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BERLIN Sonnabend

19. Januar 1929

Der Abend

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Nr. 32

B16

46. Jahrgang.

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Die Schwedenfähre gescheitert.

" Deutschland " vor Trelleborg auf einen Felsen gelaufen.

Stralsund , 19. Januar. ( Eigenbericht.) Infolge des herrschenden Schneesturmes und der schweren See ist die Schwedenfähre Sasnik- Trelleborg vor der Einfahrt von Trelleborg bei Kullagrund fest­gekommen. Es handelt sich um das deutsche Fähr= schiff Deutschland ". Das Schiff sitt auf dem Felsen fest. Ein Freikommen mit eigener Maschinen­fraft ist nicht möglich, weil die Schrauben aufschlagen. Während der Nacht lag das Schiff sehr ungünstig und wurde von Wind und schwerer See weiter an Land ge­trieben. Es stößt hart auf Grund. Das Vorderschiff ist zurzeit noch dicht, während im Achterdeck eine Doppel­bodenzelle bereits aufgeschlagen ist. Der Bergungsdampfer ist bei Tagesanbruch von Trelleborg ausgelaufen. Zurzeit ist das Wetter für die Bergungs­arbeiten etwas günstiger. Fahrgäste sind nicht an Bord, da es sich um einen Güterzugtransport handelt.

Bie aus Malmö gemeldet wird, ist die große Dampffähre etwa fechs Kilometer vor Trelleborg auf Grund geraten. Die Fähre fandte fofort SOS- Rufe aus. Diese wurden von der ebenfalls nach Trelleborg unterwegs befindlichen schwedischen Dampffähre aufge­fangen, die kurz darauf die Unglücksstelle passierte. Da die Fähre jedoch sehr viele Passagiere an Bord hatte, wagte man nicht, der ,, Deutschland " zu Hilfe zu kommen. Statt dessen wurde von Trelle borg ein Bergungsdampfer ausgefandt, der aber wegen der schweren See ebenfalls feine Hilfe leisten konnte. Die ,, Deutschland " hat start aufgesetzt und hat ein großes Led am Schiffsboden erhalten. An Bord befinden sich zwar feine Fahrgäste, dagegen 70 Mann Be­jagung und 11 Güterwagen. Es ist zweifelhaft, ob die Fähre ge­borgen werden fann. Für die noch an Bord befindliche Besatzung scheint teine Gefahr zu bestehen.

Schiffsunglück an der schwedischen Küste.

Nach Meldungen aus Malmö hat sich in der Nähe von Best e r- Dit ein schweres Schiffsunglüd ereignet. Der Kanaldampfer ,, Nils", der am Dienstag nachmittag infolge starken Sturmes Anter geworfen hatte, riß sich von der Kette los und geriet ins Treiben, bis er am Donnerstag vormittag auf eine Schäre auflief. Der Besatzung gelang es nach großen Anstrengungen, sich auf die Schäre zu retten. Erst am Freitag früh wurden die Not­signale von der Küste aus bemerkt. Die Schiffbrüchigen fonnten schließlich, nachdem sie 26 Stunden im Schneesturm zuge­bracht hatten, geborgen werden. Ein Heizer war bereits erfroren.

200 Erdbebenopfer in Venezuela. 3n 10 Minuten eine ganze Stadt vernichtet. An der Nordküfte Venezuelas wurden nach Meldungen aus Caracas am Donnerstag vormittag gegen 7 Uhr schwere Erd. fföße verspürt, die fast 10 Minuten anhielten. Zahlreiche Ge­bäude wurden zerstört und die Verbindungen unterbrochen. Jn Cumana ist nicht ein Gebäude heil geblieben. Die vollen Ausmaße des Unglücks laffen sich noch nicht übersehen.

Ergänzende Meldungen bestätigen, daß es bedeutend größeren Schaden anrichtete, als bisher angenommen wurde. Außer 200 Toten in Cumana und etwa 1000 Berlegten find auch ganz bedeutende Sachschäden zu verzeichnen, deren Höhe auf 2 Millionen englische Pfund geschäht wird. Das Erdbeben dauerte etwa 10 Minuten. Obwohl die meisten Häuser zum Schuh gegen die häufigen Erdbeben niedrig gebaut sind, wurden sie doch durch die Heftigkeit des Erdstoßes in Trümmer gelegt. Man glaubt, daß unter den Trümmern noch zahlreiche Tote be. graben find. Sämtliche Berbindungen im ganzen Lande find unterbrochen. Der Zusendung von Medikamenten und sonstigen Hilfsmitteln haben fich große Schwierigkeiten in den Weg gestellt.

Tornadoverheerungen in Amerifa.

Durch einen über die beiden amerikanischen Staaten J11i. nois und Indiana hinweggegangenen Tornado sind nach Be­richten aus St. Louis fünf Personen getötet und zahlreiche verleht worden. Die Stadt Teras City( Illinois) soll nahezu zerstört sein. Die Verbindungen mit dem betroffenen Bezirk find unterbrochen.

Tumult im Bayernlandtag.

Der Hafenkreuzler beschimpft den Reichskanzler!

München, 19. Januar .( Eigenbericht.)

Im Bayerischen Landtag verſtieg sich der Hitler- Abgeordnete

Dauser zu einer wüften provokation und zur Beleidi­gung des deutschen Reichstanzlers Hermann Müller. Er behauptete, Hermann Müller habe dem französischen Außen­minister Briand versprochen, er werde schon dafür sorgen, daß es in Deutschland nicht zu viel kindergäbe(!) und daß Deutschland nicht zu gefährlich werde. Diese schamlose Behaup­tung löfte in den sozialdemokratischen Reihen eine ungeheure Er­regung aus, die um so berechtigter war, da der amfierende Präsident tein wort der Rüge für den Hafenkreuzler fand. Die Energie des Präsidenten richtete fich ausschließlich gegen die stürmisch profeftierenden Sozialdemokraten, denen er ausgiebig Ordnungs­mutig geworden, wagte es der Hafenkreuzler daraufhin, die Sozial­rufe erteilte. Durch diese stillschweigende Unterstühung demokratische Partei als Berbrecherpartei zu bezeichnen. Ein ungeheuter Tumult war die Folge. Die Sozial­demokraten, voran der bejahrte Fraktionsvorsitzende Timm stürzten gegen die Rednerfribüne vor, um sich ihr Recht, das sie beim Bräsidenten nicht fanden, selbst zu verschaffen. Der hilflose Präsident fand feinen anderen Ausweg, als die Sigung zu unterbrechen. Erst nach Wiederaufnahme der Sigung ffammelte der Präsident, getrieben von verständigen Leuten der Partei, einige fchlofternder Haft seine Rede. Worte der Rüge gegen den Hakenkreuzler. Dieser beendete nun in

Die Krise in der Heilsarmee Freitod eines Siebzehnjährigen Agraricrsturm in Pommern

Berichte 2. Seite

Was foftete uns Amanullah?

Das auswärtige Amt legt Rechnung ab.

Es sind nicht nur Herzogsmäntel und Porzellantasjen, die der Besuch des Erkönigs von Afghanistan bei uns hinterlassen hat. Die damalige Reichsregierung hat auch tief in den Steuersäckel des deutschen Staatsbürgers gegriffen, um Amanullah repräsentativ zu empfangen.

Richtig mag fein, daß andere Staaten, im befonderen Sowjet­Rußland, für den großartigen Empfang des damaligen Afghanen­fönigs riesenhafte Summen ausgegeben haben. Aber auch die Re­gierung Marg hat es nicht billig gemacht. Bilanzmäßig sieht das Geschäft wie folgt aus:

Das Auswärtige Amt hat im Rechnungsjahr 1927/28 feinen Titel 47 des ordentlichen Haushalts( Außerordentliche Aus­gaben des Auswärtigen Amtes 180'000 m.) um 3-86 000 m. überschritten. Verursacht ist diese Ueberschreitung, wie die Haushaltsrechnung 1927 ausweist, mit dem Mehrbedarf aus Anlaß des afghanischen Königsbesuch e s.

Mit diesen rund 400 000 m. ist es aber nicht getan. Inzwischen hat das Reichsfinanzministerium dem Haushaltsausschuß des Reichs­tages in der jüngsten Vierteljahresübersicht der Haushaltsüberschrei­tungen des laufenden Jahres mitgeteilt, daß das Auswärtige Amt noch weitere Restausgaben aus Anlaß des afghanischen Königsbesuchs nachträglich genehmigt haben will. Es handelt sich um 217 500 Mart.

Das Deutsche Reich hat also infolge des freudigen Ereig­nisses", einen egotischen König im letzten Jahre seiner Herrschaft bei sich sehen zu dürfen und durch die Regierung beschenken zu lassen, über 600 000 Mart ausgegeben.

Das scheint uns für einen König ein zu hoher Preis, so viel sind heutzutage bei dem allgemeinen Ausverkauf von Thronen

Grippe- Abwehrstationen.

Um der reiteren Ausdehnung der Grippe zu begegnen, sind von der Stadt Berlin in mehreren Stadtteilen Baracken zur Aufnahme von Grippekranken bereitgestellt worden. Wie unser Bild zeigt, sind beim Krankenhaus Pankon allein drei solcher Baracken errichtet worden.