Freiiag �.Februar 1929
Unterhaltung und �Vissen
Seilage des Vorwärts
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Natürlich denkt man, daß man den am meisten haßt, der unser Eigner in politischer oder religiöser chinsicht ist. Der Weiße haßt den Roten, der Schwarze den Grünen. Aber was ist diese Gegner- schast gegen den Haß an Theatertassen. Konzertgarderoben, auf über» füllten Elektrischen und Zuschauertribünen? Hier werden die wahren Schlachtfest« der Menschenliebe gefeiert. Wer am Postschalter bei- spielsweise vor mir steht, d«r ist mein wahrer Feind. Wenn man Eile hat, und es geht aus der Straße ein Mensch ganz langsam vor einem her, so daß man nicht vorbei kann, wenn einer im Konzert durch Rascheln mit dem Programm immer wieder stört, den Fahrer der Elektrischen, der besonders langsam fährt, wenn man eilig ist: diese Menschen haßt man und ist unversöhnlich. Man weiß gar nicht, wieviel Gelegenheit es zum Hassen gibt. Man sollt« das viel bester ausnutzen. Man weih ober auch nie, wann, wie oft und von wem man gehaßt wird. Man steht vor der Sperr« unter achtzig Menschen, und der Zugführer gibt schon das Zeichen zur Abfahrt. Da kann die dick« Dame vor dir ihre Karte nicht finden. sucht in allen Taschen, schwitzt vor Angst, macht Jahre des Fegefeuer» in zehn Sekunden durch. Eigentlich ist sie eine bejammernswerte Kreatur, unseres Mitleids wert. Aber achtzig Menschen haben noch nie eine solche Mordswut auf jemanden gehabt wie auf si«. Blicke, Flüche durchbohren sie wie Pfeile, zerschmettern sie wie geschleuderte Fclsblöcke, und wenn der Zug nun wirklich abfährt, möchten achtzig Menschen sie zerreißen. Und dabei ist sie vielleicht eine gutmütige Tante und ahnt so wenig von den aus sie gerichteten Haß-Minimaxen, daß sie sich sogar noch hilseslehend umblickt und schmerzvoll lächelt. Das Leben stt nun«inmal so. Was mich daran am meisten empört, ist, daß es so selten zu klarer Parteibildung kommt. Darin ist die Politik dem Leben überlegen. In der Politik weißt du um Freund und Feind. Aber am Postschalter? Jetzt stehst du hinten in der Schlange und schimpfst, daß da vorne einer fünf Einschreibebriefe und zehn Postanweisungen aufgibt. Aber wie bald stehst du selber vo-an und bist durchaus dafür, daß man in all«r Ruhe sein« Geschäft« erledigt und einen Hundertmarkschein zückt, wenn man 73 Pf. zu bezahlen hat, und was du vor allem nicht leiden kannst, ist das ewige Drängeln. Wenn aber vollends jemand dicht vor dir auf einmal ein Telegramm schwenkt und vor dir abgefertigt wird, dann reißt dein« Geduld, ohne Rücksicht darauf, daß du morgen selber ein Telegramm und vielleicht sogar eine t«legrahisch« Postanweisung aufgeben wirst. Es herrscht absolut keine Ordnung. Ewig wechsell man die Parteien, auch wenn man sonst charakterfest ist. Da» Scblimmste aber sind die Elektrischen? Wer draußen auf der Rlattform steht, will, daß die anderen sich in den Mittelgang im Innern stellen und nach vorne treten. Aber auf e-nmal steht du selbst drinnen und denkst gar nicht daran, deinen Platz ganz vorn neben
d«m hübschen Mädchen zu verlosten. Laß die anderen schimpfen! Du drehst dich höchstens einmal um und tust als ob ein anderer gemeint wäre. Es gibt auch Situationen, in denen du Heldenmut beweisen kannst. Zum Beispiel: Jung und kräftig spreizest du dich aus be- quemem Polster, indes die Meng« sich im Gang zusammenpreßt. Blicke, verächtliche, wütende, treffen dich— du wankst nicht. Zw« ältere Herren prätendieren auf deinen Platz— du bleibst sitzen. Leises Murren umhaucht dicht. Zehn alte Damen mesten dich höhn- voll, sprechen von heutiger Jugend und tauschen ähnliche unmißver« ständliche Bemerkungen aus.— Du liest ruhig deine Zeitung weiter. Das Murren schwillt drohend an, die Situation ist zur Katastrophe reif. Kurven schütteln die anderen durcheinander. Du allein sitzest unangefochten auf deinem Polster und scherst dich um nichts. Haß umbrodelt dich— du merkst nichts, du sitzt bequem, zeitunglesend, und nur, wenn etwa einer der Zusammengepreßten dich berührt, blickst du drohend. Du badest dich förmlich darin, als Scheusal zu gelten. Und doch hast du recht! Denn— an der nächsten Haltestelle steigt ein Mütterchen mit zitternden Knien ein, oder eine abgehärmte Frau mit einer Markttasche und einem Kind im Arm, so beladen, daß si« nicht ihre Geldtasche hervorziehen kann. Auf diesen Augenblick hast du gewartet, hast Haß und Verachtung. Wut und Drohungen über dich ergehen lassen, um einem wirklich ganz und gar Bedürftigen den Platz unter allen Umständen zu sichern, um dann, wenn diese Müh- selige und Beladen« erscheint, auszuspringen und ihr unter dem Ah! der Umstehenden deinen Platz zu bieten. So einer warst du also und kein Scheusal, und stehst im nächsten Augenblick(wofern du es etwa nicht nur tatest, weil du jetzt aussteigen mußt) unter denen, die die Sitzenden mit ihrem Haß verfolgen. Zu welcher Partei in diesem ewigen Streit aber sollst du dich in dieser Vielheit von Standpunkten bekennen? Zu den Stehenden, zu den Stenden, zu denen, die höflich jedermann Play machen, zu denen, die ihren Platz für den Notfall aufbewahren? Zu denen, die das Recht, Zeitung zu l«sen, versechten? Zu den anderen, die es für eine Belästigung des Publikums halten, weil sie selbst keine Lektüre eingesteckt haben? Es gibt nur ein wildes Chaos von stets wechseln- den Fronten. Einer gegen alle, alle gegen«inen, alle gegen alle! Ich glaube deshalb fest daran: Wenn einmal das letzte Gewitter los- bricht und die Menschhett sich selbst verschlingt— bis jetzt waren es ja nur Generalproben?—. dann wird«s nicht von politischen Der- sammlungen ausgehen, sondern vor einem Postschatter etwa wird es losbrechen, auf die Bahnsperren und Theaterkasten wird e» über. greifen, sich auf Konzertgarderoben und Elektrische ausdehnen, und nichts von dem menschlichen Geschlecht wird übrig bleiben.
ä)as ftesiament de 3€ermogs
„So Madame, da haben Sie Ihren Willen! Sie werde» nach meinem Tode Millionärin sein. Aber ich hoffe. Sie werden noch recht lang« darauf zu warten haben!" Der Herzog von Bourbon taucht« die Feder in da» Tintenfaß, setzte mit großen, festen Zügen seinen lltamen unter da» Dokument, da» vor ihm lag, und reichte dann den Gänsekiel dem Notar. „Ihre Gegenzeichnung, bitte. Herr Robin. und Ihr Siegel!� Dieser Vorgang spielt« sich Ende 1b29 in Paris ab. Di« Baronin Feucheres hatte«s endlich mit zäher Beharrlichkeu durch- zusetzen vermocht, daß der alle Herzog von Bourbon ein Testament aufsetzt«, in dem d«r junge Herzog von Aumale, der Sohn des Herzogs Louis Phllippe von Orleans , als sein Üldopttosohn zu seinem Universalerben eingesetzt und für die Baronin eine Schen. kung von zwei Millionen Liores ausgeworfen wurde. Lange hatte sich der Herzog hartnäckig dagegen gesträubt, dieses T«stom«nt auf- zusetzen, aber die unermüdlichen rofsmierten D-rführung». und Ueberredungskünste d«r Baronin hatten ihn schließlich, schwach ge- macht. Der Herzog haßte seine Verwandten vom Hguse Orleans. Er wußte sehr wohl, daß sie in schäbiger Habsucht nach seinem reich«» Erb« trachteten, und er haßte sie doppelt, weil der Bater des Herzogs Louis Philippe mit seiner Stimme im Nationalkonvent den Ausschlag für die Hinrichtung seines Vett«rs, des Königs Ludwig XVI. gegeben hatte. Der Herzog von Bourbon hatte keinen Leibeserben, eseln einziger Sohn, der Herzog von Enghien. war vor einem Aiertel- jahrhundett auf Befehl des ersten Konsuls Bonaparte. d«r sich zwei Monat« später zum Kaiser Napoleon ausrufen ließ, als angeblicher Landesverräter erschossen worden. Seitdem war der Herzog«in Menschenoerächter geworden. Aber trotz seines abweifenden Wesen» und seiner mancherlei Schrulligkeiten bewarb sich nach dem«turze Napoleons alle Welt in Paris um seinen Umgang und seine Gunst. Man w»ßte, daß der Herzog über außerordentlich groß« Reichtümer vevsilgie, und man wollte nach bester Möglichkeit an diesen Reich- tümern teilhaben. Besonders Louis Philippe , der selber nicht g«rad« begütert war, verbrachte manche schlaflos« Nacht mit Grübeleien darüber, wie er sich wohl am einsachsten und sichersten in den Besitz de» reichen Erbes seines Verwandten setzen könitt«. Uin dieses heißerlehnte Ziel zu erreichen, ersann«r einen teuflischen Plan. Seit einer Reihe von Jahr«» hatte der Herzog von Bourbon «in Liebesverhälinis mit d«r Engländerin Sophie Daves. Er liebte diese Frau mit der ganzen Leidenschaft eines Mannes in vor« gerückten Jahren, der noch ein spätes Liebesglück auszukosten sucht und sich deshalb zum willenlosen Sklaven der Launen einer an- gebeteten Frau erniedrigt. Sophi« verfolgte kühl berechnend nur das eine Ziel, als Geliebte des Herzog» Zugang zur adligen Gefell - schast zu erlangen. Sie nützte ihre unumschränkt« Macht über den Herzog mit unbekümmerter Rücksichtslosigkeit aus und scheute nicht davor zurück ihren Liebhaber zu beschimpfen und zu prügeln, wenn er einmal einen ihrer Wünsche nicht gleich erfüllte. Schließlich hatte der Herzog auch einwilligen müssen, daß Sophie den Baron Feucheres heiratete, um dadurch ein legitimes Mitglied des fran- zöstschen Adels zu werden, ohne jedoch ihre intimen Beziehungen zu ihrem Liebhaber einzuschränken. Der Baron war anfangs stoh darauf gewesen, die vermeilttliche uneheliche Tochter de» Herzogs von Bourbon als Gattin heimführen zu dürfen. Als er jedoch noch seiner Heirat die wirNichen Beziehungen seiner Gattin zum Herzog erfuhr, verstieß er Sophi« in höchster Entrüstung und vermocht« auch beim König durchzusetzen, daß die Baronin nicht mehr in der Kosgejellschast geduldet wurde,,_________;___.
Aber der Zufall kam Sophies ehrgeizigen Wünschen zu Hilfe. Nachdem Louis Phllippe sich zunächst vergeblich an den Herzog von Bourbon dirett gewendet und ihn zu bewegen versucht hatte, seinen Sohn zu adoptieren, kam er aus den schlauen Einfall, sich der Ge- liebten des allen Herzogs zur Verwirklichung seiner unlauteren Pläne zu bedienen. Die Verständigung war nicht schwer, well seine und Sophie« Sehnsucht stch begegneten. Mit einem Schlag war die Baronin am Ziel ihrer Wünsche angelangt. Dank der Ein« führung des Herzogs von Orleans, gehörte sie bald zu den ge« stiertesten Damen der Hofgesellschaft, und si« war umso«her ge- neigt, sich Louis Philipp« dafür erkenntlich zu erzeigen, als ihr ja selbst aus dem Testainent ihres Liebhabers«in reicher Gewinn er- wachsen sollte. Aber hier begegnete ehr anfangs«in unerwarteter Widerstand des Herzogs von Bourbon. So hemmungslos auch der alt« Herzog seiner Geliebten ergeben war. so erbittert wehrt««r sich doch gegen ihr Berlangen. ein Testament zugunsten der verhaßten Famllie Orleans aufzusetzen. Sophi« merkt« bald, daß sie diesmal nicht mit Brutalität ans Ziel gelangen könnt«. Da verlegte si« sich auss Schmeicheln, auf Zärttichkellen. auf immer raffinierter gesteigerte erotische Sensationen. Diesem Ansturm auf seine männlichen Gl- fühle war der Herzog von Bourbon auf die Dauer nicht gewachsen. Ein halbes Jahr später wurde Louis Phllippe im Verlauf der Julirevolution zum„Bürgertönig" ausgerufen. Das brachte den heftigen Groll des Herzogs von Bourbon gegen das Haus Orleans zum Ueberlaufen, und er traf Anstalten, um Frankreich zu»er- lasten und dadurch vor aller Welt seine Anhänglichkeit an den ent- thronten König Karl X . zu bezeugen Louis Philipp« war höchst bestürzt, als ihm diese Absicht seines Benvandten zu Ohren kam. Er fürchtete den ungünstigen Eindruck einer solchen demonstrativen Abreise des Herzogs aus Adel und Volk von Frankreich und hegte vor ollem die größte Besorgnis, daß der Herzog nun womöglich fein Testament doch noch umstoßen würde. Deshalb mußte mit allen Mitteln versucht werden, den Herzog von seinem Vorhaben abzubringen Ein Kurier nach dem anderen wurde zum Herzog ge- schickt, um ihn dringend aufzufordern sein« Reifeplän« anfzugeden. Aber der Herzog blieb unerbittlich. Di« Baronin Feucheres hatte noch am 26. August ein« stürmisch« Auseinandersetzung mit ihrem ehemaligen Geliebten. Auch ihre Be- mühungen blieben erfolglos. Als der König erfuhr, daß die Abreise des Herzogs bis in alle Einzelheiten vorbereitet worden war. gab er kategorische Anweisung, dies« Abreise mit allen Mitteln zu ver- hindern. Der Kammerdiener des Herzogs, der am Morgen de» 27. August seinen Herrn wecken wollte, fand die Schlafzimmertür verschlossen und erhielt aus sein Rufen kein« Antwort. In höchster Erregung rief er die ganze Dienerschaft zusammen.' Eine unheim- liche Still« lastete gespenstisch vor dem Schlafgemach des Herzog». Endlich«ntschlosten sich die Diener, die verschlossen« Tür zu zer- trümmern. Auf dem Nachttischchen flackerte noch die ziemlich heruntergebrannte Kerze. Am Fensterkreuz hing der Leichnam de» erwürgten Herzogs. Man schnitt den leblosen Körper ab und schickt« in aller Ei!« zu Aerzten. Aber die angestrengte» Wiederbelebungsversuch« blieben ohne Erfolg. Am nöchsten Morgen ließ Louis Philippe da» Testament de» Herzogs öffnen und trat sofort im Namen seine» Sohnes d>» reich« Erbschaft ob, Ha»» Bertram,
Am guter, alter Zeil Was einmal alles in Deutschland „Fürst von Gottes Gnaden" war. läßt sich daraus ermessen, daß einer von ihnen über ganze zwölf Untertanen und einen Juden gebot! Da darf es denn nicht wundernehmen, daß das stehend« Heer eines etwas besser gestellten Herrschers aus einem Obersten, zwei Hauptteuten, sechs Leutnants und einem Husaren bestand! Und das schön« Lied von Lippe- Detmold, der wundersck�nen Stadt, ist sicher in dieser Zeit entstanden. Heißt es doch darin:„Lippe-Detmold,«in« wunderschöne Stadt, darinnen ein Soldat..." und zum Schluß klagt der„große General":„Womit soll ich führen«inen Krieg, wenn mein Soldat ist tot?!" Aus die Idee, ihre eigene Person in den Krieg zu sühren. kamen also die General« schon damals nicht. Was die Bevölkerung dieser Kleinstaaten aber für Lasten zu tragen hatte, kann man ermessen, wenn man weiß, daß der Markgros von Baden» Durlach sich in Karlsruhe 160 Gartenmädchen hielt, mit denen er unzählig« Kinder in die Welt setzte! Die Kosten für eine derartig« Hofhaltung konnten selbstverständlich nicht aus den noch so hohen Steuern bestritten werden, und so verhandelten die Fürsten dann eben ihre Untertanen als Schlachtvieh, d. h. als Soldaten an größere, kriegführende Staaten. Nach den sogenannten Befreiungskriegen sollten die Fürsten freilich ihrem getreuen Volk««in« Verfassung geben. Das war dem braven Volke ja nicht nur von den liebevollen Landesoätern ver- sprachen worden, sondern auch im Artikel 13 der Bundesverfasiung sestgelegt. Aber man hatte, wie so oft, vergessen, diesem Artikel 13 gleich die Ausführungsbestimmungen beizufügen, und so beglückte der Fürst von Liechtenstein z. B. sein« 5346 Untertanen mit einer Verfassung, die bestimmte, daß die Stände und die Lai�smannschaft künftig über den Etat des Fürstentums beschließen sollten. Die Landsmannschaft aber sollte bestehen aus denjenigen Untertanen, die von ihren in Liechtenstein liegenden Gütern 2000 Gulden Steuern zahlten, über 30 Jahre alt und— nach dem Zeugnis fürstlicher Beamter— von verträglicher Gemütsart waren. Aber selbst dann durften sie nur darüber beschließen, wie die im fürstlichen Etat auf- gestellten Summen aufgebracht werden sollten. Abstriche zu machen, war ihnen nicht gestattet! Ein Gutes freilich hatte dies« Kleinstaaterei: Nirgends wurde so wie in diesen kleinen Staaten die Ehrfurcht vor-dem Phantom der fürstlichen Macht untergroben. Nicht nur in Mecklenburg-Strelitz sangen die niederträchtigen Sttaßenlümmel Spottvers« auf ihren erlauchten Herrscher, wenn auch der auf Adolph Friedrich besonders schön ist. wie ihn uns Fritz Reuter überliefert:„Dörchleuchting ist von Gottes Gnaden, hett drei Poor Strümp und doch keen Waden!" Auch in den anderen kleinen Fürstentümern wurde durch u'c Bettelhaftigkeit des fürstlichen„Prunkes" ein gesunder demokratischer Geist graßgezogen, und wie er sich auswirkte, beweisen zwei Anril- boten aus Schwarzburg-Rudolstadt . Die«ine spielt schon zur Zeit der Besreiuungs k r ieg«. Da kam eine Alt« zur„Fürsttn-Mutter" von Rudolstadt und bat si«, ihr doch zu helfen, daß ihr Sohn frei- komme. �Heeren Sie. da kaan'ch nischt machen!" meinte die,..'noi Sohn is ja auch im Kriege!".La." antwortete die alte Frau. „Ihrer hat ooch nischt weiter zu dun. meiner i» ober Leinewäber!" Aber noch der vorletzt« Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt bekam «inmal von einem Untertan eine ähnlich respektlose Antwort. Der Fürst o-qg viel spazieren und war besonders stolz daraus, daß ihn jeder D!ner Untertanen kannte und grüßte. Einmal begegnete ihm«in aller Holzarbeiter, der aber keine Miene machte, ihn zu grüßen. So ging der„Ferscht" aus ihn zu:„Kennt'r mich nich? Ich bin doch Eier Ferscht?"„Sooo?" knurrte der Alle. Dann nahm er die Pfeife aus dem Munde und fügt« bedächtig hinzu:„A scheenes Pöstchen, da« halt« S« nur feste!" Der all« Ferscht Hot freilich das„Pöstche" noch behalten können— seinen Nachfolger aber fegte mit all seinen Standesgenojsen der Nooernbersturm von seinein Platz. Und«in bißchen frischer als in der„guten, allen Zeit" ist die Lust in Deutschland seitdem doch geworden.
a™, modernes lllädchen Bemirlung«» zu Sern neuen Roman von Nicki Baum juiA. chorn. Helene Willfüer". erschienen im Ullstein-Berlag. Man kann sich in Deutschland nur schwer von dein allen Ideal der Naiven freimachen. Trotz Bubikopf, Bembergseide und sport- lichem Betätigungsdrang blickt das Schelmengesicht den Leser an. das von Mosers Zeiten her das Entzücken des deutschen Publikums bildete. Auf der anderen Seite steht das Girl, die amerikanische Import- war«. Zwischen diesen polaren Gegensätzen bewegt sich die Dar- stellung in vielen Spielarten, mehr oder minder mondän parfümiert. «inmal Seide,«inmal Flanell, manchmal überwiegt Tennis, manch- mal das traute Heim, je noch Können und Neigung des Verfassers. Die arbeitende Frau ist seltener zu treffen Der Beruf bleibt Zugabe, gibt höchstens die Farbe, das Millen. Aus den menschlichen oder gesellschaftlichen Bindungen liegt der Akzent. Hier bei Vtcki Baum tritt da» Gegenteil ein. „stuck, ehem. Helene Willfüer" ist in erster Linie«in Unter- Hallungsroman, deshalb Spannungen, Abenteuer. Verwicklungen. deshalb das kapp? enck mit der lang verzögerten Ehe, alles Requi- fiten, die durch allzu häufigen Gebrauch abgenutzt erscheinen. Aber. und die« bleibt entscheidend, es sind nur pikante Gewürze, es sind Hemmungen auf dein Wege diese» Mädchens. Hemmungen, an denen sich die Energie, der Arbeitswille um so stärker entfalten. Vickp Daum gibt ein Charakterbild im Konversationsstil, und das schadet nichts. Das Ganz« gleicht einem Aufriß, einer Skizze. Um die Hand- lung zu beschleunigen, die Spannung zu erhöhen, verliert sich Vicki) Baum nicht in psychologische Detail», nicht in Seelenanolizsen. Schlaglichter müssen genügen. Und vielleicht erhält der Roman dadurch den sachlichen Anstrich. Entstanden ist das Porträt der arbeitenden, begabten Frau, die nur ein Ziel im Aug- hat: Dos Examen. Aber sie Ist keine Streberin, der es allein um das Examen geht. Sie ist durch und durch Wissenschastterin. Die Chemie steht im Zentrum ihres Le- bens, sie liebt auch, doch es fehlt ihr letzte Freud« an der Hingabe, sie bekommt«« fertig, sich selbst hierin ein« gewiss« Objektivität zu wahren. Dies« Helene Willfüer ist das modern« Mädchen, das nicht mehr in einem Wölkenkuckucksheim lebt, umnebell von sentimentalen Phrasen. Sie steht mitten im Leben, ist von sell-ner Sachlichkeit. will al» selbständiger Mensch in der Arbeit leben. Das Verdienst der Dersasserin, daß sie diesen Typ bei der Arbeit gestaltet und nicht nur m der Liebe oder in ihrer Stellung zur Gesellschaft.