Nr 15» 46. Jahrgang Oomrerstag 10. Ianuar 192�
ä)ie ffiilderräwber ersählen. Xfppniann als Angeber.-'Verleidiger gegen Sadwersländige.
3m melieren Verlauf der Vernehmung der von den verKner Sonslhündlern oerpfluhkeleu Einbrecher beslöligke der Angeklagle Zahu die Varslellung Grastes van der Ausübung de» Bilderraubes auf der Kadolzburg und schilderte dabei dos Erbrechen der verschiedenen Türen mit bemerkenswerter Sachkunde, wobei er sich sehr mihbillig?od über den Zustand der Schlösser und Türen aus der Kadolzburg äuszerte. Insolgedesseo sei der Einbruch auch sehr leicht gewesen. Sehr entschieden bestritt Zahn, daß er longjähriger Taigenoste Srasfes sei, den er nach einem unter falschen Namen geführten Abenteurerleben in der Schweiz , Italien , Oesterreich und der Türkei WZS in Berlin kennengelernt habe. Ebenso beklagte er sich sehr gekränkt darüber, daß die Berliner Polizei ihn der Nürnberger Kesängnisverwattung gegenüber ganz zu Unrecht als gefährlichen Einbrecher gekennzeichnet habe, weil er ein eifriger Sportler sei. „Ich bin ein mutiger Mensch und traue mir sehr viel zu, aber ich bin kein Angreifer. Ich will hier auch meine Schuld nicht abwälzen. 3ch bin nicht verführt worden, sondern stehe zu meiner Tat. Nur Idioten und Kinder lassen sich verführen. Mir waren von Graste ttMX) Mark versprochen, und die Hab« ich auch erhalten. Lüdke kenne ich nicht, Frau Schwarz auch nicht. Breit selb habe ich erst am Tage der Absahrt von Berlin kennengelernt, während ich Schmidt schon seit längeren Iahren kannte, aber auch erst am Tage der Tat zu meiner größten Ueberroschung als Mitbeteiligten an dieser Sache kennenlernte. Für mich war das Finanzielle da« Sekundäre. Mich trieb in erster Linie die Lust am Abenteuer.� Graste habe auch ihm gegenüber erklärt, er beteilige sich nur an dieser Sache, um aus seiner finanziellen Notlage herauszukommen. „Wir waren gut miteinander, aber keine Freunde. Ich weiß nur, daß er sich bemüht hat, ein anständiger Mensch zu werden. Ich war damals unter dem falschen Namen Zinnnermann Teilhaber des Jmmobilienbuveaus Hammer in der Alexanderstraße in Berlin . (In sichtlicher Bewegung): Meine Herren, ich stamme aus einer gut. bürgerlichen Familie. Ich hatte eine sehr gute Kindheit, und meine Eltern haben sich ernstliche Mühe mit mir gegeben. Da ich ein leb- hnfter Junge war, erhielt ich auch mehrere kleinere Strafen in der Schule. Mit Iahren meldet« ich mich kriegsfreiwillig. und mit 16� Jahren war ich Inhaber der Silbernen und Goldenen Tapfer- keitsmedaille und de« Eisernen Kreuzes . Ich bin nie Zuhälter gewesen, und ich bitte auch die Heroen Schössen, sich nicht durch die Zettungsmeldungen Wer Berliner Berbrecherorganisationen beein. flussen zu lassen.*— Staatsanw.: Was hat Ihnen gippmann denn im Cafö am Zoo von dem polnischen Teppich eriählt?— Zahn(lächelnd): Bon Lippmann hatte ich mir gleich gesagt: der macht Spruch'. Dann hat er renommiert, daß er auf einem Segel- schiss gefahren sei. wozu Kräfte gehören, die er bestimmt nicht hat. Außerdem hat er aufgeschnitten, daß er in einer Nacht 1?00000 Mark im Spiel verloren hat. Seine Anregung, den pol- tuschen Teppich zu stehlen, war aber wohl keine Renommisterei, denn er wollt« ihn ja nicht selbst stehlen, sondern wir sollten das tup. Es wurde wohl dabei von einer Kapelle gesprochen, in der dgr Teppich hing, ab« ein fertiggezeichneter Plan hat nicht vor- gelegen.— Staatsanw.: Hat sich nicht Lippmann bei dieser Gelegenheit üb« die wohlgelungene Tat in der Kadolzburg gefreut? Zahn: Ja, er hat geschmunzelt und sich sehr gefreut.— Aagekt. Li p p mann(sehx«regt dazwischenrufend�: Das ist absolut un- ivahr, die ganze Kadolzburger Sache ist im Eafö am Zoo nie er- wähnt worden.— Zahn: Natürlich haben wir im Eafe am Zoo da» Wort Kadolzburg nicht in den Mund genommen. Am Neben. tisch saß ja auch Geh.-Rat Friedländer vom Kupserstichkabinett.
(Allgemeine Heiterkeit.)— Lipp mann: Und weiter saß am Nebentisch der Käufer meines früheren Hauses. Ich habe auch nur zu Zahn gesagt, daß ich einmal 120 000 Mark in einer Nacht beim Spiel verloren habe.— Zahn: O nein, Sie haben gesagt 1 200 000 Mark. Zum Schluß seiner Vernehmung teilte der Angeklagte Zahn noch mit, daß sich bei seiner Derhaftung in Berlin Lippmann al» Polizeisptßel betätigt Hab«. Lippmann, der damals schon verhaftet war, habe versucht, den noch auf freiem Fuß besindtichen Schmidt in die Hände der Polizei zu spielen, indem er ihn telephonisch vor«in bestimmtes Haus in Berlin zum Rendezvous bestellte, ohne ihm zu sagen, daß er. Lippmann, schon verhaftet war.„Schmidt roch aber noch den Braten und benachrichtigte mich, an seiner Stelle dort hinzugehen. Ich stand ganz ruhig vor dem Hau» und wartete aus Lippmann, und als er kam, ging ich auf ihn zu und begrüßte ihn. Im nächsten Moment blitzte mir der Revolver«Ines Kriminalbeamten unter der Nase, und der Beamte fragt«:„Herr Schmidt?"—„Nein," sagte ich bescheiden, Herr Zahn, worauf Lippmann erläuternd sagte: „Das ist der Mithelfer von Graske."(Bewegung im Saal.) Wie am gestrigen ersten Berhandlungstag. so schloß auch haute die Normittagssitzung mit einem Krach auf der Verteidigerbank, der ab« heute geradezu beispiellose und grotesk« Formen annahm. Rechtsanwalt H« r z st« i n, der Berteidiger Mayer«, erhob sich, um trotz der gestrigen Zurückweisung seiner Ablehnung des med:- zinischen Sachverständigen Dr. Kunz erneut den gleichen Antrag zu stellen.„Heute morgen um 9 Uhr 5 Minuten", so erklärte der Verteidiger,„habe ich selbst in diesem Saal mit angehört, wie Dr. Kunz zu dam neben ihm sitzenden Professor Scholz geäußert hat: „Der Mayer ist ein Schweinehund, er hat den Lipp- mann ausgezogen." Außerdem hat mir ein Milverieidiger mitgeteilt, daß Dr. Kunz sich gestern auf dem Korridor des Gerichts geäußert haben soll:„Der Lippmann wird begnadigt, dafür werde ich sorgen."(Erregter Zuruf de» Medizinalrats Dr. Kunz: Das ist unerhört, schämen Sie sich, Herr Rechtsanwalt, schämen Sie sich!) — Erster Staatsanwalt H e u w i e f e r: Dr. Kunz ist lediglich als Sachverständiger für Lippmann und nicht für Mayer gestellt, in- folgedessen ist d« ganze Antrag unerheblich.— N-A. Dr. Nübell: Ich habe gar keinen Anlaß, zu verschweigen, daß mir hinterbracht worden ist. Dr. Kunz habe auf dem Korridar geäußert:„Ter Lipp- mann wird begnadigt." Das habe ich Dr. Herzstein vflichtgemätz mitgeteilt. Bon dem Zusatz:„dafür werde ich sorgen", weiß ich jedoch nichts.— Medizinalrat Dr. Kunz(in höchst« Erregung): Ich habe gerade alles, was Lippmann betrifft, noch besonders auf Glaubwürdigkeit und Richtigkeit nachgeprüft. Ich habe hier heute morgen lediglich als meine rein persönlich« Meinung geäußert, daß der Mayer den Lrppmann ausgezogen hat. Das werde üh wohl noch dürfen. Alles weitere, daß ich den Ausdruck „Schweinehund" gebraucht Hab« oder was ich auf dem Korridor gesagt haben soll, ist absolut unwahr. Ich hoff«, daß die große Be. leidigung, die mir hier widerfahren ist. ihre Sühne durch das Gericht finden wird.— Professor Scholz, der hierzu gehört wurde, war ebenfalls der Ansicht, daß Rechtsanwalt Herzstein sich wohl»erhört habe, denn nach seiner Erinnerung habe Dr. Kunz in dieser Unter- redung den Ausdruck„Schweinehund" nicht gebraucht. D«r Reihe nach erhoben sich nunmehr alle übrigen?lnmälte. nicht um zu dem Antrag Dr. Herziteins Stellung zu nehmen, sondern um über den Verteidiger selbst Erklärungen abzugeben.
Räch der Mittagspause erging der Gerichtsbeschluß, daß die abermalige Ablehnung des medizinischen Sachverständigen Me- dizinalrat Dr. Kunz als wiederum unbegründet zurückgewiesen werde. Der Zwischenfall zwischen den Verteidigern selbst wurde dann durch beiderseitige Erklärungen beigelegt. Der Angellagte B r e i t f« l d war von Beruf Droschkenkujicher in Berlin . Er bekundet« in seiner anschließenden Vernehmung, daß er an der Ausführung der Tat auf der Kadolzburg selbst nicht be- teiligt gewesen sei, sondern nur den Wagen yesüdri habe, den er auf wiederholtes Drängen des chm bekannien Graske zu diesem Zweck gemietel habe. Graste habe ihm von Ansang an mit- geteilt, daß im Austroge Lippwanns ein Bild gestohlen werden soll«. Bei der Fahrt sei dann schon in Michendorf eine Panne «ingetreten, so daß«in zweiter Wagen aus Berlin nachkommen mußt«. Er selbst habe nach Abzug der ziemlich hohen Wagenmiete von den aus seinen Tell kommenden 1000 Mark 650 Mark übrigbehalten. Nachdcin er sich längere Zeit in Berlin versteckt hielt, ging er nach Wien , wo er schließlich oerhastet wurde. Zum Schluß wurde die Zimmervermietcrin Dorn Schwarz vernommen, eine ehemalige Schauspielerin, die, wie sie angibt, wegen eines Ohrenleidens jür die Bühne nicht mehr tnuglich und für das Variete zu alt ist. Sie bestritt sehr entschieden, von der ganzen Angelegenheit irgend etwas gewußt zu haben. Das im Polizei- Präsidium abgefaßte Protokoll, wonach sie Graske als„alien Strolch gekannt und gefürchtet habe", erklärte sie für u n r t ch t i g. Sie habe sich, als Schmidt unter dem Namen Grünfeld die Zimmer mietete, nicht einmal entsinnen können, daß die Braut des Graste bei ihr gewohnt hat, außerdem sei ihr Graste damals unter dem Namen Weih vorgestellt worden. Nach dem von der Polizei ihr vorgelegten Lichtbild des Schmidt habe sie den angeblichen Grünfeld nicht wiedererkannt und habe deewegen erklärt, daß dieser Mann nie bei ihr gewohnt hob«. Aus dem Bild habe Schmidt wie ein Junge von 18 Jahren ausgesehen und auch keinen Schnurrbart getragen, während er.zur fraglichen Zeit ziemlich beleibt war, einen Schnurrbart getragen und überhaupt wie«in„besserer jüdisch« Herr" ausgesehen habe. Oie geraubten Bilder. Ein Mitglied derprotestontijchenLirchengemeind« Kadolzburg, der die Bilder gehören, äußerte sich als Zeuge über die Unterbringung der Bilder zusammen mit den anderen Heiligenfiguren in einem Bodenraum des Schlosses und über die während der Zeit eingetretenen Beschädigungen— Der katholische Stadtpjarrer der nächstgelegenen Gemeinde Zirndorf gab hierzu«w. daß schon seit langen Iahren die katholische Gemeinde sich bereit«r- klärt habe, die Bilder zu restaurieren und würdig auszustellen, daß die Kirchengemeinde in Kadolzhurg dies zwar abgelehnt, aber ihrer* isits eine Restaurierung der Bilder zugesichert habe. Aber bis zum Einbruch, also S Jahre noch diesem Briefwechsel zwischen den beiden Kirchengemeinden, sei weder in der Unterbringung noch in der Wiederherstellung der Bilder und der sonstigen Heiligenfiguren im Schloß Kadolzburg irgend etwas geschehen.— Als nächster Zeugt über die Bilder der Kadolzburg äußerte sich der Direktor d« Siädti* schen Galerie Nürnberg, Professor Dr. Schulz, früher Konservator des Gennanischen Museums. Er betonte, daß«s sich nicht um Allartafeln, sondern um die Flügel des Schreins einer Predella des Unterbaues für die Mtarxückwond handele. Die noch vorhandenen Halbjiguren an diesem Altar rührten ebenso wie die zwei vorderen Bilder von demselben Meister her, aber keinesfalls von Mathias Grünewald . Bielmehr erinnerten die Ornamente an den Ecken der Predella an Albrecht Dürer , so daß wohl der Schöpfer der Bilder
Soldat Suhren. 5Xt>man voa Georg von der Vrittg. Copyright 1927 by J. Jl. Spaeth Verlag. Berlin . Wir zwei sammeln die Kochgeschirre der Korporalschast, neun an der Zahl, und werden sofort damit an� den Brunnen gehen, um sie auszuspülen. Der Brunnen befindet sich hinter dem linken Nachbarabschnitl, der von Oester» reichern besetzt ist. Wir springen aus die Deckung und ver- folgen einen schmalen Pfad, der den Graben in etwa zehn Schritt Abstand begleitet. Wir schreiten fürbaß, Albering voran. Der Wein hat uns munter gemacht. Biolettgefärbren Himmelsbreiten schreiten wir entgegen, unter denen sich, nicht fern und am Ende des kleinen Weges, ein paar Hütten zeigen. Das Unterstandssystem zur Rechten haben die Oester- reicher gebaut. Es sieht aus wie der Längsschnitt eines Ozeandampfers, so verzwickt und hübsch ist es. Drinnen blasen sie eben ihre Kerzen aus. Undendliche Stille herrscht: die Lerche scheint uns zu folgen und spannt ihre Kehle voll Eifer an. Unter den sich lichtenden Wolkenstreifen fühle ich sie wie einen Funken unbändigsten Lebens flattern und rasen. Jetzt aber hört man das Geräusch eines Menschen, der sich wäscht und dabei Wosier speit, und wir erblicken auf der G abenkante einen kleinen vierschrötigen Soldaten. Er seift seinen entblößten Oberkörper, läßt die kräftigen, mit Fett- polstern bedeckten Armmuskeln spielen und bemerkt uns nicht einmal. Eben, als wir vorbeigehen, erscheint ein zweiter Sol- dat in deutscher Uniform hinter dem Waschenden, stellt sich stramm und meldet, daß die Kompanieführer versammelt Sad..„Herr Hauptmann," sagt er zu chm. „Ich komme* nickt der Hauptmann und reibt sich mst heftigen Bewegungen den Seifenschaum aus dem schwarzen Haar, das wirr in die Runde steht.„Ich komme— ist der Artilleriebeobachter auch da?— Gut!" Ich denke: Wie ihm die dicken Falten am Nabel zitterten! Merkwürdig ist auch, daß es Deutsche sind, denn gestern waren noch Oesterreicher hier. Sie müssen in dieser Nacht ab- gelöst haben.— Weiter gehen wir. und die Lerche singt immer. Der Himmel beginnt sich zu röten, es erscheinen eingestreute wage- rechte Striche. Stäbchen aus Karmin— sie werden zur
Leiter, sie werden zur Treppe. Wortlos folge ich meinem Kameraden, der nicht links noch rechts schaut: wortlog er- reichen wir die Hütten und den Brunnen, säubern die Geschirre und treten den Rückweg an. Treten den Rückweg an, immer den kleinen Weg entlang. Albering voran, Suhren folgend. Schritt und Tritt fügt sich zusammen. Seinen Rücken, wie ich ihn kenne! Die beiden Stellen, wo die Schulterblätter den Rock ausbeulen: den einen etwas schief eingenähten Koppelhaken: den ausgefransten unteren Rand des Rockes. Und dies: die Mütze, die so hoch auf dem steilen Hinterkopf ruht, und die Unmasie der hellen Haare, die sich kurz über dem Kragen zu einem kleinen drolligen Schwanz zusammendrehen. Wein ist in mir, und ich habe ihn noch nie so gern ge- habt, diesen kleinen lustigen Haarschnörkel. Es fällt mir«in, daß Klees einmal sagte:„Du hast einen Biolinschlüsiel im Nacken"— denn so ist es wirklich. Wir gelangen zu der Stelle, wo der Hauptmann sich ge- waschen hat. Er ist nun sauber, vom Scheitel bis zum Nabel, nur das Waschgefäß steht noch da, und der Kreideüoden der Böschung ist ringsum schwarz gesprenkelt. Sogar diese Sprenkelmuster, fühle ich, sind schön und vielsagend. Wir schreiten fort und die Lerche verläßt uns nicht, son- dern schmettert in höchster Kraft. Der Biolinschlüsiel in Albe- rings Nacken öffnet auch meine Soldatenkehle, ich singe, und weil ich Wein getrunken habe, singe ich gut. „Morgen marschieren wir Zu dem Bauern ins Nachtquartier. Eine Tasie Tee, Zucker und.Kaffee— und ein Gläschen Wein!" Und da schwingt sich die Lerche herab aus dem feurigen Himmel, verstummt und fällt in den Kartoffelacker, desien Blüten sich bewegen. Und da beugt sich der Kamerad, pflückt eine große Mohnblüte, deren Fahnen voll Schwärze sind und fortflattern, alle vier. Und wir springen in den Graben, und der Himmel ist mehr gelb als rot. Wir wischen Tau und Rost von den Gewehren: sie sind so naß. als hätten sie im Wasier gelegen. Das dauert eine Weile. Acherings Augen sind gesenkt, auf seinen Lidern sitzt weißer Kaltschmutz, der getrocknet ist. Keiner spricht etwas. Der Himmel ist bis zum Scheitel in Feuer, und die ganzen Seitengewehre spiegeln den Schein. Nichts wird gesprochen und nichts gesagt... Do erscheint Oelrichs, der Alte, schleppenden Schritte«. ober hastig, ein Arbeitsmann, die Beilpicke in der Rechten—
ein Botschaftsbringer, Schrecken in den Augen. Er steht, öffnet den Mund und murmell. Die Falten auf feiner be« schmierten Oberlippe zittern, zwei braune Zahnstumpen zeigen sich, und die Kinnlade klappert. Jetzt aber verzerrt sich sein Gesicht in einer ungeheuren Willensanstrengung, er läßt die Beilpicke in die Grabenecke gleiten und sagt langsam und deutlich, ruhigen Atiqes, aber unter krampfhaftem Zittern der Oberlippe: „Alarm!!" Damit hastet er fort. Und während mein Blut in heißem Sturz zum Herzen drängt, schraubt sich droben ein nisiischer Aeroplan, schwarz und röchelnd, mitten durch den gelben Lichtsee des Himmels. Gefecht bei Irysiev. Die Sonne ist da. Wir stehen auf den Schießbanken, gefechtsbereit, und sehen, das die Sonne da ist. Der Himmel steht nun in hellster Bläu«, und drunten, knapp über den Pappeln, ist die große goldene Sonne erschienen. Sie kommt dahergefahren als eherner Schild und als eherner Schütze, wir schließen die Augen vor ihr. Sie schießt ihre Pfeile mitten durch die Welt in tausendfache Ziele— und nun löst sie sich von dem obersten Wipfel einer Pappet los und fährt empor. Rasch schwebt fie auf, vorbei an einem der sieben braunen Ballons, die in gleichen Abständen den Horizont beschmutzen. Zu diesen blicken die bestrahlten Gesichter der Soldaten hinüber: man beobachtet Schulter an Schulter, plaudert und beobachtet. Einer der Ballons senkt sich und verschwindet hinter Drahtverhau und Erdwelle, ein anderer klettert der fliehenden Sonne nach in große Höhe. „Der will am meisten herausbringen,* sagt jemand recht« von mir. „Sieht uns gerade in die Fresse,* schilt jemand von links. „Wie spät. Kameraden?* Es gehl nun auf vier Uhr. immer noch dauert der Alarm: indessen fällt kein Schuß: nur die dreckigen braunen Fleck« überm Drahtverhau sind verdächtig, sie drehen sich, werden bald schwarz, bald gelb, sinken und heben sich erneut. Wir werden müde, gähnen, möchten schlafen. Die Sonne fährt fort zu steigen und scheint nun schon auf die Patronentaschen. welche glänzen. Es wird warm, wir werfen die Mäntel ab und beobachten weiter. Ein Offizier eilt durch den Graben und fragt:„Wo ist Leutnant Brause?" (Fortsetzung folgt.)