Beilage
Freitag, 1. Februar 1929
Wer wandert aus?
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Ein paar Zahlen
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Am 17. Januar d. 3. wurde die Auswanderung nach den Bereinigten Staaten, die seit dem Juni v. J. gesperrt war, wieder freigegeben. Bis jetzt bleibt die Ziffer derer, die drüben über dem großen Teich ihr Heil versuchen wollen, hinter der Zahl der Antrag steller im Borjahre weit zurüd. Damals zählte man über 6000 Personen und in diesem Jahre sind es bis jetzt. die Listen bleiben diesmal offen ungefähr 2500. Allerdings muß hinzubemerkt werden, daß von den vorjährigen Wanderlustigen nur etwas mehr als die Hälfte die Ausreise wirklich angetreten hat. Jetzt hat sich ein Teil der damaligen Antragsteller wieder gemeldet. In den Auswandererbestimmungen ist vorläufig feine Uenderung eingetreten. Die Zahl der deutschen Auswanderungsberechtigten beträgt für 1928/29 51 227. Die Untersuchung der Auswanderer durch die Regierungsärzte und die Ueberprüfung ihrer Bapiere durch den Einwanderungsinspektor, die seit dem Jahre 1926 in Hamburg stattfand, erfolgt jetzt am hiesigen amerikanischen Konsulat.
Zimmerleute, Mechaniker, Hausangestellte und Handlungsgehilfen sind es zumeist, dann gegen 1000 Landarbeiter, die sogenannten Schwaben aus Baden und Württemberg , die der alten Welt den Rücken fehren mollen. Die Arbeitsaussichten sind für alle diese Berufsangehörigen mit Ausnahme der Handlungsgehilfen im allgemeinen günstig. Die Handlungsgehilfen pflegen sich drüben meist beruflich umzustellen. So bietet Nordamerita z. B. gute Berdienstmöglichkeiten für Schlosser, Bäcker, Schuhmacher und Medjaniter. Gehr schlecht sind auch hier nach wie vor die Aussichten für. Kaufleuté, ebenso für taufmännische Angestellte, sofern sie teine umfaffenden Sprachfenntnisse besigen. Sehr gesucht, find Sausa angestellte, die ein Monatsgehalt von 40 bis 75 Dollar bei vollständig freier Station beziehen. Die Wochenlöhne für Indu striearbeiter im Staate New Yort schwanken laut einer Statistik vom Juli 1928 zwischen 24 und 48 Dollar für Männer und zwischen 13. bis 30 Dollar für: Frauen. Die Berufsangehörigen der Textil und Pelzindustrie( Damenkonfektion), sowie des Zeitungsund Buchdruckgewerbes erzielen die höchsten Löhne; nach ihnen die Silberschmiede, Glasarbeiter und Bootsbauer.
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Bei den Auswandererberatungsstellen. laufen täglich die verschiedensten. Anfragen ein. Sie laffen zum Teil, an Gründlichkeit einer schrieb einen Brief vom Umfang eines fleinen Romanheftchens nichts zu wünschen übrig. Das Ziel ist durchaus nicht immer merita. So erfundigt sich ein Ingenieur nach den Lebensverhältnissen und Berufsaussichten in Taschtent( Afghanistan ), das speziell in flinctifcher Beziehung als. besonders rauhe Gebirgsgegend nicht sonderlich zu empfehlen ist; ein anderer strebt nach den äußersten Grenzen Holländisch Indiens und der Dritte mill gen Sizilien , wobei er sich auf die historische Tatsache beruft, daß dies Land schon unter den alten Römern die Getreidefammer" hieß. Manch einer hegt noch allzu romantische Vorstellungen und vergift ganz, daß sich im Laufe der Zeiten durch meteorologische Einflüffe, vor allem aber durch die fortschreitende Industrialisierung und die ftarfe lieberpölferung die Struttur der Länder ändert.
man
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Falsche Vorstellungen machen sich die Auswanderungsluftigen meist von Merito. Die Literatur über dieses Land ist sehr umfangreich. Sieht man von den wirtschaftspolitischen Werken ab, so schildern Romane älterer und neuerer Zeit Merito oft im Geiste Karl Mays, und mancher Schiffsjunge ist von Bord ausgefragt, um im Aztekenland Abenteuer zu bestehen. Aber das Merito von heute birgt nur noch wenig Romantisches. Es ist ein Land, in dem mie überall hart arbeiten muß, um das Leben fristen zu können. Die fagenumwobenen Silberminen, die ihre Ausbeuter über Nacht zu Millionären machten, eriftieren nicht mehr. Mühsam wird dem Gestein der relativ geringe Edelmetallgehalt entzogen und viele einst weltberühmte Gruben liegen seit Jahren still, weil ihre Ausbeute nicht mehr lohnt. Natürlich wird immer noch Gold und Silber, Blei und Antimon, Arsenik und Zink gewonnen und exportiert. Aber der fleine Gruberbefizer ftirbt aus und muß den großen Aktiengesellschaften Platz machen, die ihre Hände auf die beften und reichsten Lagerstätten gelegt haben. Trohdem durch. streifen noch hie und da Gold- und Silbersucher die Gebirge. Aus getrocknet, mit von Sonne und Regen gegerbter Haut wandern sie durch das Land. Ne jedoch hört man etwas davon, daß sie ihren Traum verwirklicht haben. Findet solch ein Prospektor" wirklich einmal eine Mine, To fann er in der Regel nichts damit anfangen, weil ihm die Mittel fehlen, um seine Grube gewinnbringend auszubeuten. Reine Bank gibt ihm Kredit, fein Kapitalist läßt sich auf eine Ausbeute ein. Der glückliche" Entdecker hat seine paar Mittel umsonst vertan und sein Ausbeuterecht verfällt wieder dem Staat. In langen Reihen fann man ständig in den Regierungsblättern die Namen der Gruben lesen, die an den Fiskus zurückgefallen sind. Auch mit der landwirtschaftlichen Siedlung ist es nicht sehr gut bestellt. Merito ist ein Einwanderungsland für Kopfarbeiter und für fapitalfräftige Unternehmer. Die Statistit spricht eine sehr deutliche Sprache. So wanderten im Mai 1928 99 Deutsche ( 76 Männer und 23 Frauen) in Merito ein, während 124 Deutsche( 88 Männer und 36 Frauen) das Land verließen.
Einen Eindruck vom Umfang der Auswanderungsbewegung mag ein leberblick aus dem Jahre 1927 geben. In diesem Jahre sind im ganzen 35 339 Männer und 25 450 Frauen nach den Vereinigten Staaten , nach Brasilien Kanada , Argentinien außerdem nach Afrika ( 1617), nach Asien ( 20) und nach Australien ( 354) ausgewandert. Rüfwarderer einschließlich der Geschäfts- und Vergnügungsreisenden mrden in dieser Zeit 7000 aus Argentinien und Brasilien , 103 aus Scanada und 18 131 aus den Vereinigten Staaten gemeldet
Ein mörderischer Bahnbau
Ein bezeichnendes Licht auf die französische Kolonialwirtschaft werfen Nachrichten, die über einen Bahnbau in Französisch- Aequa. torialafrita fommen. Man ist dort seit einigen Jahren mit der An. lage einer direkten Eisenbahnverbindung von Brazzaville am Kongo und der Hafenstadt Loango am Atlantischen Ozean befchäf tigt. Als Arbeiter fomnien fast ausnahmslos Neger in Betracht, die, wie jetzt bekannt wird, in dem mörderischen Klima wie die Fliegen fterben. Im Laufe von drei Jahren sind nicht weniger als 17 000 schwarze Arbeiter ben Anstrengungen, Entbehrungen und Krankheiten aller Art, insbesondere Schlaffrankheit und Weningits erlegen. Während der genannten Zeit sind im ganzen nur etwa 100 Kilometer Schienenftrang gelegt worden, so daß jeder derselben nicht meniger als 170 Menschenleben gefordert hat.
Der Abend
Spadausgabe des Vorwäre
Der Gummibaum bewächst in Brasilien einen Raum, der, vom Amazonenstrom durchschnitten, vom Atlantischen Ozean bis zur Andenkette reicht. In diesem Gebiet ist die Kautschukindustrie die einzige von mirtlicher Bedeutung. Die anderen Naturhölzer
einer Art, deren Klinge aus Eisen ist, da Shahl dem Gummisoft schadet, fleinen Schalen und Kannen. Eine Shmbe vor Sonnenaufgang beginnt er seinen Rundgang. Väit der Laterne leuchtet er die Bäume ab und schlägt jeden Baum in etna 2 Meter Höhe in
Trocknen des zerschnittenen Rohgummis
werden wegen der schlechten limatischen Berhältnisse und den Transportschwierigkeiten nicht systematisch ausgebeutet:
So einträglich die Kautschukgewinnung für den Plantagen befizer ist, für den Kautschularbeiter bedeutet das Leben auf den Plantagen ein Martyrium Schlecht bezahlt, ist er den tüdischen Krankheiten der Amazonenniederungen ausgesetzt: Malaria, gelbes Fieber, Ruhr und die besonders gefährliche Beriberikrankheit. Die unhygienischen Berhältnisse rufen die Krankheiten geradezu her bei. Während der Hochwasserperiode ist der. Gummisammler voll ständig von der Außenwelt abgeschnitten. Die Arbeit ruht Bollen von Mücken umschwärmen Tag und Nacht seine Behausung. Die Kontrolleure und Angestellten verlassen für diese Zeit sie dauert bis zu sechs Monaten die Plantagen. Nur ein Berwalter bleibt zur Aufsicht zurüd.
Im Oberlauf des Amazonas hausen die Gummisammler in äußerster Armut in Pfahlhütten. Sie ernähren sich von Fischfang und den erbärmlichen Löhnen. Wenn das Land einiger maßen troden ist, wird mit der Art durch das Dschungel von Baum zu Baum ein Pfad gehauen, um den Sammlern das Anzapfen der Bäume zu ermöglichen. Bei einer unvorhergesehenen Ueberschwemmung wird der Rundweg mit einem Kanu zurückgelegt.
Der Gummi wird Anfang Juni bis Ende Januar gesammelt. Die Ausrüstung des Gummifammlers besteht aus dem Machadinho,
Sa
der Form eines umgefehrten lateinischen V an. Die Zahl der Anschläge hängt von der Dice und Des dem allgemeinen Zustand Baumes ab. Zuweilen sind es acht, manchmal nur drei bis vier. Spätestens um 9 Uhr früh muß der Sammler mit seiner Arbeit aufhören, um den in den Schalen angefammelten Baumfaft in Kan nen zu füllen. Der Saft wird dann in Räucherhütten zum Ge rinnen gebracht.
Der Prozeß ist denkbar pri mitin. Man zündet ein Nußschalenfeuer an, dessen Rauch fohlensäurehaltige Gase entwidelt und gießt den flüssigen Gummi auf eine sich drehende Stange. Unter der Einwirkung des Rouches gerinnt der Gummi zunächst, wächft allmählich zu einer Rugel an und der Rohgummi ist fertig. In die fer ungefunden Atmosphäre bringt Der Sammler jeden Nachmittag zwei bis drei Stunden zu. Dft ist es schon dunkel, bevor der Tags eingesammelte Gummi einge dickt ist.
Der Gummisammler arbeitet ununterbrochen von 4 Uhr mor gens bis in den späten Abend und die Nachtruhe ist vollkommen un zureichend. Das Klima, die ungefunden Arbeitsverhältnisse und das lebermaß an Arbeitszeit unter höhlen die Gesundheit des Gummie jammlers. Es ist daher nicht er staunlich, daß die Anzahl der Menschen die hier arbeitsunfähig werden, sehr hoch ist. Alle 14 Tage fomnú ein Boot, das die in Kisten gelagerten Bununifugeln zur Faftorei transportiert. Aber je länger die Gummifugeln beim Sammler lagern, desto geringer wird ihr Gewicht. nur alle 14 Tage trifft eine Da der Transport sehr schwierig ist Maultierkaramane oder das Kanu der Haftorei ein und an den oberen Flußläufen ist infolge des Wassermangels nur ein zwei- bis dreimonatiges Abholen während der Sommerzeit möglich, entstanden den Sammlern daraus früher empfindliche Verluste. Wenn die Sammler jetzt auch ein wöchentliches Biegen durchgesezt haben, so gehen doch von der gutgeschriebenen Summe Mallergebühren und Verfrachtungskosten ab, so daß der Gammler von dem zu beanspruchenden Betrage faum die Hälfte erhält.
Schlecht gelöhnt, muß der Gummisammler für die unbedingt notwendigen Lebensmittel unverhältnismäßig hohe Preise, zahlen, da die Reeder der Schiffe, die Lebensmittel als Hinfracht führen sie hätten nichts anderes stromaufmärts zu transportieren
hohe Frachtkosten auf die Waren schlagen.
So führen die Sammler in den Gummimäldern Brasiliens eint Humbeleben, während der brasilianische Gummi auf dem Weltmarft dank eines besonderen Arbeitsverfahrens in den Sortierhäusern von Para und Manaos hoch im Preise steht.
Es sind sonnenverbrannte, sehnige Männer, die sich bismeilen in einer Bar in Mafeking treffen, Männer, an deren harten, verwitterten Zügen man erkennen tann, daß sie schon vieles durch gemacht haben, verwegene Gefellen, denen das Cattle- Running ( Vieh- Schmuggeln) zur zweiten Gewohnheit geworden ist. Die Einfuhr von lebendem Vieh in die Südafrikanische Union ist verboten, um die eigene Zucht zu schüßen und gleichzeitig das Einschleppen von Biehleuchen zu verhindern. Aber jenseits der großen Kalaharimüste in Ngamiland weiden die Eingeborenen große Viehherden, die sie gern für billiges Geld dem Auffäufer verhandeln. Wenn die Regengüsse in Betschuanaland niedergehen und damit auch die Durchzugsgefahr durch die Kalahari vermindert wird, beginnt der Cattle- Runner seine Tätigkeit. Er tauft im Ngamiland eine Biehherde, deren Größe zwischen 500 und 800 Stück schwankt. mietet sich eine Anzahl Eingeborener als Viehtreiber, und dann beginnt der gefährliche Zug durch die Büste. 3war auch hier gibt es Basserstellen, an denen man die Tiere tränken fann, es fo'gen aber auch Durststreden, oft auf einer Länge von drei Tagemärschen Während dieser langen Märsche müssen die Tiere unbedingt gu fammengehalten und verhindert werden, in die Wüste auszubrechen, wobei man nebenbei auch noch auf der Hut vor Löwen sein muß, welche diese Herden oft tagelang begleiten.
Manchesmal geht es gut. So verlor fürzlich, wie die ,, Daily Mail" berichtet, eine solche Herde von 500 Köpfen bei dem Durch zug durch die Kalahari mur ein einziges Stüd. Diesem Gelingen stehen aber auch oft Fehlschläge gegenüber. Wie ein Cattle- Runner erzählt, war er aus Ngamiland mit einer Herde von 800 Stüd auf gebrochen. Als er sich nach dem Passieren einer großen Durst. ftrede einer Wafferftelle näherte, jagte das Bieh, das das Waffer
roch, in einem tollen Stampede" davon. Gie jagten an die Wasser ftelle, tämpften darum, zuerst an das Wasser zu gelangen, und traten dabei die ganze Wasserstelle in einen solchen Schlamm zufammen, daß auch nicht ein einziges Tier getränkt werden konnte. Dann liefen sie vor Durst brüllend in die Wüfte mit 800 Röpfen war der Cattle- Runner aus Ngailand abmaridsert, mit nur 50 fam er an der Grenze an, Der Rest seiner Herde hat sich in der Salahari verlaufen und war dort verdurftet.
Biele Cattle- Runner hätten schon längst dieses gefährliche Spiel aufgegeben, wenn nicht der Gewinn lockte; denn jenseits der Grenze findet der Cattle- Runner rasch willige Abnehmer für dieses geschmuggelte Rindvieh, die ihm das fünf- und sechsfache Geld für ein Stück bezahlen, das er selbst anlegen mußte. Das Ueberschreiten der Grenze ist verhältnismäßig leicht. Er bleibt mit seiner Herde vor der Grenze liegen, bis ihm ein Licytsignal fündet, daß die Luft rein ist. Es ist ein gefährliches Spiel und lohnt sich oft nicht der Mühe, jagt ein alter Cattle- Runner. Aber wer einmal die Wüste und dieses Spiel fennen gelernt hat, fommt nicht wieder bapon loc
Diamantendiebe
Eine besonders schwierige Aufgabe der südafrikanischen Polizei im Namaqualande ist die Bekämpfung der Diamantendiebe, die die privaten und die Regierungschürfgebiete unsicher machen. Man fchäßt den Wert der wöchentlich gestohlenen Steine auf 25 000 Bfund Sterling, das sind mehr als 500 000 mt. Als gestohlen werden allerdings auch jene Diamanten betrachtet, die nicht die Zollgrenze passieren, da die Käufer es vorziehen, sie durch den portugiesischen Hafen Laurenco Marques nach dem Auslande zu schmuggeln.