»ä, Unterhaltung unö �Nissen
JHt Glocke aus den Echukfälen klang zum zweiten Mal« aus d«n Platz herunter, der am Meere lag. Johannes griff mich am Zlrm und zog mich zur Seite:„Siehst du es. da kommt ein rotes Schiff! Gleich wird der Seeräuber Störte- bitter die Totenkopffahne hissen!" Dabei deutete«r weit hinaus. wo sich Himmel und Meer in einem violetten Dunststreifen bc- rührien. Du Irrer, dachte ich. Seine Zlugen glühten, er war erregt, «r schien das Schiff wirklich zu sehen; aber ich sah nur da» Meer, ein paar Wolken, ich sah nur Wasser. Ich ahnte, was in seiner Seele lebte; ich kannte sein wildes Blut. das durch Gesetze, Erziehung und Furcht unterdrückt und gefangen gehalten wurde. Manchmal sagte er es selbst. Dann stieh er uns zur Seite, sprang aus einen Hafenstein und schrie:„Nein, ich bin kein Großsprecher, alles ist wahr, was ich sage. Ich stamme von Seeräubern ab. Einen, den Tom, haben die Hanseaten an eine Schiffsrahe gehängt; er hat dretundzwanzig fette Kaufmannsschisf« gekapert und in Dampf ausgehen lassen. Er hat den Brautschatz der Prinzessin Melisande erobert. Er hat vierzehn Frauen gehabt. Da ertönte die Glocke, die messingene Glocke im Hut« des Schul- turmcs. zum dritten Mal«. Aus dem Schiesergebälk flatterte ein Tauben- und Möoenschworm, der dort oben nistete und in dem alten Treppenhaus auf dem Eichenbalken saß. Im Treppenhaus war das erste Fenster au » rotem Glas, das zweite Fenster aus grünem, das dritte Fenster aus blauem. Bor diesem blauen Fenster saß auf dem Gebälk die weih- und schwarz- gesprenkelte Möwe Mimi wie ein verzaubertes Wesen und un- ergründlicher Spuk. Da war es wieder Johannes, der mir sagte:„Glaube mir, das ist kein Vogel, das ist kein Tier. Da» ist das Symbol der Schwer- mut, das ist die hockende Trauer. Du wirst sie erkennen, wenn du dich nacht» herausschleichst, am besten wählst du«ine dreizehnte Nacht und ein« Vollmondnacht dazu. Da ist auch diese Möve Mimi nicht der schweigende, in sich gekuschte und lauernd« Vogel, der dein« ent- gegengeworsenen Brotkrumen mit Flügelschlägen aus der Luft fängt oder, Kopf unter dem Flügel, sich von den Streifereien und der Fisch- jagd über dem Meere und den Dünen erholt.... Dies« Vögel, die Möven. haben ihre Geheimnisie, mein Lieber, mehr als die Schleier- eulen. die Nachtkäuze und Naben 1" Ich trat mit Johannes in das Tor der Schul«. Es war kühn und großartig und hatte in der Mitte ein Wappen mit Bischof-stab und einem Pelikan, der mit dem Schnabel sich Flaum von der Brust reißt. Das war kein Tor zu einer Schul«. Da« war d«r Ein. gang zu einem Schloß der Verwegenheiten, der Laster, der Abende und der nächtlichen Grausamkeiten. Aus den Schulannalen wußten wir, daß hier einmal«in« Burg war, die viele Male erstürmt und belagert wurde und ein halbe« Dutzend Feuersbrünste aus sich gespien hatte. Die Lehrer standen im Kreis im Treppenhaus, das fünfmal nach link» und fünfmal nach rechts die Treppe zeigte, wie sie sich in die Höhe hob. Wieduwilt, der Lehrer der Geschichte, stand in der Mitte. Sein rotes Haar leuchtet« wie der Kopf eines Fuchse». Lueasien, der un» im Französischen unterrichtet«, spielt« mit seiner Uhr und betrachtet« si« unablässig. Neben ihm stand der melancholisch« und stirnrunzelnd« Lehrer der Mathematik Ree ». Cr hatte scharfe und dunkle Augen, die die Geheimnisie der Diagonalen und Winkel durchspähten und bewunderten. Johannes, der mit mir auf«in« Schülergruppe zuging, die im Hintergrund« schwatzt«, hielt sich ganz nahe an mich gedrängt, um mir etwas zuzuflüstern, ober er stieß tn diesem Augenblick einen kleinen schrillen und irren Schrei au«, der mich mehr erschreckte, als ein zuckender, klatschender Vogelkörper, der au» dem Treppen. hause heruntersaust« und vor dem Kreis der Lehrer auf das Stein- Pflaster prallte. Im gleichen Augenblicke siel«in weißer, an der Spitz« blutbefleckter Stock mit Geklapper aus die erst« Trepp « und sprang, etwas abseits wegschießend, einem Schüler auf den Fuß. Johannes Stimme durchschnitt die Stille und die Verwunderung, die alle Lehrer und Schüler befallen hatte. Sie schrie, daß dies die flandrisch« Möve sei. die Seeräubermöve, die verzaubert« Möve, die heilige Möve Mimi. Ich sah sie liegen. Ueber den Hals hatte sie«in furchtbarer Schlag getroffen, der fast den Kopf vom Hals getrennt hatte. Ein paar Blutstropfen quollen leise und sickernd in dl« Steinfug«» zu dem unsichtbaren Blute der Märtyrer, der Geschundlmen. der Gefangenen und Verschleppten, deren G«bein vielleicht noch unter den Steinen modert«. Johannes war als der erste auf den verstümmelten Vogel zugestürzt.„Sie ist wtl" sagte er heiser. „Wer ist es gewesen?" schrie die Stimme Wieduwilt». Ein« Gruppe von Schülern stürzte mit ihm an der Spitze die Treppe hinauf aber Johannes und ich blieben vor dem Vogel stehen, der, d«m traditionellen und heiligen Gastrecht entgegen,«r- schlagen worden war. „Sieh Ihre zusammengezogene Krall « an." flüstert« mir Johanne« zu,„ist si« nicht dl« Hand einer gemarterten Helligen?" Ich sah nichts als einen rohen Akt von Verwegenheit und Grausamkeit. Eine Sekunde lang schwankte ich, ob Ich dies« Verwegenheit nicht bewun- dern sollte, die den von un» all«n geliebten und gehätschelten Vogel tödlich niedergeschlagen und ihm noch da« Mordwerkzeug nach- geworfen hatte. Aber dann zog es doch mein Herz auf die Seit« der ermordeten Kreatur. Der Vogelleid blieb tat. Auf die Augen trat d«r Haüch des Todes, und die milchweißen Lider schoben sich darüber. Der zer- schmetterte Kops schwamm im Blut, und d«r P«dell kam mit Schaufel und Hacke, hob die Möve an den grauen Füßen aus und brachte sie in den Garten, wo der große Nußbaum stand. Von oben, aus den Fenstern sahen wir ihn den Rasen abstechen, die Hack« klirrt« auf ein paar Steine, der Spaten stach ein Loch aus, und die Möve Mimi kam zwischen ein�paar dickte Wurzeln zu liegen. Johanne» flüstert« mir zu.„Sie wird herauskommen, glaub« es mir, nach sieben Tagen und sieben Nächten wird sie glühend und leuchtend aus dem Boden steigen. Sie wird den Mörder zeigen. auf seiner Stirn« wird ein große» Blutmal stehen!" Ich saß in der Bank und grübelt«. Vor mir saß Johannes und neben mir die Schülerin Renate Ali Als ich gerade dacht«: dieser Mord war Grausamkeit, stieh mich Renate an. g« ihren Augen und tn der Art des Anschauens sah ich das Wissen und da» Ge- ständnis. Ich frag sie leise:„Du weißt e». wer es war?" „Ich weiß es. aber schweige!..- „Dar« schön, wie dt« Möve fiel?" fuhr sie fort.„Ah. ß» schwankte herrlich durch das Dunkel des Schachte» hinunter. Als
Die cMöve sie am grünen Fenster vorbeifiel, wurde sie für eines Blitzes Kürze grün, als sie durch den Lichtschein des roten Glases stürzte, dünkte st« mich wie«in riesiger Blutstropfen. Ich hörte sie fallen, ich hörte auch ihren dünnen Schmerzenspsisf. Roch nie ging mir ein Schrei oder eine Musik so fies und gut ins Herz..." Ich starrte si« gespannt an. Si« sagte weiter:„Was wußtet ihr von mir. Lächerlich, wie man einen Vogel so mit Liebe und Geheimnissen umgeben kann. Ihr saht im Auge dieses blöden Tieres Verzauberungen, Schwermut. Träum« und Abenteuer. Aber ich habe ihr auf den Kopf geschlagen. und e» war nichts anderes darin als ein bißchen graues Hirn und
rotes Blut. Seid mir dankbar, daß ich euch euer blödes Symbol zertrümmert habe. Bewundere meinen Mut, der im Angesichte der Lehrer euer Heillgtum zerschmettertel..." Ich schwieg noch immer, es wurde mir nur kalt unter der Haut. „Nie," flüsterte sie fort,„hätte ich gedacht, daß die Tat mich so erschrecken und ergreisen würde. Ich bin kaum von der Treppe hinweggekommen, an meine Füße hing sich eine schmerzliche Schwäche. Ich versteckte mich in der Turmtüre, ging die Wendel- treppe hinunter und mischte mich unt«r euch. Ich wollte mit dem Schlag euch alle treffen. Cure süßen, wilden Knabengesichter, alle wollte ich euch treffen, schlagen, verwunden, allen wollte ich wehtun, allen wollte ich«Inen blutigen Striemen ins Gesicht zeichnen. Vor allem dir!— So, nun gehe hin, wenn du Lust hast, und verrate mich!" Ich verriet sie nicht.
Mun£en*: 3>egeyter
Tonrcolng. End« Januar ISA. Durch schwarz angerauchte Häusermeere der Favrikftadt Tourcoing bei Roubaix komme ich zu einem kleinen Häuschen, in dem Albert Inghels wohnt, der stellvertretend« Bürgermeist«r von Tourcoing und frühere Abgeordnete unserer Partei in der Kammer. Schon vor 42 Iahren hat Inghels bei Adolphe Degeyter, dem ISIS verstorbenen Komponisten der.Internationale", die dreißig monat- lichen Centimes für die Parteikasi« erhoben. Denn Adolph« war stets Mitglied unserer Partei, während Pierre Degeyter . sein Bruder, niemals Parteimitglied war. Pierre war Nationalist. Er, der sich jetzt als Kommunist großtut. Hai stets nur patriotische und nationalistische Lieder gesungen. Ich frag« Inghels, ob es möglich ist, daß Pierre an der„Inter- nationale" wenigstens eine Melodie, ein Melodieteilchen ebenfalls komponiert hoben könne. Aber Inghels lacht zur Erwiderung: „Pierre? Diefer Nationalist? Der mit seiner Behauptung, Kom- pomst der.Lnternotionale" zu sein, nur Geld oerdienen wollte und auch verstandcn hat, Kapital daraus zu schlagen? Lesen Sie hier diesen Aktenbogen!" Inghels gibt mir einen großen AkteNdogen, und ich«rfehe daraus: Nachdem es Pierre Degeyter 1903 gelungen war,«in sogenanntes.Lriginalmanufkript" an Iäan Baptist« Clement für 200 Franken zu verkaufen, verlangte er 1311 aus dem Prozeßwege di« Zahlung der Urheberrecht«: 10 000 Franken! Die Klag« war gegen die Druckeroibesitzerin Hayard gerichtet, welche di« Musik der„International«" von Adolphe Degeyter veröffentlicht hatte. Am 30. Ottober 1911 fand die erste Gerichtsuntersuchung in der Angelegenheit statt. Der Prozeß rollt« sich bald darauf im allen Revolutionssaal des Pariser Zivilgerichts ab. Für Adolphe» Recht«, also für Frau Hayard, trat der sozialistische Abgeordnete Jules Uhry auf. für Pierre der Anwalt Dorgevilla Uhry erklärte dem Gericht, daß es 1888 zwei sozialistische Parteien gab, auch noch 1903, als Pierre zum erstenmal Ansprüche gellend macht«, und zwar di«„Ptrti ouvrier francal»*, deren Mitglied Adolphe war(Führer: Jules Guesde ) und„Parti sociaiist« franyais* (Führer: I«an Iaurös), der Pierre später uahestand, ohne jodoch ihr Mitglied zu sein. Erst 1903 fand die Einigung beider Parteien statt Drei Zeugen erschienen für Pierre Degeyter . über deren konfuse Aursogen di« Pariser Richter mit einer Handbewegung hinweggingen.. Für Adolphe dagegen erschienen sein« sämtlichen Verwandten, ferner Inghels, Delory(der Bürgermeister von Lille ). Die eigene Schwester Pauline Casioret(sie starb 1927), deren Galle noch heute das Harmonium besitzt, aus dem Adolph« die hinter- nationale" einübt«, sagte auch, man habe die Brüder Adolphe und Pierre manchmal in Lille verwechselt, und so entstand bei Pierre durch Autosuggestion der Gedanke, er könne der Urheber der Musik der„Internationale" sein. Vor mir liegt ein Originalbrief von Louis Laborre. der mit Paul Bergot zusmnmen zu Adolphe Degeyter 1888 ging, um ihn
zu bitten, die„Internationale" in Musik zu setzen. Der Brief, datiert vom 22. Oktober 1911, lautet:„Ich protestiere gegen jede etwaige falsche Auslegung meiner Aussagen. Ich war selbst dabei. wie Adolph« Degeyter auf seinem Instrument versuchte, die Musik für die.Internationale" zu machen." Am 17. Januar 1914 wurde das Urteil verkündet: Adolphe Degeyter ist zweifellos der Komponist der,.International e". Aber 1921, also sieben Jahre nach dem Urteil, und fünf Jahre nach dem Tode seines Brader», legt Pierre Degeyter Berufung ein! Infolge des Krieges war die Berafungssrist noch nicht ver- jährt. Bor der vierten Kammer des Pariser Berufungsgerichtes beginnt am 23. November 1922 der zweite Prozeß Degeyter . Pierre war mit seinem Anwall Havet allein. Bon der Gegenseite' war niemand erschienen. Dos Urteil von 1914 war zu klar, und man wollte Herrn Pierre keinen moralischen Kredit geben durch Beteiligung an der Komödie einer Berusungsverhandlung. Das nutzte dieser geschickt aus. Er legte einen Brief vom 27. April 191ö vor, in dem Adolphe einem Neffen geschrieben haben soll:„Ich habe niemals Musik gemacht, am allerwenigsten di« Musik zur „Internationale". Wenn ich je etwas anderes behauptet habe, so geschah dos auf Beranlaffung von Delory, der oft zu mir kam." Ich lese dies« Stelle laut, fehe auf und schau« Inghels an, der vor mir sitzt. „Adolphe Degeyter kpt so wenig Musik gemacht," sagt mir Inghels.„daß er wenige Tage vor feinem Tode sich bei mir über die Ränke seines Bruders Pierre beklagte. Er hat so wenig Musik gemacht, daß er mir das wirkliche Originalmonufkrlpt d«r.Internationale" 18SS übergeben hat Ich sandte es 1310 an Renaudel für die Sonderausgab« der.Humanitä du Nord", die zehn Monate lang erschien. Renaudel hat das wirkliche Originalmanuskript sicher heut« noch. Ich treffe bald mit der Familie Degeyter in einem Eafä zu Lille zusammen da werden wir den Fall dieses seltsamen unbekannten Neffen untersuchen, um schnellstens Revision gegen da? Urteil voll 1922 einzulegen. Aber was Pierre wollte, hat er doch nicht erreicht. Auch durch das Urteil von 1322 wurde ihm kein Schadenersatz zuerkannt. Das Gerichtsurteil, dessen beglaubigte Abschrift Sie ja hier vor sich sehen, ist so oberflächlich gemacht, daß in ihm der 13. Februar 1913 als Todesjahr von Adolphe angegeben ist Anfang Februar dieses Jahres werde ich eine Broschüre mit dem Titel:„Die Wahrheit über die Musik der Internationale" veröffentlichen; Bracke wird das Vorwort dazu schreiben.
Soeben sucht« ich Pierre Renaudel in der Kammer auf, un> ihn zu fragen, ob di« Angab« von Inghels, er Hab« dos wirllich« Orginalmanufkript der.Internationale" von Adolphe Degeyter. lrrtumsfrei ist Renarrdel versicherte mir, daß er das Manuskript zu Haus« habe und es gerne demnächst an Inghels zurücksenden werde.
stich, stach: Der 3iulissenscMeber
Am Ende des vorigen Jahrhunderts bestand noch an etlichen Theatern di« Einrichtung der Kulissenwagen; auf diesen waren dl« Kulisien fest aufmontiert, so daß man einjach verwandelte, indem mau den außen aus der Szene gehenden Wagen zurückzog und den anderen aus di« Szene schob. Einfachste technische Einrichtung! Leicht« Anforderungen an den Mann, der dies« Apparat« zu de- dienen hatte, der den schönen Titel Kulisienschieber trug, aber neben- bei noch Beleuchter, und Requisitendienste versah. Mit den steigenden Anforderungen an die Dekoration griff auch die Technik auf der Bühne um sich. Das Bühnenhaus wurde er- höht: über dem Bühnenbodcn entstand der gewalltg« Schnürboden. Di« Kulisien wurden paarweise mit der sogenannten Sosfit« in Bögen zusammengefaßt und für die Berwandlungen bereit geHallen. Und heut«? Man schiebt auf großen, breiten Wagen ganze Dekorationen hin und her, versenkt, heb« die Bühne in ihrer ganzen Breite und Tiefe. So hat es noch außen den Anschein, als ob die Arbeit auf der Bühne«ine leichte und recht einfache ist Aber das ist nicht der Fall; denn irgendwo müssen die großen Aufbauten doch zusammengestellt werden; und nicht jedes Theater besitzt eine Dersenk- oder Schiebemaschinerie, und mich Drehbühnen sich recht rar. Meistens müssen immer noch unter recht schwierigen technischen Bedingungen die Ausbauten und Umbauten oonstatten gehen. Die Ansprüche, die an die rein körperlich« Tüchtigkeit gestellt werden. sind nicht gering. Treppen, Brücken aus Holz stabil gebaut bis zu 4 Meter Höhe müsien hin und her getragen werden, Dekorations- teile. Bäum«, Wände, Türm« von 6 bis 8 Meter finden sich nicht selten an größeren Theatern. Kein ungeschulter Mann kann solche Arbeit verrichten: er würde samt seiner hohen Wand beim Transport bald die Balance verlieren und«in unentwirrbares Durcheinander anrichten. In der Mchr- zahl besteht da» technische Personal aus gelernten Tischlern, da deren Handwerk am häusigsten im täglichen Betrieb Verwendung findet. Aber in der Praxis müsien di« technischen Hilfskräfte viel mehr können. Jeder Arbeiteram Theater muß eigentlich ein Meister sein. Ein seder muß da» Bühnenbild im Kopf haben, an dem gerade gebaut wird; wohin der Gegenstand gehört,
den er trägt, weiß jeder. Der technische Inspektor darf dann nur noch die genauen Maße beachten. Zwar arbeitet man im Theaterbetriebe nicht acht Stunden hinter- einander wie in anderen Berufen. Es gibt immer wieder lange Wartezeiten zwischen den Akten; aber in den Biertelstunden, in denen aus der Bühne eine Dekoration abgebaut und eine neue auf- gestellt wird, herrscht äußerste Anspannung. Von einem falschen Ansetzen, einem schlampigen Hinstellen hängt eben nicht nur der künstlerische Eindruck eines Bildes, der reibungslose Verlauf einer Szene ab. sondern viel mehr, nämlich Gesundheit, ja Leben der Dar- steller. Ein« schlecht befestigte Wand, eine nicht sicher angebrachie Stütze, eine nicht geprüfte Unterlag«,«ine mangelhast gesicherte Trepp» haben schon schwere Unglücke verursacht. Ganz zu schweigen von den komplizierteren Maschinerien wie Versenkung, Fliege», Schwimmen. Diese werden von besonders geschulten Technikern bedient. Bei allen Leistungen im Bühnenbetriebe bestehen drei Grundvoraussetzungen: Schnelligkeit. Exaktheit, Geräuschlosigkeit. Wie jeder Künstler ist auch der Kulissenschieber ein Theaternarr. Er arbeitet nicht nur für das tägliche Brot, sondern aus Liebe zur Kunst, aus Anhänglichkeit an das Theater. Ich kenne keinen Ar- beiter, der nicht die Werte des Spielplanes. Inhalt, Musik. Bilder. genau im Kopse hat, sein Stichwort oft besier weiß als mancher Solist. Während der Ruhezeiten, den Akten, findet man oft die Neulinge, mit Textbüchern bewaffnet, den Handlungsgang studieren. Mit Eifer verfolgen sie den Auftritt von neucn Mitgliedern oder Gästen und bilden sich ein Urteil, auf das man sich unbedingt ver- lasien kann. Ihr« Meinung ist nicht immer liebenswürdig, di« Ausdrucksweise nicht immer technisch einwandfrei, aber prägnant und schlagkräftig und— sie stimmt. Ueber Eigenheiten der einzelnen Abteilungsmitglieder wie Bühnenbau, Lorhang, Versenkung, Schnürboden ließe sich viel schreiben. Und wenn man gar erst di« Elektriker. Schlosser und die anderen Hilfskräfte, die zu dem gewaltigen Apparat eines modernen Theaters gehören, in die Betrachtung einbeziehen wollte, so müßt- man schon ein Luch schreiben mit dem Titel: Was der Theaterzettel verschweigt.