Jlr. 17 ♦ 46. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Kreitag- 11. Januar 1929
Vorstandswahl imGtadtparlament Die Kommunisten wollen den Streit.— Haß wird wieder Vorsteher.
In der Berliner Stadtverordnetenversammlung hat die in der ersten Siguirg des neuen Jahres zu vollziehende Wahl des Vorstandes, wie es erwartet wurde, den Kam- munisien als Anlaß gedient, ihren„Radikalismus"(was sie so nennen) zu betonen. Weil die sozialdemokratische Fraktion den parlamentarischen Gnrndsag, daß alle großen Fraktionen nach Maß- gäbe ihrer Stärke an den Vorstandssitzen beteiligt werden müssen, nicht noch dem Wunsch der Kommunisten preisgeben wollte, stimmten diese gegen die Wiederwahl des bisherigen Vorstehers Haß. Sie konnten nicht verhindern, daß unser Genosse Haß zum Vor st eher wiedergewählt wunde, aber das ernctchten sie, daß sie selber nun keinen der Stellvertreterposten erhielten. Dies« Demonstration zeigt aufs neue, daß d i e Kommuni st en den Streit suchen und es ihnen um ernste Mitarbeit in der Gemeinde nicht zu tun ist. Sie wollen ofsendar auch nicht ernst genommen werden. « An Stelle des bisherigen Stadtrates Dr. Ausländer wurde Sradcverordneter Raddah von der Kommunistischen Partei als un- besoldeter Stadtrat oerpflichtet.— Bei der Reuwahi des Vorstandes der Versammlung verlas Stadtverordneter Gäbet ein« Er- klärung der kommunistischen Fraktion, in der fest- gestellt w»d, daß die Sozialdemokraten wieder einmal Verrat an den Interessen der arbeitenden Bevölkerung dadurch begangen haben, daß sie die in allen Parlamenten übliche demokratische Gepflogen- heil auch in diesem Jahre wieder beobachten wollen, die Vorstands- poslen nach der Stärk« der Fraktionen zu besehen. Die Sozialdemo- traten hielten es lieber mit den Bürgerlichen— sagte Herr Gabel — und deshalb werden die Kommunisten zu allen Stellen eigene Kandidaten oorschlagen.(Große Heiterkeit, Lärm bei den Kommunisten. Stodtn. Gabel mit ernstem Gesicht:„Am vielen Lochen erkenn) man den Narren!"— Erneute.Heiterkeit!) Genosse Dr. cohmann: Wir haben«-> unter unserer Würde geholten der kam- munlstischen Fraktion aus da» Schreiben zu antworten.(Sehr rich- tig bei den Toz.) Wie in den Vorjahren werden wir auch dieses Mal den„Vorschlag" der Kommunisten ablehnen und schlagen dem- gemäß ai» Vorsteher unser Fraktionsmitglled haß vor. Aus der Zettelwahl ging Genosse Haß als Vorsteher hervor. �Bon 175 abgegebenen Stimmen erhielt Haß 129, der Kam- munist Schwenk 58 Stimmen, die anderen waren zersplittert oder ungültig. Genosie Haß ist damit das stebentemal als Borsteher gewählt. Als Dorste her st sllvertreter wurden die Stadl- verordneten Gronaß(Dnat.), Meyer(Dem.) und Dr. Eospori (D. Bp.) gewählt. Zu BeisiHern wurden von der sozialdemokrati» schen Fraktion dl« Genossen Flatau. Elojus und Harsch, zu Beisitzer. stellyertretern Frau Hüdner-Riedger und Klose wiedergewählt. Die KantMunisten haben also durch ihr« verrückt« Taktik auch diesmal wie schon vor zwei Iahren erreicht, daß sie weder im Vorstand der Versammlung noch unter den Beisitzern vertreten sind. In der Erledigung der Tagesordnung gab der Dorsteher je «ine Ankrag« der Demokraten und der Kommunisten zu den Grippeerkrankunge« bekannt, die aber mit Zustimmung der Lersammwng erst in der rtdchftm Sitzung beantwortet werden.. Einen etwas merkwllrdiaev, ober immerhin mteresiantsn A n- trag, dem sie durch Dringlichkeit noch besonderen Nachdruck gaben, brachten die Deutschnotionalen ein. Die Antwort des Stadtsyndikus, Genossen Lange, in der kürzlich be. handelten Anfrage wegen der Zugehörigkeit städtischer Beamten zum Stahlheim hatte es den Antragstellern angetan und so forderten sie in ihrem Antrag nicht mehr und nicht weniger, als daß der Oberbürger-
meister dem Stadtsyndikus das Amt als Personalreferent abnehme und es wieder selbst verwalte. Schallendes Gelächter links war die Quittung auf diesen unverschämten Antrag. Setbstverltänd- lich wurde der Dringlichkeit widersprochen, die Herren Deutschnatio- nalen müssen sich schon etwas gedulden. Ueber den Schandfleck am Bahnhof Friedrichstraße aus dem Grundstück Eck« Reichstag sufer, auf dem schon seit Jahren ein« Gesellschaft ein Turmhaus errichten will, beschwerten sich in emer Antrüge die Demokraten. Stadiv. Merten begründete die An- frag« und sragt«. was geschehen soll», um diesen Schandfleck im Innern Berlins zu beseitigen. In seiner Antwort teilt« Stadtrat Busch mit. daß gegenwärtig Verhandlungen schweben mit dem'siele, das Grundstück sür die Stadt Berlin zurückzue«'- werben. Er bat. von einer Auskunsterteilung gegenwärtig eü- zusehen, da die Verhandlungen gestört werden könnten.— Nach der Erledigung einer gasten Reihe Vorlagen, zu denen keine Wort- Meldungen vorlagen, verabschiedet« dann die Versammlung noch die Vorlage des Magistrats, die den Bau einer Abwässer-Kläranlage nach dem neuen Belebt- Schlammversahren zum Gegenstaich hat. Bekanntlich gedenkt man in der ferneren Zukunft die Rieselselder durch Beseitigung der Abwässer nach dem neuen Verfahren zum Teil überslüssig machen zu können.
Oer Zürcher Prozeß vor dem Ende. Urteilsverkündung heute nachmittag. In der Nachmittagssitzuno des Donnerstag ergriff Erster Staat«' anmalt H e u w! e s e r das Wort zur Anklagerede: Dieser Dieb- stahl hat in der Tat etwas Besonderes, denn es handelt sich um heilig« Kulturgüter des deutschen Volke«. Der deutsch « Kunstbesitz ist durch Inflation, Unverstand und Gewinnsucht ohnehin arg gemindert. Nicht um gewöhnliche Täter handelt es sich: Ent- artete Vertreter des Kunsthandels haben sich mit Berufsverbrechern verbunden. Kunstbändlcr, denen von Berufs wegen die Aufgab« ob- liegt, deutsche Kulturgüter zu schützen. Der Anklagevertreter beschäf tigte sich im einzelnen dann mit den Angeklagten: Lipp mann, als Sohn eines berühmten und angesehenen Gelehrten, habe mit seiner Veranlagung zweifellos ein schlechtes Erbteil erhalten, aber es fei wohl nicht zutreffend, daß er überhaupt keinen Willen gehabt habe und vollkommen hörig gewesen sei. Gegen seine etwaige Willensschwäche sei seine hohe Intelligenz zweifellos ein Gegen- gewicbt gewesen. Mayer, ebenfalls Sohn achtbarer Eltern, seien die Frauen zum Verhängnis geworden, so daß er schließlich immer tiefer ge'unten sei. Ein Stück tiefer noch als er stehe Schmidt, der gleichtalls aus vorzüglicher Familie stamme und von dem nach seiner ganzen Veranlagung nicht anzunehmen ist, daß er dem viel intelligenteren Lippmann den. Plan zu der Tat entworfen hat. Neben dieser„ELte der Kunsthändler" sitze da« Berliner V«r- b r e ch, r t u m. vor allem G r a» k«. Angenehm unterscheidet sich von ihm der Angeklagte Zahn, den Abenteurerlust zum Verbrecher gemacht hat und der nicht unsympathisch erklärt, daß er zu seiner Tat stehe. Berliner Kunsthändler gemeinsam mit Berufsverbrechern! „Die stohze Burg der Hohenzollern." so rief Herr Staatsanwalt Heu- wieser aus,„oft gestürmt und erfolgreich verteidigt, ist auf den ersten Anhieb der Berliner Verbrecher gefallen!" Wer Urheber des Planes ist. läßt sich nicht mit Sicherheit heut« entscheiden. Mit größter Wahrscheinlichkeit kann Mayer als Urheber der Tat bezeichnet werden. Zusammensassend erklärt« der Anklagevertreter, daß Graske. Zahn, Lippmann. Mayer und Schmidt des gemein- ichaitlichen. schweren Diebstahls schuldig seien, Breitseld der Beihilfe zu diesem Verbrechen und Frau Schwarz der Hehlerei, und stellt die folgenden Slrafanträge. Gegen L i p p m o n n ein Jahr sechs Monat« Gefängnis, geaen Schmidt zwei Jahre Gefängnis, gegen Mayer zwei Jahre Ge-
fängnis, gegen Graske vier Jahre Zuchthaus und fünf Jahr« Ehrverlust, gegen Zahn ein Jahr vier Monate Gefängnis, oege» reitfelo ein Jahr zwei Monate Gefängnis und gegen Fraii Schwarz drei Monate Gefängnis. Der Anklagevertreter betont«. daß er sich entschieden gegen«ine Aushebung der Haftbefehle wenden müsie. da seiner Ansicht nach bei. den meisten Angeklagren Flucht- verdacht vorliege. Rechtsanwalt Dr. Haber als Verteidiger LIppmarrns wandte sich dagegen, daß der Staatsanwalt auf der einen Seite von heiligen Kulturgütern des deutschen Volke» spreche, während aus der anderen Seit« in Wirklichkeit die Bilder der Kadolzburg, ebenso wie' andere Altertümer, all- mählich dem Verfall entgegengingen, weil sich rnemand darum kümmere. In der elften Abendstunde begann der Staats- anmalt mit seiner Replik. Da am heutigen Freitag der Sitzungs- laal für diesen Prozeß nicht mehr zur Dersügung steht, mußte die Verhandlung bis zum letzten Wort der Angeklagten bis in die späten Nachtstunden hinein zu Enhe geführt wch-dem Das Urteil soll am heutigen Freitag nachmittag verkündet werden.
70 Schlaftabletten mit einemmal. Gelbstmordversuch einer verschuldeten Adligen. Am Donnerstag nachmittag hat die SSjährige B a r o n i» v. Hohenberg in einer Pension am Biktoria-Luise-Platz einen Selb st Mordversuch unternommen. Sie wurde in bedenk- lichem Zustande in die Chantc übergeführt, wo sie setzt i» fast hoffnungslosem Zustande daniederliegt. Frau v. Hohenberg, ein« geborene Henket von Donners-' m a r ck, war seit mehreren Jahren mit einem Wiener Adligen, dem Grafen von Fünfkirchen , verheiratet, her einer sehr wohlhabenden Familie entstammt und beträchtliche Güter in Oesterreich und in der Tschechoslowakei besitzt. Die Ehe wurde vor einiger Zeit jedoch geschieden und die Gräsi» Fünftirchen ging aus Resten. Trotz ihrer nicht unbedeutenden Einkünfte— sie war In zweiter Ehe mit dem Baron von Hohenberg i>ert>eiratet— geriet die Gräsin sehr bald in Schulden, zumal sie in den internationale» Kasinos hoch zu spielen pflegte. Vor drei Tagen kam sie fast ohne Mittel nach Berlin und stieg in der Pension New- Park ab, wo sie sich als Gräfin Fünftirchen in die Meldeliste eintrug. Sie versuchte in Berlin vergeblich an mehreren Stellen Geld aus- zutreiben, scheiterte aber bei diesem Vorhaben, da die Unterlagen über angebliche Erbansprüche, die sie vorlegte, den Geldgebern nicht genügten. So beschloß sie. aus dem Leben zu scheiden und nahm eine io große Dosis von Schlafmitteln, und zwar 70 Tablette» Phanodorm, daß unter normalen Verhältnissen der Tckd schon nach kurzer Zeit hätte eintreten müssen. Zufällig kam jedoch eine Hausangestellte in das Zimmer und sab die Baronin aus dem Erdboden liegen. Man alarmierte das Retwngsamt. das die Lebensmüde in die Ehoritö. brachte, wo sie jetzt in fast hoffnungslosem Zustande daniederliegt.___ Die gestohlene Kirchtnrmuhr. Mit einem nicht alltäglichen Diebstahl hatte sich da« Schöffei»- geeicht Berlln-Mitt« zu beschäftigen. E» handelt« sich um den Diebstahl des 2 V? Meter im Durchmesser großen Zifferblattes der Marienkirche am Neuen Markt. Angeklagt waren die Arbeitslosen N., R. uftB D.. die einen..Gemeinschastsbumb zur Auswertung der Schätz« der Müllkästen" eröffnet hatten. Das Betriebskapital bestand m einem Handwagen. Auf einem»hr«? Geschäftsgange bemerkten sie, daß an der Marlenkirche ein hohes Turmgerüst errichtet war, und daß die Zifferblätter ab- montiert m einem offenen Baistchuppen lagen. Eines davon luden sie auf ihren Handwagen und verkauften es fürllZ M. bei einem Althmrdler. Am nächsten Tage wurde das Fehlen des Zifferblattes gemerkt. Nach Arbeitsschluß stieg der Bauleiter selbst auf den Kirchturm und legte sich in luftiger Höhe auf die Lauer. Bald daraus erschienen auch die drei Angeklagten und begannen, die anderen drei Zifferblätter auszuladen. Sie wurden nun festgenommen. Das gestohlene Zisferblatt konnte auch wieder herbei- geschafft werden. Wegen einfachen Diebstahls verurteilte das Schöffengericht die Angeklagten, die bereits sämtlich vorbestraft waren, zu drei, vier und sechs Monate» Gefängnis.
Soldat Surren. oman von Oevrg von der ring. Copyright 1927 by J.JL Spaeth Verlag. Berlin . Dann kommt Eisen von der Patrouille zurück, erst jetzt und mit geröteten Backen: wir hatten ihn nicht vermißt. Man fragt ihn, und es stellt sich heraus, daß er einen russi- schen Hund gefangen hat. n m... „Wieso einen russischen?— Wo hast du ihn? Geschlachtet für Blutballen?" fragt Lurtjcbam entzückt. Eisens Gesicht strahlt, er brennt eine Zigarre an, pafft wie ein Imker und schweigt. Meyer aber, der mit ihm ge- kommen ist, erzählt:„Er hat einen wichtigen Fang gemacht. und der Leutnant überreichte ihm jene Zigarre aus seiner besten Kiste." Wir gaffen den Glücklichen an. Der Rauch der guten Zigarre hat sich verzogen, denn Eisen hat ein vernünftiges Rauchtempo eingeschlagen, und er brumint, während die gute Zigarre zwischen seinen feuchten Lippen zappelt:„Er hat mich zum Leutnant der Landwehr vorgeschlagen." „Wenn auch nicht dies," versetzt Meyer ernst,„so kannst du dir hiermit doch vielleicht die Gefreitenknöpfe geholt haben. Ich bestreite es nicht." Er macht fein Beamtengesicht, dazu entdecke ich. daß er ja schon die Gesreitenknöpfe trägt— seit wann? Sein Gesicht aber oerrät es nicht, er hat die Augen vor den taufend her- zielenden Sonnenstrahlen zugekniffen und lächelt über irgend etwas. Ueber was mag er so glücklich lächeln, so selbstver- pessen dastehen, jede einzelne lange Borste seiner Brauen von der Sonne beschienen und mit einem eigenen winzigen Schatten an der Stirn?— Plötzlich macht er unvermittelt eine rasche Kniebeuge, rascher als damals in Montcornet, als ich mich elend fühlte. Er beschaut die Erde, ein Krachen ertönt, mein Atem stockt mir im Halse— eine Granate ist eingescklagen. Eine zweite, «ine dritte, eine vierte folgen— dann Stille. Wir erholen uns, spähen nach rechts die Erdwelle hinauf, die unser erster Zug besetzt hält, und erblicken dort eine weiß- liche Qualmwolke.' Sie wirbelt soeben bis zur Sonnenhöhe empor und treibt dann langsam zur Sonne hin, immer silberner werdend. Es pfeift nun links hinüber und schlägt vor dem Nachbarabschnitt ein. der in der Mulde liegt und sich in leichtem Bogen zurückschwingt, begleitet von zwei schmalen Streifen Draht, in den wir ein wenig von oben
! hineinschauen, sozusagen hineinspucken könne, r. Auch dort > schießen weiße Rauchsäulen auf. Das Spiel beginnt, unsere Müdigkeit ist verschwunden. Hinter dem Gewehr auf der Schiehbank stehend, beobachten wir. wie Salve auf Salve in Abständen von Sekunden rechts hinüber auf den Abschnitt unseres ersten Zuges niedersagen, bören wir das Gejaule der Detonationen, sowie das Surren und Zwitschern der in unsere Nähe fliegenden Sprengstücke, schen wir weißliche, graue, braune und feurige Rauchwolken aufprallen, aus denen sich Erdklumpen und Drahtverhau- pfähle in noch größere Höhe erheben, um wieder in ihnen zu verschwinden. Die Rauchmasien schieben sich, vom Luftzug verschwinden. D'e Rauchmassen schieben sich, vom leisen Luft- zug getrieben, ostwärts, dem feindlichen Graben zu. Es heißt aufpassen, denn jeden Augenblick können auch wir beschossen werden. Verirrte Splitter übersummon uns und scheinen etwas anzukündigen. Dies ist der Tag der Rache. Gottes Finger rührt in unser Herz, welches �pocht und wartet. Was wollen die Salven? Sie kommen jetzt seit einer Stunde. Wir zählen die Abstände zwischen ihnen nach Se- künden— diesmal waren es sieben, diesmal waren es neun. Ich seh« nicht die Gesichter der Kameraden an, ich denke nur an die schwärende und weiterfressende Wunde in unserem Abschnitt. Wo sind die Leute vom ersten Zug?— Liegen sie in den Unterständen?— Unmöglich, denn diese haben nur einen halben Meter Decke. Aber wo sitzen sie?— Haben sie Verwundete. Tote?— Ist es möglich, daß dort ein Anariff gemacht wird?— Und ich verwirre mich und komme zu dem unsinnigen Schluß, daß dies unmöglich ist, weil unsere Leute nicht mehr kampsfähig sein können— die Russen schießen doch nicht mit Schokolade! Eben surrt wieder ein ausgerissener Splitter heran, ich habe mich geduckt. Er schwirrt wie eine Fledermaus, aber lauter— und jetzt ganz langsam wie die kleine Windmühle, die ich einst im Nachbargarten bewunderte. Klapp! da sitzt er in der Grabenwand, als hätte ein Junge zum Spaß ein Mesier in die Erde geschleudert, in der Erwartung, daß«s ausrecht stehen bleibe. Der Splitter hat die Form eines Taschenmessers und steckt dort wie ein solches. Sogleich stürzt sich Pabst darauf und will ihn sich aneignen. Doch er ver- brennt sich,„hei!" schreit er und schüttelt lachend seine Finger, bleibt aber neben dem Splitter stehen, denn er gehört ihm. Jetzt ist auch der kleine Leutnant, der vordem noch Brause suchte, bei uns. Er setzt sich neben der Schulterwehr in die Ecke, legt eine geöffnete Schachtel mit Zigaretten neben
sich und hält eine zwischen den Fingern. Ich habe ihn noch nie gesehen. Er ist sehr bleich und schlägt sich fortwährend die Äsche von der Uniform. Pabst hat indessen seinen Splitter erkalten lassen und herausgezogen. Der Offizier verzerrt sein Gesicht zu einem Lächeln und sagt zwischen zwei Salven:„Setzen Sic sich alle auf die Schießbänke, nur der Posten soll stehenbleiben. Der Posten ist Eisen. Wir folgen dem Befehl und b«- mühen uns, ruhig zu fitzen. Pabst kann es am wenigsten, er springt auf und berechnet, wohin der Splitter, den er hört, sich wenden wird. Hat er soeben erst seinen Wein getrunken? Oder ist es das Spiel, was ihn reizt? Es erregt uns alle, dies Spiel der Splitter, aber wir wenden nur die Köpfe hin und her, während Pabst mit blitzenden Augen durch den Graben tanzt. Jetzt hat«r feine Feldmütze in den Händen, als wolle er Kirschen damit auf- fangen, und er läßt einen heißen Elsenstern hüpfen, der ihm das Mützenfutter ansengt. Wie ein Gaukler hebt er die Füße, seine Splittersammluna bereichert sich minütlich, und immer ist«in glühender dabei, durch den auch die erkalteten zum Hüpfen gebracht werden. Indessen sagt der Leutnant und lächelt wieder:„Während der Ehampagneschlacht haben wir drei Tage seitwärts auf den Schießbänken gesessen. Eg ist das sicherste/ Er bemüht sich, gemütlich zu sprechen, aber sein Gesicht ist furchtbar blaß, und immer fingert er die Asche von der Zigarett«, an der er, sobald sie seinen Fingernagel sengt, eine neue anbrennt. Wenn er es sagt, wird es wohl richtig fein! So sitzen wir wortlos. Keiner hat seine Pfeife in Brand. Man blickt auf Pabst— ich fühle, daß olle es tun, denn t ch tue eo ja. Nur Pabst sehe ich an, den Sammler, den Tänzer, dessen Gesicht Bäche von Schweiß überrinnen, indem es lächelt. Plötzlich fällt Eisen rücklings vom Postenftand. Wir starren ihn an. wie er gegen die Hinterwand torkelt. Seine Augen hat er geschlossen, doch die Lider zittern. Er will sie nicht öffnen, denke ich. Er blutet nicht. Dann hebt er sich vorsichtig auf die Knie, öffnet die Augen, reißt die Umfonn auseinander und betrachtet seine Brust. Bevor wir uns auf- raffen, ihm beizuspringen, besteigt er kopfschüttelnd den Stand. „Sind Sie schlapp geworden?" sragt der Leutnant zwischen zwei Salven. Eisen brummt etwas und rückt seinen Helm wieder ge« rade. Und Pabst hat sogar den Splitter gefunden, den er in seine Mütze hinemklingeln läßt. (Fortsetzung folgt.)