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Oonnersiag 7. Kebruor 1929
Unterhaltung unö �Nissen
Beilage des Vorwärts
Ruck.£oiimr: Die UflacM des SEufätts Am Sudemmnm Erinnerungen.
Cs find ungefähr 25 Jahr« her, da waren wir eines Smtutags bei Sudermann auf seinem Schloß bei Trebbin   zu Gast. Wir, -xmxnwr mein« ich Fedor van ZobeltiH, den Literarhistoriker Eduard Engels den Dichter Georg Engel   und mich Wir saßen nach dem Essen aus der Veranda, rauchten unser« Zigarren und sprachen von allen möglichen und unmöglichen Dingen. So kam die Rode auch aus den Zufall und seine Macht. Jeder von uns sollte erzähl«', welche Rolle der Z'tsall in seinem Leben gespielt Hab«. Es gab nun ein Erzählen um die Wette, denn jeder von uns war jchon einmal in seinem Leben dem guten»der bösen Gott   Zufall begegnet. De» einen hatte er aus die Höh« geführt, den anderen daran vorbei. Was wir merz damals an Geschichten erzählt haben, gehört oich hierher. Nur die letzte Geschichte, die des-Hausherrn, will ich heute berichten. Wie Ihr olle wißt, meine Freunde," so begann er.war der Anfang meiner Karriere in Berlin   nicht gerade vom Glück begünstigt. Allerdings fand ich immer Freund« und Gönner, die sich meiner an- nahmen. Ich schrieb Romane für«in kleines Wochenblatt. Jeden Montag erschien ich beim Herausgeber und liefert« mein Pensum für die Woche ab und bekam mein Honorar. Das ging ein« Zeitlang ganz gut so fort, bis eines Tages der Herausgeber mir sagte:Mein lieber Herr Sudermann. das ist«in unhaltbarer Zustand. Was tue ich um Gottes willen, weim Sie eines Tages krank werden oder sich die Hand verstauchev oder unter einen Wagen geroten, wenn Sie mir eines Tages die Fortsetzung des Romanes nicht liefern können? Dann sitze ich da mit meinem halben Roman, kann kein« Fort- jetzungen bringen, und die Abonnenten stürmen mir das Haus. In Zukunft nehme ich nur einen Roman, wenn er fertig ist." Ich samniert«:«oh«r sollte ich das Geld nehmen, um während der Zeit, die ich zur Niederschrift des Romanes brauche, leben zu köimen. Es blieb mir aber nichts anderes übrig, als nachzugebeit. Ich fuhr nach Matziken zu meiner Mutter, setzte mich hin und schriebFrau Sorge  ". Ms ich fertig war, depeschierte ich jubelnd dem Heraus- geber«ich Berlin  , das Buch fei fertig, ich wollte es nur einigen freunde» in.Hamburg   vorlesen, und dann würde ich es ihm schicken. Ich setzte mich auf die Bahn, steckte dos Manuskript in die Tasche und fuhr nach Hamburg  . Unterwegs hielt der Zug in Insterburg  . Auf dem Bahnsteig standen einig« Freunde. Ms sie mich erblickten. ichrien sie: �Heinz, Heinz, steig aus, wir wollen hier mal recht ver­gnügt fein!* In der glänzenden Stimmung, in der ich war, ließ ich mir das«cht Aweimal sagen. Ich stieg ans. und es begann eine Bierreis« durch da» Städtchen, di« an Alkoholckonstnn alle Rekorde schlug. Am Morgen wachte ich aus m Hamburg   Meine Freund« Ivi&en mich In den Zug geschoben und werterbelördert. Schlaftrunken rieb ich mir die Augen wach und griff mechamsch nach der'Tasche ineine» Rockes, die meinen Schatz, m«tn Manuskript enthielt Ein nainenloser Schrecken durchfuhr mich: das Manuskript war weg. Db man«« mir gestohlen hatte, ob ich es verloren hatte, darüber nach- nrdenken, wäre müßig gewesen, und es ändert« auch nichts an der Tatsache, es war weg. Ihr seid alle Leute von der Feder, und Ar mißt, was es heißt,«in Stück oder einen Roman noch einmal schreiben zu muffen. Ich glaube, daß das zu den furchtbarsten Dingen der Welt gehört und daß es einem nie völlig gelingt. Man ist überzeugt, daß dl« erste Niederschrift die best- war, und die Angst.
die Qualität der ersten Niederschrift nicht erreichen zu können, handikapt einem vom ersten Wort an und lähmt die Hand. Trotz- dem sah ich ein. daß ich die schreckliche Sache unternehmen müff«. Ich wollte den Roman gleich nochmals schreiben, und zwar hier in Hamburg  . Aber ich gab den Gedanken bald aus. Erstens würbe ich in Hamburg   nicht die richtige Sammlung finden, zweitens wäre der Aufenthalt hier zu kostspielig, und so entschloß ich mich denn, wieder noch Hause zur Mutter zu fahren. Ar könnt euch denken, in welcher Laune und in welcher Stimmung. Ms der Zug wieder in Insterburg   hielt, sprang ich, einer plötzlichen Eingebung folgend, aus dem Waggon. Bielleicht waren die Freund« noch da und halfen mir mit Trost und Anspruch. Aber niemand mehr war da, oll« waren fortgefahren. Es ging heute auch kein Zug mehr, ich mußt« hier übernachten. Ich ging also in einen Gasthof, ließ mir ein Zimmer geben und versucht« zu schreiben. Aber es ging nicht, der Ofen rauchte, die Lampe blakte, ich hielt es im Zimmer nicht mehr aus. 5ich ging auf di« Straße hinunter. Ein Schneesturm segte durch die Gaffen, es war höchst ungemütlich in Insterburg  . Was sollte ich des Abends hier anfangen? Da sah ich einen Schutzmann. der«inen sehr gemütlichen Eindruck macht«. Ich ging auf ihn zu und sagte:.Hören Sie, mein lieber Freund, gibt's hier kein Lokal, wo man sich amüsieren kann?" Der Schutzmann zwinkerte listig mit den Augen, nickte verständnisvoll mit dem.Kopf und erbot sich, mich zu führen. Das Lokal, in das er mich brachte, war feien wir dezent ein Lokal mit Damenbedienmrg. Ich sah mich plötzlich von einer Schar von Huldinnen umringt, die alle um meine Gunst buhlten und um den Vorzug, von mir erkoren zu werden. Ich prüfte, vorglich und wählte schließlich das Mädchen, das mir am hübschesten erschien. Aber ehe der Abend seinen Fortgang nahm, geschah etwas Unerwartetes. Das Essen im Iosterburger Gasthof muß nicht bo- sonders gut gewesen sein, kurz, ich richtete eint diskrete Frag« an mein« Gefährtin. A ebenso diskreter Weise übergab sie mir einen rostigen Schlüffel und flüsterte mir ins Ohr:Ueber den Hof gleich rechts." Vorsorglich gab sie auch eine Laterne mit auf den Weg. Ich ging über den Hof, sperrte auf, stellte die Laterne aus den Boden und setzte mich. Und wie ich nun aus dir Wand blickte, auf die der Schein der Laterne fiel, siehe da, was erblickten meine vor Ber- blüffung weit ausgerissenen Augen? Bor mir hing fein säuberlich auf«inen Nagel gespießt das Manuskript derFrau Sorge  ". Es fehlten mir noch ein paar'Blätter. Offenbar waren wir auf unserer Bmnmelreise auch in dies Lokal geraten, ich hatte hier mein Momi- stript aus der Tasche verloren, und«s war einer Bestimmung zu- geführt worden, die ihm sozusagen nicht an der Wiege gesungen war. Ihr könnt Euch denken, welchen Freudensprung ich machter- Welche Kette von Zufällen war nötig gewesen, um mich mein verlorenes Manuskript wied'erftnden zu lassen. Als Romanschriftsteller würde ich es nie wagen, etwas so Unwahrscheinliches zu schreiben." Sudermamr hatte geschlossen, �und wir lachten, daß uns die Tränen über die Wangen liefen. Sudermann war«in wundervoller Erzähler, und ich habe die Drastik seiner Erzählung hier stark mildern müssen. Dann aber nahm uns Sudermann das Wort ab, nor seinem Tode die Geschichte-nicht weiter zu erzählen. Dies Wort haben wir olle gehalten. Aber nun, da er tot ist, klinge ihm unser Lachen von damals als letztes Grüßen seiner Freunde noch.
S&um QedäcMnis Stosenows
" Am«. März 1871 wird in Köln  , der buntbewegtcn Stadt d-s rheinischen Frohsinns, ein Mensch geboren wie jeder andere, Sohn eine? Schuhmachermeffiers in wohlgeordneten Verhältnissen. Dieser Mensch wächst heran. wie jeder ander«, inmitten van Geschwistern. mohlgeborgen im Schöße des Familienlebens, er besucht eine der besten Mittelschulen Kölns   und hebt sich aus seiner bürgerlichen Sphäre nur dadurch hervor, daß er von außerordentlich hohem Wuchs ist, über einen klaren, lebendig anschaulichen Verstand ver- rügt und durch sein allzeit warmes, frisch fröhliches Wesen die Sympathien seiner Mitwelt gewinnt. Da greift in diese ruhig« Entwicklung das Schicksal, läßt den Vater erkranken, erblinden, sterben. Was Wohlstand und Se'bst- nerständlichkeit war, wird Not um den toglichen Bedarf und Sorge um die Gestaltung des Lebens. Was Segen war, wird jetzt Lost: die Kinder. Was tragender Mittelpunkt der Familie war, die gütige Zartheit der Mutter, wird mm Sarge um ihr« Gesundheit. Emil Roscnow muß jetzt die Volksschule besuchen, er ist damals 10 Jahre alt. herausgerissen aus der warmen Atmosphäre seines bisherigen Lebens, hineingestellt in Not und Leid der Gedrückten, Verbitterten, frühreif, intuitiv erfassend, was vorgeht, so durchlebte er vier Ahr  «. Er bildete in dieser Zeit in seinem Herzen eine tiefe, unerschütterliche Liebe zu den Menschen au?. Mit 10 Iahren er­fährt er das entscheidend« Erlebnis. Alles war in ihm: Kraft, Gewmidtheit. Liebe, Humor. Klugheit, Begabung reicher Art. nun kam die Richtung, in der sich dieser Geist entwickeln sollte. Al�r noch schlummerte das alles, war nicht ausgebrochen. Da kommt das Schicksal zum zweltcnmal, läßt die Mutter sterben und stellt den vierzehnjährigen Emil isoliert hinaus ins Leben, in kör- perliche Entbehrungen, Leiden, in Berufs- und Entwicklungsfragen. Er lebt unter Fremden. Nun brechen alle Möglichkeiten aus ihm heraus. Er lernt, was imd wo er lernen kann. Seine geistigen Interessen entscheiden sein« Entwicklung, er wird Buchhändler- lshrTng. Viele Reklambände sind in seinem Besitz, er lernt Sprachen, Naturwissenschaften, Geschichte, Religion. Mit 15 Ähren gibt er denKölner Humorist" heraus, eine wöchentlich erscheinende Zeitschrift, bei der«r fast völlig allein Verfasser, Drucker und Der- käuser ist. Er schreibt seine ersten Gedichte und Novellen, er bildet sich unermüdlich und hat sich bald ein« angesehene Stellung m einem größeren Bankhaus e erarbeitet. Aber nun kommt das Ent­scheidende setnes Lebens. Es geht ihm sehr gut. ober er weiß von vielen, denen es schlecht geht- Er hat die Nöte der Gedrückten nicht nur bei den Kameraden der Volksschule mitempfunden, er bat sie am eigenen- Leibe erlebt. Cr weiß, wie web der Hunger tut, wie schmerzhojl körperliche Züchtigungen sind, er kennt die Qual der Heimailosen, Verstoßenen. Er fühlt, wie schwer es ist, inmitten bitterster Not und mühseliger Arbeit«n freier, tapferer Mensch zu er«ckemlt. wieviel Verbitterung, Haß»ab Verbrechen besiegt
werden konnte, wenn man materielle und geistige ljilfe in die engen Stuben der Armut brächte. Er wird Sozialist aus Liebe. Alle Entwicklungsftädien seines späteren Lebens sind klar be- gründet in diesem entscheidenden Erlebnis. Er wirb Mitarbeiter einer sozialistischen   Zeitung, man stellt ihn vor die Alternativ«: Bankbeamter oder Sozialist, er hat nur eine Entscheidung: die für die Idee. Er verzichtet ans seine aussichtsreiche Laufbahn, wird Redakteur, schreibt Artikel, Novellen, einen Roman und sein erstes Bühnenstück, den EinakterDaheim". Er ist liebenswürdig, heiter, kein Fanatiker, geachtet und geehrt, wohm er kommt. Sein Tätigkeitsfeld erweitert sich, er geht nach Chemnitz   an«ine Zeitung, behält die Arbeit an ber Dortmunder   Zeitung bei, und entwickelt sich stetig und sicher. 1808 wählt man ihn. üi den Reichstag als jüngsten deutschen   Abgeordneten. Sein Bezirk ist das sächsische Erzgebirge  . Hier in den Häuslerstuben des Gebirges, im Herzen dieser schlichten, nawrnahen Menschen, unter Woldorbeitern und Spielwarenschnitzlcrn, findet er seine neue Heimat. Hier hält er seine Reben. Tausend« vertrauen ihm, glauben an ihn. Mit seiner jungen Frau zieht er nach Dortmund  , die Arbeit an der dortigen Zeitimg erfordert sein« Nähe. Hier begegnet ihm dos Antlitz des Volkes in anderer Gestalt. Es entsteht das Drama Die im Schatten leben". Kein Fanatismus, kein Haß ist darin zu spüren, er sieht und erlebt die Nöte dieser Männer, die in dumpfen Schächten der Erde, ohne Sonne ihr Leben in kurzen Iahren abtun, Kohlen graben und ständig mit dem Tode kämpfen. Er fühlt die Angst und Sorge der Frauen, die nicht nur den ge- liebten Menschen, sondern auch den Ernährer zu Grabe trogen, wenn das Schicksal pocht. Licht und Schatten sind gleichmäßig verteilt und über allem steht als höchster Wert die Sehnsucht nach dem lebendigen, pulsenden Leben. Immer mehr lristollisiert sich mm sein« Arbeit nach Berlin  : er wohnt dort, ist einer der begehrtesten Redner, arbeitet im Reichs- tag und schreibt nebenher in Nachtstunden, ohne Konzept, ein« der schönsten deutschen   Komödien:Kater Lampe." Die Welt des Erzgebirges wird hier wieder lebendig, mit köstlichem Humor sind alle dies« Typen gezeichnet, feine Nuancierung belebt hi««einen Scharmützel des alltäglichen Lebens. Nun steht Emil Rosenow   auf der Höh« setnes Seins. Ge- tragen von der Sympathie der Menschen, erfüllt von unermüdlicher Tatkraft, geliebt von Frau und Kind im eigenen Heim, sonnt er sich nn Glücke seines ersten großen Erfolges, der Uraufführung desKater Lampe". Vor ihm liegt ausgebreitet das Leben, liegen ernste Arbeitsgebiete, liegen die Hoffmingen schriftstellerischer Größe. Da packt ihn ein Gelenkrheumatismus und wirst ihn auf ein kurzes schweres Krankenlager. Zwischen Schmerzanfällen und worphiumbetäubtem Schlaf arbeiten seine Gedanken an seinem ttn-
vollendeten Stück von Gauklern und sahrenden Leuten. Aber sein Herz hält dem Ansturm nicht stand.?lm 7. Februar 1004. wahrend seine Hände unablässig die zuckenden Stöße des schwer arbeitenden Herzens mit Schlägen auf die Brust begleiten, formen seine Lippen die letzten Worte:Das ist die Stelle, wo die Erde lebt." Tage darauf begleitet eine ungeheure Wcnscheiunenge die sterb­lichen Rest« diese» heroischen, jäh abgebrochenen Lebens zu Grab« und setzt aus seinen Denkstein die Worte:Ein Sohn des Voltes wallt er bleiben." Sein Bild verblaßt, sein Name verschwindet, aber derKoter Lampe  " läuft über die deutschen   Bühnen und ver­körpert in seiner immer lebendigen Frische das Wesen dieses großen reinen Mannes. Und 25 Ahrc später, am 7. Februar 1020, schreibt seine Tochter diese Zeilen, um das Bild des Vaters der Nochwelt ins Gedächtnis zurückzurufen. Marianne Rosenow.
Itas die Eimiellung vermag Daß dt«liebe Einbildung" uns mancherlei Dinge vorgaukelt, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind, ist eine alte Tatsache. Aber wie weit«ine bestimmteseelische Einstellung" unsere Sinneswahr- nehmungen beeinflussen kann, dos hat erst die moderne Psychologie durch genau« Untersuchungen gezeigt. Dr. Wolter Ehrenstein, der m der Frankflirter WochenschriftDie Ilmschau" dieses Problem behandelt, führt dafür erstaunliche Beispiele an. So Hot der Würz- irnrger Psychologe Prof. Morde als Gerichtssachverständiger folgen- den Fall zu beurteilen gehabt:Ein Jäger war beaustragt worden, abends an einem Acker auf Wildschweine zu warten, die aus einem benachbarten Wald austreten würden. Bald hört« er Geräusche wie von lausendem Schwarzwild und erkannte an der Stelle, die ihm vorher besonders bezeichnet worden war, die erwarteten Wild- schweiue. Als diese nicht näher kamen, schoß er auf sie, und es stellte sich heraus, daß die vermeintlichen Wildschwein« zwei ahren- lesende Mädchen waren, von denen er«ins erschoß und dos andere verletzte. Diese Sinnestäuschung war mir durch die besondere Ein­stellung hervorgerufen. In einem anderen Fall hatte ein Straßen- bahnführer eines Abends mit feiner Frau einen ehelichen Zwist. bei dem diese erregt davonlief. Bald hörte der Straßenbahner Lärm, lief aus dem Haus und erfuhr, daß eine Frau in den be­nachbarten Fluß gesprungen sei. Die Selbstmörderin wurde her- ausgezogen, und der Straßenbahner erkannt« mit Bestimmtheit in ihr seine Frau: ebenso erkannten sie seine drei Geschwister. Tat- sächlich aber fand er später seine Frau ruhig schlafend in ihrem Zimmer, und es bestand überl>anpt keine Achnlichkeit zwischen den beiden Frauen. Der große Psychologe Mach berichtet in seinerAnalyse der Empfindungen" das folgende Erlebnis:Emen Wasserstrahl, dessen Hervortreten aus einem Kautschukschlauch ich erwartete, glaubte ich im halb.dunvLp Issaum wiederholt- deutlich zu sehen und erkannt» den Irrtum erst hurch Tasten mit dem Finger." Das Tollste aus dem Gebiet solcher Täuschungen dürste di«Entdeckung" sein, di« der sranzostsche Physiker Blondlat 1003 macht«. Unter dem Ein- druck der Entdeckung der.Rnntgönstrohlen glaubte er eine ähnliche Art von Strahlen gefunden zu haben, die dadurch sichtbar gemacht wurden, daß man göringe Mengen Schwefelkolzium ans«inen Schirm auftrug. Er erhielt für diese Entdeckung, die verschiedene andere Physiker bestätigten,«inen Preis von 50 000 Franken. Char- pentier stellte.sogar fest, daß die neuen Strahlen auch als Emana- tion des Gehirns austreten. Aber spätere Zlachprüsungen ergaben einwandfrei, daß diese Sirahlen überhaupt nicht vorhanden waren. Den klassischen Versuch für diese Wirkung der Einstellung Hab«, di« Psychologen Müller und Schumann geliefert: si«. ließen mit den, rechten Arm ein Gewicht non 3000 Gramm ZOmal heben und dann nach einiger Zeit ein anderes Gewicht, von dem die Versuchs- Personen wußten, daß es mn* 50 Gramm wog. Obwohl also die größer« Leichtigkeit des zweiten Gewichtes genau bekannt war, flog das Gewicht beim Heben mit der Hand jählings in die Höh«, denn gewisse, bei dem Hoben beteiligt« motorische Nerven hatten durch di« vorausgegangenen 50 Hebungen eines schwereren Gewichtes die Einstellung erhalten, auf olle sie treffenden Impulse mit Anwendung einer größeren Kraft zu reagieren. Diese Macht der Einstellung hat einen ungeheuren Einfluß aus alle Fragen des Geschmacks, ja. selbst aus die religiösen Vorstellungen. Daher kommt es, daß dos eine Volk das über alles liebt, was das andere verabscheut. Dorgesciüchüiche Schädeloperaiioiien Die Schädelöffnungen zu Heilzwecken, die sogenannten Tre- panationen gelten für ein« schwierig« Operation, werden aber auch schon bei primitiven Völkern ausgeführt und sind sogar schon in vorgeschichtlicher Zeit nachzuweisen. Während diese Oesfnungen der Gehirnschale bei den heutigen primitiven Völkern ausschließlich der Heilung von Schädelknochenbrüchen und mit Krämpfen verbündeneu Kronkheiten dienen, scheinen sie bei den vorgeschichtlichen Menschen mit dem Zauberkult in Verbindung gestanden zu haben. Das ergibt sich aus den Trepanationen an den Schädeln zweier Skelette, die in dem bei Wien   gelegenen Ort Guntramsdorf   ausgegraben wurden. Ueber die Bedeutung dieser beiden Schädel für di« vorgeschicht- lich« Forschung spricht Dr. Friedrich Wimmer in der Frankfurter WochenschriftDie Umschau". Die Gräber, aus denen di« Skelette stammen/gehören der La-T«ne-Aeit, etwa dem dritten vorchrist­lichen Jahrhundert an. Es waren Krieger in der bekonnten Hocker- ftellung begraben, die aber in dieser Epoche selten austritt: sie waren. in voller Bewaffnung mit Speer, Schwert und Schild bestattet worden. Die Trepanationen, die sich an zwei Schädeln finden, sind in ihrer Art ganz einzig d a st« h e n d: si« sind zweifach trepa- niort  , aus der-inen Seit« besuchet sich ein 1H Zentimeter breites Loch, auf der anderen eine bedeutend größere Oeffnung, die bei dem einen Schädel kleeblattförmig, beim anderen fünf- bis sechs- lappig ist. Die Berheilung des Knochens bei der kreisförmigen Oeffnung zeigt, daß di» Trepanation bei lsbeichigem Leibe gemacht wurde und ihr Träger noch eine Reihe von Ähren danach lebt«: die größeren Trepanationen müssen aber kurz vor dem Tode vor- genommen worden fern. Di« komplizierte Form dieser größeren Oesfnungen legt die Annahme nahe, daß es sich hier um einen magischen Kult handelte, und dafür spricht auch der Umstand, daß die Abfäll« solcher Trepanationen, kleine runde Scheiben, von den vorgeschichtlichen Menschen durchlocht an Halsketten getragen wurden, wohl um bös« Dämonen abzuwehren. Die Guntramsdorfer Funde nerbreiten auch Licht über die technische Durchführung dieser vor- geschichtlichen Schädeloperationen: sie müssen mit einem zirkel- förmigen Instrument ausgeführt Wörden sein, dessen Spitze an den Knochen angesetzt würbe.