilät fesistellen zu lassen, um den Mörder, wenn irgendmöglich, abzusassen.—Div freie Arztwahl in Vevlin.Die Gewcrbedeputation des angeblich freisinnigen BerlinerMagistrats kann einen respektabeln Erfolg im verflosseneuJahre registriren. Sie hat gegen den Oberpräsideuten derProvinz Brandenburg vom Minister für Handel und Gewerberecht behalten. Daß es sich hierbei um einen Versuch der Be-schränkung der Rechte der in den Krankenkassen vereinigten Arbeiterhandelte, wobei der Oberpräsident für das freie Bestimmung?»recht der Arbeiter, die Gewerbedeputation des Berliner Magistratsfür die bureaukratische Reglementirung eintrat, ist den RathhauS»weisen wohl gleichgiltig. Bekanntlich hob der Magistrats-kommissar für die Berliner Orts- und Betriebs-Krauken-kassen Ende 1893 die Verträge von Krankenkassen mitdem Vereine freigewählter Kassenärzte auf. während derOberprästdent diese Verfügung aufhob. Nun hat der Minister fürHandel und Gewerbe folgendermaßen entschieden.Ober.Präsidium Potsdam, den 29. November üv.derProvinz BrandenburgO. P. Nr. 16 191Der Minister für Handel und Gewerbe hat unter dem26. d. M. auf die dortige Vorstellung vom 6. Juli d. I.— 295 Gew. II— gegen meine Anweisung vom 4. Januar d. I.— O. P. 5— dahin entschieden, daß er keine Ver-anlassung habe. von aufsichiswegen die dortige Verfügungvom 13. Dezember v. I., durch welche den Vorständenmehrerer Orls-Krankeiikassen die Erneuerung der Verträgemit dem Vereint freigewählter Kassenärzte unter Strafandrohunguiitersagt wird, aufzuheben, weil diese Anordnung sowohl informeller, als auch in materieller Beziehung für zutreffeiid zuerachten sei. Mit den Vorschriften der Statuten der in Redestehenden Orls-Krankeukassen, nach welchen die ärztliche Bs-Handlung der erkrankten Mitglieder durch den Kassenarzt zuerfolgen habe, wäre eS nicht vereinbar, die Gewährung der ärzt-lichen Behandlung durch dieMitglieder desVereinsderfreigewähltenKassenärzte erfolgen zu lassen, weil der Vorstmid bei diesen» Verfahrenauf die Anstellung der Aerzte keinerlei Einwirkung habe und beidem rasch wechselnden Zu- und Abgänge der Mitglieder desVereins die einzelnen Aerzte nicht geniigend bestimmt seien. Auch