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Morgenausgabe

Rr. 63

A 32

-46. Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Donnerstag

7. Februar 1929

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Die etnipattige Ronpareillezetle 10 Pfennig. Reflame eile- Reichs mart. Kleine Anzeigen das ettge brudte Bort 25 Pfennig( zuläffig zwe fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 2 Pfennig. Steliengefuche das erste Bort 15 Bfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben sählen für zwei Borte. Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden Straße&, wochentägl, von 8 bis 17 Uhr,

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Zentrum bricht die Koalition.

Am Vorabend der Sachverständigenkonferenz zieht das Zentrum feinen Minister zurüd.

Reichsverkehrsminiffer von Guérard hat am mitt­woch nach Schluß der Plenarsihung des Reichstags feine Demiffion eingereicht. Das Reichskabinett wird sich am Donnerstagvormittag mit der neuen Lage be­fchäftigen. Borher beabsichtigt der Reichskanzler dem Reichspräsidenten Bericht zu erstatten.

Die fozialdemokratische Reichstagsfrattion hlelt am Mittwochabend eine Sihung ab, in der man sich mit der durch den Rücktritt des Minifters v. Guérard gefchaffenen politischen Lage beschäftigte. In der Fraktion besteht Einmütigkeit darüber. daß aus dem Rüdtritt des Ministers v. Guérard für das Sabi nett teine Konsequenzen entstehen, und daß der Reichs fanzler und die übrigen Mitglieder des Kabinetts im Amt bleiben.

Unter dem Titel ,, Berantwortungslos" schreibt der Soz.

Pressedienst":

sichern und zu beschleunigen. Brattisch ist genau das Gegenteil erreicht. Das Zentrum hat sich aus dem Kabinett zurückgezogen. Die Unsicherheit des Bestandes der Regierung ist wenige Tage vor dem Beginn der für Deutschlands Zukunft so ungeheuer wichtigen Arbeit er­höht worden. Wir nehmen an, daß der Rücktritt Guérards fürs erste feine Gesamttritis heraufbeschwören wird. Aber das Zentrum, das sich schon bisher nicht als hundertprozentig gebunden betrachtete, hat nun vollständig freie hand. Inmie­fern dadurch die Aussichten für das Zustandekommen der Einigung im Reich urd in Preußen gebeffert sein sollen, bleibt das Rätsel des Zentrums. Für die nächsten Wochen scheinen sie uns jedenfalls nicht gegeben, und wie man schließ lich über Etat und Steuern hinwegtommen soll, ist einst weilen zweifelhaft. Auf jeden Fall hat es das Zentrum in der Hand, das Kabinett Müller bei irgendeiner ihm günftig er'cheinenden Gelegenheit zu stürzen. Trachtet es nach diesem Biel oder welches sind die Ursachen seiner verant­wortungslosen Handlungsweise?

Der intransigente Flügel des Zentrums mit dem perärgerten Etegerwald an der Spize hat seinen Willen durchgesetzt. Am Mittwoch abend ist Verkehrsminister v. Guérard aus dem Kabinett zurüdgezogen worden. Am Das Ultimatum des Zentrums. Dienstag abend war es dem Reichsfanzler noch einmal ge- Die Zentrumsfrattion des Reichstages trat am Mittwoch lungen, das Zentrum zu einer Teilnahme an neuen Ber nachmittag, nachdem der Fraktionsvorstand und der gefchäfts­handlungen zu bestimmen. Sie fanden am Mittwoch vorführende Parteivorstand in mehrstündigen Besprechungen zu mittag in der Reichstanzlei statt. Anwesend waren außer dem Borschlag des Reichstanzlers Stellung genommen hatten, dem Reichstanzler die Minister von Guérard, Stresemann, zu einer Sigung zusammen. Nach eingehender Besprechung Koch- Weser und Schäzle. Nach mehrstündiger Diskussion, fam die Fraktion zu folgendem Ergebnis: an der übrigens der preußische Ministerpräsident Ottp Braun nicht teilgenommen hat, einigte man sich darauf, den Fraktionen einen Borschlag folgenden Inhalts zu unter­breiten: Das Reichsjustizministerium wird sofort mit einem Zentrumsmann besetzt. Ein drittes Portefeuille erhält das Zentrum, wenn die Umbildung des preußischen Ka­binetts vollzogen ist. Der Reichsverkehrsminister v. Gué rard hat sich, wie ausdrücklich hervorgehoben sei, die Bor­schläge nicht unmittelbar zu eigen gemacht, sondern erflärt, daß seine Haltung von der Entscheidung seiner Fraktion ab hänge.

Am Mittwoch nachmittag hat dann die Rentrums­fraktion einen Beschluß gefaßt, durch den die Brücke zu weiteren Unterhandlungen abgebrochen worden ist. In dem wichtigsten Abfag dieses befristeten Ultimatums lehnt die Zentrumsfrattion des Reid tags die Gleich­zeitigkeit der Umbildung der Regierungen im Reich und in Preußen ab. Es war vorauszusehen, daß diefe 3u rückweisung des Anspruches der Volkspartei Herrn Streses mann und seinen Freunden eine Zustimmung zu dem letzten Beschluß des Zentrums unmöglich machen würde.

Es ist rotwendig, zum Verständnis der Situation an frühere Berhandlungen über die Koalitions bildung zu erinnern. Ursprünglich stellte sich die Deutsche Volkspartei auf den Standpunkt, dok eine der Vor­auslegungen für ihre Bereitwilligkeit zur Großen Koalition im Reich die Umbildung der Regierung in Preuken sei. Schon im November gelang es dem Reichskanzler Müller, Herrn Scholz zur Annahme einer Formel zu bewegen. nach der alle Vorbereitungen für die sogenannte Untermauerung des Reichskabinetts getroffen werden soften, daß die Kra lition aber erst perfekt oder ratifiziert" werde, wenn die Umgestaltung in Preußen erfolgt sei. In einer gemein­famen Sikung der an der Regierung beteiligten Parteien vom 27. November hat der Zentrumsredner dieser Formulierung nicht widersprochen. vielmehr zu ver­stehen gegeben. baß auch ihm die Errichtung der Großen Roalition in Preußen zmedmäßig erscheine. Wenn jekt die Gleichzeitigkeit vom Zentrum abgelehnt wird, so liegt darin eine hweichung zum mindesten non dem Sinne der damaligen Vereinbarungen. Diese Vereinbarungen mußten auf der anderen Seite auch den Reichskanaler fer mann Müller verhindern. ohne daß eine vorherige Berstän­digung mit der Boltspartei erzielt worden fei, einfach die beiden neuen Zentrumsminister au ernennen.

Es ist sehr wohl möglich, daß in diesem Folle die Volts­partei nicht den Schritt aetan hätte. zu dem sich das Zen­trum entschloffen hat. Aber darauf konnte es nicht an­tommen. Müller war nicht imstande, eine ohne Bider­spruch der anderen Beteiligten gegebene Zusicherung zu rückzuziehen.

Der Zentrumsbeschluß spricht von zwingenden sach­lichen Gründen", die ihm jetzt die Anerkennung der Forde rung der Gleichzeitigkeit unmöglich machen. Wir fönnen nur vermuten. daß es diese Gründe in der Tatsache des un­mittelbaren Bevorstehens der Sehverständigenverhandlun gen sieht. Es ist wohl der Auffaffung, daß die deutschen Bertreter in dem Reparationsausschuß eine starke, in sich ge­festigte Regierung hinter sich haben müssen und es hat wahr scheinlich geglaubt, durch sein Vorgehen ihre Bildung zu

1. Der Vorschlag des Reichskanzlers Müller und der an der Be­fprechung mit ihm beteiligten Minister stellt eine Berschlechterung der früheren Vorschläge dar und ist für das Zentrum unannehm

bar.

2. Gine Gleichzeitigkeit der Umbildung der Regierungen im Reich und in Preußen lehnt die Zentrumsfraktion des Reichs­tages im Augenblid aus zwingenden fachlichen Gründen a b. Die find umgehend zu bestellen. drei Minister, die das Zentrum im Reich für sich in Anspruch nimmt,

3. Unter der Voraussetzung der Erfüllung des Bunttes zwei ist der Parteivorsitzende, Abgeordneter R a as, bereit, die Zentrumsfraktion des Preußischen Landtages zu bitten, der Deutschen Boltspartei zwei Sige im Kabinett zuzuge= stehen. Wenn diese Verhandlungen nicht noch am Mittwoch abend bis zehn Uhr zum Erfolg führen, wird der Reichsverkehrsminister von Guérard von der Zentrumsfraktion aus der Reichsregierung zurüdgezogen werden.

Polen und die Rheinlandräumung. Anideutscher Gejmbeschluß gegen die Linke angenommen. Warschau , 6. Februar.( Eigenbericht.)

Der Sejm hat heute den Antrag der Rechten, der die polnische Regierung auffordert, besondere Sicherheitsgarantien für den Fall der Räumung des Rheinlandes zu verlangen, mit den Stimmen der Rechten und des Regierungsblods gegen die Stimmen der polnischen und deutschen Sozialisten und der anderen Linksparteien an­genommen. Außenminister 3 alefti hatte furz vor der Abstimmung den Saal verlassen.

In der Debatte erklärte im Namen der sozialistischen Partei Abg. Czapinski, daß die polnischen Sozialisten ebenso wie die französischen Sozialisten die Räumung des Rheinlandes unbedingt fordern; er sprach sich gegen alle Maßnahmen aus, die eine Ver. schärfung der Beziehungen zu Deutschland verursachen könnten. Biel. mehr müßte Polen alles daran setzen, um die Annäherung zu Deutsch­ land zu fördern. auch auf dem Wege der Handelsvertrags­verhandlungen.

In der Auswärtigen Rommission erklärte heute der polnische So­zialist Dr. Liebermann: Ich möchte, daß die deutschen Sozia listen wissen, daß es in Polen feinen einzigen Menschen auf verantwortungsvollem Posten gibt, der ernsthaft an den Krieg denten würde. Wenn ein folder Mensch in Polen überhaupt existieren würde, so täten die polnischen Sozialisten alles, um ihn zu ver nichten. Man hat in Bolen versucht, die deutschen Sozialisten als Bundesgenossen des deutschen Nationalismus hinzustellen und ihnen Revancheabsichten unterzuschieben. Das ist falsch. Die deutschen Sozialisten sind gegen den Bau des Panzerfreuzers ge­wesen und tragen auch keine Berantwortung für die Groenersche Denkschrift"

Mündliche Beantwortung von kleinen Anfragen. Der Geschäfts­ordnungsausschuß des Reichstages beriet am Mittwoch über den An trag des Freiherrn von Rheinbaben( Deutsche Volkspartei ), die Wiedereinführung der fofortigen mündlichen Beantwor beschränken. Nach längerer Aussprache wurde gemeinsam von der tung von kleinen Anfragen auf die auswärtige Politit zu tung von kleinen Anfragen auf die auswärtige Politit zu Deutschen Boltspartet und den Sozialdemokraten ein neuer Antrag eingebracht, der die Möglichkeit sofortiger mündlicher Beantwortung von Anfragen auf allen Gebieten geben will. Die weitere Aus­sprache und die Abstimmung über den Antrag wurde vertagt.

Der neue Reichshaushalt.

Rann in ihm gespart werden?

Von Hugo Heimann .

In seinen Darlegungen vor der Presse über die Ge­ftaltung des neuen Reichshaushalts teilte Reichsfinanz­minister Dr. Hilferding u. a. mit, daß die verschiedenen Reichsrefforts bei der Aufstellung des Etats Mehran= forderungen in Höhe von 850 Millionen Mart gestellt hätten, von denen einige nicht abzuweisen gewesen wären. Der neue Haushalt sieht demgegenüber nach den durch das Reichsfinanzminifterium vorgenommenen Kürzungen ein Mehr von nur 341 Millionen Mark vor, unter denen sich eine Steigerung der Repara tionslasten von allein 312% Millionen Mark befindet.

Das dadurch entstandene Defizit soll gedeckt werden durch neue Steuern, die teils die Massenbelastung, teils die Besißsteuern erhöhen. Dazu tommen dann noch 120 Mil­lionen, die von den Ueberweisungen an die Länder vorweg zugunsten des Reichs einbehalten werden sollen, und zwar 65 Millionen Mart aus der veranlagten Einkommensteuer, 12 Millionen Mart aus der Körperschaftssteuer und 43 Mil­lionen Mark aus der Umsatzsteuer. Diese 120 Millionen Mart stellen für den Steuerzahler zunächst feine neue Be­lastung dar. Wenigstens so lange nicht, als die Länder und Gemeinden nicht gezwungen sind, den entstandenen Ausfall durch Herauffezung der ihnen verbliebenen Steuern oder von Abgaben auszugleichen. Bon den neuen Steuern foll die eine, die erhöhte Bermögenssteuer, nur im Rechnungsjahr 1929, die anderen dauernd erhoben werden. Es werden erwartet aus der erhöhten Vermögenssteuer für 1929 104 Millionen Mart, aus der Erbschaftssteuer 20 Millionen Mart und aus der Biersteuer 165 Mil­lionen Mark. Aus dem Spiritus monopol sollen dann noch 90 Millionen mehr herausgezogen werden. Treffen die legteren beiden Erhöhungen auch nicht Lebens, sondern Genuß mittel, so ist bei dem gegenwärtigen ungünstigen Verhältnis zwischen Besitz- und Maffenbelastung dennoch das Verlangen weitester Kreise nach weiteren Einsparungen drückung der Dorgesehenen erhöhung nur zu verständlich.

zur Herab= Biersteuer=

für Einsparungen nicht der ganze Zehnmilliarden- Etat zur Es ist schon wiederholt darauf hingewiesen worden, daß Berfügung steht. Der bei weitem größte Teil dieser 10 Mil­liardon Mart stellt vielmehr die materiellen Auswirkungen vom Reichstag beschlossener Geseke dar und muß bis zu einer eventuellen Abänderung solcher Geseke ungekürzt in den Reichshaushalt eingesetzt werden. Nur bei ungefähr dem zehnten Teil des Gesamthaushalts fönnen bei der Beratung des Etats je nach der Finanzlage die Anfäze ohne vorherige Abänderung bestehender Gesetze erhöht oder herabgesetzt werden. Aber auch innerhalb dieses engen Rahmens müssen die Einzelhaushalte verschieden beurteilt und behandelt mer­den. Sicherlich werden bei allen Reichsrefforts durch noch beffere Rationalisierung der Arbeit und Berteilung der Kräfte meitere Einsparungen möglich sein. Aber Einsparun gen solcher Art werden sich von heute auf morgen nicht durchführen lassen.

Die Einsparungsmöglichkeiten werden auch verschieden ausfallen, je nach der Natur der Ge'chäfte des betreffenden Refforts und der Art, wie mit den öffentlichen Geldern in der Vergangenheit gewirtschaftet wurde. So wird zum Bei­iniel bei der gegenwärtigen Lebenshaltung der übergroßen Mehrzahl des deutschen Boltes niemand Einsparungen beim Sozialetat des Reichsarbeitsmini fteriums erwarten oder verlangen fönnen. Auch bei Refforts, die. wie zum Beispiel das Reichsjustizministerium und das Reichswirtschaftsministerium ein eng umrissenes Arbeitsgebiet haben, merden Abstriche nicht in nennens merter Höhe durchzuführen sein. Etwas onders steht es fchon mit den sogenannten allgemeinen Bewilligungen", die sich in zahlreichen Einzelhaushalten befinden, die der Rermaltung große Bewegungsfreiheit geben und die der Reichstag vor der Bewilligung daher recht genau prü­fen muß.

Die größten Schwankungen bzw. Steigerungen weisen neben dem Haushalt des Reichsarbeitsministe= riums, das durch die jeweilige Wirtschaftslage ſtart be­einflukt wird, und dem Auswärtigen Amt. die Haus­halte des Wehr und des Verkehrsministeriums auf. Im Nachfolgenden sind die Ausgaben der letzteren beiden Refforts in den Jahren von 1924 bis 1929 zusammen­gestellt. Da im Laufe der Jahre wiederholt Umgruppierun gen von Titeln aus den einmaligen in die fortdauernden Ausgaben und umgekehrt. ja selbst aus dem außerordent­lichen in den ordentlichen Haushalt stattgefunden haben, sind alle Ausgaben des ordentlichen und außerordentlichen Haus­halts in einer Summe zufammengefaßt.

rine) betrua 1924: 458 5. in 1925: 587 5, in 1926: 646,2, Der Haushalt des Wehrministeriums( Heer und Ma­rine) betrua 1924: 458 5, in 1925: 587 5, in 1926: 646,2,

in 1927: 705 8, in 1928: 726,4. in 1929: 703,7 millionen Mart. Ist beim Wehretat wie bei allen anderen Etats ein