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Morgenausgabe

Nr. 65

-46. Jahrgang

A 33

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Vorwärts

Beeliner Volksblatt

Freitag

8. Februar 1929

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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Es gibt feine Krise.

Ruhige Auffaffung der Lage nach dem Austritt der Zentrums.

Der Sozialdemokratische Pressedienst schreibt: Der Austritt des Zentrums aus der Reichs­regierung ist von der Deffentlichkeit im allgemeinen sehr ruhig aufgenommen worden und das hat seinen Grund wohl in der An­nahme, daß die Oppositionsstellung der Partei, die zehn Jahre hin­durch an allen Kabinetten beteiligt war, nicht von langer Dauer sein werde.

Was soll nun weiter werden? Wir sagen ganz offen, daß der gegenwärtige Zustand auf die Dauer schwer ertragbar ist. Wir werden, wenn feine Berständigung erfolgt, schließlich vor die Notwendigkeit der Reichstagsauflösung gestellt werden. Kann dieser Ausgang irgendjemanden wünschenswert er­scheinen, der den Parlamentarismus in Deutschland   bejaht? Sollten nicht alle Teile auch jezt noch bemüht sein, den Weg zu einer schnellen Einigung zu finden?

Möglichkeiten sind doch sicherlich vorhanden. In der Germania  " ist davon die Rede, daß Herr Kaas sich bereit erklärt habe, die von der Deutschen Volkspartei   gewünschte zahlenmäßige Bertretung von zwei Ministern in einem Kabinett der Großen Koalition in Preußen vom Reich aus zu ermirfen. Das ist zweifellos übertrieben. So

deutlich hat sich Herr Kaas nie ausgesprochen; und in dem Ben trumsbeschluß vom Mittwoch hieß es ja auch nur, daß der Partei vorfißende bereit sei, die preußische Sentrumsfrattion zu bitten, der Bolkspartei zwei Minister zuzugestehen. Aber in dem von demselben Blatte gegebenen Bericht über die Sigung des Ge­schäftsführenden Borstandes der Zentrumspartei   wird doch mitgeteilt, daß die anwesenden Mitglieder der preußischen Landtagsfraktion fich bereit erklärt hätten, der volksparteilichen Landtagsfraktion zwei Mi­nistersitze im preußischen Kabinett zuzugestehen, wenn Dr. Kaas fie

als Borsitzender der Partei darum ersuche.

Wir wollen nicht in eine Erörterung darüber eintreten, ob das alles bei den Mittwoch- Besprechungen der Fraktionen mit dem Reichskanzler flar genug ausgesprochen worden ist. Aber hier scheint doch eine Basis zu sein, auf der neue Verhandlungen mit Aussicht auf Erfolg geführt werden können. Es ist nur etwas guter Wille und die Bereitwilligkeit zum Verzicht auf formalisti­sche Spitfindigkeiten vonnöten. Dieser gute Wille sollte vorhanden sein in einem Augenblick, wo es nicht darauf ankommt, sich und die anderen an die Verdienste zu erinnern, die man sich durch opfervolle Mitarbeit in allen Kabinetten in der Bergangenheit um die deutsche Republif erworben hat, sondern wo sehr viel aufs Spiel gesetzt wird,

wenn man aus Rechthaberei oder aus Rücksicht auf die Parteipolitik oder auch aus besseren Gründen sich nicht entschließt, einem Zustand gefährlicher Unsicherheit ein schnelles Ende zu bereiten.

Eine Erklärung der Deutschen Volkspartei  . Die Deutsche Volkspartei   veröffentlicht zur politischen Lage fol­gende Erklärung:

Die Reichstagsfraktion der Deutschen Bolkspartei nimmt mit Bedauern Kenntnis von dem Beschluß der Zentrumsfraktion, ihren Minister aus der Reichsregierung zurückzuziehen. Sachliche Gründe für diese Entscheidung vermag sie nicht anzuerkennen, bosonders da die außenpolitische Lage und die Finanznot des die außenpolitische Lage und die Finanznot des Reiches mehr denn je eine tragfähige Mehrheit im Reichstag erfordert. Die Ablehnung der wohlbegründeten Forderung der Deutschen Volkspartei   auf gleichzeitige und gleichmäßige Regelung der Zusammensetzung der Regierungen in Preußen und im Reich durch das Zentrum berührt um so eigenartiger, als dieses Verlangen nicht nur von den übrigen beteiligten Parteien, sondern auch vom Zentrum felbst bereits vor Weihnachten und erneut in der gestrigen Besprechung der beteiligten Minister als berechtigt anerkannt ist. Die Frattion begrüßt den Entschluß des Reichskabinetts, in dieser verantwortungsvollen Stunde im Amt zu verbleiben. Sie hält sich nach Ausscheiden des Zentrums für doppelt verpflichtet, in der Reichspolitik dafür zu sorgen, daß bei dem notwendigen Aus­gleich die Interessen der nicht durch die Sozialdemokratie vertretenen Bollsteile gewahrt bleiben."

Auch die Bayerische   Bolfspartei erklärt.

Die Reichstagskorrespondenz der Bayerischen Volkspartei  schreibt u. a.: Der Beschluß der Bayerischen Volkspartei   auf vor­läufige Belaffung des Ministers in der Regierung beruht einmal auf der Tatsache, daß die Fraktion der Bayerischen Bolkspartei, wie der Gang der Verhandlungen zeigt, an diesem Konflikt nicht be­teiligt war, ferner auf der Tatsache, daß nach wie vor keine foali­tionsmäßigen Bindungen verlangt werden, und schließlich darauf, daß die bisherigen Grundlagen für die Arbeit der Regierung nicht geändert erscheinen.

Koalitionsverhandlungen in Preußen.

Regierungsparteien, Zentrum, Sozialdemokraten und Demokraten, Der preußische Ministerpräsident Braun hat die preußischen auf Freitag nachmittag, 3 Uhr, zur Besprechung der Koalitions­frage eingeladen. Auch an die Deutsche   Boltspartei ist eine Ein­ladung zu dieser Sigung des Interfraktionellen Ausschusses er­gangen.

Die

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Spanien   unter Diftatur.

Stagnation in Wirtschaft und Politif.

Seit dem September 1923 steht Spanien   unter Diftatur. Die Aufstandsbewegungen, die von Zeit zu Zeit der euro­ päischen   Deffentlichkeit davon Runde geben, daß es unter der Oberfläche gärt, haben scheinbar meist nur militärischen Charakter und werden oft auf den Gegensatz zwischen den eigentlichen Spaniern und den Kataloniern zurückgeführt. Aber gerade dieser Gegensatz ist feineswegs nur ein natio­naler. Katalonien  , an der Nordoststrecke des Landes füdlich der Pyrenäen   gelegen, ist das Industriezentrum, hier gibt es auch eine starke industrielle Bourgeoisie, deren Interessen denen des Adels und des Groß= grundbesizes in vielen Dingen entgegenstehen, und ebenso ein nennenswertes Industrieproletariat.

Noch schärfer als dieser Gegensatz jedoch ist die soziale luft zwischen den Großgrundbesizern und der indu­striellen Bourgeoisie einerseits und der Masse der Bauern und Arbeiter andererseits. Die soziale Lage Spaniens   ent­spricht durchaus dem Bild, das bereits die großen Städte Boulevards, zwecklose, mit Prunk überladene Hochhäuser dem nach Spanien   fommenden Fremden bieten: lururiöse mit glänzenden Fassaden, Palast neben Balast, und dicht daneben unansehnliche, meist schmutzige Nebenstraßen. Wenn auch heute noch in Spanien   die Produktiv­wirtschaftliche wie die industrielle Produktion auch technisch fräfte nur wenig entwickelt sind, wenn die land­meist start zurückgeblieben ist, so deutet das auf eine Art Nationaleigenschaft der herrschenden spanischen   Klasse hin, auf ihre Unfähigkeit, die zur Verfügung stehenden Kräfte und Schäße irgendwie nugbringend zu verwerten. Man er­innere sich daran, daß Spanien   opt einigen Jahr­hunderten Europas   stärkster und reichster Staat war, der die Reichtümer des amerikanischen   Kon­tinents geraubt hatte und jahrhundertelang den größten Teil Süd- und Mittelamerifas ausbeuten fonnte. Der spanische Adel und ebenso der Klerus fonnten dank dieser Basis einen glänzenden Lurus entfalten, aber die Masse der Bevölkerung blieb ebenso arm wie vordem. Auch während Land von neuem bereichern, doch sind die sichtbaren wirt­des Weltkrieges fonnte sich Spanien   als neutral gebliebenes schaftlichen Ereignisse nur gering geblieben. Spanien   ist mit Naturschäzen vieler Art gesegnet. Es verfügt über Eisen-, Kupfer, Blei-, 3int- und 3innerze, über Phosphate, Schwefel, Stein- und Braunkohle, es hat große Wasserkräfte; aber bezeichnenderweise ist an der Ausbeute dieser Schäze zu einem sehr erheblichen Teil ausländisches Ka= pital( englisches, französisches und auch deutsches) be= teiligt. An diesem Zustand hat auch ein Defret des Dif­tators Primo de Rivera aus dem Jahre 1924 nichts ge­ändert, wonach alle Direktoren industrieller Gesellschaften Spanier sein müssen und ebenso 80 Broz. der Angestellten und 75 Proz. des Kapitals spanisch sein sollen.

Ausdehnung der Krisenfürsorge D. Breifſcheid, der als Fraktionsvorfihender in Berlin   geblieben der herrschenden Klaffe burch Gewaltmaßnahmen

Sozialdemokratische Anträge im Ausschuß angenommen.

Der Reichstagsausschuß für soziale Angelegenheiten nahm am Donnerstag bei Behandlung der Anträge zur Erwerbslosenfürsorge den sozialdemokratischen Antrag mit Mehrheit an, der die Ausdehnung der Krisenfürsorge auf alle Berufe und die all­gemeine Berlängerung der Bezugsdauer für die Krisenunterstützung auf 52 Wochen fordert. Der dritte Teil des Antrags, betreffend den Wegfall jeder Beschränkung der Bezugsdauer für Unterstützungs­empfänger über 40 Jahre wurde zurüdgezogen zugunsten einer Ent­schließung, die Annahme fand.

Zu einem Anfrag Moldenhauer( DBp.)- Schneider ( Dem.), der für die älteren Angestellten die Krisenfürsorge allgemein mindestens bis zum 4. mai 1929 ausdehnen will, wurde ein so 3ial­demokratischer 3ufahantrag angenommen, der dieselbe Bergünstigung auch für die Arbeiter verlangt. Der jo er­weiterte Antrag wurde dann gegen die Stimmen der Deutschen Volkspartei   und der Deutschnationalen mit Ausnahme der mit Ausnahme der Angestelltenvertreter angenommen.

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Die Biertänderfonferenz.

Beute vormittag Eröffnung.

London  , Z. Februar.( Eigenbericht.) Die Sozialistische Bierländerkonferenz beginnt Freitag 10 Uhr vormittags hier im Haufe des Transportarbeiterverbandes, das außer einer Reihe Gewerkschaften die ausgedehnten Arbeiter reife­organisationen beherbergt. Die erste Sihung wird vermutlich eine Rede Macdonalds eröffnen, der den Vorsitz führen dürfte. Jufolge der Grippe find in den Landesdelegationen Verände­

ist

ist, durch Stampfer ersetzt worden.

Die vier Väter des Vertrages. Stresemann- 3alesti- Briand  - Kellogg.

Warschau  , 7. Februar.

In seiner heutigen Situng hat der Sejm   nach einem Exposé des Außenministers Zaleski einstimmig in zweiter und dritter Lesung den Gese:: svorschlag über die Natifi zierung des Kellogg  - Paktes angenommen.

Außenminister Zaleski machte vor der Abstimmung in einer Rede darauf aufmerksam, daß der Grundgedanke zu dem Kellogg- Pakt von Polen   ausgegangen sei.

3aleffi spielt mit seiner Bemerkung auf den Beschluß der Völkerbundsversammlung vom Jahre 1927 an, der auf polnische Initiative hin zustandekam und den Angriffskrieg verdammte. So gesellen sich zu Briand  , den die Franzosen wegen seines Borschlages an Amerika  , und zu Kellogg  , den die Amerikaner als Vater des Battes bezeichnen, noch Zalesti hinzu. In einem so edlen Wettstreit braucht allerdings Deutschland   nicht zurückzubleiben. Da der wesent liche Inhalt des Kellogg   Pattes der Verzicht auf den Krieg ist, so geht er auf den Vertrag von Locarno   und die deutsche Initiative vom Februar 1925 zurüc

Aber wäre es nicht weitaus besser, wenn die Staatsmänner auf­hören würden, sich und die eigene Nation zu loben und statt dessen die Verdienste der anderen zu preisen! Selbstlob bringt noch immer in schlechten Geruch.

rungen eingetreten. Die endgültige Zusammensehung der Dele- Abreise der deutschen   Sachverständigen.

gationen zur Bierländerkonferenz ist: England: Sufanne Lawrence, Macdonald, Morreffon, Snowden, Graham, Tom Shaw, Cramp, Dalcon; Frankreich  : Brade, Renaudel, Longuet, Auriol, Grumbach  : Belgien  : Roosbroed, de Broudère.

Die deutschen   Sachverständigen zur Pariser   Repara­tionsbesprechung sind gestern abend von Berlin   nach Pa­ ris   abgereist.

Die Diftatur ist bestrebt, die mangelnde Fähigkeit verschiedener Art zu ersehen, die Produktivkräfte auf Kosten der breiten Bevölkerung. unter Beibe­haltung niedrigster Löhne, mit verstärktem Steuerdruck zu heben und auch die außenpolitische Position Spaniens   durch Berstärkung der imperialistischen Tendenzen wieder zu ver­größern.

Was die landwirtschaftliche Produktion betrifft, so ist sie gegenwärtig wohl etwas höher als vor dem Kriege, aber sowohl technisch als auch, was damit zu sammenhängt, den Produktionsergebnissen nach weit hinter anderen Ländern zurüd. Im Jahre 1927 betrug der durchschnittliche Ertrag von je einem Heftar bei Weizen und Roggen rund 9 Doppelzentner gegenüber 14 bis 19 Doppelzentnern in Deutschland  . In Spanien  wird dieser Rückstand damit entschuldigt, daß der Inanische

Boden schlechter fei als in den meisten europäischen   Ländern; in Wirklichkeit wäre es aber sehr wohl möglich. durch bessere Bodenbewäffering. Verwendung von Kunstdünger, Benuzung moderner Maschinen usw. die Ernteerträge noch sehr erheblich zu steigern.

Eine befonders schwache Entwicklung zeigt die spanische Fertigindustrie, die nicht in der Lage ist, den Be­darf der 22 Millionen zählenden Bevölkerung an wichtigen Konsumgütern zu decken. Primo de Rivera   hat, weniger aus wirtschaftlichen, als aus politischen Erwägungen, zu­gunsten der katalonischen Industrie verschiedene Schutzmaß­nahmen durchgeführt. Subventionsgelder bewilligt, hohe. 3ollbarrieren aufgerichtet, wodurch sich die Lage der industriellen Bourgeoisie zweifellos zunächst ge= befiert hat. Für die Reichstumsvermehrung dieser Klaffe zeugt zum Beispiel die Tatsache, daß sich allein in der Zeit von 1926 bis 1927 die Zahl der Kraftfahrzeuge von 76 000 auf 135 000 vermehrt hat. Demgegenüber ist die

Bermehrung der industriellen Brobuftion, soweit sie überhaupt eingetreten ist. nur gering geweien. Wie groß in Spanien   die Arbeitslosigkeit ist, darüber berichtet teine Statiftit. Was die Höhe der Löhne betrifft, so ist sie in Madrid   und in einigen anderen Städten