Der Abend
Erideint taglio außer Sonntags. Sualeich Abenbausgabe des„ Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion rnd Expedition: Berlin SW 68, Lindenftr.3
Spalausgabe des„ Vorwärts
10 P1.
Nr. 58
B 29 46. Jahrgang.
66 ungelgenpreis: Die einfpaltige Nonpareillezetle
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140000 Arbeiter auf die Straße!
Die Drohung der Textilindustriellen.
Für die Niederlaufiger Tuchindustrie, wo rund 30 000 Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt find, ist seinerzeit ein Schiedsspruch gefällt worden, der bis 30. September gültig sein sollte und nur für Jugendliche unter 18 Jahren eine Lohnerhöhung vorjah. Der Schiedsspruch wurde von beiden Parteien abgelehnt. Auf Beranlaffung der Unternehmer fanden am Freitag neue Verhandlungen statt, wobei die Unternehmer vorschlugen, den Schiedsspruch dahin abzuändern, daß die Laufdauer bis zum 30. november ver. längert wird. Das lehnten die Bertreter des Deutschen Terfilarbeiter- Berbandes natürlich ab. nunmehr teilt der Arbeitgeberverband mit, daß die kündigung fämtlicher Arbeiter und Arbeiterinnen heute erfolge. Da in der Nieder. laufiger Tuchinduftrie die Kündigungsfrist acht Tage beträgt, muß man damit rechnen, daß nächste Woche die gesamten Betriebe ftilliegen.
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Der Grund zur Aussperrung ist so fadenscheinig, daß er über haupt nicht ernst genommen werden kann. Offenbar liegt von
oben", in Verbindung mit dem Kampf in der fälisch- thürin: gifchen Weberei eine Anweisung vor, möglichst überall auszusperren. Mit den ausgesperrten und streifenden Webern in Sachsen- Thüringen würden somit ab nächste Woche rund 85000 Arbeiter auf der Straße liegen.
Doch das scheint den Großverdienern in der Textilindustrie nicht ausreichend zu sein. Die Ankündigung, daß der Arbeitgeberverband der rechtsrheinischen Textilindustrie seine Mitglieder entbunden habe, weiter die Tariflöhne zu zahlen, deutet darauf hin, daß die Unternehmer auch dort einen Kampf wollen In der rechtsrheinischen Textilindustrie besteht seit Mitte Dezember ein tarif loser Zustand, d. h. es gelten die im letzten Tarifvertrag vereinbarten Löhne weiter. Ein Tarifvertrag tam nicht zustande, weil der Schiedsspruch, der feinerlei Lohnerhöhung vorjah, von den Arbeitern abgelehnt wurde. Die Anordnung, die Löhne zu reduzieren, tommt auf nichts anderes hinaus, als auf die Provozierung eines Rampjes.
Daß sich die Arbeiter eine Herabsehung der Löhne nicht gefallen laffen werden, liegt auf der Hand. Die Löhne der Tertilarbeiter sind ohnehin schon so niedrig, daß sie vielmehr wesentlich erhöht werden müßten. Im rechtsrheinischen Tertilgebiet werden rund 55 000 Arbeiter beschäftigt. Führen die Unternehmer die Herabsetzung der Löhne durch, dann muß auch dort mit der Stillegung der Betriebe gerechnet werden.
Offenbar scheint den Bresitreibern in der Textilindustrie die Arbeitslosigkeit in Deutschland noch nicht groß genug zu sein. Deshalb sollen alles in allem vorläufig noch 140 000 Textilarbeiter und Arbeiterinnen auf die Straße gefeht werden, was eine weitere Berschärfung der Wirtschaftskrise im Gefolge haben müßte. Aber war schiert das die Herren Industriellen? Sie haben sich nun einmal in den Kopf gefeßt, die Löhne herabzusetzen. Das ist ihnen bisher nicht gelungen. Deshalb soll Lohnkämpfe en gros provoziert werden.
Dampferkatastrophe bei Oporto .
Deutscher Dampfer mit 25 Mann gefunken.
,, Havas" meldet aus Oporto : Der in Bremen beheimatete deutsche Dampfer ,, De i ster", der beim Einlaufen in den Hafen gestrandet war, ist gesunken. Während die Bejagung sich noch an Deck befand, spülten mehrere hohe Bellen über das Schiff hinweg und rissen 21 Mann der aus 25 Personen bestehenden Besatzung über Bprd. Die letzten vier Mann kletterten auf die Masten und blieben dort, während die Bevölkerung am Ufer den verzweifelten Versuchen der Rettungsboote zusah, die versuchten, tros des hohen Seegangs den Schiff brüchigen Hilfe zu bringen. Als der Dampfer sank, berschwanden die vier am Mast befindlichen Matrosen ebenfalls in den Wellen. Die gesamte Besazung war mit Ausnahme eines Portugiesen deutscher Staatsangehörigkeit.
Die aus 16 Mann bestehende Besatzung des Londoner Dampfers Paddington, der von einem belgischen Fischdampfer auf der Höhe von Flamborough Head in sinkendem Zustand gesichtet murde, ist wohlbehalten in Sunderland gelandet. Der Untergang der Paddington erfolgte nach einem Zusammenstoß Des Dampfers in Rebel mit einem anderen Schiff.
Paris , 4. februar.( Eigenbericht.)
ten höheren Offiziere haben nach einer hier vorliegenden Die an dem Artillerieputsch in Cudad Real beteilig Meldung am Sonnabend Selbstmord begangen. Die Situation hat sich trotz der scharfen Maßnahmen der Regierung gegen die umstürzlerischen Offiziere und Truppen inzwischen außerordentlich verschärft. In einer amtlichen Meldung aus Madrid heißt es darüber: ,, Die Regierung hat aus Valencia verworrene und schwerwiegende Nachrichten bekommen und ent schloß sich, energisch einzugreifen, indem sie zuerst den Generaldirektor der Gendarmerie zum Generalinspektor Offiziere und militärischen Befehlshaber sowie alle Zivilvon Valencia ernannte, mit der Ermächtigung, alle beamten und Vertreter der Behörden, die nicht volles Vertrauen verdienen, abzusetzen. Der General konnte am Sonnabend um Mitternacht aus Valencia melden, welche Maßnahmen er glaubte ergreifen zu müssen. Sein Vorgehen fand den Beifall der Regierung. Disziplin der Garnison von Valencia ist ausgezeich net und von völliger Treue. Die Truppenteile, die sich außerhalb der Disziplin stellten, werden zum Gehorsam gezwungen und, sobald es angebracht ist,
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wird die öffentliche Meinung weiter unterrichtet werden, unangebracht, mehr zu sagen." was zur Beruhigung beitragen wird. Jekt wäre es
In Ergänzung dieser amtlichen Mitteilung wird gemeldet, daß die Putschbewegung sich nicht auf Valencia beschränkt, sondern in jeder größeren Stadt ein Dreierrat aus einem Militär, einem Arbeiter und einem Republikaner besteht. Die Bewegung soll ausgesprochen republikanisch sein und bis in die höchsten Kreise des Militärs und der Beamten große Sympathien genießen.
Die Regierung hat in der Abwehr der Bewegung Marine vorgenommen und außerdem ein Sonderzunächst zahlreiche Neuernennungen in Heer und gericht geschaffen. Eine andere Maßnahme der Regierung läuft praktisch auf die Bevormundung der gesamten Presse hinaus. Jede Zeitung ist bis auf weiteres verpflichtet, den 16. Teil ihres Umfanges das ist im allgemeinen eine halbe Seite der Regierung für amtliche Noten, Bekanntmachungen und Darlegungen sonstiger Art zur Verfügung zu stellen. Eine Anordnung darüber, an welcher Stelle die Veröffentlichungen vorzunehmen sind, behält sich die Regierung vor.
Immertreu" vor Gericht.
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Das Nachspiel der Straßenschlacht.
Der erste Eindruck eine Enttäuschung: Trotz des großen, Banditen reinzuhalten, hätten sie den Verein Immer Polizeiaufgebotes und des Massenaufmarsches von Berichterstattern und Zeichnern es sind ihrer sechzig bis siebzig im Gerichtssaal anwesend. Die von der Presse so reflamierte ,, Unterwelt ", deren Vereine angeblich an die Chicagoer Verbrecherorganisationen erinnern sollen, scheinen in Wirklichkeit viel harmloser zu sein. Der Vorfigende des Immertreu", der Angeklagte Leib, sagte 3. B. Die Bresse hat mehr Bhantasie bewiesen als Karl May . Im übrigen wird diesem Vorfizenden von Immertreu" wohl so manche Unwahrhaftigkeit nachgewiesen werden können. Als der Gerichtspor fizende ihn fragt, weshalb er zur Feststellung des Zimmergesellen Schulnieß acht Mann in das Lokul Breslauer Straße 1 mitnehmen mußte, statt die Polizei zu benachrichtigen, blieb ihm Herr Leib die Antwort schuldig. Dagegen regte er sich darüber auf, daß auf der Anklagebant bloß die Berlegten fäßen, während die Angreifer, damit meinte er die Zimmergefellen, els Zeugen erscheinen dürften. Er, wie alle seine Mitangeklagten, seien völlig unschuldig. Und dann überhaupt: fie seien überhaupt nicht für Schlägereien. Gerade, um die Umgebung des Schlesischen Bahnhofes von zugereisten
treu" gegründet. Es sei nicht wahr, daß man vorbestraft sein müſſe, um Mitglied des Immertreu" zu sein; im Gegenteil, in den gedruckten Statuten Bes Vereins sei zu lesen, daß man nicht Mitglied fein fönne, wenn man sich strafbar mache. Rechtsanwalt Dr. Frey. stellt fest, daß unter den 58 Mitgliedern des Immertreu" 85 Prozent megen Glüdsspieles bestraft seien, und von den sieben angeklagten Mitgliedern des Vereins wegen desselben Bergehens vier. Man muß aber tatsächlich zugeben, daß die Eigentumsvergehen der angeklagten Immertreu"-Mitglieder weiter zurückliegen. In der letzten Zeit haben sie sich nur des Glücksspieles schuldig gemacht sie sind gewissermaßen ehrbare Bürger geworden. Dieser Unterwelt" steht im Gerichtssaal die Oberwekt in der Person der Beugen gegenüber, darunter etwa zwanzig 3immerleute. Borläufig halten sie sich in ihrer breiten Kopie bedeckung und breiten Hosen im Flur auf. Den Angeklagten waren sie im höchsten Grade unsympathisch, wenigftens behaupten das von sich aus Leib und Steinke; sie zahlten nicht in den Lokalen, sagen die beiden, hatten gleich die Messer bereit und waren in der ganzen
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