gesamt enthält der Etat Mehrausgaben von S28 M i l- Honen, denen Wenigerausgäben von 17V Mit- l i o n e n gegenüberstehen. Die Mehrausgaben, abgesehen von den bereits oben erwähnten, entfallen auf die produktive Erwerbslosenfürsorge mit 55 Millionen, die Zuschüsse an die Invalidenversicherung mit 15 Millionen, die Krisenfürsorge mit 2V Millionen und andere Mehrausgaben von insgesamt 53,5 Millionen. Die Wenigerausgaben verteilen sich aus die Tilgung bei der Reichsschuld um 5V Mil- lionen, der Versorgungsrenten um 3v Millionen, der Aus- gaben der Reichswehr um 23 Millionen, des Noiprogramms um 46 Millionen und der Kleinrentner um 15 Millionen. Soweit diese Angaben bereits ein Urteil gestatten, scheint der Schwere der allgemeinen Finanzsituation entsprechend die Forderung nach Ersparnissen im gewissen Um- fange erfüllt worden zu seilt. Ob in ausreichendem Maße und an den richtigen Stellen, läßt sich allerdings nicht über- sehen und wird erst nachgeprüft werden müssen, wenn der gesamte Etat vorliegt. Immerhin ist die Tatsache bemerkens- wert, daß die Erhöhung der Ausgaben nicht viel über die Erhöhung der Reparationslasten hinausgeht, und daß es dem Reichsfinanzminister gelungen ist, den Fehlbetrag, der ur- sprünglich 856 Millionen betrug, auf etwas über 500 Mtl- lionen hcrabzudrücken. Entscheidend für die Stellung zu diesen Ersparnissen ist aber die Frage, mitwelchenMittelnsie erziell wurden. Prüfstein hierfür ist in erster Linie die Höhe der m i l i t ä- rischen Ausgaben. Seit 1924 ist Jahr für Jahr die Ausgabe für Heer und Marine gestiegen und zwar von 457,6 Millionen im Jahre 1924 auf 726,6 Millionen im Jahre 1923. Der neue Etat weist eine Ausgabe von 703,8 Millionen auf. bleibt also um 22,8 Millionen hinter dem vorjährigen Ansatz zurück und bringt damit zum erstenmal eine Senkung der militärischen Ausgaben. Als bescheidenen Versuch, die von den Militärs als zwangsläufig angesehene Steigerung der Ausgaben ein- zudämmen. kann man diesen Rückgang der militärischen Aus- gaben wohl ansehen. Angesichts der schwierigen Gesamllage des Reidhes aber wird man diese geringfügige Senkung als unzulänglich betrachten und von der Beratung im Reichstag wesentliche weitere Abstriche verlangen müsien. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die sozio- len Ausgaben im neuen Etat höher sind als in früheren Jahren. Für die produktive Erwerbs- losenfürsorge werden 30 Millionen, für die Invalidenversiche- rung 15 Millionen, für die Knsenfürsorge 20 Millionen mehr verlangt, während die Ersparnisse bei den Versorgungsrent- nern und Kleinrentnern rechnungsmäßiger Art sind und nicht zu einer Kürzung der Renten führen. Die gesamten Aus- gaben des Arbeitsministeriums für die Sozialoersicherung steigen von 450,6 Millionen im Jahre 1928 auf 468,5 Millionen im Jahre 1929, die Ausgaben für die Erwerbslosen- fürsorge von 125 auf 175 Millionen. Insgesamt weist der Etat des Reichsarbeitsmini st eriums, der im Jahre 1924 nur 165,5 Millionen betrug, für das Jahr 1929 eine Steigerung auf 643,5 Millionen auf. Dasi st gegen- über 1928 eine Steigerung um 66,9 Millionen. Auch diese Wendung zum Besseren muß anerkannt werden, ohne daß damit zugleich gesagt ist. daß nicht trotzdem auch innerhalb des neuen Etats eine weitere Berücksichtigung sozialer Wünsche angebracht und möglich ist. Das Reichskabinett ist bezüglich der Steuererhöhungen dem Reichsfinanzminister gefolgt, so daß die Rechtskreise, die wegen der beantragten Erhöhung der Vermögens- und Erb- fchaftssteuer bereits mit heftigem Widerstand durch die bürger- lichen Minister, mit Koalitionskrise und ähnlichem gerechnet haben, nicht auf ihre Kosten gekommen sind. Zweifellos stand der Reichsfinanzminister Dr. H i l f e r- dingvoreinerüberausfchwierigen Aufgabe. Ein zutreffendes Urteil über den neuen Etat muß anerkennen. daß das Jahr 1929 in dreifacher Beziehung ein Notjahr ist. Erstens sind in chm die Versäumnisse der Finanz- Politik früherer Jahre, durch die alle Reserven aufgezehrt wurden, wieder gut zu machen. Zweitens erhöhen sich die Reparationslasten automatisch. Und drittens wirft der allgemeine wirtschaftliche Niedergang mit feiner Anspannung der Ausgaben und der Verkürzung der Steuereinnahmen schwere Schatten. Daher wird zweifellos die Verabschiedung des Etats für 1929 sehr erhebliche Schwierigkeiten bieten und an das Verantwortungsbewußt- kein der Parteien, deren Vertrauensmänner in der Regierung sitzen, ungewöhnlich große Anforderungen stellen. Laut Hertz. Rayerische Volkspartei will austreten. Sie ist mit der Oeckungsvorlage unzufrteden. Die Reichstogskorrespondenz der Bayerischen Bolkspartei schreibt unter anderem: „Bon dem Augenblick an, da die Pläne des Reichsfinanzmüüsters über die Einzelheiten der Deckungsvorlage zur Kenntnis der Oeffent- lichkeit gekommen waren, hat sie einzelnen Punkten dieser Vorlage unter keinen Umständen zustimmen können. Die Bayerische Volkspartei hat ihrerseits in der Presse Vorschläge ge- macht, die bei einigem gutem Willen der übrigen Parteien durchaus akzeptabel erschienen. Was ist geschehen? Die Deckungsvor- schlüge des Reichsfinanzmini st«rs wurden im mesent- lichen angenommen. Um nur zwei Punkte herauszustellen: Die B i e r st e u e r soll um S0 Proz. erhöht werden und damit einen Mehrertrag von lüO Millionen bringen: der Anteil der Länder an den Ueberweisungcfteuern soll um 126 Millionen gekürzt werden. Damit sind die schlimmsten Besürchtungen, die man be> züglich der endgültigen Entscheidung des Kabinetts hegen konnte, nicht nur erfüllt, sondern noch um ein erkleckliches über- troffen worden. Der Etatsentwurs konnte, wie die Presse trotz der Vertraulichkeit der Aabinettsoerhandlungen bereits.zu berichten weih, nicht«in- stimmig verabschiedet werden. Die sehr entschiedene ablehnende Haltung der Bayerischen Voltkvartei, so heißt es weiter, ist durch den Minister im Kabinett zum Auedruck gebracht worden. Das vorgehen des Kabinetts hat also für den Vertrauensmann der Bayerischen Voltspartei im Kabinett eine Lage geschassea, die außerordentlich ernst ist. Der Fraktionsvorsitzend« der Bayerischen Volkspartel im Reichstag hat deshalb sofort Veranlassung genommen, die Reichetagsfrattion der Bayerischen Volkspartei auf nächsten Montag telegraphisch zur Stellungnahme einzuberufen. In politisch-porlcmenlarischen Kreisen ist man sich des Ernstes der Situation durchaus bewußt. Wir stehen also wieder einmal a m Borabend politisch«ntscheidungsooller Tag«.
Ach die arme Dynastie, So was überlebt sie nie?
pariser Hetze um die Denkschrift. Wenn zwei dasselbe tun....
Paris . 18. Januar. sEigenhericht.) Bor«inigen Tagen erklärte der französisch« Marine- minister in der Kommer bei der Verteidigung des französischen Flottenbauprogramms, Frankreich wolle dem Frieden dienen, aber es beanspruche das Recht, sich zu verteidigen. Unter anderem erklärte das gleiche der deutsche Wehrminister in seinem M«- m o r a n d u m. Die französische Presse und zwar auch Linkeblätter stimmen der Auffassung des Marineministers zu, sahen aber in der des deutschen Wehrministers eine Gefahr für den Frieden. Wie der deutsche Panzerkreuzer einen»neuen strategischen Faktor und den Beginn eines neuen Rüstungswsttbewcrbes" darstellen soll, so wird in der Denkschrift Groencrs«in höchst gefährliches Militärprogramm entdeckt und auf die Tatsache, daß deutsche militärische Stellen mit der Möglichkeit eines Krieges mit Polen rechnen, als auf ein ganz neues Moment hingewiesen, das auf die internationale Lage die schwersten Rück- Wirkungen hoben könne. Der..Temps' genügt auch diesmal seiner Aufgabe, alle ver- streuten Verdächtigungen Deutschlands zu einem eindrucksvollen Ganzen zusammenzufassen. Das Blatt erklärt am Freitag in seinem Leitartikel, der von Anfang bis zu End« von dem Memorandum handelt, das Dokument kläre über die Möglichkeiten auf, mit deren Aufzeigung man besonders die Sozialdemokraten davon überzeugen wolle, daß Deutschland so starke Derteidigungsmittel besitzen müsse, als der Vertrag es ihm gestatte. Es sei gar nicht sicher, ob die Auffassung der Generäle nicht genau so gefährlich für den Frieden sei wie die Angrisfsstimmung der Reaktionäre. General Groener halte offenbar nicht viel von Locarno , Völkerbund und Kellogg-Pakt. Es fei zu hoffen, daß Reichskanzler Müller und Dr. Stresemann eine ander« Auffassung besäßen: andererseits müsse man an der Aufrichtigkeit des Vertrauens Deutschlands in die Friedenspolitik verzweifeln. *' Als 6 e g n e r des Panzerkreuzerbaues, die wir waren und bleiben, find wir um so besser in der Lage, gegen die Stimmungsmache der Pariser Presse Stellung zu nehmen. Was die Groenerfche Denkschrift besonders charakterisiert, ist ihre Belantzlosigkeit und die Schwäche ihrer Argumentation. Wäre genau dasselbe Schriftstück seinerzeit regulär veröffentlicht worden, kein Mensch im Aus- lande hätte sich über seinen Inhalt aufgeregt. Vom Standpunkt des Reichswehrmini st eriums ist die jetzt auf illegalem Wege erfolgte Veröffentlichung sehr peinlich. Aber nur gegenüber der eigenen öffentlichen Meinung: denn die„Marinefachleute" der Bendlerstraße stehen blamiert da und ihre Aussichten für weitere Kreuzer- baupläne, die so mangelhaft gerechtfertigt werden, sind ge- funken. Vom Standpunkt derauswärtigenPolitik braucht man die Veröffentlichung nicht zu bedauern: denn sie beweist, daß selbst in einer streng geheimen Denkschrift des Reichs- wehrministers, die nur für einen ganz engen Kreis bestimmt war, ledi glich defensive Motive angeführt wurden. Die Geheimhaltung aus Gründen der„nationalen Verteidi- gung" konnte Gott weiß was für gefährliche Gsdankenüber- gange vermuten lassen, die man nicht nur dem Auslande, sondern auch der friedliebenden erdrückenden Mehrheit des deutschen Volkes um jeden Preis verheimlichen müßte. Statt dessen spricht aus der Denkschrift ausschließlich eine offen» kundig übertriebene Angst vor polnischen Angriffsplänen. Daneben werden„hochpolitische" Ge- dankengänge über die englisch -russischs und die i t a- Henifch-jugoslawische Spannung und die Unoer- meidbarkeit kriegerischer Konflikte entwickelt sowie über die Notwendigkeit der Wahrung der deutschen Neutralität— Gedankengänge, die nur von dem außenpolitischen Dilettantismus der Bendlerstraße zeugen, keineswegs aber von finsteren Offensivplänen der eigenen Wehrmacht. Es ist aber ein starkes Stück, wenn der„T c�n ps" in Tönen sittlicher Entrüstung die Frage aufwirft, ob denn Müller und Stresemann ebenso wenig an Locarno , an den Kellogg-Pakt und an den Völkerbund glauben wie Groener und die deutschen Reichswehrgeneräle. Diese Frage müßte der..Temos" mindestens mit demf'lben RecH �»n eigenen Ministern Painlevs, Leygues und auch B r i a n d stellen die gegenwärtig Rüstungsplänc ganz ande- rer Art durchführen. Richtig ist, daß Locarno , Völkerbundsstatut und Kellogg - Vakt sinnlos werden, wenn man überall trotz alledem Milliarden für Rüstungen zum Fenster hinauswirft. Um so mehr müssen wir es entschieden zurückweisen, wenn franzö- fische Journalisten, die tapräplich Militarismus und Imperio- lismus predigen oder begünstigen, pharisäerhafte Entrüstung über die inhaltslose Groenerfche D-nkschrift markieren und mit frommem Angenaufschlag den Geist des Locarno -Vaktes, des Lölkerbundsstatuts und des Kellogg -Paktes anrufen! polen und die Groener-Oenkfchrist. Warschau , 18. Januar. (Eigenbericht) Die Presse der so ungeheuerlich rüstenden Pilsudski-Regicrung bemitzt natürlich die Londoner VerösfeMlichung der Groener-Denk- schritt zu einem prasselnden Entlastungslärm. Aber auch demo- kratifche Potititer weifen darauf hin. daß die Veröffentlichung kurz vor der Diskussion des nationaldemokratifchen Antrags gegen die
Rheinlandräumuitg erfolgt sst und den Deutschland - feinden starke Trümpfe in die chand spielt. Die offiziös«„Epoka" sagt, daß Polen keinerlei Appetit auf deutsche Gebiete besitze und keinerlei Maßnahmen und Schachzüge in dieser Richtung betreibe. Das Expose des Außenministers Zalefki Hab« hierüber nicht die geringsten Ztveifet be- lassen. Das Blatt greift Groener scharf an und bezweifelt, das, er seine Denkschrift nur auf Grund falscher Jnformatinnen ver- faßt habe.„Niemand wird es wagen," sagt das Blatt wörtlich,„an der Ehrlichkeit und Uebcrzeugung des deutschen Reichskanzlers Müller zu zweifeln. Aber während der Reichskanzler erst vor kurzem betont hat, daß der Bau des Panzerkreuzers keinerlei inili- törische Zwecke verfolgt, enthält die Denkschrift ganz anders Hintergründe." PPS. für Rüstungseinschrönkungen und gegen Groener-Denkschrist. Warschau , 18. Januar. (Eigenbericht.) Ja der heukigca Sitzung des haushaltsausschufles gab Genosse Dr. Liebermana folgende Erklärung ab: „Als polnischer Sozialist, der vom Regierungslager verdächtigt wird, dem polnischen Staate im Auslande zu schaden, be- Haupte ich. daß die ia der Groeuersche» Deutschrist ent- halkenen voraussehungen, daß Polen einen U e b e r s a l l aus deutsches Skaatsgebiet plane, Lügen seien, die nur dazu dienen sollen, die deutschen Rüstungen zu begründen. Daraus müsse p o i e u die Lehre für sich ziehen, um n i ch k aus Grund von Fiktionen auch im eigene» Lande die Rüstungen heraus. zusehen. Die polnischen Rüstungen entsprechen lediglich der inter . nationalen Lage und haben nicht zum Zwecke, irgendeinem der Nachbarn Polens Land fortzunehmen." Dr. Liebermann halle bekanntlich in der vorgestrigen Sitzung einen Antrag auf herabsehung der Rliiitärdienstzeit auf ein Jahr und Verringerung des Heeresbestandes um 2 5 Proz. gestellt, was ihm von feiten des Regierungs. lager» die schärfsten Vorwürfe, auf die er in seiner Erklärung anspielte, eingebracht hol. Kellogg-pakt in Warschau ratifiziert. Warschau . 18. Januar.(Eigenbericht.) Der polnische Ministerrat hat in seiner heutigen Nachmittags- sstzung den Kellogg-Pakt ratifiziert und die Ileberweisimg an dos Parlament veranlaßt.
Afghanistan zerfätti! Die abenteuerliche Ziucht AmanullahS. London , 18. Januar. (Eigenbericht.) Wie jetzt bekannt wird, beruht die seinerzeit verbreitete Mcl- dung, wonach Amanullah im Flugzeug von Kabul nach Kandahar geflohen sei, auf einem Irrtum. Amanullah war vielmehr ge- zwangen, im Auto zu fliehen, da Bachai Sakoo bereits den Flugplatz besetzt hatte. Die Flucht Amatwllahs vollzog sich unter den abenteuerlich st en Umständen, da der Exkönig hierbei tellweije von feindlichen Stämmen besetztes Gebiet durchqueren mußte, wobei Schneeverwehungen die Fahrt noch besonders er- fchwerten. Amanullah hat den Gouverneur von Kandahar angewiesen, die königliche Standorte, die am Tage seiner Ankunft aufgezogen morden war, herunterzunehmen, da er nicht länger König oon Afghanistan sei. Die im einzelnen noch stark widersprechenden Berichte stimmen mehr oder weniger darin überein, daß Afghaniston nun in verschiedene Teile gespalten ist. Amanullah beherrscht das Gebiet von Kandahar und Batscha-i-Sakau mit den Mangol- Stämmen Kabul , während in anderen Testen weder' der eine noch der andere sich auf ein« sichere Gefolgschaft berufen kann. Vor der Schneeschmelze im Frühling werden größere Kriegsmoß- nahmen nicht erwartet. Krach im Raiionalrai. Esti Pfarrer verteidigt die gewalttätigen He mwebrler. Wien , 18. Januar. (Eigenbericht.) Im Nationalrat kam es zu stürmischen Szenen bei der zweiten Lesung des Staatshaushalts. Als der christlichspziale Pfarrer Kalb die Hcimwehren verteidigte, riefen ihm die Sozial- demotraten stürmisch zu, es sei ein Skandal, daß er als Priester den Verteidiger der Heimwehren spiele. Genosse A b r a m-Tirol schilderte dann das Treiben der Heimwehren bei ihrem Aufmarsch in Innsbruck und erledigte die Beschwerde Kalb », daß die Eisen- bahner damals die Arbeit eingestellt hätten, mit der Feststellung, die Eisenbahner hätten durch ihre Arbeitseinstellung zweimal Tirol gerettet. Diese Aeußerung entfachte bei den ChrlsUichsozialen ein minutenlanges Toben, das schließlich in Auseinandersetzun- gen zwischen rechts und links fein Ende fand.