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Morgenausgabe

Nr. 31

A16

-46. Jahrgang

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Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Sonnabend

19. Januar 1929

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnipalttge Ronpareillezelle 80 Pfennig. Retlame eile Reichs mart. Kleine Anzeigen das ettge brudte Bort 25 Pfennig( zuläffig ame Jettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 2Bfennig. Stehengefuche das erste

ort 15 Bfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben Arbeitsmartt zählen für zwei Borte. Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen ennahme im Hauptgeschäft Bindens Braße 3, wochentägl, von 8 bis 17 Uhe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Die Parteien in Südslawien  .

Kein Wahlrecht mehr!- Gewerkschaften nicht aufgelöst.

auch

Nachdem die Dittatur sofort das Parlament, die Bautage, Kreis-| den, meil jebe Kritif des gegenwärtigen Regimes verboten ist und verwaltungsausschüsse und Gemeindevertretungen aufgelöst, find am nach dem Gefeß zum Schuße des Staates bestraft minh, meshalb 15. Januar dren meitere Gesezesdefrete erschienen, wodurch das Bahlrecht aufgehoben wird, also die Wahlordnung für die Nationalversammlung, das Gefeß über die Zusammenstellung der Wählerlisten, die Wahlordnungen für die Bautage, Kreis- und Gemeindevertretungen.

Eine Konferenz im Innenministerium mit den Großgespanen ( Oberpräsidenten) behandelte die Auflösung palitischer Parteien. Die Auflösung der Iofalen Parteien und Organisationen foll den Großgespanen überlassen, dagegen die Auflösung solcher Parteien, die sich auf mehrere Gaue, bzw. auf das ganze Staatsgebiet er streden, dem Innenminister vorbehalten bleiben.,

Jim Sinne des Gesetzes zum Schuße des Staates find alle Stammes und Religionsparteien aufgelöst. Man behauptet, daß sich das in erster Linie auf die bosnische Musel. manenpartei, damn die leritale Partei in Slowenien  , die serbische Bartei und die kroatische Bauernpartei bezieht. Bufolge Entscheidung des Innenministeriums soll die bisher non den totalen Behörden in einzelnen Drten vorgenominene Auflösung der deutschnationalen und der ungarischen Partei rüdgängig gemacht morden sein.

Boltsversammlungen, auch wenn fie erlaubt werden sollten, feinen Zwed

haben. Die alten Genossen, melche vor 30 umb 40 Jahren unter ähnlichen Zuständen gelebt haben, werden auch in dieser neuen Situation Rat wissen."

Die letzte Nummer der ,, Robnide Rovine"( Arbeiter- 3eibmg, Belgrad  ) murde tonfisziert. Die Zenfur hat außer dem Bartei aufruf auch den Kopftitel Organ der Sozialistischen Partei aufruf auch den Kopftitel Organ der Sozialistischen Bartei Ingoflamiens" gestrichen. Rabnide Novine" in ihrer Neuausgabe bringen auf der ersten Seite an Stelle des Leitartikels ein großes Inserat der Parteibuchhandlung in Belgrad  .

$

Giner Deputation des Bereinigten Arbeiter Gemert schaftsverbandes Jugoslawiens  " wurde vom zuständigen Re­ferenten im Innenministerium mitgeteilt, daß vorderhand feine Maßnahmen gegen die Freigemertfchaften geplant find, folange diefe nicht ihren Wirkungsfreis überschreiten oder sonst irgendwie gegen Das Gesetz verstoßen.

Behn Jahre Frauenwahlrecht.

Die Wahlen zur Nationalversammlung. Von Marie Juchacz  .

Am 19. Januar 1919 find die deutschen   Frauen zum erstenmal an die Wahlurne gegangen, um das Staats­bürgerrecht, das ihnen durch den Umsturz geworden war, auszuüben. Es ging dabei alles ganz ruhig und selbstver ftändlich zu. Man muß sich vorstellen, welche Sensation dieser erste Wahlaft unter weiblicher Beteiligung gewesen wäre, menn mir das Wahlrecht in normaler Zeit, nach vorher gehenden Kämpfen im Parlament durch Mehrheitsbeschluck erhalten hätten. Die ganze politisch interessierte Bevölkerung hätte daran teilgenommen, die Erwartungen und Befürchtun gen, die fich an diesen einschneidenden Gesetzesbeschluß fnüpften, wären in Bersammlung und Presse breit erörtert worden. So aber, in einer Beit, in der eine Sensation die andere jagte, die Eindrudsfähigkeit der Menschen durch vier Kriegsjahre mit ihren Schrecken, durch Waffenstillstand, Re­volution, Spartakusputsch und Hunger abgeftumpft war, war der 19. Januar feine Sensation, sondern ruhige Erfüllung einer selbstverständlichen Pflicht.

Im März bzw. April d. J. follten die Wahlen in die Arbeiter. fammern in Ljubljana  ( Laibach  ) und Belgrad   erfolgen. Der Die Hauptparteileitung der Sozialistischen Bartei Süd Minister für Sozialpolitit erklärte einer Deputation des 3entral flawiens gibt befannt, daß ihr von einem Auflösungsdekret nad jetretariats der Arbeiterlammern, daß er die gegenwärtigen Arlich nichts bekannt ist, doch erwartet sie das. Weiter wird mitgeteilt: beiterfammern nicht aufzulösen gedente, und daß dort, Durch die neugefchaffene Lage und das Ber'ammlungsmo die Funktionsdauer abgelaufen ist, diese automatisch ver perbot ist jede öffentliche Attion der Partei unterbun- längert wird.

19. Januar 1919.

Grundfesten des neuen Reiches gezimmert, während die Ge­walten des Raisertums das Reich in die Katastrophe führten.

Mit der Agitation des Allgemeinen Deutschen Arbeiter vereins für das allgemeine gleiche Wahlrecht begann der Wiederaufstieg der deutschen   Demokratie nach 1848, Lassalles Wirken stand an der Wiege der machtvollen Arbeiterbemo­fratie, die nach dem Zusammenbruch die Retterin der staat­

Die Geburtsstunde der demokratischen Republik  . Heute vor zehn Jahren- am 19. Januar 1919- fanden die Wahlen zur verfassunggebenden Deutschen Nationalver­fammlung statt. Die Verordnung der Boltsbeauftragten vom 30. November 1918 hatte ein provisorisches Reichswahlgefeßlichen Einheit des deutschen   Volkes wurde. geschaffen, den Frauen das Wahlrecht gegeben, das Wahl alter auf 20 Jahre herabgesezt und die Verhältniswahl ein­geführt. Die Zahl der Wahlberechtigten stieg gegenüber der legten Reichstagswahl auf das Dreifache.

Am 19. Januar gaben 30 400 000 Männer und Frauen ihre Stimmen ab- 83 Broz. der Wahlberechtig ten. Der Bahlatt verlief ohne Störung. Eine Woche vor der Wahl hatten in Berlin   blutige Straßentämpfe stattgefun­den dennoch wurde auch in Berlin   die Wahl durchgeführt, ohne daß es zu Störungen gekommen wäre.

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In der Durchführung der Wahl und in der gewaltigen Wahlbeteiligung lag das Votum des Volkes für die demo­fratische Republik. Unmittelbar nach dem militärischen zu sammenbruch, nach dem Auseinanderfallen des faiserlichen Regimes, mitten in der Demobilmachung. fand diese Mahl statt. Es scheint heute ein Wunder. daß sie mit solcher Ruhe und Disziplin durchgeführt werden fonnte. Es war eine g'an­zende organisatorische Leistung der Verwaltung- mehr aber noch ein glänzendes Zeugnis politischer Reife des deutschen  Volkes.

Das Bolt offenbarte den festen Willen. feinen Staat selbst zu ordnen. nachdem die Monarchie zerbrochen, der Railer ge flüchtet war. Die deutsche Demokratie trat fest und geschlossen aus den Trümmern des Raiserreichs hervor. Das Botum des Boltes vom 19. Januar ist die eigentliche Grundlage der Ber­faffung von Weimar  - diele Wahl war ein Willensaft eines souveränen Boltes, das die Grundlagen seiner staatlichen Ver faffung felbft bestimmt.

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Ein Bolt das in folcher Situation faft bis zum lekten Mähler gefchloffen an die Wahlurne geht, muß im tiefften Innern demokratisch fein. Die deutiche Demokratis mar lehen dia auch unter dem Kaiserreich trok der effeln die die ers faffuna Bismards ihr angelegt hatte. Die Tradition von 1818. mar nicht erloschen neben fie aber war die junge Demo­fratie der fozialdemokratischen Arbeiterbemegung getreten. Der neue Staatsgebante lebte in den breiten Maffen des Boltes, als die moriche Spike des alten Staates noch ver­ächtlich von den vaterlandslofen Gefellen" forach. Als die effeln fielen. brach er machtvoll hervor. Die inzia demofra­tische Arbeiterbewegung wurde zur festesten Stüße der Deut­schen Renublit.

Die Mahl vom 19. Sanuar zerfchlug die Hoffnungen derer, die auf einen Berfall des Reiches nach dem militärischen Busammenbruch spekuliert hatten Sie war ein Ausdruck der Staatlich n Einheit. eine unübersteinhare Grenze gegen staat­lichen Berfall wie gegen innere Anarchie. Wie hätte im Chaos der Niederlage diese Gefchloffenheit hervortreten fönnen ohne die Politisierung und Demokratisierung der Arbeiter schaft durch die deutsche Sozialdemokratie! Sie hat an den

Das freie Wahlrecht ist das Zeichen. In dem wir siegen, nun wohlan!

Die deutschen   Arbeiter haben es fünfzig Jahre lang ge­fungen. Sie haben es nicht nur gesungen, sondern erlebt in ben Wahlschlachten, die im Kaiserreich die Macht der Sozial demokratie stärkten und durch die werftätigen Massen zur politischen Anteilnahme aufrüttelten. Ohne sie wäre der 19. Januar unmöglich gewesen!

An diesem Tage brach das demokratische Grundgefühl des deutschen   Boltes elementar hervor. Diese Tatsache in ihrer grundlegenden Bedeutung mögen jene bedenten, die immer noch nach der Illusion haschen, daß man die deutsche Demo tratie eines Tages zerbrechen tönne.

Luftangriff gegen Amanullah  ! Der Dant für seine Flugzeugbeschaffung.

Kairo  , 18. Januar. Der neue afghanische König Habibullah   hat den Ober­befehl über alle Streitfräfte Afghanistans   übernommen. 3um Kriegsminister ist General   Nadir han ernannt, einer der nächsten Mitarbeiter des neuen Königs während der vorangegangenen Kämpfe. Bier afghanische Flugzeuge flogen am Freitag nach Ranbahar, um einen Luftangriff gegen Amanullah   zu unternehmen. Der neue König erflärte Bertretern der Geistlichkeit, daß alle Reformen Amanullahs abgeschafft werden. Er per fönlich sei für die Wiederherstellung des Kalifats. In der Nähe von Kabul   sprengten die Aufständischen während der Kämpfe ein Bulvermagazin in die Luft.

3nagat auf britischem Boden.

New Delhi, 18. Januar. Inayatullah und seine Familie haben auf Grund einer Ber­einbarung mit dem neuen Emir Habibullah in englischen Flugzeugen Kabul   verlaffen. Sie sind auf dem Bege nach& an. bahar in Peshawar  ( Britisch- Indien) eingetroffen.( Diefer weg ist ein Umweg!)

Aber in Wirklichkeit fann man es sich gar nicht vorstellen. daß das alte faiserliche Deutschland   in eine sach­liche Erörterung über das Für und Wider des Frauenwahl­rechts eingetreten wäre, ja, mir haben heute überhaupt teine Borstellung mehr davon. wie groß die Vorurteile waren, mit denen man jeder öffentlichen Betätigung der Frauen gegenüberstand. Ohne die Revolution hätten wir wahrschein noch sehr lange auf die Gleichberechtigung warten fönnen Bir denten an dle perfloffenen zehn Jahre und eine ganze Reihe von Fragen taucht vor uns auf. Wir sehen die Maffen der Wählerinnen und fragen uns: Haben die zehn Jahre Staatsbürgerrecht schon erzieherisch gewirkt? Be­schäftigen fich die Frauen richtig und verständig mit den Fragen des öffentlichen Lebens und bringen sie ihr eigenes Leben immer in die richtige Beziehung zur Staatsgemein­schaft?

Es ist immer nach den Wahlen untersucht worden, wie start die Frauen sich daran beteiligt haben und wie sie zu den einzelnen Barteien stehen. Und wir sind, von unserem fozialdemokratischen Gesichtspunkt aus mit ziemlicher Be­stimmtheit stets zu der Schlußfolgerung gekommen, daß wir noch sehr intensive Erziehungsarbeit zu leisten haben, um die wahlfähigen Frauen im gleichen Prozent­verhältnis wie die Männer an der Wahl und für die Bartei zu intereffieren.- Die Möglichkeit für die Frauen, fich politisch zu organisieren( Reichsvereinsgefek. 1908), unb das durch die Revolution erhaltene Wahlrecht ist den Frauen in einer Zeit wirtschaftlicher und sozialer Umwälzung ge geben worden, die das Frauenleben ganz besonders start mit ergreift. Die Stellung der Frau ist wirtschaftlich und sozial einer so starten Veränderung unterworfen worden, daß damit die Entwicklung einer ganz anderen Frauengeneration vor fich gehen mußte. Dieses Heranwachsen eines neuen Frauentyps muß notwendigerweise das Erwachen und die Entwicklung der geistigen Teilnahme am öffentlichen Leben begünstigen Aber ist es nicht ebenjo notwendig, daß ber männliche Staatsbürger, dem eine viel längere Zeit für seine politische Erziehung zur Verfügung gestanden hat, fich mit den Konsequenzen der politischen Gleichberechtigung und sozialen Entwidlung vertrauter macht, als das bisher geschehen ist? Also nicht nur nach der erzieherischen Auss wirkung der Gleichberechtigung auf die Wählerinnen, fon bern auch auf die Wähler haben wir Wert zu legen. Und ich tomme bei der Beantwortung der gestellten Frage zu dem Schluß, daß hier wohl ein Anfang gemacht ist, die Partei aber noch immer eine Aufgabe zu erfüllen hat.

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Es ist in beftimmten Kreifen der Intelligenz und des fintsgerichteten Bürgertums üblich und mir in Frauen­freifen in der lekten Reit besonders deutlich geworden, mit einer gewissen Verächtlichkeit von Barteien" und..Partei politit zu sprechen. Man will sich nicht parteinolitisch binden, d. h. mon will sich feiner parteinolitischen Disziplin unterwerfen. Es gibt eine ganze Anzahl intelligenter Menschen, die nach Einfluß streben, darunter sind auch sehr piele Frauen. Sie lavieren aber zwischen den Barteien herum und verfuchen fich überall das herauszufuchen, was ihnen gerade pakt. Und schlieklich sind sie unzufrieden, wenn das öffentliche Leben und beſtimmte Schichten der Bevölke rung ihnen feine Einflußsphäre geben. Sie haben nicht be griffen-vielleicht läßt es ein gewiffer Düntel gar nicht zu, daß man sich im Zeitalter her Demokratie zu einer Partei betennen muß. Die Sozialdemokratie wird oft genug von Leuten bekämpft oder start kritisiert, die gar nicht miffen, daß sie selbst sozialistisch denken. die sich noch nicht die Teheran   über Stambul  , 18. Januar. Mühe gemacht haben. Die Sozialdemokratie, ihre Grundsäke Die persische Regierung hat den Grenzschuß gegen und ihre Tattit richtia anzusehen. Sie nehmen fich dadurch, Afghanistan   verstärkt. Man ist mit den Borgängen in Afghanistan   daß sie sich nicht in Reib und Glied stellen. selbst die Mög­recht unzufrieden, da man einen reattionären Einlichkeit. einen stärkeren Einfluß auf das öffentliche Leben fluß auf Perfien befürchtet. Nach persischen Angaben verfügt auszuüben. Amanullah   über 4000 Mann Truppen, die in der Lage sein sollen, Kandahar   zu schüßen.

Unruhe in Persien  .

Oft wird auch die Frage aufgeworfen: Was haben denn eigentlich die gewählten Frauen in den Parlamenten