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..sr:». Unterhaltung unö ÄNissen
fteinhold müller: JC&SSinQ liltd SjU Xessings stveihundertstem Qeburtelag am 22. Januar
,.&s ist ein neuer Kritikus in Berlin   mrfgeftanden er scheint noch ein wenig zu jung.' Mit diesen Worten machte der Berliner  Professor 6 U l z e r seinem Schweizer   Freunde Bndtner von der Wirksamkeit eines Mannes Mitteilung, der mit unerschrockener Kühnheit und der ganzen Respektlosigkeit seldstbewußter Jugend in das erstarrte deutsche Schrifttum enwrach und dort olles über den chousen warf, was bisher als heilig und unantastbar gegolten hatte. Kaum neunzehnjährig war Gotthold Ephraim Lessing   aus Leipzig  gekommen-, statt dort den Wünschen seines Baters gemäß Theologie zu studieren, hotte er sich zum Entsetzen seiner strengen Eltern mit Schauspielern abgegeben und Komodien geschrieben, hatte sich den genialen, ober ziemlich haltlosen Naturforscher und Freigeist Christ- loh M y l i u s zum Freunde gewählt. Dort hatte er seine ersten zaghaften Schritte als Dichter und Schriftsteller getan.um schließ. lich in Schulden zu ersticken und vor seinen Gläubigern fliehen zu müssen. So erschien er in Berlin  : abgerissen und mittellos, von seinen arme» Eltern nicht unterstützt, ohne Aussicht auf eine Stel- lung oder Unterkommen. Es war eine harte Zeit, die ihn hier erwartete. Bei einem Landsmann, demkleinen Bautzner' Nau< mann, am Nikoloikirchplatz fand er ein« Wohnung. Sein Freund Mylius war schon früher nach Berlin   gekommen und in die Schrist- leitung derBossischen Zeitung' eingetreten. Der ver> schaffte ihm wenigstens eine kleine Tätigkeit, die freies Mittagessen und etwas Geld einbrachte. Der Besitzer Rüdiger ließ sich seine umfangreiche Bücherei von ihm ordnen; und da dieser alte Herr kein allzu strenger Arbeitgeber war, fand Lessing   Zeit genug, in den re.ichen Schätzen der Bibliothek zu lesen und zu lernen. Aber diese Beschäftigung brachte weder das zum Leben Notwendige ein, noch auch genügte sie feiner unersättlichen Arbeitsgier,. So griff er zu ausländischen Schriftstellern, übersetzte aus dem Englischen, Fron- zösischen. Spanischen  , verfaßte Theaterstück«, schrieb Rezensionen und Referat«. Zusammen mit Mylius ließ er eine Dierteljohrsschrift Beiträge zur Historie und Aufnahm« des Theaters' erscheinen, in denen«r dos Publikum bilden und die urngen Bühnenschriftsteller ermuntern wollt« Seine Uebersetzer- tätigkeit führt« ihn mit Voltaire zusammen, für den er in'einem wenig schönen Prozeß Dolmeffcherdienste leistete. Auch denG«- lehrten Artikel' in derDossischen Zeitung' übernahm er ichließlich. Kurz, er arbeitete, arbeitete, arbeitete. Der Gewtnn blieb nickt aus: Lessing  « Ansichten reiften, sein Stil wurde kürzer, prägnanter. Es bildete sich der Schriftsteller, dessen Schreibweise noch beute als vorbildlich gelten kann. Wenn Dollaire vom Iour- nalisten.ll nparteilichkeit, Objektivität des Urteils, Vermeidung aller Einseitigkeit und einen guten Stil verlangt«, so war Lessing   einer der-ersten, der diesen Forderungen nachlebte. Man begann bereits auf die Stimme de» jungen Kritikers zu hören da vertrieb ihn ein Zerwürfnis mit dem großen Franzosen aus Berlin  . Für ein Jahr bezog Lessing   die Universität Wittenberg   und brachte dort endlich seyt Studium zum Abschluß. AlsMagister der schönen Künste' erschien er in Berlin   und nahm sogleich seine kritische Tätigkeit wieder auf. Mehr und mehr machte er sich von dem Gedankenkreis seiner Leipziger   Lehrjahre, in dem er bisher noch immer besangen gewesen war, frei. Die von dem Prosesior Gott- sched in Leipzig   geführte Kunstanschauung glaubte Poesie nach bestimmten, aus der Antike übernommenen Regeln macheu zu können und ließ als Kunstwerk nur gelten, wo« diesen Regeln ent- sprach. Mit beißender Ironie und schneidender Schärfe zog Lessing  gegen Gottsched  , dieses in ganz Deutschland   gefürchtete Oberhaupt eines versteinerten Kunstgeschmackes, vom Leder. Aber da bei dem ewigen Kampf des Werdenden mit dem Vergehenden die Kritik > durch Beispiel und Tat ergänzt werden muß. so versaßt« Lessing   im Frühjahr l7öZ ein Trauerspiel, in dem er mit allem brach, wo? bisher als unantastbar galt. Dos Drama der Antik«, in den Händen der Franzosen   und des Leipziger Kreises zu einem blutleeren Schemen entartet, warf er beiseite. Er griff einen Stoff aus den' ÜÄ>en seiner Zeit aus, der«in Faustschlog war in das Gesicht der dichtenden Gelehrten: ein entführtes Fräulein, Miß Sara Sampfon, wird von der verlassenen Buhlerin ihres Geliebten in ein Wirtshaus verfolgt und ermordet. Dieses, fein Geisteskind, war bucklicht, wie Lessing   selbst anerkannte, und hatte in Erfindung' und Behandlung bedenkliche Schwächen. Aber wenn es auch keine große Wirkung binterließ, als es auf einer kleinen Bühne im Kaftaniemväldchen über die Bretter ging, so hat es doch zum erstenmal den erstarrten Farmen dichtender Dogmatiker gegenüber das Recht des freien, ungebundenen Schaffens geltend gemacht. Jetzt auch kam Lessing   mit den geistig führenden Kreisen Berlins  zusammen. Der eben erst gegründete BerlinerM 0 n t a g s c l u b' vereinigte alles, was in Berlin   Namen und Geltung hatte. Er öffnete dem kaum Dreiundzwanzigjährigen fein« Pforten. Am fruchtbarsten aber wurde sein« Freundschaft mit dem jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn   und den' Buchhändler Friedrich Nieolai. Moses  ' feine Geistigkeit beruhigte oft den unsteten Geist des jungen Literaten. Nicolai, sonst i/nbedeutender als feine beiden Freunde, half doch als nüchterner Geschäftsmann ihre in der Lust schwebenden Projekte auf den realen Boden buch- händlerischen Erfolges zu stellen. Diese drei trafen sich häufig in einem Weinkeller gegenüber dem Nicolaischen Haus in der Brüder- straße, derBaumannshöhle  ', und disputierten in hingebendem Eifer über die brennenden Fragen der Zeit. Mendelssohn und Lefsing verspotteten in einer kleinen Abhandlung die seltsamen Preisaufgoben derselben Mademi« der Wissenschaften, die Lessing  wenige Jahre später zum korrespondierenden Mitglied ernennen mußte. Ein Aufenchalt in Leipzig   unterbrach diese sein« Tätigkeit. Als «r wiederkam, begann das Unternehmen, das ihn wenigstens für zwei Jahr« am meisten befriedigt hat. Als er aus Leipzig   zurück- kehrte, stand Mitteleuropa   in Flammen. Der Siebenjährig« Krieg war ausgebrochen und hatte einen Freund Lessing  ?, den Dichter Ewald von Kleist  , als Opfer gefordert. Während dieser noch schwer verwundet im Lazarett lag, faßte Lessing   den Plan, seinen Freund durch Briefe, die die neueste Literatur betrafen, über olle Neu- erscheinungen in Wissenschaft und Kunst aus dem Lausenden ZU halten. Hier wurde er zum eigentlichen Schöpfer jener Berliner  Kritik, die sich oft zw« rem negativ und zerstörend betätigt, sich im ganze»«bet durch Klarheit. Schärfe Md Anregung auszeichnet.
Auch in diesen Briefen befolgt« er den Grmchsotz, der fei» ganze» Leben beherrscht hat: er suchte die Wahrheit. Niemol  » nahm er die Meinung eines anderen ungeprüft an. Doch schrieb er dies« Briefe nicht ollein. Mendelssohn   arbeitete mit, auch Nicolai sprang gelegentlich ol» Lückenbüßer ein. Diese recht umfangreiche Arbeit wurde jäh unterbrochen durch Lessing  » plötzliches Lerschwinden aus Berlin  . Er war nie mit irdischen Glücksgütern gesegnet gewesen und hatte von dem Wenigen, was er erwarb, noch sein« Brüder unterstützen müssen. Darum fand er, daß. wenn man über dos dreißigste Lebensjahr hinaus sei, man nicht nur Kaps und Herz, sondern auch den Beutel füllen müsse. Welleicht auch wollte er Abstand gewinnen zu seiner bisherigen Arbeit. Er wollt« sich, wie er sogt«, eine Zeitlang als ein häßlicher Wurm einspinnen, um wieder als glänzender Bogel ans Licht zu kommen. So ging er noch Breslau   und nahm dort die Stellung eines Sekretärs bei dem preußischen General von Tauentzien an. Fünf Jahre lang hielt er es bei dieser«inseitigen Tätigkeit aus. Dann abermeine Zeit. 0 meine Zeit! Mein Alles, was ich bebe!' kehrte er. nach Berlin   zurück und sammelte numnehr die Früchte seines Breslauer Aufenthaltes in die Scheuern. Es ent­standen die Aunstbetrachtungen des.L a 0 i 0 0 n'. in denen Lessing  Malerei und Poesie gegeneinander abwog: und es entstand die Minna von Bornhelm', ew Lustspiel, durch das er den Abschluß des Hubertusburger Friedens künstlerisch besiegelte? der strenge preußische Offizier wird von einem schönen sächsischen Fräulein erobert. Dem Vorbild seiner jungen Jahre, dem Franzosen   Voltaire. mar Lefsing nunmehr nahegekommen. Er stand da: ein freier Schriftsteller, der alles, was er wußte und konnte, der eigenen Arbeft und dem eigenen Suchen verdankte. Sein« unerbittliche Kritik hatte
in den weitesten Gefilden des verknöcherten deutschen   Geisteslebens aufgeräumt. Durch seine wissenschaftliche und dichterisch« Tätigkeft hatte er einer neuen Zeit vorgearbeitet. Er konnte erwarten, daß er jetzt in Preußen eine seinen Leistungen entsprechend« Stellung finden werde. Aber Friedrich II.   hatte wohl Geld genug, einem Franzosen gewallige Kanumrherrengehälter zu zahlen. Der Sieger des siebenjährigen Krieges hatte auch noch Geld, um durch den Pou des kostspieligen neuen Palais in Potsdam   den ehemaligen Gegnern feinen Wohlstand zu beweisen: ja, er hott« Geld genug, um einen völlig bedeutungslosen Franzosen mit königlicher Entlohnung zum Leiter seiner Bibliothek zu machen. Wer. um einem Deutschen  vom Rang« und der Bedeutung Lessings vor den Sorgen und Nöten des Alltags zu schützen, dazu hatte er kein Geld. Zwar wäre Lessiug niemals ein bequemer Diener dieses Herrn geworden, denn dazu stand ihm die Wahrheit und seine eigene persönliche Freiheit zu hoch. Auch kannte er die Schattenseften des Preußentums.zu genau, als daß er die nach dem Siebenjährigen Krieg aufkommende, hemmungslose Verherrlichung Friedrichs'll. hätte mitmachen können. Er wünschte nichts sehnlicher, als daß es in jedem Staate Männer gäbe, die über die Vorurteile der Völkerschaft hinweg wären und genau wüßten, wo Patriotismus Tugend zu sein aufhörte. Aber der Preußenkönig liebte nun einmal die deutschen   Geistes- Helden nicht.Müßig, als ein Mann, den niemand dingen wollte," stand Lefsing nach zwanzigjährigem rastlosen Schaffen am Wege. Was Wunder, daß er sich mehr und mehr von Berlin   abwondte und für seine Arbeit den Boden suchte, der ihm wenigstens den Kampf um dos tägliche Brot ersparte. 1767 verließ er Berlin  , um nie wieder in die Stadt zurückzukehren, in der er sich selbst empor- gearbeitet und die er in heftigen Kämpfen und schlimmen persönlichen Anfeindungen literarisch befreit hott«.
ä)r. Friedrich lleumnnn:
JCessing als Srsieher
Wer selbst mit auserlesene« Schüler» Rathan oder Minna las. wird bemerkt haben, daß unser« Jugend diesen Gestalten viel ferner steht als etwa Faust oder Tell. Ohne Zweifel ist auch Lessmgs Dramatik, Kunstkritik. Philosophie und Theologie überholt, lleber- Holl, weil er selbst die Bahn ebnete, worauf ander« um so schneller zum Ziele gelangen konnten. Was wir aber unserer Jugend als wertvollstes Vermächtnis ins Leben mit hinausgeben müssen, ist eine Ahnung von Lessings Männlichkeit, seiner Kraft und seinem unbeug- samcn Charakter. Unter den geistigen Vorkämpfern des europäischen Bürgertum» war Vollaire der genialst«, Rousseau   der erschütterndste, Lessing der freie st e, wahrhaftigst« und ausrechte st« Schrift- st eller. Dies« Eigenschaften bestimmen ihn heut« noch zu einem Führer der deutschen   Jugend. Denn die deutsche Jugend empfindet Begeisterung für die Größe einer sittlichen Persönlichkeit. Hier tritt ihr auf literaturgeschichtlichem Boden zum ersten Male ein Mann entgegen, dessen Leben ein herrlicher Kampf gegen die Unterdrückung in jeder Form war, dessen Werke ein Ringen und Sehnen nach Wahrheit und gefftiger Freiheit offenbaren. In Lessings Persönlich- keil erkennt unser« Jugend ihr eigene«, bisher ungelebtes Leben. Männlich-kraftvolle Selbsterziehung und Eelbstdurchsetzung, Kampf- instinkie, eine unersättiich« Begierde de» Wissens, ein immer reger Trieb nach Wahrheit, die Gleichgültigkeit gegen die eigene vollbrachte Leistung, die großartig« Verachtung ven Karriere. Rente und Reprä- sentation, der Haß gegen die Idee der Macht und die Lieb« zur Macht der Idee, die stete Kampsbereitschait gegen das Unrecht«, die immer bescheidene und immer stolze Hallung m dem verzehrenden Kampf« mit dem Elend der politischen und sozialen Zustände das olles laßt Lessing   als ewig jugendlichen Kampsgeist erscheinen und wirkt im höchsten Sinne charakterbildend auf unser« Jugend. Nur durch den Lebenskampf geformte Charaktere vermögen di« Seele des jugendlichen Menschen zu befruchten. Die noch heute bestehende Anziehungskraft seiner Persönlichkeit liegt in dem ausschließlichen Zeitgeholt seiner Schriften. An seiner eigenen pulsierenden Gegenwart, an den Reibungen des täglichen schriftstellerischen Lebens entzündet sich die geistige Freiheit, di« messerscharfe Dialektik und feurig« Ueberzegungskrast seines Worte». Gegenwart will aber auch unsere Jugend, und vergangene Epochen erträgt sie nur im Spiegelbilde gegenwartsbedeutender Problem«. Dem Dichter des bürgerlichen TrauerspielesMiß Sarah Sampfon' wird man nicht durch eine bloße ästhetische Betrachtung gerecht werden. Wie moger würde die aiisfallen? Der Schüler möchte in diesem historischen Dokument« Gegenwartsfragen oder zumindest Probleme erfahren, die zur Gegenwort weisen. Mft Interesse wird er vernehmen wollen, daß dieses Drama ein« Etappe im Emanzipatianskampse des Bürgertums bedeutet, dos sich in West. und Mitteleuropa   feiner wirtschaftlichen Macht gegenüber einem parasitären Adel und Klerus allmählich bewußt wurde. Was Lollair« der französischen   Bourgeoisie bedeutet«, dos galt Lessing   dem deutschen   Bürgertum. Dergeblich wäre der Versuch, einen Messias.oder Oberon für unser« Jugend mft lebendigem Gegenwortsgehalt zu erfüllen. Di« anders Qafsing! Jode Zeil« feiner Work« ist bestimmt, erfüllt und getragen von dem sozialpolitischen Inhalt seines Lebens. Auch Minna von D a ruh elm' ist lein bloßesLustspiel' im rein ästhetischen Sinne, sondern der dramatische Ausdruck einer be­stimmten gesellschaftlichen Schichtung. Unter der sonnigen Heiterkeit dieser Lustspielszenen türmen sich Abgründe, sozialer Härten. Dem Major von Tellheim sind Großen sehr entbehrlich, die Dienste der Großen sind gefährlich und lohnen der Mühe, des Zwanges und der Erniedrigung nicht, di« sie kosten'.Soldat sein um des Soldatentmns willen, das ist wie ein Fleiicherknecht reisen, weiter nicht».' Die Derabschiedung Tellheims wirft«in grelles Schlaglicht auf die Methoden Friedrichs, der alle bürgerlichen Offizier«, wie sehr er auch gerade ihrem Mut« und ihrer Treu« di« Erhallung der ftrmic verdaokte, unbarmherzig auf das Pflaster wart um«m ihre
Stelle ausläudifche Abenteurer zu fetzen, machten die Adel auch so zweifelhaft sein wie der Adel Riccaut  » de Marliniere. Unser« Jugend, die sich mit Stolz zur Republik   bekennt, will auch von.jenem Lessing hören, der den auf Bajonett« gestützten Patriotismus für eineheroische Schwachheit" erklärt« und im bewutzte» Gegensatz zll'drtr-Fürstenschmeichlern Gleim und Gott- sched, dos Bürgertum zu einer selbstbewußten Demokratie erzog. Der Dichter, der mit steifem Rocken fürstlichen Versprechungen wider­stand, um die Freiheit seines Geistes nicht opfern zu müssen, beugte sein.Haupt in tieffter Ehrfurcht vor der Kunst des letzten Schmieren- komödianten. Durch dieHamburgische Dramaturgie  ' murde die Pariosstellung des Schauspielers erst zum Range einer bürgerlichen - Person erhoben. Wie Herder und Winkelmai'n, so schied Lefsing mit einem Fluch und Steinwurs aus preußischen Landen. Nur nnt dem Unterschiede, daß das, was jene Jünglinge in heißem Lebensdrange instinktiv empfanden, in diesem Manne zur klaren Erkenntnis gereift war. zur Erkenntnis nämlich, daß olle Lebensinteressen de» deutschen  Bürgertums keinen gefährlicheren, grundsätzlicheren Feind besaßen als den preußischen Äaat und seinenersten Diener', Der Unermüdliche glaubte, daß Hamburg  , die damals sreieste und reichste Stadt Deutschlands   feinen dramaturgischen Zielen die ersehnte Erfüllung bringen werde. Welche Täuschungl Die sreieste Stadt Deutschlands   war die vom Auslande abhängigste. In diesem ötanomisch-polftischen Zusammenhang« wurzeln Lessings Schicksal« in Hamburg  . Die für Lessings Wsichten maßgebende Hamburg  « Gesellschaft bestand aus zahlungskräftigen Koifleuten, die vor ollem Handel trieben und sich nur nebenbei einem protzenhaften Mäzenaten- tum hingaben. Wie konnten sich diese Kaufleute für die Dauer an einem deutschen   Theater begeistern, dessen Repertoire kümmerlich von schlechten deutschen   Autoren gespeist wurde. LesflflgsHarn- burgische Dramaturgie' ist zweifellos eine nationale Tat. aber das deutsche Bürgertum war noch nicht in der Lage, das erste Wetterzeichen einer anbrechenden deutschen   Theaterkultur nach seiner Bedeutung zu würdigen. E m i l i a G a l 0 t t i' ist wieder mir ein Aufschrei gegen die sozialen Härten und Ungerechtigkeiten, wie sie das deutsche Bürger- tum wahrend des Duodezdespotismus täglich mid stundlich erleid« mußte. In diesem Sinne war Emilia Galotti   eine soziale Offenbarung. die in Schillers.Luise', HebbelsMaria Magdalena  ' und G. Haupt« manns  Rose Bernd' zu neuem Leben erwachte. Lessing   war kein Fürstendiener, auch nicht in Wolsenbüttel unter den täglichen Peitschenhieben des Herzogs von Braunschweig  , lieber 20 Jahre schlug er jedes Amt aus, trotz zermürbender Alltags­sorgen. Zwanzig Jahre hatte er dem deutschen   Jammer eine un> abhängige Stellung abzutrotzen vermocht, bis er ssch schließlich auf die Galeere jenes fürstlichen Schurken begab, der ihn fast ver- hungern ließ. Es ist grauenhaft, zu sehen, wi« diese un- verwüstlich« Kraft von dem Elend der deutschen   Zustände all- mählich zerrieben wurde, und doch ist«s wieder herzerhebend, zu beobachten, wie sich der unter tausend Schicksalzschlägen Zermürbt« noch einmal gleichsam wi« zu einem letzten Ringen Heldenstart aus- reckte.Nathan der Weise  ' ist wieder erfüllt vom Zeftgeist. Ein« Sohn seines eintretenden Alters, den die Polemik entbinden half, nannte Lessing   sein letztes dramattsches Werk. Vom sozialen Geist bis ins innerste Mark erfüllt, stellt diese Dichtung«in Juwel von unauslöschlichem Glänze dar, ein kostbares Gefäß, iu das die letzte verströmende Kraft eines Heldengeistes floß. Für die deutsche Jugend bedeutet Lessings Leben und Wirken ,die Erfüllung eines deutschen   Ideals: Totalität der Bildung und Festigung der sittlichen Persönlichkeit. Der Mann und sein Werk bilden eine untrennbare Gemeinschaft, ein Ganzes. Sein unennüd- Itchcr Kampf um den sozialen Fortschritt, sein soziales Ehrgefühl und der Will« zur Selbstdisziplin im sozialen Ganzen berühren das stärkste Lebensgefühl unserer Jugend. In diesem Sinn« gehört Lessmg der moderne» Jugend,