deutsch bleiben wollen. Dieser Beschluß mit der Anschrift„An den Herrn Präsidenten Wilson" wurde von einer Mittelsperson nach Holland zur Post gebracht. Wilson erwies sich aber auch nicht als der Retter. Eine Antwort ist nie ein- gegangen Zu einer zweiten Versammlung auf dem Gereonsplatz in MalmSdy hatten wir uns als Redner den da- maligen Parteisekretär in Köln a. Rh. jetzigen Polizeipräsidenten von Berlin , Genossen Zörgiebel, kommen lassen Die ganze Bevölkerung war auf den Beinen, ober das erlösende Wort der Befreiung konnte auch Zörgiebel nicht geben. Sein« Rede hatte zwar unter der rein katholischen Bevölkerung im Sinne des Sozialismus einen tiefen Eindruck hinterlassen. Nach der Versammlung berieten wir, d. h. Zörgiebel. F. und ich, und beschlossen, in dem katholischen Malmedy eine sozio- listische Gruppe zu bilden, was auch geschah. Ein Ruhen konnte es nicht geben, es begann die Kleinarbeit. Den General der englischen Besatzung bat ich mehrere Male oer- geblich, doch noch eine Versammlung abhalten zu dürfen. Endlich durch Fürsprache des Londrats Freiherrn v. Korff, bei welchem der General wohnte, wurde ich gerufen und stand nun vor dem Allgewa'tigen:„worüber wollen Sie sprechen?" Meine Antwort war:„Das Thema soll lauten:„Kgnn ein Katholik Sozial- d e mo k r a t sein?"— Der Engländer erwiderte: .Sie dürfen aber kein wort gegen die Entente sprechen. sonst werden Sie verhaftet!" Ich frage noch, ob sich auch die Landbevölterang beteiligen dürfe: auch das wurde ertaubt. Froh, eine Versammlung abhalten zu dürfen, verließ ich das Landratsamt. Waren doch diese Ber- sammlungen ein überaus geeigneter Wertmesser für die Ge- fühle der Deutschwallonen. Erwähnt sei hier, daß die Beoölke» rung kasernenmäßig um 8 bzw. 9 Uhr zu Haus« sein in u ß t e, was am Dersammlungsabend nicht möglich war. Nun galt es, Zettel zu schreiben, um den Versammlungsabend bekannt- zugeben Schwierigkeiten beim Anbringen dieser Zettel bereiteten uns die Bcsatzungstruppen nicht, abgesehen von kleinem Geplänkel mit den wenigen zu Belgien haltenden Einwohnern. Ich hatte gleich den zweiten Tag nach der Unterredung mit dem General für die Versammlung festgesetzt, aus Furcht, die Erlaubnis könnte zurückgezogen wenden. An diesem Tage, gegen 12 Uhr, erschien der G e ndar m eri e o b erwa ch t m ei ste r bei mir und er» klärte im dienstlichen Ton: Der englische General läßt Ihnen sagen, die Versammlung dürfe nicht unter freiem Himmel ans dem Gereoneplah stattfinden. sondern nnr in einem geschlossenen Raum. Dies hatten die Belgienfreunde fertig bedeutend mit einem direkten Verbot. in Beoerce und Montbijou je einen Saal. Was das zu besagen hat in einer rein katholischen Gegend zur damaligen Zeit, einen Saal für sozialistische Versammlungen zu bekommen, kann nur der empfinden, welcher gleiches miterlebt hat. Ich sammelte schnell einige zuverlässige treue Leidensgefährten. Jeder bekam seinen Auftrag, die Saalinhaber zu bearbeiten. Es handle sich doch nicht allein um eine sozialistische, sondern doch auch um eine rein deutsche Sache. Um ö Uhr erschien ein Trupp der Getreuen. an deren Gesichtern schon zu erkennen war, daß sie was erreicht hatten. Sie oerkündeten, daß wir den Saal in der Weyerstraße haben könnten, er werde bereits dazu hergerichtet Nun wurden an den Zugangsstraßen am Gereonsplatz unausfätlig die Besucher der Versammlung nach dem Saal beschieden. Aus dem Wege zur Ber- sammlung kam der Bi�rgermeisier und sein Sohn mir etzk- g?ff?n. Dieser, ein ehemaliger Kriegsgerichtsrat, sprach zu mir: ..Herr B. nicht allein Sie, sondern auch mein alter Dater wird v« r- haftet, wenn Sie gegen die Ihnen gestellten Bedingungen sprechen." Ich beruhigte beide Herren. Ein massiger Anblick in der Nähe des Saales. Der kleine Saal konnte die Volksmassen nicht fassen. Die Fenster waren schon ge- öffnet, damit die vraußenstehenden auch hören konnten. Hier tonnte ich die Einigkeit des Proletariats feststellen, zu welchem sich auch in der bedrückten Zeit der Mittelstand rechnete. Als ich den überfüllten Saal betrat, bot sich mir ein eigentümliches Bild: Osszicre der verschiedensten Länder unserer ehemaligen Feinde, darunter auch Militär im Dienst f Schotten) mit Bajonetten. Ruhigen Schrittes be- trat ich das Rednerpult, richtete einige Worte der Begrüßung an alle Anwesenden und auch nach draußen, begann dann mit meiner oben angedeuteten Rede. Inmitten der Red« verglich ich Jesus mit dem Sozialismus und sagte, daß ouchunterseinen Jüngern ein Verräter war, so wie unter den Malmedyern einige, wenig« Verräter sind, die ihre Briefe immer mit treu- deutschem Gruß geendet, jetzt aber auch„kreuzige ihn" schreien. Unsere ehemaligen Feinde würden an diesen Verrätern auch keine Freude haben. Ein Beifallssturm durchbrauste den Saal und auch von draußen erscholl der Beifall. Mitgerissen von dieser Begeisterung klatschte auch einer der fremden Offiziere Beifall. Me ich meine Rede beendet hatte, überreichte mir ein Herr seine Visitenkarte und bat ums Wort. Ich las den Namen und aus dem Untertitel ersah ich, daß ich einen Abgeordneten der bel- gischen Kammer vor mir hatte.(Die Belgienfreunde hatten sich diesen als Gegenredner mitdemAutoaus Brüsselkommen lassen.) Ich erteilte ihm unter der Bedingung das Wort, daß er nichts gegen das jetzt unterdrückte Deutschland und auch nicht für die Lostrennung Malmedy und Eupens von Deutschland sprechen werde, andernfalls ich ihm sofort da» Wort entziehen würde. lDenn mir war ja auch verboten worden, für das Verbleiben bei Deutschland zu sprechen.) Hiermit war den Verrätern der Gift- zahn gebrochen. Die Rede des Abgeordneten gab zur Wortenziehung keinen Anlaß. Die Versammlung schloß ich mit Worten der Z u v e r- s i ch t aus die eigene Kraft des deutschen Volkes. Sichtlich erfreut war der Bürgermeister, als er mich nach der Versammlung frei und ahne Ketten wiedersah. Ein Oberlehrer der dortigen Lehranstalt hatte in einem Artikel des kleinen Kreisblattes seiner Empörung darüber Lust gemacht, daß ich Jesus als Sozialist bezeichnet hatte. Die Auflage kam nur zum Teil zur Ausgabe. Der Oberlehrer entschuldigte sich persönlich bei mir. Das war aber die letzt« Versammlung. Nachdem durften kein« Versammlungen mehr abgehalten werden. Am 12. August 1919 nahmen die Belgier das Gebiet von Malmedy und Eupen in Besitz. Ich hob« Malmedy am 28. Juli 1919 verlassen, es drohte mir die Haft durch die Belgier. Hätte die Abstimmung gerecht und ohne jeglichen Druck vor sich gehen können, dann wären Mal- medy und Eupen niemals an Belgien gekommen.
Kommunistische Heldenlaufbahn.
.Sobald ich in Freiheit komme, gehe ich zvm Roten FrontkämpferbunV!"
.Siebenmal vorbestraft! Er muß unser Führer werden!"
.Jetzt zeige Dich Vein-r Vorstrafen würdig' Entführe einen.Vorwär«s"-Redatteur!"
.Arm in Arm mit Dir fordere ich mein Jahrhundert in die Schranken!"
Falsch? Gerüchte über Rlieiserhöhung. Amtlich wird mitgeteilt: Gegenüber den immer wieder auftauchenden Gerüchten über eine bevor st ehende Mieterhöhung stellt der Reichs- ardeitsminister in einem Rundschreiben an die Landesregierungen fest, daß eine Erhöhung der gesetzlichen Miete von der Reichs- legierung nicht in Ausfichtgenomme» jei,_____
Don einem Berliner Schöffengericht fft am Sonnabend ein evangelischer Pfarrer, der sich als Schimpfbold gegen die Republik erwiesen hat. zu drei Monaten Gefängnis oer- urteilt worden. Das Berliner Gericht war der selbstvsrständ- lichen Ansicht, daß das Gesetz zum Schutze der Republik nicht nur ein Fetzen Papier sein dürfe, und daß die heutige Staatsform das Recht habe, sich gegen so blöde Beschimpfungen, wie sie der evangelische Pfarrer einem Kardinal nachgesprochen hatte, nachdrücklichst schützen müsse. Bon diesem Einzelfall abgesehen sind die Erfahrungen mit Gerichten und Berusungsgerichten aus diesem Gebiet« nicht ge- rode ermutigend. Wir erinnern nur an die erst vor»inigen Tagen veröffentlichte Tatsache, daß der Stahlhelmführer Düsterberg sowohl vom Amtsgericht wie vom übergeordneten Landgericht Prenzlau straffrei gelassen wurde, trotzdem er dieselben beschimpfenden Behauptungen gegen die Republik ausgesprochen hatte wie der erwähnte eoangelische Pfarrer und der katholische Kardinal. Aber auch sonst ist im Land« oft die Republik und sind vor allem ihr« Farben schutzlos jeder Lümmelei ausgesetzt. Erst dieser Tag« wurde uns«in besonders charakteristischer Fall mitgeteilt. Der Braunschweiger Museumsdirektor Dr. v. Franken- berg hatte im Sommer vorigen Jahres auf der ostfriestjchen Insel Baltrum aus dem Wall seiner Strandburg ein« Fahne in den Reichs- färben aufgezogen, die einzige im weiten Umkreis. Eines Dar- mittags gingen zwei Badegäste unmittelbar an dem Badezelt vor- über, und der ältere von ihnen sagte, indem er die Frau v. Franken- berg ansah, mit lauter Stimme:„Das ist die einzige Fahne, die einzig« Iudenfahn« hier!" Die Aeußerung geschah in so provozierendem Tone, daß die Besitzer der Strand!, urg keinen Augenblick an ihrem beschimpfenden Charakter zweifeln konnten. Frankenberg stellte die beiden, erhielt aber nur die höhnische Antwort, ob er denn ein Jude seil Der
Name des Schimpfhelden mußte erst durch«inen Gendarmerie. beamten festgestellt werden. Es handelt« sich-- wer konnte auch daran zweifeln?— um einen ehemaligen Offizier, einen Major a. D. Karl Georg Vogler, Berlin , Lefsingstr. 44, ivohn- Haft. Gegen Vogler wurde Strafanzeige wegen Beschimpfung der Reichsfarben und Beleidigung Frankenbergs erstattet!. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage, und jetzt fand die VerHand- lung vor dem Schöffengericht in A u r i ch statt. Das Schöffengericht sprach jedoch den Herrn Major von beiden Anklagen frei, indem es erklärte, es fei schwer zu entscheiden, ob es ein« Beschimpfung der Reichsfarben fei, wenn man fig als„Iudenfahn e" bezeichne! Denn die Juden feien Staatsbürger, die die Republik besonders verehrten, und der Schöpfer der Reichsoerfassung. Preuß, wäre auch ein Jude gewesen. Die Tat sei zwar öffentlich geschehen, aber der Herr Major habe nicht das Bewußtfein der Oeffentlichkeit ge- habt. Zwar habe er die Frau Frankenberg beim Sprechen a n g e» sehen, doch könne dies auch geschehen sein, ohne sie zu be» merken... Shylock würde angesichts dieses Urteils sagen:*£) weiser, o gerechter Richter!" Wenn von preußischen Gerichten so salomonische Urteile gesprochen werden, kann man in Mecklenburg natürlich nicht zurückbleiben. Wie uns aus Güstrow gemeldet wird, hatte der natio-nalsozialistifch« Agitator Dr. Wolfs aus Lütchendors den so- zialdemolratischen Ministerpräsidenten von Mecklenburg- Schwerin , Schröder, öffentlich als„Idioten" bezeichnet. Das Amts» g e r i ch t in Malchow verurteilt« ihn deshalb zu 200 Mark Geld. strafe. Wolff ober kannte das Berustingwevsahren. Di« von ihm angerufen« Strafkammer in Güstrow hat ihn jetzt nach um- fangreicher Beweisausnahrne freigesprochen. Fortsetzung nach Belieben!
Polizeipräsident Zimmermann. Infolge Herzleiden gestorben.( Frankfurt a. Rl„ 26. Januar. (Eigenbericht.) Im Alter von 57 Jahren ist heute nacht der Polizeiprä- s! d e n t von Frankfurt am Main . Josef Zimmermann, seinem schweren Herzleiden erlegen. Zimmermann, einer der be- kanntesten Frankfurter Sozialdemokraten, war bis' zu seiner Er- nennung als Landrat in Höchst Gauleiter des Molerver- bandes sowie Stadtverordneter und bekleidete verschiedene andere Ehrenämter der Partei. Seine Ernentmng zum Landrat von Höchst erfolgt« am 1. Mai 192l. Im Ruhrkrieg wurde er von dort aus- gewiesen. Am 8. April 1926 zum Polizeipräsidenten von Frank- furt ernannt. Er hinterläßt eine Witwe und drei Kinder.
Kirchenbann in Güdfrankreich. Interdikt gegen ein Dorf. Pari», 26. Januar. Dem„Temps" wird berichtet, daß der Erzbischof von A ix den Pfarrer von Nartentane seines Amtes enthoben Hot, weil dort am 16. Januar die Bewohner der Ortschaft bei der Beerdigung eines Mitglied« der„Action franyaise", den» auf Grund bischöflicher Der- fügung die kirckfliche Beisetzung versagt worden war, in die Kirche zogen und dort ohne den Pfarrer eine Totenfeier abhielten. Der Erzbischof hat außerdem verfügt, daß Taufen, sonstige kirchlich« Feiern und Messen nur noch in den Kirchen der Nachbardörfer abgehalten und' daß die Glocken der Kirche von Norbentane
nicht mehr geläutet werden dürfen. Nach dem„Temps" soll die Bevölkerung beabsichtigen, am kommenden Sonntag unter Protest in die Kirche einzudringen.
Libllolhekhaus für den Reichstag . Der Planungsausfchuß des Reichstags beschloß am Sonnabend, daß der Wettbewerb für den BaueinesBibliotheks- und Bur»augebäudesfürden Reichstag nunmehr schleunigst ausgeschrieben werden soll. Allerdings sollen dabei neue Gesichtspunkte maßgebend fein. An dem Plan des engeren Wettbewers soll festgehalten werden. Zu den schon bestimm- ten Preisträgern sollen aber neue, noinhofte Bautiinstler hinzu- gezogen werden, die von dem Reichsousschuß für Preisausschreibe» benannt werden sollen. Fürstin Vülow gestorben. Di« Gattin des früheren kaiserlichen Reichskanzlers Fürsten Bülow ist im Alter von 80 Jahren in Rom gestorben. Die Verstorben«, von Geburt Italienerin, hatte in der Glanzzeit Bülows auch in Berlin eine bedeutend« Rolle gespielt. Weltausstellung 1922 in Ehikago. Der amerikanische Senat nahm eine Entschließung an. die den Präsidenten ermächtigt, die Länder der Welt zur Beteiligung an der im Jahre 1923 in Ehikago stattfindenden Weltausstellung einzuladen. Die Entschließung ging dem Präsidenten zu. von der rumänischen Grenzpolizei verhaftet wurde— als Kommunistenführer— der greife Mitbegründer der Sozialistischen Parte! Rumäniens , Alerander Dobrogheanu Gherea. Er war aus ungesetzliche Weise von Rußland nach Rumänien gekommen. Als er aus der Post eine Depesche ausgeben wollte, fiel dem Be- amten der falsche Bart Ghereas aus. Der jetzt Verhaftete ist seinerzeit in Abwesenheit zu 20 Iahren Zuchthaus verurteilt worden.