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Nr. 17 46. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts 11. Januar 1929

Der alte Markenjammer.

Markenschüßler, Ministerien und Gerichte sollen endlich Vernunft annehmen.

Prozesse als seidene Schnur.

Tagtäglich werben den Berbrauchern durch eine Masseureffame die Gegenstände des täglichen Bedarfs angeboten und empfohlen. Dieser dem allgemeinen Redytgempfinden widersprechende und Hunderte von lebensnotwendigen Artikeln find jedem Käufer als wirtschaftlich ungefunde Zustand wird durch einige zurzeit I a u- Marte" befannt. Ob die Hausfrau sich Backpulver oder der Gefende Prozesse noch besonders befeuchtet. In   Berlin cristiert nießer sich, Henfell Troden, besorgt, ob man sich Zahnpulver oder eine Großhändlervereinigung zur Wahrung und Förderung wirts Creme zur Körperpflege fauft oder Malzkaffee für das Morgen fchaftlicher Interessen, in dem 11 fogenannte privilegierte frühſtüd, überall trifft der Stäufer auf Martenartikel. Heute sind Großhandelsfirmen zusammengeschlossen sind. Das Privileg bereits breiteste Räuferschichten auf Martenartifel eingeschworen, dieser Firmen besteht darin, daß sie allein von den Fabrikanten und so oft auch über die hohen Preife getlagt wird, wird die be­mit bestimmten pharmazeutischen Artikeln, wie Aspirin und Pyra­treffende Bare doch immer wieder getauft, weil es sich eben um die midon, beliefert werden, während der weitaus größte Teil der Groß­betannte ,, Marte" handelt. Es gibt aber auch Martenartifel, mo händler, etwa 45 Firmen, von der Belieferung mit diesen Artikeln die Konsumenten überhaupt feine Wahl mehr haben, ob sie faufen ausgeschlossen sind. Dieses Liefermonopol genügt den Privilegierten wollen oder nicht. Dies trifft in erster Linie auf Apotheterwaren zur Stärtung ihrer wirtschaftlichen Macht aber nicht, und so ver und Drogen zu. Bei plöglich eintretenden Schmerzen und bei fuchen sie, bei den geringsten Preisunterbietungen anderen Handels Krankheiten muß   Aspirin, Pyramidon oder ein anderes Mebitament firmen Brozesse an den Hals zu hängen. um auf diese Art die mög besorgt werden; es muß einfach... liche Konturrenz loszuwerden. Die Befämpfung der an sich schon Schwächeren geht dabei so vor sich, daß erst die Bereinigung, fodann ein Mitglieb, dann ein zweites, drittes und viertes Mitglied der Bereinigung Brozeffe gegen die gleiche Firma anstrengen, so daß der Angeklagte schon durch die Höhe der ganz willkürlich festgesetten Brozeßfummen ruiniert werden und oft nicht einmal mehr die Kosten eines Vergleiches tragen tann.

Der Zwangsapparat der Martenschühler.

Bir haben bereits mehrfach davon gesprochen, welche Preis diktatur durch den Martenschugverband( Verband der Fa britanten von Martenartikeln) ausgeübt mird. Dieser Berband, dem 232 Firmen angehören, von dem Milliardenunternehmen des Farbentrufts bis zu den fleinen Spezialfabriken herunter, hat ein raffiniertes System aufgebaut, in das die gesamte Händlerschaft Dom Großunternehmen bis zum fleinsten Drogisten oder Kolonial warenhändler sorglich hineingepaßt ist. Der Verband sehr die Preise und zugleich die Rabatte für den Groß- und den Kleinhandel feft und läßt die Händler einen Verpflichtungsschein( Revers) unter Schreiben, wodurch sich die Händlerschaft auf Gnade und Ungnade in die Hände der Fabrikanten bzm des Berbandes begibt. Durch Die Festfegung der Verkaufspreise und Rabatte werden Hunderte pon lebensnotwendigsten Artikeln für die Verbrauchermaffen ohne Schulb der Wiederverkäufer oft bis zu 200 Prog. Berteuert. Wenn es heute einem Martenfabrikanten einfällt, eine Salbe ober ein Infeftenpulver, beffen Herstellungstoften 10 Bf. betragen, für 1 Mart durch den Handel vertreiben zu laffen, so wird ihn niemand daran hindern, fo daß der llebervorteilung bei bestimmten Marken­waren, die feine Konkurrenz zu fürchten haben, teine Grenzen ge­zogen find

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Ist aber irgendein Wiederverfäufer bereit, fidh mit geringerem Gewinn als dem vorgeschriebenen zu begnügen und verfauft er Martenartifel unter dem vorgeschriebenen Preise, so hat er im Handumdrehen den riesenhaften Apparat der Fabrikanten und Berbände auf dem Hals. Da er den Verpflichtungsschein( Revers) tinterschrieben hat, belegt man ihn mit hohen Konventionalstrafen, ficht wirtschaftlich durch Lieferboykott ihn zu schädigen und hängt ihm noch eine Reihe Prozesse an, die ihm den Rest geben fönnen Entscheidend ist heute aber, daß der Wiederverkäufer, der den Preis­diftaten sich nicht fügt, von der geltenden Rechtsprechung nicht etwa geschüßt, sondern eventuell megen unlauteren Wettbewerbs gefaßt wird, während sie andererseits nicht daran benft, gegen den Marten fdutverband bam. gegen die Fabrikanten von Martenartiteln megen Pre swucher vorzugehen. Daß ein Wiederverkäufer den Revers unterschreiben muß, menn er überhaupt ins Geschäft tommen

will, daß Wirtschaftsfreiheit nur dem Martenverband gewährt wird, ficht die Gerichte nicht an. Das Reichsgericht ist in einer Entschei bung fogar fo weit gegangen, daß es den Kartellcharakter des Martenschutzverbandes verneint hat und in der Frage, ob die Breis unterbletungen von Händlern in diesem Zusammenhang zu bestrafen feien oder nicht, tommt der Kammergerichtsrat Pinzger in der Rartellrundschau" sogar zu folgenden Ausführungen:

Nur tomme man nicht damit, daß der Schlenberverfäufer im öffentliche Interesse handle! Letzteres märe theoretisch denkbar, tommt aber praftisch nicht vor. Oder foll nur gefagt werden, baß imlauterer Wettbewerb nicht unfitlich ist, wenn er mir objeftin ber Allgemeinheit Borteile bringt? Dann müßte fogar der Diab. fiahl, ja loger bas Plündern straffrei fein, wenn man damit bie Notlage der Armen mildern will. Van sieht, mohin solche sozialen Betrachtungen führen."

Die geltende. Redispredning nimmt also rein formal und ein fettig auf Grund des unterschriebenen Reverſes gegen jeden Händler, Der entgegen ben vorgeschriebenen Preisen billiger vertauft, Stellung, während sie andererseits nicht daran denkt, die Berbrauchermaffen por der Uebervorteilung durch die Wartenartikelfabrikanten zu Schützen: Es ergibt sich also, bie Tatsache, baß Preiswillfür erlaubt, Preisabbau dagegen bestraft wird,

selt 1888

Einige jetzt in   Berlin laufende Prozesse dieser Großhändler­vereinigung und ihrer Mitglieder gegen zwei andere Grossisten haben fogar das Reichswirtschaftsministerium aus einer bisherigen Reserve gelodt. Wenigstens zeigt sich bas endlich erwachte Interesse des Ministeriums darin, daß es einen Bertreter zum Termin entfandt hatte. Auch der Martenschuß­Derband selbst scheint, obwohl in diesem Prozeß zunächst nur Händler gegen Händler stehen, an diesem Fall ein besonderes. Inter effe au haben. Offensichtlich lag dem Berband daran, die Sache gütlich beizulegen, denn wie der Verbandssynditus, Rechtsanwalt Rüdiger, erklärte, habe sich die Deffentlichkeit in letzter Zeit schon vielguoiel mit dem Martenschutzverband befaßt. Allerdings trug biefer Syndikus felbft dazu bei, daß man fich in Zukunft noch viel eingehender mit seinem Verband beschäftigen wird, denn er brohte auf dem gleichen Termin einem Angeklagten", der bei dem Reichs wirtschaftsministerium den

Antrag auf Auflösung des Martenschuhverbandes gestellt hatte, damit, daß er fünftig auf teine Schonung mehr rechnen dürfe und sämtliche Verbandsmitglieder Lieferbontott über ihn verhängen würden. Diese flare Drohung dürfte auch der Bertreter, des Reichs wirtschaftsministeriums gehört haben und diese Drohung vermag auch das Reichsgericht über den nicht vorhandenen Kartellcharafter des Darkerschußperbandes eines Besseren zu belehren. Inzwischen foll übrigens die Drohung sich schon zu verwirklichen begonnen haben. Es scheint fo höchste Seit, daß das Reichswirtschafts ministerium diesen( wievielten) Fall zum Anlaß nimunt, um unter Anwendung des Kartellgefeges sich die Brattifen des Martenschutz. verbandes etwas näher anzuschen.

Die Folgerungen, die die Arbeiterschaft als Berbrauchermafle aus diesen Tatsachen zu ziehen hat, liegen auf der Hand. Bei den

bevorstehenden Verhandlungen zur Reform des Kartellgefeßes muß eine gefeßliche Regelung für die wirtschaftlichen Monopole geschaffen merden, und in dem besonderen Falle der Martenartifel muß das ungerechte mirtschaftsfeindliche und volkswirtschaftlich unrationelle Syftem der Berpflichtungsscheine aufgehoben werden. Die Bieber. perfäufer täuschen sich in der Annahme, daß die geschütten Breife ihnen einen größeren Umjag bringen. Wenn die Martenartikel billiger mären, mürben andere Waren um so mehr gefäuft, und der umfaß der Händler würde steigen, statt zu finden. Heute sind die iederverkäufer von Mortenartikeln nur die sicheren und billigen Rafflerer für die Marfenmonopolisten, zu deren Gunsten fie fich legt. lich, weil die Maffentäufer meniger taufen tönnen, infolge der hohen Martenpreise den Leibriemen nur enger schnallen müssen Birtlich gute, für die Ränfer unentbehrliche Markenartikel fehen sich auch ohne besondere Preisvorschriften und Liefermonopole durch da es wird sehr viel mehr dann von ihnen verkauft, mas zu viel größeren Umfäßen und Gewinnen führen kann, als irgendein Breis. schutz zu schaffen vermöchte. Die alte Regel soll gelten: großer mias, tieiner   Rugen fo ist allen, auch den Fabrikanten und Wiederverkäufern, am besten gedient.

R. R.

Eugen Kentner A.-G.

in

Freifag.

Stahltruft und Krupp.

Quartalsbericht und Jahresabschluß.

Der Ruhrstahltrust, die Bereinigte Stahlwerte A- G. in   Düsseldorf, veröffentlicht einen Tag vor der Aufsichtsratssitzung, bie die Abschlußziffern für das am 30. September abgelaufene Be­triebsjahr 1927/28 genehmigen soll, ihren Quartalsbericht für die drei Monate Ottober bis Dezember 1928. Die Ziffern dieses Betriebsberichtes, der also bereits die ersten drei Monate des neuen wöchige Stillegung fämtlicher Hütten und Walzwerfsbetriebe Geschäftsjahres 1928/29 umfaßt, sind naturgemäß durch die sechs­den vorhergehenden Bierteljahresberichten nicht zu. start beeinflußt und lassen dementsprechend Vergleiche mit Auftragsbestand mit 99,1 Proz. des Monatsdurchschnitts im Ge Bon Bedeutung ist, daß der am 31. Dezember vorhandene fchäftsjahr 1927/28 beziffert wird, woraus sich eine entsprechende Erhöhung der Auftragsbestände ergibt, da die im Laufe des Ge schäftsjahres ausgewiesenen Auftragsziffern nur mit 68,1 Proz. gegenüber dem Beginn des Geschäftsjahras Oftober 1927 angegeben murden. Wie hoch die Steigerung der Auftragsbestände ist, läßt fich allerdings nicht feststellen, da die Vereinigten Stahlwerke jezt eine neue Berechnungsmethode anwenden.

Hiervon abgesehen, weisen natürlich infolge der Aussperrung fämtliche Produttions- und Umsaßziffern in den Be richtsmonaten einen starten Rüdgang auf. So betrug der Umsatz an Fremde:

bavon im Inland.

1 10. bis 31. 12. 28 274,4 Millionen M. 180 0 94,3

59

1 7. bis 30.9.28 369,9 millionen M. 231,5

138,3.

im Ausland. Nach diesen Angaben ist der Auslandsabsatz im Ber hältnis zum Gesamtumfaz um etwa 8 Proz. auf 34,4 Broz zu rückgegangen. Entsprechend dem Rückgang ber Umfäße haben sich auch die Produktionsziffern verringert. Sie betrugen

an Stohle

Kots Roheisen

Rohstahl

4

1 10 bis 31. 12. 28 6,0 Millionen To. 1,8 0,94 1,0

1. 7 bis 30.9.28 6,6 Millionen Zo. 2,4

1,5

1,6

So scharf der Brobuftionsridgang auch erscheint, muß die arbeitstäglige Zeistung in der Roheisenproduktion on ben Hochöfen und die Rohstahlgewinnung in den Stahlwerten so­gar et mas höher sein als in dem legten Quartal, denn während durch die Aussperrung und die Feiertage in dem Berichtsquartal faft 50 Broz. an Arbeitszeit verlorengingen, beträgt der Rüdgang der Rohstahlprobuftion nur 37 Broz und bei der Roheisen gewinnung 40 Broz.

Die Gesamtbelegfchaft ber Bereinigten Stahl merte hat sich mit 167 343 gegen 172 595 Mann am Schluß des legten Bierteljahres nicht start verändert. Im Steinfohlen. bergbau ist nút einer Belegschaftsstärte von 82 275 Mann mur ein Rüdgang von 129 Mann zu verzeichnen. Die Angestell. tenzahl hat sich mit 15 248 Mann am Jahresende gleichfalls nur um 146 verringert.

Gleichzeitig gibt die Friedrich Krupp A.-G. in Effen, einer der großen Außenseiter des Nuhrstahltrusts, thre Abschluß­ziffern für das am 30. September beendete Geschäftsjahr 1927/28 befannt. Auch in diesen Ziffern drückt sich die starte wider standsfähigkeit der deutschen Eisentonjunttur bis zum Herbst des letzten Jahres aus. Die Produktionsziffern halten sich durchweg auf der Höhe des Glanzjahres 1927. So be

Die

trug die Roheisen probuftion 1,36 gegen 1,37 mill. Tonnen, die Leistungen der Walzwerte 1,26 gegen 1,27, und die Roh ftahler zeugung 1,72 gegen 1,78 Millionen Tonnen Zahl der Belegschaften erhöhte fich am Schluß des Geschäftsjahres Don 66 327 auf 69 989 Mann. Außerdem waren bei den ange schlossenen Konzern- imo Tochtergesellschaften 22 400 gegen 19500 Personen beschäftigt.

des Geschäftsberichts und der Bilanz Stellung nehmen. Der Roh­Zu dem finanziellen Ergebnis läßt sich erst nach Eintreffen gewinn wird mit 44,7 gegen 49,3 millionen angegeben und der Reingeminn ist auf 7 gegen 13 millionen zurückgegangen. Da jedoch die Abschreibungen auf die Bertsanlagen um 1,2 auf 10,7 millionen heraufgeschraubt wurden, außerdem im Laufe des Geschäftsjahres mehr als 25 Millionen neu in die An lagen geſtedt murden, ferner Bertpapiere und Beteiligungen auch einen Sumachs von 10 Millionen aufweisen, scheinen laufende Betriebsgeminne in großem Ausmaß festgelegt morden zu sein. Jedenfalls erscheint der um 45 Broz. verringerte Reingewinn bei fast gleichbleibender Probuftion und den im Laufe des Jahres zweimal eingetretenen Eisenpreiserhöhungen sehr fragwürdig. Wir werden nach Eintreffen des Geschäfts­berichts auf den Abschluß noch zurüdtommen.

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