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Beilage

Mittwoch, 6. Februar 1929

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Die Geburt der Republik  

Erinnerungen an die Weimarer Nationalversammlung  

Am 6. Februar 1919 wurde in Weimar   die verfassunggebende| wältigender Mehrheit sich für eine republikanische Staatsform ent­

Nationalversammlung eröffnet. Zehn Jahre hat uns der Strom der Weltgeschichte inzwischen weitergetragen. Was damals den in der Schmiede Mitarbeitenden aftuelle politische Tagesarbeit war, steht heute als geschichtlich erprobtes Werk da. Es hat den Stürmen und Stößen der Nachfriegszeit Troß geboten.

Als wir damals in Weimar   an die Arbeit gingen, da schien es uns oftmals, als feien alle Versuche, das deutsche   Bolt aus der furchte baren Not herauszubringen, in die Krieg und Niederlage es gestürzt hatten, zum Scheitern verurteilt. Zwar war nach der Niederwerfung der Anhänger einer terroristischen Rätediftatur in Berlin   in der ersten Hälfte des Januar 1919 die Wahl zur Nationalversammlung ungestört vonstatten, gegangen. Aber diejenigen, die erflärt hatten, baß nur über ihre Leiche der Weg zu einer Nationalversammlung gehen solle, gaben die Hoffnung nicht auf, der Mehrheit des Boltes ihren Willen doch noch mit Gewalt aufzwingen zu können. Die Weimarer Zeit   war durchzogen von einer Kette. revolutionärer Streits und Aufstände.

Warum man in Weimar   tagte.

Man hätte es auch noch nicht magen fönnen, die National­ versammlung   in der Hauptstadt des Reiches tagen zu lassen. Berlin  wäre natürlich für Regierung und Abgeordnete ein in vieler Hin­ficht besserer Tagungsort gemejen als Weimar  . Aber die Kommu­nisten rüsteten dort nach ihrer Niederlage im Januar unablässig wieder auf. Hinter ihnen stand Rußland   mit seinen Weisungen und Hilfsmitteln. Nach russischem Borbild wollte man die ,, Revolution weitertreiben. Auch die deutsche   Kerensti- Regierung" sollte bei erster günstiger Gelegenheit durch eine rein proletarische Diftatur weggefegt werden. Die Nationalversammlung   hätte in Berlin   nur unter startem militärischen Schuß tagen fönnen; sie zu blpdieren und zu sprengen wäre das nächste Ziel der Terroristen gewesen. Unter diesen Umständen wäre an ein ruhiges fachliches Arbeiten nicht zu denken gewesen.

Auch in dem sonst so schönen und ruhigen Weimar   sah es anfangs nicht gerade friedlich aus. Die erfte fleine Truppe frei williger Landesjäger vom Maerterschen Korps, die Noste nach Weimar   schickte, um die nötigsten Sicherungen zu treffen, wurde von dem dortigen start nach der extremen Linten neigenden Arbeiter- und Soldatenrat entwaffnet. Die linksradikale Arbeiterschaft drohte mit Streit, falls von außen militärische Kräfte nach Weimar   verlegt würden. Es bedurfte erst eines jehr energischen Auftretens Nosfes, um zu einer Verständigung zu tommen. Noch in die erste fon ftituerende Sitzung unserer Frattion spielte dieser Streit hinein. Es erschien da plötzlich ein Trupp Bewaffneter, um angeblich im Auftrag des Weimarer   Arbeiter und Soldatenrates unsere Berhandlungen zu überwachen. Genosse Baudert mußte seinen ganzen Einfluß aufbieten, um sie zu veranlassen, das Lobal wieder zu verlassen.

Doch glichen sich die Gegenfäße in Weimar   bald aus. Die Sicher­heitsposten wurden gemäß Bereinbarung mit einem Maerferschen Landjäger und einem Mann von der Weimarer   Sicherheitswehr besetzt. Friedlich standen sie vor dem Schloß und dem National theater nebeneinander und erfüllten getreulich ihre Pflicht.

Die Konftituante tritt zusammen.

So konnten denn die nach Weimar   gesandten Vertreter des deutschen   Volkes an die Arbeit gehen. Einige Tage vor der offiziellen Eröffnung der Bersammlung waren die Bolksbeauftragten sowie die führenden Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei und Fraktion dorthin gefahren, um die nötigen organisatorischen Borkehrungen zu treffen. Bald verwandelte sich die kleine Etadt in eine hochpolitische Zentrale. Die Boltsbeauftragten mit den Filialen der verschiedenen Reichsbehörden bezogen das Schloß, Abgeordnete und Länder. vertreter und ein Schwarm in- und ausländischer Journalisten richteten sich in Hotels und Privatquartieren so gut als es ging ein. Ein Strom von Besuchern aus Nah und Fern, die das große Neue mit eigenen Augen gesehen haben wollten, vermehrte das Gemoge in der Stadt der deutschen   Dichterheroen, die so plöglich in den Blick­puntt des weltpolitischen Intereffes gerüdt mar.

Aber eines fehlte dem lebhaften Getriebe, das sich um den Zu fammentritt der zweiten deutschen   Nationalpersammlung entwidelte: der festliche Glanz, die jubelnde Begleitmufit, wie fie die Eröffnung der ersten deutschen   Nationalversammlung im Jahre 1848 umrauscht hatte. Als damals die Sendboten des deutschen Boltes in Frankfurt am Main   zusammenkamen, da prangte die Stadt im Festschmuck, schwarzrotgoldene Fahnen wehten von allen Häusern und Türmen. Unter Glockengeläute und Kanonenschüssen, umbrauft von den be­geisterten Zurufen der Bevölkerung zogen die Abgeordneten in die Paulskirche ein. Es war ein Tag der Freude und des Jubels. Von all dem war in Weimar   nichts zu sehen oder zu hören, als die Erwählten des Volkes fich zum erstenmal im Nationaltheater zu Weimar   versammelten. Ohne jebe äußere feftliche Aufmachung be­gaben sich die Mitglieder des ersten Barlaments der deutschen Republik zu ihrer Arbeitsstätte.

Wie hätte das auch anders sein können, wie hätte sich Festprunt und lauter Jubel entfalten können angesichts des ungeheuren Maßes von Jammer und Not, das die vier Opferjahre des Weltkrieges Deutschland gebrachy hatten! Kriegsniederlage und wirtschaftlicher Zusammenbruch lasteten auf allen Gemütern, und die finsteren Wolken, die von Versailles   aus über das deutsche Land zogen, ließen feinen Sonnenschein in den Herzen der deutschen   Politifer auf tommen. In tiefem Ernst, ohne repräsentatives Gepräge fand in dem nur mit Blattpflanzen und Blumen geschmückten Bühnen- und Zuschauerraum des Nationaltheaters die Eröffnung der Weimarer Nationalversammlung   statt.

Friedrich Ebert   begrüßt die Republit.

Und doch mit welcher Gehobenheit, mit welcher Genugtuung fahen dann furz nach drei Uhr die sozialdemokratischen Teilnehmer an der Eröffnungssigung ihren unvergeßlichen Führer Friedrich Ebert   sich erheben, um das erste deutsche republikanische Parlament zu begrüßen. Denn daß dieses aus völlig gleichem Wahlrecht aller deutscher   Männer und Frauen hervorgegangene Parlament mit über

scheiden würden, das stand von vornherein außer Zweifel. Das Bolt hatte gesprochen! Und der Wille des Volkes war fortan das oberste Gesetz.

Klar und fest flangen die Worte Eberts in die Versammlung

hinein und darüber in die Welt hinaus:

Die provisorische Regierung verdankt ihr Mandat der Revolution; sie wird es in die Hände der Nationalversamm lung zurücklegen. In der Revolution erhob sich das deutsche   Volk gegen eine veraltete, zusammenbrechende Gewaltherrschaft. Sobald das Selbst bestimmungsrecht des deutschen   Volkes gesichert ist, fehrt es zurück auf den Weg der Gesetzmäßigkeit. Rur auf der breiten Heerstraße der parlamentarijchen Beratung und Beschlußfaffung lassen sich die unaufschiebbaren Veränderungen auch auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiete vorwärtsbringen, ohne das Reich und sein Wirtschaftsleben zugrunde zu richten. Deshalb begrüßt die Reichsregierung in dieser Nationalversamm lung den höchsten und einzigen Souverän in Deutschland  . Mit den alten Königen und Fürsten von Gottes Gnaden ist es für immer vorbei. Das deutsche   Bolt ist frei und regiert in aller Zukunft sich selbst."

Nachdem der stürmische Beifall, mit dem die Rede Eberts auf genommen wurde, verrauscht war, bestieg Wilhelm Pfannkuch  als Alterspräsident das Podium, um die Konstituierung des freien deutschen   Volksstaats ,, des Ideals, mit dem ich seit meiner frühesten Jugend mit aller Kraft und Hingabe gedient habe" frühesten Jugend mit aller Kraft und Hingabe gedient habe" in die Wege zu leiten. Am Tage darauf übernahm ich als erster Präsident die Leitung der Geschäfte.

In der Ansprache, mit der ich mein Amt als Vorsitzender über­nahm, hob ich vor allem die Notwendigkeit rascher prattischer Arbeit hervor mit der Mahnung:

,, Und seien mir auch dessen mohl bemußt: nicht Worte nur ermartet unser in Not und Qual seufzendes Bolt, sondern Taten. Nur durch rasches, schöpferisches Wert fönnen wir das Bertrauen rechtfertigen, das man auf uns jetzt."

Die Weimarer Nationalversammlung   hat dieses Vertrauen nicht enttäuscht. Sie hat gearbeitet mie tein Barlament zuvor. Man hat in Weimar   wahrhaftig nicht, wie strupellose Berleumder behauptet haben, seine Zeit mit Schlemmen und Schlimmerem totgeschlagen. Ein unerhörtes Maß von Arbeit wurde im Eiltempo und oft unter Hintansehung der notwendigsten Rüdsichtnahme auf Gesundheit und Ruhebedürfnis geleistet.

Das Wert von Weimar  .

Der Schöpfer des Verfassungswerts Hugo Preuß   hat später einem Bertreter der Züricher Post" gegenüber über die Leistungen der Weimarer   Werfleute gesagt:

In feinem Zeitpunkt des früheren deutschen Reiches ist so Grundlegendes mit solcher Schnelligteit ge­leistet worden.... Die anscheinend schwungloje Art von Regierung und Nationalversammlung   bedeutet doch eine große ent­sagende Selbstbeherrschung, welche arbeitet statt Phrasen zu machen. Die Frankfurter Nationalversammlung   ist ein warnendes Beispiel für die Gefahren des höheren Schwungs in schönen Reden, während die Welt nach Taten schreit. Und hier sind Zaten vollbracht."

Bon diesem Geist zur raschen Tat beseelt, gelang es denn auch der Mehrheit des Weimarer Parlaments, das Gesez über die vorläufige Reichsgewalt trotz heftiger Widersprüche und zahlreichen Abänderungsanträgen der Opposition im Laufe des dritten und vierten Sigungstages zu erledigen. Das Provisorium der Volksbeauftragten war beendet. In der fünften Sigung fand die Wahl Eberts   zum Reichspräsidenten   statt; in der sechsten Sigung am 13. Februar stellte Scheidemann   als Minister­präsident das erste republikanische Reichsministerium vor.

Damit war binnen wenigen Tagen eine auf das Vertrauen der großen Mehrheit des deutschen   Boltes gegründete Zentralgewalt gee schaffen, die das Steuer des Reichsschiffs durch das sturmdurchtoste Fahrmasser der nächsten Zeit zu führen vermodyte. Der Rettungs­apparat in Weimar   mar fertiggestellt und arbeitete mit Bolldampf an der Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der leberwindung der schlimmsten wirtschaftlichen Nöte, jomie an der Bemältigung der beiden Hauptaufgaben: Der Erringung des Friedens und der Aufrichtung des staatsrechtlichen Neubaus für das politische Leben unseres Volkes.

So hat sich das deutsche Bolk ohne Fürsten   ,, von Gottes Gnaden" und ohne Diftatoren von Gnaden faschistischer oder bolschemistischer Minderheiten mit den Mitteln demokratischer Selbstbestimmung aus höchster Not und Gefahr gerettet. Daß es dies vermochte, verdankt es in erster Linie der politischen Erziehungsarbeit durch die Sozialdemokratie. Dessen dürfen wir uns in den Tagen des Gedenkens an den Zusammentritt der Weimarer   National­Eduard David. versammlung mit Stolz bewußt sein.

Briefe sprechen

Im Verlag von Ernst Rowohlt   ist herausgegeben von Martin Beradt   und Lotte Bloch- Zavrei eine Sammlung von Briefen an Auguste Hauschner   erschienen. Auguste Hauschner  spielte vor dem Kriege in Künstler- und Literatenfreisen Berlins  eine gewiffe Rolle. Selbst eine leidenschaftliche, wenn auch nicht den Durchschnitt überragende Schriftstellerin, brachte sie der werdenden Runft ihrer Zeit das lebendigste Interesse entgegen und hatte einen regen Verkehr mit Künstlern. Unter den Briefschreibern, die der Band vereinigt, findet man Friz Mauthner, Sudermann, Grisebad), J. B. Widmann, John Henry Madan, M. Harden, Mar Brod,

Clara Biebig, Max Liebermann, Walther Leistikom, Starbina und Stumpf, um aus der bunten Menge mur einige zu nennen, die einen Begriff von der Mannigfaltigkeit ihrer Interessen und ihres Berkehrs geben.

Neben Mauthner gehörten Gustav Landauer   und seine Frau, die Uebersetzerin H. Lachmann  , zu ihrem engeren Freundes­freis. Hier könnte man fast von einer Schicksalsgemeinschaft fprechen. Ohne die großzügige und langjährige Unterstützung Auguste Hauschners wäre es Landauer vielleicht nicht möglich ge­mesen, in die vordere Reihe der Literaten zu rücken. Diese positive Anteilnahme ist um so bewundernswerter, als Landauer in seinen jungen Jahren eine stark individualistische Persönlichkeit war, die, wo es um vermeintliche Wahrheiten und Offenheit der Kritif ging, auf die Empfindlichkeit und die Ansichten des anderen nicht die geringste Rücksicht nahm, ohne deswegen von seinem Anspruch auf die geistige und materielle Unterstützung des anderen etwas auf zugeben. Das führte im Jahre 1911 zu einer heftigen Auseinander: fegung und einem halben Bruch, der einiger Zeit bedurfte, um überwunden zu werden.

Der

So gewinnt man aus diesem Teil der Briefschaften den Ein­drud eines angeregten und ausgefüllten Lebens, reich an geistigen Interessen, aber so gut wie unberührt von der Politit. riegsausbrudh 1914 bedeutet einen jähen Einschnitt. Das rein geistige Interesse wird zurückgedrängt. Im Vordergrund stehen die friegerischen und politischen Ereignisse, um von da an nie wieder ganz zu verklingen. Benn auch das eigentliche Fronterleben und das legte Grauen einer von Not und Hunger gepeitschten Zivil­bevölkerung fehlt, das große Stöhnen und die Erschütterung des Krieges geht auch durch diesen Teil der Brieffchaften. Da ist vor allem ein Brief von Romain Rolland  , dem französischen   Dichter, damals beim Roten Kreuz in Genf   tätig, der seiner reinen Menschlichkeit und seiner Klugheit wegen festgehalten zu werden verdient. Er

lautet:

Genève- Champel, Beauséjour, Sonnabend, 22. Mai 1915. Vielen Dank für Ihren Brief, gnädige Frau, und für Ihre vornehmen Zeugnisse von Menschlichkeit. Ich weiß, daß die wahr haft und in ihrer Tiefe humanen Seelen in Deutschland   zahlreich find. Das ist es, weshalb ich das tragische Geschid bedauere, bas fie einer Politit an die Seite zwingt, die feine ist. Ich glaube gern, daß man eine europäische Gemeinschaft nirgends glühender wünscht als in Deutschland  . Das Unglück ist nur, daß zu viel Leute sich berufen dünfen, sie entsprechend ihrer eigenen Geistesverfassung zu verwirklichen, und daß es gefährlich ist, eine Politik des Idealismus zu errichten, die für sich das Recht in Anspruch nimmt, einen höheren Auftrag zu haben. Alle unsere

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Völker Europas   find Opfer dieses in widernatürlicher Vermähking gezeugten Wirrmarrs von Idealismus und Realpolitik; und Ihre mehr als die der andern: weil hier die beiden Elemente stärker betont sind und die Bereinigung fich heftiger äußert. Möge dieser Krieg das eine vom andern lösen, indem er dem in die Gefolg­schaft der Armeen eingezwängten Idealismus seine Freiheit und feine Wahrhaftigkeit wiedergibt! Und, gnädige Frau, bemühen mir uns inmitten dieser angeheuren Krise, die die Körper sich gegenseitig zerfleischen und den Geist töten heißt, wenigstens den göttlichen Funfen zu retten, das brüderliche Mitleid! Ich bitte Sie, von meiner respektvollen Sympathie überzeugt zu sein. Romain Rolland  . So etwas wie Kriegserleben flingt aus einem Brief Gustav Landauers vom 7. September 1916. Es heißt da:

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,, Gestern ist meine Frau zurückgekommen. Wir sind beide sehr glücklich, wieder beisammen zu sein; in dieser Zeit sind Trennungen schwerer als sonst: und in Karlsruhe   hat sie auch richtig einen Fliegeralarm mitgemacht. Diese armen Menschen merden jetzt was das richtige ist jedesmal alarmiert, sowie ein französischer Flieger die Grenze überfliegt; und dann begibt fich ganz Karlsruhe   in den Keller der jetzt mit elektrischem Licht und Siggelegenheit ufw. versehen ist; die Elektrischen bleiben auf der Straße stehen, bis dann ein langer Ruf der Sirene, die bis dahin unermüdlich in furzen Stößen geheult har, mitteilt, daß für diesmal keine Gefahr ist, z. B. meil die Flieger nicht nach Karlsruhe  , sondern nach Mezz geflogen sind

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Der Krieg rauscht vorüber. Friedenssehnsucht, politische Not und die Lebensmittelfrage beherrschen immer mehr das Interesse. Gustav Landauer   hat sich mit seiner Familie in eine kleine bayerische  Landstadt zurückgezogen. Er versorgt 3. T. auf Ummegen wegen der Grenzrevision Auguste Hauschner   mit Produkten der baye rischen Landwirtschaft. Zwischendurch Ausschreie, wie dieser von Hedwig Landauer   pom 7. Dezember 1917:

Was den Krieg angeht, so ist man in der größten Gespannt­heit, was sich aus den Verhandlungen ergeben wird. Für die Gesamtlage wohl faum etwas Entscheidendes, und doch ist es schon unendlich viel und man sollte meinen, die Bewegung fönne nicht mehr zum Stillstand kommen. Ich mißtraue nur unseren Regierungsmännern so fehr. Sie werden ja doch wieder irgendwelche Unterjochungsklauseln durchdrücken mollen. Und dann wäre von vornherein alles verfehlt. Hätten wir doch nicht Amerika   zum Feind, dann wäre jetzt Frieden.

Hedwig Landauer   stirbt. Zwischen Krieg und Frieden wird Landauer   von Louise Dumont   als Dramaturg an das Schauspiel­haus in Düsseldorf   berufen. In dem Brief, in dem er Frau Hauschner über die bevorstehende Ueberfiedlung unterrichtet, schreibt er:

,, Und überdies: Die allgemeinen Zustände und jahrelangen Wüstheiten, die uns bevorstehen! Was ich tun fann, um uns vor der bevorstehenden Gefahr des Bolschewismus zu retten, will ich tun. Aber ich sehe trüber in die Welt; das Geschick muß sich voll. enden; was mir menigen tun, wird, fürchte ich, zu spät oder zu früh sein...

Das war am 4. November 1918. Kurz darauf Louise Du mont hatte inzwischen für ihn in Düsseldorf   eine Wohnung ge mtetet taucht Gustav Landauer   zur Ueberraschung seiner Freunde in Münschen auf. Die Münchener   Rätetragödie beginnt, die Lan­bauer und Eisner mit ihrem Leben bezahlen mußten.