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Morgenausgabe

r. 39

-46. Jahrgang

A 20

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Der Bormerts erscheint machentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, bie Abenbausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Dez Abend, Slluftrierte Beilagen Bolt und Zeit und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wiffen", Frauen timme. Technif". lid in die Bücherwelt" und Jugend- Berwärts

Vorwürts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag

24. Januar 1929

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

fe etapelttge Ronpareillezetts 20 Pfennig. Refiameteile& Reichs Biart...Aleine Anzeigen das ettge brudte Bort 25 Pfennig( zuläffig zme fettgebrudte sorte), jebes weitere Bort

Pfennig. Stefiengefuche das erfte Bort 15 Biennig. jebes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben sählen für amei Morte. Arbeitsmart! Beile 60 Bfennig. Familienanzeigen füle bonnenten Seile 40 Pfennig. Anzeigen nahme im Hauptgeschäft Binben Brage&, wochentagl, von 8 bis 17 Uhe

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin S 68, Lindenstraße 3 Vorwärts- Verlag G.m. b. H.

Berniprecher: Donboff 292-297 Telegramm- br.: Sozialdemokrat Berita

Unternehmer gegen Steuern!

Sieben Spitzenverbände protestieren.

Die fällige große Protestaktion der deutschen Unternehmer gegen Wie dieses Defizit durch Ausgabebeschränkung beseitigt werden die Steuerdeckungspläne des Reichskabinetts ist da. Sieben Ver­Sieben Ber. fann, mögen im Reichstag die Parteien zeigen, die den Unternehmern bände, das Bank- und Bankiergewerbe, der Reichsverband der deut- nahe stehen. Denkt man da vielleicht an die Einstellung der Sub­schen Industrie, der Groß- und Ueberseehandel, der deutsche Einzel- ventionen an die Privatindustrie? handel, der Industrie- und Handelstag, das Deutsche Handwerk und der Reichsverband der Privatversicherung protestieren gegen je de Steuererhöhung, fordern den Ausgleich des Reichshaushalts ausschließlich durch Beschränkung der Ausgaben, protestieren gegen das Steuervereinheitlichungsgesez und fordern die volle Besteuerung der öffentlichen Betriebe.

Die von den deutschen Unternehmern gefaßte Entschließung be ruft sich darauf, daß schon seit Jahren von den Spizenverbänden auf die ständig steigenden Steuerlasten hingewiesen worden sei, und daß die Höhe und häufung der Steuern die so überaus notmen­dige Kapitalbildung ebenso beeinträchtige, wie sie die Rentabilität der Betriebe fast unmöglich mache( Borsichtigerweise sagt man fast unmöglich, denn nach der legten Statistik des vielleicht nicht allzu verdächtigen Berliner Tageblattes haben 7465 Attiengesellschaften mit einem Kapital pon 14,56 milliarden im Jahre 1927/28 2055 Mil­lionen Gewinne und Abschreibungen oder 14.1 Broz. Ueberschüffe gemeldet! D. R.) Wir verlangen," so heißt es wörtlich, unter fchärffter Ablehnung jeder Steuererhöhung.

daß der Ausgleich des Haushalts 1929 durch weitere Ausgaben beschränkung herbeigeführt wird.

Wie das gemacht werden soll. wird nicht gesagt. Es wird auch nergessen, daß das gegenwärtige Delizit auf die Raubpolitif zurüd­zuführen ist, die unter Reinhold, Schlieben und Köhler mit Zustimmung der Wirtschaft" durchgeführt wurde.

Die Steuerbevorzugung der öffentlichen Betriebe soll beseitigt werden? Was stellt man sich dabei vor? Soll die Reichsbahn, soll die Reichs post besteuert werden, damit die erhöhten Steuern fich in erhöhten Tarifen auswirten?

Alle übrigen öffentlichen Betriebe zahlen heute in mehr oder meniger großem Umfange bereits Steuera,

Boftichedlonto: Berlin 37 536

Banffonto: Bank der Arbeiter, Angeftellten

und Beamten Wallftr. 65 Distonto- Gesellschaft. Depofitentaffe Sindenftr. 3

Ruhrkonflikt und Recht.

Zum Spruch des Reichsarbeitsgerichts.

Das Urteil des Reichsarbeitsgerichts über den Schieds spruch 3öttens, den der Reichsarbeitsminister Wiffell für verbindlich erklärt hatte, wird von der Rechtspresse mit Freuden begrüßt, weil man in ihm eine Niederlage des sozial­demokratischen Ministers erblickt. Die Unternehmer werden als gerechtfertigt hingestellt.

zu solchen Kommentaren. Bekanntlich haben die Unter­Die Begründung des Urteils gibt wenig Beranlassung nehmer den Schiedsspruch hauptsächlich aus zwei Gründen angefochten: erstens, weil der Schiedsspruch mit der Stimme des Schlichters allein gefällt und verkün­det worden sei, zweitans, weil der Schiedsspruch einen ,, Ein­bruch in den Manteltarif darstelle.

gelten lassen, dann würde das gleichbedeutend gewesen sein Hätte das Reichsarbeitsgericht den ersteren Einwand mit der Erschütterung des gesamten Schlichtungswesens. Der

arbeitsgericht als begründet anerkannt und deshalb der ebenso zurückgewiesen hat wie den ersteren, ist vom Reichs­Schiedsspruch in seiner Gesamtheit für nichtig erklärt morden.

und es gibt öffentliche Betriebe, die teinen Pfennig und teine Steuer meniger bezahlen als die Brivatwirtschaft, nur um dem emigen Borwurf, öffentliche Betriebe wären ohne Steuerbefreiung unmirtzmeite Einwand, ben das Landesarbeitsgericht von Duisburg schaftlich, durch den Beweis des Gegenteils begegnen zu fönnen. Es wäre ein Widerfinn sondergleichen, Unternehmungen des Reiches fließenden Erträgen dieser Unternehmungen durch die Be­besonders besteuern zu wollen, weil an den dem Reichshaushalt zu fteuerung nur abgezogen mürbe, pas auf dem Bege der Steuern wieder zugeführt werben muß. Ebenso bedeutet Besteuerung der Bandes und Kommunalbetriebe Berringerung der Einnahmen und neue Steuern!

In Birklichkeit geht es nicht um die Besteuerung der öffent lichen Betriebe, sondern um ihre Privatisierung. Das Privat tapital möchte teine neuen Steuern zahlen, dafür aber die Betriebe der öffentlichen Wirtschaft in die Finger befommen. Der Staat soll nur noch Nachtwächter sein, und was der tostet können dann die anderen zahlen!

Massenverhaftungen in Moskau .

Angeblicher Geheimbund aufgedeckt.

Schärffte Repreffalien gegen die Trotti- Opposition.

Moskau , 23. Januar. Wie die Blätter berichten, ist ein trotistischer Geheimbund, der sich im antisowjetistischen Sinne betätigte, aufgehoben worden. 150 Bersonen wur. den verhaftet.

Unter den Verhafteten befindet sich auch der ehe. malige Handelsvertreter der Sowjetunion in Paris , Mdiwani, das ehemalige Mitglied des Kriegs und Revolutionsrates, Pankratow, und der ehemalige Chefredakteur und Mitarbeiter Lenins , Woroniti. Bei den Haussuchungen sollen zahlreiche sowjetfeindliche Literatur, eine Geheimdruckerei und viele Geheimdoku mente gefunden worden sein, die die unmittelbare Ver. bindung der Opposition mit dem Ausland beweisen.

Jaroslawski , einer der hauptsächlichsten Urheber der Bekämpfung der Opposition und Mitarbeiter der ..Prawda und Jswestija, erklärte auf einer Arbeiter. fonferenz, daß die Partei nunmehr vor keiner Mak­nahme gegen die Opposition zurückschrecken

werde.

Endfampf gegen die Trotzfiffen.

Die Telegraphen Union veröffentlicht eine längere Er flärung des Zentralfomitees der Kommunistischen Partei, die schärfste Bekämpfung der Opposition noch über die bisherigen Me­thoden hinaus.

Die Erklärung gibt eine geschichtliche Uebersicht über den Kampf mit der Opposition und fährt fort, das Zentralfomitee habe feft­stellen können, daß die Troßfiften Anhänger aus allen Elementen der Sowjetgegner werben und daß diese ihrerseits, unabhängig von ihrer politischen Einstellung, Trogfi zum Führer gewählt hätten. Die Troßtiften hätten versucht die 50 wjetregierung und die Zentrale in den Augen der Gomjetbevölkerung herabzusetzen.

Trotti felbft habe sich nicht gescheut, hierfür die ausländi­sche Renegatenliteratur zu benutzen. Am 21. Oktober 1928 habe Trogti im Auslande einen Brief veröffentlichen laffen, ferner Beiträge in der russischen Emigrantenzeitung Rul", in der er das Sowjetregime als ein Rerenfti- Regime von der anderen Seite bezeichnete und zur aktiven Arbeit gegen die Sowjetregierung

aufforderte.

Roten Armee hervorrufen wollen. Trojfi habe im letzten Jahre die Rolle übernommen, die bislang die Menschemist en und die Weißgardisten gegenüber der Sowjetregierung inne hatten.

Angesichts dieser schwerwiegenden Ereignisse habe die GPU. die Bolimacht erhalten, mit allen Mitteln gegen die Trohriften­Opposition vorzugehen.

Ferner ermahnt das Zentralfomitee alle Barteimitglieder noch mals zur Einsicht. Die Geduld des Zentralfomitees gegenüber der Troptiften- Oppofition fei nunmehr zu Ende. Die Telegraphen- Union datiert ihre Meldung aus Kowno . Eine Bestätigung dieser Nachricht von anderer Seite liegt bisher nicht vor.

Jmmertreu des Nordens.

Berbrecherverein überfällt Gastwirtschaft.

"

Die Begründung des Reichsarbeitsgerichts spricht aller­Reichsarbeitsgericht hat ignoriert, daß der Einbruch in den dings eher gegen die Richtigkeitserklärung, als für fie. Das Mantelfarif fein Novum ist. Seit 1924 ist bei Abschlüffen Don Lohntarifen in der nordwestlichen Eisenindustrie wieder­holt genau so verfahren worden wie diesmal. Diese Schieds­sprüche sind verbindlich erklärt worden. Die Unternehmer haben im Laufe dieser Jahre niemals fich grundsäßlich gegen biefen Einbruch" in den Manteltarif gewandt. Auch bei den Verhandlungen im Oktober des Vorjahres, die dem Schiedsspruch vorausgingen, haben die Unternehmer nichts eingewendet gegen die Buerkennung von festen Zuschlägen für Akkord- und Prämienarbeiter. Nur die Höhe dieser Zuschläge war umstritten. Nichtsdestoweniger, haben die Unternehmer nachträglich, um ihrer Aussperrung ein formal­juristisches Mäntelchen zu geben, das Argument des Ein­bruchs in den Manteltarif gebraucht. In der Begründung des Urteils sagt das Reichsarbeitsgericht, daß vom Landes­arbeitsgericht Duisburg nicht beachtet worden sei, daß es sich

um tarifwidrige Wirtschaftskämpfe handele, und daß, wenn jede Tarifpartei es in der Hand hätte, einen bestehenden Tarifvertrag als ihren Interessen nicht entsprechend zu negie­ren, dies eine starte Unsicherheit und eine Gefährdung des Arbeitsfriedens im Gefolge haben würde. Es tomme immer auf den Zusammenhang der Bestimmungen im ganzen an.

Diese Begründung spricht gegen das Urteil des Reichs­arbeitsgerichts. Der Schiedsspruch Jöttens regelte nur die Lohnfrage. Er regelte sie für Afford- und Zeitlohnarbeiter zusammen. Und weil den Unternehmern dieser Schiedsspruch nicht paßte, haben sie trotz der Verbindlichkeitserklärung, die. einen Tarifvertrag schaffte, nicht den Rechtsweg be­schritten, sondern einen tarifwidrigen Wirtschaftskampf vom Saun gebrochen und 213 000 Arbeiter ausgesperrt.

Das Landesarbeitsgericht Duisburg und der Land­gerichtsdirektor Dr. Jötten als Schlichter, fie haben die Dinge im Zusammenhang gesehen. Sie haben die Braris bei Ab schluß von Lohntarifen in der nordwestlichen Eisenindustrie gefannt. Sie haben begriffen, daß man nicht die Löhne der Zeitarbeiter regeln fann, ohne gleichzeitig die Löhne der Afford- und Prämenarbeiter zu regeln. Das Reichsarbeits­Ein ähnlicher Vorfall wie seinerzeit in der Breslauer Straße am gericht aber sieht diese Zusammenhänge nicht und tüftelt Schlesischen Bahnhof spielte fich gestern abend im Norden Berlins ab. formaljuristisch heraus, was die Unternehmer entgegen ihrer Glücklicherweise konnten durch das rechtzeitige Eintreffen der Polizei jahrelang vertretenen Auffaffung nach der Durchführung ber Aussperrung sich von ihren Snndizi austüfteln ließen. größere Ausschreitungen verhütet werden. Wie aber standen die Dinge Ende Oktober 1928? Da Nach dem Borbild der 3mmertreu- Leute fuhren gegen 22% Uhrmals verfündete das Organ der Ruhrindustriellen, die kraftmals vor ein Cofal in der Dunderstraße plöhlich drei kraft- Deutsche Bergwertszeitung", daß es drei Möglichkeiten droschten vor. Den Wagen entfliegen etwa 10 bis 12 mann, gebe: erstens, der Schiedsspruch wird für verbindlich erklärt, die in das Lokal eindrangen und mit mehreren dort sitzenden Gäffen und dann werden und dann werden die Unternehmer die Unternehmer aussperren; Streit anfingen. Es tam zu einer Schlägerei, in deren Verlauf zweitens, der Schiedsspruch wird nicht für verbindlich erklärt, auch ein Schuß abgefeuert wurde, der aber fein Ziel verfehlte. und dann werden die Unternehmer auch aussperren; Erfreulicherweise war die Polizei auf den Ueberfall- Alarm alsbald drittens, es tommt überhaupt fein neuer Tarifvertrag zu mit einem größeren Aufgebot zur Stelle, so daß die Streifenden ge- stande, und dann werden die Unternehmer erst recht trennt werden konnten, ehe es zu einem ernsteren Blutvergießen aussperren tam. Mehrere der Angreifer konnten ermittelt und verhaftet

werden.

Nach den bisherigen Ermittlungen scheint es sich, ähnlich wie bei den blutigen Vorgängen am Schlesischen Bahnhof zwifchen Zimmerleuten und Immerfreu, um einen vorbereiteten Rache zug zu handeln. In dem Cofal sollen mehrere Mit­glieder eines Vereins geweilt haben, die vor einigen Tagen in einem Prozeß als Zeugen aufgetreten waren und ungünstige im Norden gemacht hatten. Die Kriminalpolizei hat die weiteren Aussagen gegen Mitglieder eines Ringvereins Ermittlungen aufgenommen.

Die Troßriftenopposition verbreite Aufrufe und Flug blätter an die Truppen der Roten Armee, in denen angedeutet und auch offen ausgesprochen werde, daß aus der Roten Armee die Bonopartisten Bewegung entstehen müsse. In weiteren Flugblättern habe die Opposition eine Spaltung in der Komintern und in den oberen Befehlsstellen bergefommen ist.

Die Dunderstraße wurde während der ganzen Nacht von der Polizei scharf kontrolliert, so daß es zu weiteren Zwischenfällen nicht

Mit

ein sogenannter Einbruch in den Manteltarif vorlag oder Es tam also den Unternehmern gar nicht darauf an, ob fonst irgendein formal- juristischer Verstoß gegen irgendeinen Paragraphen oder den Saz eines Baragraphen einer Aus­Schlichtungsverordnung. führungsbestimmung der folchen papierenen formal- juristischen Erwägungen gaben sie fich nicht ab. Für sie tam es darauf an, am 1. November die Ausiperrung durchzuführen, und zwar nicht nur, um den Deutschen Metallarbeiterverband, um die freien Gemert­gierung Hermann Müller , um dem Reichstag , der Republik fchaften schachmatt zu setzen, sondern um den sozialdemo fratischen Reichsarbeitsminister, um der Re­und der gesamten Deffentlichkeit zu zeigen, daß sie, die Ruhr­industriellen, immer noch herren im Hause find.

Das war der Sinn der Aussperrung. Und das sind die Zusammenhänge wirtschaftlicher und politischer Art, die das